WALDORF FROMMER: Behauptungen ins Blaue hinein sind nicht geeignet, die Täterschaft des Anschlussinhabers auszuschließen

23:53 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen

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Autorin:
Rechtsanwältin Linda Haß

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In dem Verfahren hat die Beklagte ihre persönliche Verantwortlichkeit für die Rechtsverletzung bestritten und insoweit auf ihre angebliche Ortsabwesenheit verwiesen. Zudem hätte auch ihr Sohn eine generelle Zugriffsmöglichkeit gehabt. Dieser komme nach Ansicht der Beklagten daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht.

Der Sohn der Beklagten wurde sodann als Zeuge gehört, berief sich im Termin jedoch auf sein Zeugnisverweigerungsrecht. Die Beklagtenseite revidierte daraufhin in der informatorischen Befragung ihren bisherigen Vortrag dahingehend, dass sie in Wahrheit gar nicht wisse, ob ihr Sohn überhaupt die Zugangsdaten für den Internetanschluss und somit die Möglichkeit des Zugriffs hatte.

Das Gericht reagierte entsprechend und stellte fest, dass es sich – nicht zuletzt aufgrund des nun umgestellten Vortrags – bei der behaupteten möglichen Alleintäterschaft des Sohnes um eine reine Behauptung ins Blaue hinein handle. Diese sei weder geeignet die tatsächliche Vermutung der Täterschaft der Beklagten zu widerlegen, noch die sekundäre Darlegungslast zu erfüllen:

„Substantiierte Umstände, die einen alternativen Geschehensablauf nahelegen oder es möglich erscheinen lassen und geeignet sind, die tatsächliche Vermutung, dass die Verletzung von ihr als Inhaberin des Internetanschlusses begangen wurde, zu widerlegen, sind von der Beklagten nach oben Gesagtem nicht vorgetragen.“

Auch zu der angeblichen Ortsabwesenheit der Beklagten zu den streitgegenständlichen Zeiten fand das Gericht deutliche Worte und stellte klar, dass diese Ausführungen nicht geeignet sind, die Täterschaft der Beklagten auszuschließen.

„Auch die Behauptung der Beklagten sie sei am 16.12.2012 nicht zu Hause gewesen, vermag diese tatsächliche Vermutung nicht zu widerlegen. Gerichtsbekannt ist die gleichzeitige Anwesenheit des Anschlussinhabers im Moment der festgestellten Verletzungshandlung nicht erforderlich, da die Verletzungshandlung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Gang gesetzt werden sein kann. Eine ständige räumliche Anwesenheit während des Zeitpunktes der Verletzungshandlung ist nicht erforderlich.“

Im Ergebnis wurde die Beklagte zur Zahlung des geltend gemachten Schadensersatzes sowie zu Ersatz der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten verurteilt und hat zudem die vollen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2016, Az. 31 C 2837/15 (74)

 

(…) hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Richter am Amtsgericht [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2016

für Recht erkannt:

1. Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg vom 16.07.2015, Aktenzeichen [Az.] bleibt aufrechterhalten.
2. Die Beklage hat die weiteren Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des von der Klägerin zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche aus einer behaupteten Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin ist Inhaberin zahlreicher ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte zur öffentlichen Zugänglichmachung über Filesharing- Netzwerke an Filmwerken. Zur Überwachung möglicher Verletzungen ihrer Nutzungs- und Verwertungsrechte durch anbieten urheberrechtlich geschützter Werke beauftragte sie die ipoque GmbH mit der Überwachung‘ von Tauschbörsen zwecks Ermittlung der illegalen Verbreitung ihrer urheberrechtlich geschützten Bild- / und Tonaufnahmen in Tauschbörsen. Dieses beauftragte Unternehmen führt seine Überwachungs- und Ermittlungstätigkeit durch Verwendung des „Peer- to- Peer Forensic System“ („PFS“) durch, dass die IP-Adresse, über die eine Rechtsverletzung begangen wurde, und den File- Hashwert des jeweiligen Werkes sowie den Zeitpunkt des Anbietens dieses Werkes zum Download dokumentiert. Bei dieser Software handelt es sich um eine Software, die sich wie ein regulärer Client mit dem Netzwerk verbindet und Daten über die Aktivitäten anderer Clients, die bestimmte Dateien zum Download anbieten, protokoliert und in eine Datenbank hineinschreibt.

