.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR: Landgericht Bielefeld – Unterlassungsanspruch besteht auch gegenüber Minderjährigen / Anschlussinhaber muss eigene Anwaltskosten tragen

17:48 Uhr

Hamburg / Bielefeld, 21.Juli 2016 (eig.). Auf die Einsichtsfähigkeit von Minderjährigen kommt es – im Unterschied zum verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch – bei der Geltendmachung verschuldensunabhängiger Unterlassungsansprüche in Filesharingfällen nicht an. Der Anschlussinhaber kann auch bei Benennung des Täters die ihm entstandenen Anwaltsgebühren für seine Verteidigung nicht von dem Rechteinhaber ersetzt verlangen. Dies hat das Landgericht Bielefeld in einem jüngst ergangenen Urteil entschieden (LG Bielefeld, Urt. v. 30.06.2016, Az. 4 O 363/15).

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Bericht

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Dem Rechtsstreit vorangegangen war eine Abmahnung gegen die Anschlussinhaberin über deren Internetanschluss ein Computerspiel rechtswidrig zum Download in Tauschbörsen bereit gehalten wurde. Diese verwies – anwaltlich vertreten – auf die Täterschaft des zur Tatzeit 13jährigen Sohnes, wies die Ansprüche im übrigen zurück und verlangte von dem Rechteinhaber die Erstattung entstandener Anwaltsgebühren über 859,80 EUR. Auf die Abmahnung gegen den benannten Täter antwortete derselbe Anwalt und verweigerte die Erfüllung jeglicher geltend gemachter Ansprüche.

Die daraufhin anhängig gemachte Klage führte neben der Verurteilung zur Unterlassung auch dazu, dass die Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach festgestellt und der Beklagte zu 1) (als Täter) verpflichtet wurde, Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlung zu erteilen. Denn dem minderjährigen Beklagten sei auch ein Verschuldensvorwurf zu machen. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung u.a. des OLG Hamm (Urt. v. 28.01.2016, Az. I-4 U 75/15) ist das Landgericht davon ausgegangen, dass 13-jährige wissen, dass illegale Kopien von Spielesoftware, Musik oder Filmen im Internet kursieren und dass sie weder heruntergeladen noch verbreitet werden dürfen. Dies gilt umsomehr, als dass der Täter der Verletzungshandlung im vorliegenden Verfahren von seiner Erziehungsberechtigten – so der Vortrag des Anwalts der beiden Beklagten – umfassend belehrt worden ist. Weswegen dann allerdings nicht der Versuch unternommen wurde, die Angelegenheit außergerichtlich zu regeln, bleibt das Geheimnis der Beklagten und ihres Vertreters. Das vorgerichtliche Vergleichsangebot belief sich am Ende auf 900,00 EUR. Nach der ersten Instanz sind Verfahrenskosten von weit über 4.000,00 EUR angefallen, die ganz überwiegend von den Beklagten zu tragen sind. Hinzu kommt ein noch zu beziffernder Schadensersatzbetrag, der nicht unter 1.000,00 EUR liegen wird.

Mit dem Urteil wurde zugleich festgestellt, dass ein Anspruch der Anschlussinhaberin auf Erstattung ihrer Anwaltskosten nicht besteht, auch wenn sie selbst für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich gewesen sein mag. Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers besteht (siehe nur BGH GRUR 2016, 191), durfte die Klägerin auch zunächst davon ausgehen, dass die Beklagte zu 2) als Täterin der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt und daher ihr gegenüber ein Unterlassungsanspruch bestand. „Eine Haftung des Abmahnenden für Kosten des Abgemahnten scheidet aber aus, wenn der Abmahnende bei Ausspruch der Abmahnung nicht erkennen konnte, dass die Abmahnung unberechtigt war, also kein Übernahmeverschulden vorliegt (OLG München, GRUR-RR 2008, 461)„, so die Bielefelder Richter in ihrem Urteil.

 

 

LG Bielefeld, Urteil vom 30.06.2016, Az. 4 O 363/15

 

(…) Abschrift

4 0 363/15

Verkündet am 30.06.2016
[Name], Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Landgericht Bielefeld

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

in dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte rka Reichelt, Klute, Rader, Kant, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

1. [Name],
2. [Name],
Beklagten,

Prozessbevollmächtigter: [Name],

hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld aufgrund mündlicher Verhandlung vom 09.06.2016 durch den Richter [Name] als Einzelrichter

für Recht erkannt:

