Jüdemann Rechtsanwälte (Berlin): Amtsgericht Charlottenburg – Keine Belehrungspflicht für volljährige Mitarbeiter – Volljährige Mitarbeiter sind wie Wohngemeinschaften, volljährige Besucher oder Gäste einzuordnen – Kläger hat gegen den Beklagten – keinen – Anspruch auf Zahlung von insgesamt 3.405,75 EUR!

10:29 Uhr

In einem aktuellen Filesharing Fall waren wir gegen eine Klage der Kanzlei „Rasch Rechtsanwälte“ für „Universal“ erfolgreich. Diese hatte den Inhaber eines Schmuckgeschäfts wegen Filesharing abgemahnt und auf Zahlung vor dem Amtsgericht Charlottenburg verklagt. Nach Ansicht des Gerichts treffen den Dienstherrn jedoch in Bezug auf volljährige Mitarbeiter keine Belehrungspflichten hinsichtlich des Internetanschlusses. Ihn treffen auch keine anlasslosen Prüf- und Kontrollpflichten. Das Gericht folgt damit einer aktuellen  Pressemeldung des BGH. Zudem folgte uns bei der Wertung des  Schlussantrages des Generalanwaltes am EuGH in der Rechtssache C-484/14, der eine Haftung für offenes WLAN ablehnt.

 

Amtsgericht Charlottenburg:
(…) Es handelt sich vorliegend aber gar nicht um einen privat genutzten Anschluss, sondern um einen solchen für ein Ladengeschäft mit Werkstatt, so dass bereits äußerst fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung entwickelte tatsächliche Vermutung, die auf der nachvollziehbaren Erwägung beruht, dass der private Anschlussinhaber im Zweifel selbst seinen Anschluss nutzt, überhaupt entsprechend anwendbar ist. (…)

 

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Rechtsanwalt Kai Jüdemann

Jüdemann Rechtsanwälte

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Bericht

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AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06.2016, Az. 231 C 65/16

 

(…)

In dem Rechtsstreit

der [Name],
– Klägerin –

– Prozessbevollmächtigte: [Name] -,

gegen

[Name]
– Beklagter –

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Jüdemann, Schlüterstraße 37, 10629 Berlin,-

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 231, auf die mündliche Verhandlung vom 11.05.2016 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin ist eine der führenden deutschen Tonträgerherstellerinnen und als solche Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte an dem Musikalbum „Lioness: Hidden Treasures“ der Künstlerin „Amy Winehouse“ enthaltenen Musiktiteln zu, und zwar den folgenden:

„1. Our Day Will Come,
2. Between The Cheats,
3. Tears Dry,
4. Will You Still Love Me Tomorrow,
5. Like Smoke,
6. Valerie,
7. The Girl From Ipanema,
8. Half Time ,
9. Wake Up Alone,
10. Best Friends, Right?,
11. Body and Soul,
12. A Song For You.“

Sie beauftragte die „proMedia GmbH“ mit der Überwachung von Internet-Tauschbörsen zwecks Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen.

Der Beklagte war im Jahr 2012 Inhaber eines Internetanschlusses der „Deutsche Telekom AG“ in dem von ihm betriebenen Ladengeschäft mit Werkstatt für sein [Name-]label „[Name]“.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 02.03.2012 mahnte die Klägerin den Beklagten wegen Anbietens des o.g. Musikalbum in einem Peer-to-Peer-Netzwerk ab und forderte ihn zur Zahlung von Schadensersatz und Ersatz von Anwaltskosten auf (Anlage K7 zur Klageschrift, Bl. 24-26 d.A.). Der Beklagte reagierte mit Schreiben vom 08.06.2012 (Anlage B1 zur Klageerwiderung, Bl. 57-58 d.A.).

Die Klägerin behauptet, dass der Beklagte das Musikalbum am 07.01.2012 um 12:33:17 Uhr über die IP-Adresse 91.**.**.72 zum Download für Dritte zur Verfügung gestellt habe. Dies stehe fest aufgrund der in ihrem Auftrag durchgeführten Ermittlungen der „proMedia GmbH“ und der Auskunft der „Deutsche Telekom AG“ aufgrund von des Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgerichts Köln vom 02.02.2012, wonach die ermittelte IP-Adresse zu der genannten Zeit dem Anschluss des Beklagten zugeordnet gewesen sei; was der Beklagte mit Nichtwissen bestreitet. Die Ermittlungssoftware arbeite fehlerfrei und werde regelmäßig überprüft. Das Zutreffen der Ermittlungen folge insbesondere daraus, dass noch zu einem zweiten Zeitpunkt, am 03.03.2012, um 14:35:56 Uhr, über die ebenfalls dem Anschluss des Beklagten zu diesem Zeitpunkt zugeordnete IP-Adresse 87.***.***.199 ein Upload des aus 16 Titeln bestehenden Musikalbums „Born To Die“ der Künstlerin „Lana del Rey“ erfolgt sei. Insoweit ist unstreitig, dass diesbezüglich keine Abmahnung erfolgt ist.