Am [Datum] protokolierte die ipoque GmbH mittels dieser Software das die Datei mit dem Filehashwert [Hash] am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr ausgehend von einem Rechner, welcher über die IP-Adresse [IP] und am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr ausgehend von Rechner, welcher über die IP-Adresse [IP] mit dem Netzwerk verbunden war, vervielfältigt und damit anderen Nutzern zum Download angeboten wurde Diese Datei bzw. Dateigruppe enthält das Filmwerk bzw. Teile des Filmwerks [Name]. Auf Vervielfältigungsstücken dieses Filmwerks ist die Klägerin durch Copyrightvermerk als Herstellerin des Filmwerkes bezeichnet.

Unter Angabe der durch das PFS ermittelten Angebotsdaten erwirkte die Klägerin beim Landgericht Köln einen Beschluss, der den Provider Deutsche Telekom AG zur Auskunft über den zugehörigen Anschlussinhaber der von PFS ermittelten IP-Adresse verpflichtete. Dieser wies die übermittelten IP-Adressen dem Anschluss der Beklagten zu, die zum maßgeblichen Zeitpunkt über einen Internetanschluss bei T-Online verfügte, den sie über ein Passwort geschütztes WLAN nutzte.

Mit Schreiben vom [Datum] mahnte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte wegen einer Urheberrechtsverletzung am Werk [Name] ab und forderte diese unter gleichzeitiger Abgabe eines Vergleichsangebotes, wonach die Angelegenheit mit Zahlung eines Betrages von 956,00 EUR erledigt sein sollte, zur Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung auf. Die Beklagte gab diese in der Folge nicht ab und leistete auch keine Zahlung an die Klägerin.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten wegen der behaupteten Urheberrechtsverletzung Ermittlung der ihr entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 506,00 EUR sowie Schadensersatz in Form einer Lizenzentschädigung in Hohe von 600,00 EUR. Sie behauptet, die von „PFS“ ermittelten Daten wiesen eine eindeutige Zuordnung der Rechtsverletzung durch die Beklagte zu. Das nach streng forensischen Grundsätzen entwickelte Ermittlungssystem ermögliche die exakte Rekonstruktion der Rechtsverletzung anhand der im Einzelfall erfassten Rohdaten. Soweit die Beklagte behauptet, die Rechtsverletzung habe auch durch ihren im Haushalt lebenden Sohn begangen worden sein können, habe dieser zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung keinen Zugriff auf den Internetanschluss der Beklagten gehabt.

Die Klägerin ist darüber hinaus der Ansicht, der von ihr geltend gemachte Lizenzschaden sei angesichts des Einzelverkaufspreises des Werkes sowie der Lizenzhöhe bei Video- On Demand- Portalen angemessen. Als Geschäftswert für die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten sei jedenfalls ein Gegenstandswert von 10.000,00 Euro zugrunde zu legen.

Gegen die Beklagte ist am 16.07.2015, der Beklagten zugestellt am 21.07.2015, ein Vollstreckungsbescheid ergangen, wonach diese zur Zahlung eines Lizenzschadens in Hohe von 600,00 EUR sowie Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR nebst Zinsen verurteilt wurde. Hiergegen hat die Beklagte mit bei Gericht am 03.08.2015 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg, Aktenzeichen [Az.] aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,
den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Coburg, Aktenzeichen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie sei zum maßgeblichen Verletzungszeitraum am [Datum] nicht zu Hause gewesen und habe auch zu keinem Zeitpunkt ein Tauschbörsenprogramm auf ihrem Computer installiert gehabt. Eine Verletzungshandlung habe möglicherweise durch ihren Sohn begangen werden können, der in ihrem Haushalt lebe und an diesem Tag zu Hause gewesen sei.

Soweit die ipoque GmbH zur Ermittlung des Filehashwertes sowie der IP-Adresse das PFS verwendet habe, bestreitet die Beklagte, dass dieses einwandfrei funktioniere und Gewähr für eine korrekte Ermittlung der IP-Adresse biete. Gegen eine richtige IP-Adresse Datenermittlung spreche im Übrigen, dass die behaupteten Urheberrechtsverstöße am [Datum] zwei verschiedene IP-Adressen innerhalb eines Zeitraums von 4 Stunden festgestellt haben.

Die Beklagte bestreitet des Weiteren, dass der Klägerin Rechte an dem streitgegenständlichen Filmwerk zustehen. Ebenfalls sei der in Ansatz gebrachte Lizenzschaden unangemessen hoch. Auch sei der zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren zugrunde gelegte Geschäftswert in Höhe von 10.000,00 EUR weit überhöht. Gemäß § 97a Urhebergesetz alte Fassung könne die Klägerin allenfalls 100,00 EUR Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen, da es sich vorliegend um einen einfach gelagerten Fall mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs handelte

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die wechselseitig eingereichten Schriftsatze verwiesen.

Es ist Beweis erhoben worden gemäß Beweisbeschluss vom 20.10.2015 durch Vernehmung des Zeugen [Name]. Zudem wurde die Beklagte angehört. Wegen des Inhaltes der Beweisaufnahme und der Anhörung wird auf das Sitzungsprotokoll vom 01.12.2015 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch auf Zahlung einer Lizenzentschädigung nach den §§ 97a Abs. 1 Satz 1, Satz 3, 19a, 2 Nr. 6 Urhebergesetz zu.

Die Klägerin ist gemäß der §§ 94 Abs 4, 10 Abs. 1 Urhebergesetz als Urheber des streitgegenständlichen Werkes anzusehen, da sie ausweislich des Covers des streitgegenständlichen Werkes in üblicher Weise als Urheber und Rechtsinhaber bezeichnet ist. Damit wird widerleglich ihre Inhaberschaft der Leistungsschutzrechte vermutet. Die Beklagte hat keine substantiierten Tatsachen zur Widerlegung dieser Vermutung vorgetragen. Das einfache Bestreiten der Beklagten vermag dieser Vermutung nicht zu widerlegen.

Das Gericht stellt darüber hinaus fest, dass die Beklagte die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung begangen hat.

Die Klägerin ließ die für den Zeitpunkt der Rechtsverletzung maßgebliche IP-Adresse durch Heranziehung eines spezialisierten Unternehmens unter Verwendung des „Peer-to-Peer Forensic System“ („PFS“) ermitteln und erwirkte einen Beschluss des Landgerichts Köln, der den zugehörigen Internetprovider Deutsche Telekom AG zur Auskunft hinsichtlich des Anschluss nach § 101 Urhebergesetz verpflichtete. Diese wies die ermittelten dynamischen IP-Adressen für den Zeitpunkt der streitgegenständlichen Urheberechtsverletzungen der Beklagten zu.

Es handelt sich bei diesem Vorgehen um ein übliches technisches Vorgehen, dessen Korrektheit nicht mit schlichtem Bestreiten angegriffen werden kann. Vielmehr ist auf Grund der Üblichkeit und in einer Vielzahl von Verfahren überprüften technischen Zuverlässigkeit des entsprechendes Verfahrens darauf zu schließen, dass außerhalb von atypischen Sonderfällen nicht das Ermittlungsverfahren als solches oder darin enthaltene theoretische mögliche Fehler, sondern vielmehr konkrete Anhaltspunkte für im Einzelfall auftretende Unzulänglichkeiten des Ermittlungsvorganges notwendige dazutun sind, um die Annahme der Korrektheit der Ermittlung zu entkräften (vgl. OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013, Az. 1-6 U 205/12; BGH, Beschluss vom 11.06.2015, Az.: I ZR 19/14). Entsprechendes hatte die Beklagte nicht hinreichend dargetan. Ihr Vorbringen beschränkte sich vielmehr im Wesentlichen auf den Verweis auf die Ermittlungsungenauigkeit bzgl. jeweils neu vergebenen, so genannten dynamischen IP-Adressen, was angesichts der sekundengenauen Ermittlung der IP-Adresse durch die Klägerin nicht hinreichend substantiiert ist. Soweit die Beklagte einwendet, die Deutsche Telekom tausche die IP-Adressen der Anschlussinhaber regelmäßig nur zur Nachtzeit aus, mag dies die richtige Ermittlung der IP-Adresse der Beklagten nicht zu erschüttern Die Beklagte wird als verantwortliche Anschlussinhaberin zu zwei unterschiedlichen IP-Adressen an einem Tag und zu zwei Zeitpunkten beauskunftet.

Eine doppelte Falschzuordnung, die zufällig stets zum gleichen, unzutreffenden Ergebnis führt, liegt jenseits jeder mathematischen bzw. statistischen Wahrscheinlichkeit und kann ausgeschlossen werden. Nachdem die heruntergeladene Datei bzw. Dateigruppe mit dem Hashwert [Hash] das Filmwerk [Name] enthalten hat, steht nach oben Gesagtem für das Gericht fest, dass die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung über den der Beklagten zugeordneten Internetanschluss erfolgte.