Nach Ansicht der Klägerin seien vom Beklagten für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung in Höhe einer 1,3 RVG Geschäftsgebühr nach einem Gegenstandswert in Höhe von 50.000,00 EUR zuzüglich Pauschale, somit in Höhe von 1.005,40 EUR, zu erstatten; außerdem Auslagen für das Auskunftsverfahren in Höhe von 1,35 EUR. Darüber hinaus stehe ihr ein Schadensersatz nach der Lizenzanalogie in Höhe von 2.400,00 EUR zu. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf die Ausführungen in der Klageschrift (dort Seite 15-20, Bl. 24-29 d.A.) verwiesen.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 2.400,00 EUR Wertersatz und 1.005,40 EUR Kostenersatz nebst jeweils Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins­satz seit Rechtshängigkeit und 1,35 EUR Auslagen zu zahlen

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er behauptet, er habe das Album zu keinem Zeitpunkt über das Internet Dritten zum Download zur Verfügung gestellt. In seinem Unternehmen arbeiteten regelmäßig bis zu zehn Mitarbeiter / innen, die Zugang zum Internet über den Anschluss des Beklagten hätten, u.a. die von ihm namentlich benannte [Name]. Er sei zum behaupteten Zeitpunkt, einem Samstag, gar nicht in der Werkstatt bzw. dem Ladengeschäft und sein dort befindlicher Computer sei ausgeschaltet gewesen. Hingegen sei die Zeugin [Name] in seiner Abwesenheit in den Geschäftsräumen gewesen. Die Zeugin [Name] habe auf Nachfrage die Tat bestritten, aber eingeräumt, mit Filesharing vertraut zu sein. Auch einige andere Mitarbeiter verfügten über eigene Schlüssel für die Werkstatt. Der Beklagte behauptet weiter, die Nutzung der Mitarbeiter sei mit der Maßgabe und Weisung erfolgt, dass keine illegalen Downloads erfolgen dürften. Der Router sei durch ein nutzereigenes WPA2-Passwort geschützt.

Die Klägerin bestreitet all dies mit Nichtwissen.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

Das Amtsgericht Charlottenburg ist gemäß §§12,13 ZPO, §§ 104a, 105 UrhG i.V.m. mit der gerichtlichen Konzentration in Berlin für Urheberrechtsstreitigkeiten ausschließlich zuständig.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von insgesamt 3.405,75 EUR.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gemäß § 97 Abs. 2 UrhG gegen den Beklagten als Täter der von ihr der behaupteten Urheberrechtsverletzung.

Sie ist zwar unstreitig aktivlegitimiert. Dass die Ermittlung der IP-Adresse und deren Zuordnung zu dem behaupteten Zeitpunkt zutreffend war, sowie, dass tatsächlich von dieser IP-Adresse ein Upload des streitgegenständlichen Musikalbums erfolgte, kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden. Hieran bestehen auch keine ernstlichen Zweifel angesichts der Darstellung der Klägerin, wonach noch ein anderes Musikalbum knapp zwei Monate später ebenfalls ermittelt und nach Auskunftsbeschluss und Auskunft der Deutsche Telekom AG dem Anschluss des Beklagten zugeordnet wurde.

Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers als anspruchsbegründende Tatsache ist aber nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen von der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen (OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012, Az. I-6 U 239/11, 6 U 239/11, -juris, BGH, Urteil vom 15. November 2012, GRUR 2013, 511 – „Morpheus“), wobei allerdings nach der obergerichtlichen Rechtsprechung gewisse Beweiserleichterungen gelten sollen.

Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so soll im Allgemeinen eine tatsächliche Vermutung dafür sprechen, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“). Daraus wiederum folge auch eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, welcher geltend macht, nicht er sondern eine andere Person müsse die Rechtsverletzung begangen haben, da die betreffenden Vorgänge allein in seiner Sphäre liegen. Eine Umkehr der Beweislast ist damit aber ebenso wenig verbunden wie eine über seine prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, der Gegnerin alle für ihren Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (OLG Köln, a.a.O. m.w.N.). Der Anschlussinhaber genügt vielmehr der von der Rechtsprechung entwickelten sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und wenn ja, welche Personen im relevanten Zeitraum selbstständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen; in diesem Umfang kann der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet sein (vgl. BGH, Urteil vom 08. Januar 2014,1ZR 169/12 – „BearShare“).