Es besteht eine tatsächliche Vermutung, dass eine über einen Internetanschluss erfolgte Urheberrechtsverletzung vom Inhaber des Internetanschusses begangen wurde, die allerdings vom Inhaber des Internetanschusses widerlegt werden kann Hierfür sind von diesem im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast substantiiert Umstände vorzutragen, die einen alternativen Geschehensablauf nahelegen oder möglich erscheinen lassen

Anfänglich hat die Beklage im Rahmen Ihrer Anhörung zwar ausgeführt, dass sie am [Datum] zu Hause gewesen sei, substantiiert einen alternativen Geschehensablauf sie jedoch nicht schildern. Auf ausdrückliche Nachfrage nämlich hatte die Beklagte dass sie nicht wisse, ob ihr Sohn Zugriff auf das Internet habe und diesem die Verschlüsselung bzw. das Passwort für eine Nutzung des Internet über WLAN bekannt war Soweit die Beklagte schriftsätzlich vortragen lasst, ein möglicher Urheberrechtsverstoß habe auch von ihrem Sohn begangen worden sein können, handelt es sich bei dieser Behauptung , ach den Ausführungen der Beklagten im Rahmen ihrer Anhörung um einen reinen Vortrag ins Blaue hinein. Kenntnis dazu, ob ihr Sohn zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzungshandlung Zugriff auf ihr Internet hatte, hat die Beklagte, wie sich aus ihrer Anhörung ergab, nicht. Substantiierte Umstände, die einen alternativen Geschehensablauf nahelegen, oder es möglich erscheinen lassen und geeignet sind, die tatsächliche Vermutung, dass die Verletzung von ihr als Inhaberin des Internetanschlusses begangen wurde, zu widerlegen, sind von der Beklagten nach oben Gesagtem nicht vorgetragen.

Auch die Behauptung der Beklagten, sie sei am [Datum] nicht zu Hause gewesen, vermag diese tatsächliche Vermutung nicht zu widerlegen. Gerichtsbekannt ist die gleichzeitige Anwesenheit des Anschlussinhabers im Moment der festgestellten Verletzungshandlung nicht erforderlich, da die Verletzungshandlung bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Gang gesetzt worden sein kann. Eine ständige räumliche Anwesenheit während des Zeitpunktes der Verletzungshandlung ist nicht erforderlich.

Dass das WLAN-Netz der Beklagten durch ein Passwort geschützt und damit gegen unbefugte Verwendung durch Dritte gesichert war, vermag die Täterschaftsvermutung zu Lasten der Beklagten gleichfalls nicht zu entkräften, denn hiermit legt die Beklagte keine möglichen alternativen Geschehensabläufe dar, sondern schließt einen solchen vielmehr aus.

Soweit die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 03.05.2016 nochmals Beweis dafür angeboten hat, dass ihr Sohn die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen hat und am Verletzungstag Zugriff auf das Internet hatte, war diesem Beweisangebot nicht nachzugehen, nachdem der Sohn der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 01.12.2015 die Aussage hierzu verweigert hat. Einem erneuten Antrag auf Vernehmung eines Zeugen, der von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gebraucht gemacht hat, ist nur stattzugeben, wenn bestimmt anzunehmen ist, dass er nunmehr bereit ist, auszusagen. Diese Voraussetzung hat die antragende Partei vorzutragen und zu belegen, in der Regel durch eine schriftliche Erklärung des Zeugen. Alleine ein entsprechender Antrag durch die antragende Partei, wie vorliegend, ist hierzu nicht ausreichend.

Doch zur Überzeugung des Gerichtes von der Beklagten begangene Urheberrechtsverletzung war auch schuldhaft im Sinne des § 97 Abs 2 Satz 1 Urhebergesetz. Nachdem die Beklagte die Vermutung ihrer Täterschaft nicht entkräften konnte, ist anzunehmen, dass sie das streitgegenständliche Werk heruntergeladen und zumindest zeitweise auch selbst zum Download angeboten hat, Der Download eines urheberrechtlich geschützten Werkes über Tauschbörse erfordert mehrere aktive Willensentscheidungen, so dass insoweit Vorsatz anzunehmen ist. Hinsichtlich des Anbietens des heruntergeladenen Werkes zum Download handelte die Beklagte dabei zumindest fahrlässig, denn dass das heruntergeladene Werk zugleich als Download angeboten und damit weiterverbreitet werden kann, ist auch aus der Programmoberfläche deutlich ersichtlich und ein mögliches Abschalten dieser Funktion durch die Beklagte ist nicht erfolgt.