Es handelt sich vorliegend aber gar nicht um einen privat genutzten Anschluss, sondern um einen solchen für ein Ladengeschäft mit Werkstatt, so dass bereits äußerst fraglich ist, ob die von der Rechtsprechung entwickelte tatsächliche Vermutung, die auf der nachvollziehbaren Erwägung beruht, dass der private Anschlussinhaber im Zweifel selbst seinen Anschluss nutzt, überhaupt entsprechend anwendbar ist.

Jedenfalls aber spricht auch bei Zugrundelegung der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze keine tatsächliche Vermutung (mehr) für eine Täterschaft des Beklagten, denn er ist seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er vorgetragen hat, dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch mindestens eine andere Person, nämlich die namentlich benannten Mitarbeiterin, diesen Anschluss mit seiner Kenntnis benutzen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, a.a.O.). Es spricht aufgrund des erheblichen und in sich schlüssigen Gegenvortrags des Beklagten nicht mehr dafür, dass der Beklagte, nur weil er selbst als Geschäftsinhaber auch Anschlussinhaber ist, die – unterstellte – Rechtsverletzung begangen hat, als die den Anschluss in gleicher Art und Weise nutzende Mitarbeiterin. Vielmehr spricht eindeutig dagegen, dass der Beklagte angegeben hat, im Tatzeitraum gar nicht im Laden gewesen zu sein. Zwar setzt das Filesharing eine Anwesenheit nicht voraus, jedoch erscheint es schon nicht plausibel, dass jemand, bevor er für das Wochenende sein Geschäft verlässt, noch einen Download- (und damit zugleich Upload-)vorgang für ein Musikalbum in Gang setzt. Zudem gibt der Beklagte aber sogar an, dass der von ihm persönlich im Büro genutzte Computer ausgeschaltet gewesen sei; Voraussetzungen für die Nutzung der Tauschbörse wer aber jedenfalls eine bestehende Internetverbindung. Schließlich gibt der Beklagte konkret an, das im Gegensatz zu ihm die Zeugin [Name] zum behaupteten Tatzeitpunkt in der Werkstatt gewesen sei, so dass es jedenfalls nicht wahrscheinlicher erscheint, dass der Beklagte der Täter war als diese andere Person. Der Beklagte hat die andere Nutzerin nach seinen Angaben auch ergebnislos befragt, mehr ist ihm insoweit nicht zuzumuten. Beweis über die Behauptungen des Beklagten war entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu erheben. Zur Erschütterung der von der Rechtsprechung entwickelten Vermutung reicht vielmehr schlüssiger Gegenvortrag aus. Unter diesen Umständen ist es wiederum Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter oder Teilnehmer einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (vgl. BGH, GRUR 2013, 511 ff – „Morpheus“). Solche Umstände hat die Klägerin nicht dargetan; ein taugliches Beweisangebot erfolgt nicht. Sie bestreitet lediglich fast den gesamten Gegenvortrag mit Nichtwissen, was zwar nach § 138 Abs. 4 ZPO zulässig ist, aber nicht dazu führt, dass erheblicher Vortrag hinsichtlich der Täterschaft vorliegt; zudem ist insbesondere unstreitig geblieben, dass es sich eben gerade nicht um einen Privatanschluss, sondern einen Geschäftsanschluss handelt.

Auch aus den neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus Juni 2015 (Urteile vom 11.06.2015, Az. I ZR 19/14, I ZR 21/14 und I ZR 75/14, – juris) folgt nicht, dass der Vortrag des Anschlussinhabers zur Erschütterung der tatsächlichen Vermutung von diesem bewiesen werden müsse. Der BGH hatte vielmehr in keinem der drei Rechtsstreite über die Beweislast im Falle ausreichenden Tatsachenvortrages zur Erschütterung der Vermutung zu entscheiden. Es ging in dem „Mallorca-Fall“ (Az. I ZR 19/14) gerade nicht primär darum, dass die Beklagtenseite einen alternativen Geschehensablauf dargetan hatte. Vielmehr hat sie dort behauptet, niemand aus der Familie komme als Täter in Betracht, da sie sich die gesamte Familie im Urlaub befunden habe. Dies ist aber gerade kein Vortrag im Sinne der vorliegend in Bezug genommenen „BearShare“- Entscheidung. Denn damit wird lediglich die Richtigkeit der Ermittlung bestritten. Selbstverständlich war dann – wie geschehen – Beweis über die Ordnungsgemäßheit der Ermittlung zu erheben und die Familienmitglieder waren gegenbeweislich als Zeugen zu vernehmen.

Dies hat jedoch entgegen der Ansicht der Klägerseite nichts mit der Erschütterung der Vermutung zu tun. Erst sozusagen hilfsweise stellte der dortige Beklagte in den Raum, eines seiner Kinder habe möglicherweise dies doch getan haben können, wobei der Vortrag auf Vermutungen beruhte, vage und in sich und insbesondere zum Hauptvortrag dort widersprüchlich war. All diese Besonderheiten fehlen hier. Es ist eine konkrete eigenverantwortliche Nutzungsmöglichkeit der erwachsenen Mitarbeiterin zum von der Klägerin behaupteten Tatzeitpunkt seitens des Beklagten dargetan. Ähnliches gilt für die beiden anderen vom BGH zu entscheidenden Fälle, bei denen es in einem Fall nur um die Belehrung der feststehenden minderjährigen Täterin ging (Az. I ZR 7/14) und in dem dritten Fall (Az. I ZR 19/14) ebenfalls nicht um einen alternativen Geschehensablauf, sondern – wie im „Mallorca-Fall“ – um das Bestreiten der Täterschaft sämtlicher dortiger Familienmitglieder (und mithin auch dort um das Bestreiten der Richtigkeit der Ermittlung).

II.

Die Klägerin hat schließlich auch keinen Anspruch gegen den Beklagten als so genannter Störer. Danach könnte sie nach §§ 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F, 683, 670 BGB ohnehin nur Aufwendungen ersetzt verlangen; Schadensersatz nach der sog. Lizenzanalogie, den sie in Höhe 2.400,00 EUR mit der Klage begehrt, scheidet insoweit von vornherein aus.

Da die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang sich danach bestimmt, ob und in wieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH, „Morpheus“ a.a.O.).

Den Beklagten treffen in Bezug auf seine erwachsene Mitarbeiterin keine Belehrungspflichten hinsichtlich des Internetanschlusses (vgl. noch nicht im Volltext veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.05.2016, Az. I ZR 86/15 betreffend Wohngemeinschaften, volljährige Besucher oder Gäste). Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den anderen Nutzern um volljährige Mitarbeiter, hier kann daher nichts anderes gelten. Beweis war daher nicht zu erheben, es kann dahin stehen, ob der Beklagte wie behauptet eine Belehrung vorgenommen hat. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung ist nicht nötig. In der mündlichen Verhandlung hatte das Gericht – wegen der entsprechenden bisherigen Rechtsprechung des Berufungsgerichts – zwar noch angedeutet, dass ggf. hier eine Beweisaufnahme stattfinden müsse, jedoch hatte die Beklagtenseite bereits mit der Klageerwiderung unter Bezug auf das beim EuGH anhängige Verfahren zum Az. C-484/14 die Ansicht vertreten, dass dies nicht notwendig sei, und es verstößt daher nicht gegen das rechtliche Gehör der Klägerin, welche hierauf bereits Gelegenheit zur Stellungnahme hatte, wenn das Gericht sich aufgrund der zwischenzeitlich ergangenen obergerichtlichen Entscheidung, nunmehr dieser Ansicht anschließt.

Anlasslose Prüf- oder Kontrollpflichten hatte der Beklagte ebenso wenig. Denn bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Mitarbeiter / innen ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Volljährige für ihre Handlungen selbst verantwortlich sind. Erst wenn der Anschlussinhaber – etwa aufgrund einer Abmahnung – konkreten Anlass für die Befürchtung haben muss, dass die anderen Nutzer den Internetanschluss für Rechtsverletzungen missbrauchen, hat er die zur Verhinderung von Rechtsverletzungen erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen (BGH, a.a.O.). Dass der Beklagte vor dem streitgegenständlichen Vorfall Anlass hatte, einen Missbrauch des Internetanschlusses durch Mitarbeiter / innen zu befürchten, hat die Klägerin nicht vorgetragen und ist auch nicht ersichtlich. Erst danach soll es nach ihrem Vortrag eine weitere Urheberrechtsverlet­zung zulasten der Klägerin gegeben haben. Diese soll am 03.03.2012 um 14:35:56 Uhr stattgefunden haben, das streitgegenständliche Abmahnschreiben ist allerdings erst auf den 02.03.2012 datiert, so dass es ausgeschlossen erscheint, dass der Beklagte dieses bereits am nächsten Tag vor dem maßgeblichen Zeitpunkt erhalten haben sollte, zumal auch der 03.03.2012 wieder ein Samstag war. Dies könnte allerdings ohnehin nur Auswirkungen auf eine Störerhaftung bezüglich des weiteren Verstoßes haben, der aber nicht streitgegenständlich ist; hingegen behauptet die Klägerin keine Abmahnung vor der hiesigen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO. (…)

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AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06.2016, Az. 231 C 65/16

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