Die geltend gemachte Lizenzentschädigung ist der Höhe nach begründet. Gemäß § 97 Abs. 1 Satz 3 Urhebergesetz kann der Umfang des zu entsetzenden Schadens anhand der hypothetischen Lizenzierung gegenüber der Beklagten erfolgen Danach kann der Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden. Aufgrund der zahlreichen gleich gelagerten Verfahren und das sich hieraus ergebenden hinreichenden eigenen Sachkunde des Gerichtes schatzte das Gericht die angemessene Lizenz gemäß § 287 ZPO angesichts des hierzu substantiierten Sachvortrags der Klägerin gemäß § 287 ZPO auf 600,00 EUR.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte im Weiteren auch ein Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 506,00 EUR zu, die ihr im Zusammenhang mit der Abmahnung vom 17.01.2013 entstanden sind (§ 97a Abs. 1 Satz 2 Urhebergesetz in der zum Verletzungszeitpunkt gültigen Fassung i.V.m. den §§ 689, 670, 677 BGB). Die Abmahnung hinsichtlich des mit Abmahnung verfolgten Unterlassungsanspruch war berechtigt, da ein Anspruch nach den §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 19a, 2 Nr. 6 Urhebergesetz bestand. Die Klägerin ist ihrem gesetzlichen Auftrag zur Schadensminderung in nicht rechtsmissbräuchlicher Weise nachgekommen. Dabei ist es nicht als verwerflich anzusehen, wenn die Klägerin wegen einer Vielzahl von Urheberrechtsverletzungshandlungen auch eine Vielzahl von Abmahnungen verschickt.

Eine summenmäßige Begrenzung nach § 97a Abs. 2 Urhebergesetz alte Fassung kommt nicht in Betracht, denn bei der durch die Beklagte begangenen Rechtsverletzung handelt es sich nicht um eine nur unerhebliche Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs in einem einfach gelagerten Fall. Unerheblich ist eine Rechtsverletzung nur dann, wenn sie weder qualitativ noch quantitativ nur geringfügig nachteilige Folgen für den Rechtsinhaber hat. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Anbieten von urheberrechtlich geschützten Werken zum Download für eine bestimmte Zahl von Personen außerhalb des geschäftlichen Verkehrs anzusiedeln ist. Denn angesichts der exponentiellen Vervielfältigung des zur Verfügung gestellten Werk und der damit einhergehenden Minderung des Erwerbsanreizes für eine Vielzahl von potenziellen Kunden, die die Beklagte jedenfalls in Kauf nimmt, um ihrerseits entgeltfrei in de Besitz des geschützten Werkes zu kommen, ist von einem Fall einer qualitativ unerheblichen Urheberrechtsverletzung nicht mehr auszugehen.

Die Höhe des den vorgerichtlichen Anwaltskosten zugrunde gelegten Gegenstandswertes hinsichtlich des Unterlassungsanspruches ist zuletzt nicht unverhältnismäßig. Die mit 1,3 angesetzte Geschäftsgebühr entspricht durchschnittlichem Arbeitsaufwand und kann entsprechend auch bei einfach gelagerten Fällen, die über ein standardisiertes Arbeitsvorgehen betrieben werden können, angesetzt werden. Der angesetzte Gegenstandswert von 10.000,00 EUR, der sich am Unterlassungsinteresse des Rechteinhabers orientieren soll, entspricht den insoweit üblichen Streitwertfestsetzungen in vergleichbaren Verfahren. Die erst nachträglich eingeführte Deckelung des zulässigen Gegenstandswertes bei Abmahnung im § 97a Abs. 3 Satz 2 Urhebergesetz greift hier nicht zu Gunsten der Beklagten ein, denn die maßgebliche Rechtsverletzung erfolgte vor der Gesetzesänderung am 09.10.2013.

Dahinstehen bleiben kann, ob die Klägerin die geltend gemachten Anwaltskosten bereits an ihr Prozessbevollmächtigte bezahlt hatte, da sie jedenfalls einem entsprechenden Gebührenanspruch ausgesetzt ist.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist nach den §§ 280 Abs. 1 Satz 1, 288 Abs 1 Satz 2, begründet.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. (…)

 

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AG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.05.2016, Az. 31 C 2837/15 (74)

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