1. Dem Beklagten zu 1) wird es bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) verboten, das Computerspiel „[Name]“ ohne Einwilligung der Klägerin in Tauschbörsennetzwerken zum Herunterladen für Dritte bereitzuhalten,
2. der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1,98 Euro nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2016 zu zahlen,
3. der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 1.000,00 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 04.02.2016 zu zahlen,
4. der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag i.H.v. 183,80 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.03.2014 zu zahlen,
5. der Beklagte zu 1) wird verurteilt, der Klägerin Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziff. 1 zu erteilen, geschlüsselt nach Uploadrate der jeweils verwendeten Internetanschlüsse (Bandbreite), Tauschbörsenprogramme, Daten und Dauer (Zeiträume) der Verletzungshandlungen,
6. es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, der Klägerin allen weiteren, über die Klageanträge hinausgehenden, Schaden zu ersetzen, der der Klägerin dadurch entstanden ist und
noch entsteht, dass der Beklagte zu 1) die Datei „D … GOTY Edition“ (Hashwert: [Hash]) mit dem Computerspiel der Klägerin „[Name]“ Dritten über Internettauschbörsen im Internet zum Download bereitgehalten hat,
7. es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten zu 2) einen Betrag i.H.v. 859,80 Euro für ihre außergerichtliche Rechtsverteidigung gegen die Klägerin aufgrund der Abmahnung vom 23.11.2012 zu erstatten.
8. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
9. Die Gerichtskosten tragen die Klägerin zu 4 %, der Beklagte zu 1) zu 92 % und die Beklagte zu 2) zu 4 %. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen der Beklagte zu 1) zu 92 % und die Beklagte zu 2) zu 4 %, Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) trägt die Klägerin in Höhe von 5 %. Im Übrigen findet keine Kostenerstattung statt.
10. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin hinsichtlich der Ziff. 2, 3, 4 und 9 nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages sowie hinsichtlich der Ziff. 1 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 Euro und hinsichtlich der Ziff. 5 gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 Euro. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch den Beklagten zu 1) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zu 1) vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten zu 1) wegen der Verletzung von Urheberrechten im Rahmen einer Tauschbörsennutzung und die Beklagte zu 2) im Wege der negativen Feststellungsklage in Anspruch.

1.

Die Klägerin ist Produzentin und Vermarkterin von Softwareprodukten, u.a. im Unterhaltungsbereich. Im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit übernimmt die Klägerin im Rahmen von Vertriebsvereinbarungen die komplette Vermarktung und den Vertrieb u.a. auch von Computerspielen, wie dem hier streitgegenständlichen Spiel „[Name]“. Das Spiel „[Name]“ wurde von der Firma [Name] produziert und exklusiv an die Klägerin lizenziert. Das Spiel wird in Listenteil A der Liste jugendgefährdender Medien geführt. Es darf in Deutschland unter Beachtung gewisser Einschränkungen zur Werbung, Erwerb und Vertriebsweise vertrieben werden.

Für die Lizenzierung zahlte die Klägerin einen Betrag von ca. [Betrag] Euro. Das Spiel wurde mehr als [Zahl] Mio. Mal verkauft.

Die Klägerin beauftragt Drittfirmen mit der Ermittlung von Urheberrechtsverstößen insbesondere durch den Upload von Computerspielen in sog. Filesharing Netzwerken. Die Mitarbeiter der Drittfirmen, hier der Firma Excipio GmbH, verwenden dabei eine NARS-Software, bei der Netzwerkaktivitäten in Tauschbörsen überwacht werden können. Insbesondere kann dabei über einen jeweils individuell vergebenen Hash-Wert festgestellt werden, dass Programme der Klägerin, oder Teile davon für die Nutzer jeweiligen Tauschbörse zum Download bereitgehalten werden. Anhand des Hash-Wertes lässt sich dann die jeweilige IP-Adresse ermitteln, über die die Datei zum Download angeboten wird.

2.

Der Beklagte zu 1), geboren am [Geburtsdatum] ist der Sohn der Beklagten zu 2).

3.

Am 17.09.2012 ermittelte die von der Klägerin beauftragte Firma Excipio GmbH, dass das Spiel „[Name]“ über die IP-Adresse [IP] über den P2P-Client MG21p0 im Internet für Tauschbörsennutzer zum Download angeboten wurde. Ein daraufhin angestrengtes Verfahren vor dem LG Köln zum Az. [Aktenzeichen] auf Auskunftserteilung gegenüber dem Internet Service Provider führte zu der Feststellung, dass die IP-Adresse zum streitgegenständlichen Zeitpunkt einem Telefonanschluss zugewiesen war, dessen Inhaberin die Beklagte zu 2) ist. Für die Ermittlung des Anschlussinhabers hat die Klägerin anteilig 1,98 Euro aufgewendet.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 23.11.2012 wurde die Beklagte zu 2) abgemahnt und aufgefordert, bis zum 04.12.2012 eine Unterlassungserklärung hinsichtlich der Urheberrechtsverletzung am 17.09.2012 abzugeben. Ferner wurde sie aufgefordert, binnen gleicher Frist die für die Klägerin angefallenen Abmahnkosten i.H.v. 859,80 Euro (1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 20.000,00 Euro nebst 20,00 Euro Pauschale für Post und Telekommunikation) zu zahlen. Gleichzeitig wurde der Beklagten zu 2) angeboten, die Angelegenheit insgesamt durch Zahlung eines Pauschalbetrages i.H.v. 1.500,00 Euro zu erledigen.

Mit Schreiben vom 29.11.2012 wies der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Forderungen der Klägerin unter Verweis darauf zurück, dass der zu dieser Zeit 13 Jahre alte Beklagte zu 1) den Urheberrechtsverstoß begangen habe. Sie – die Beklagte zu 2) – habe ihren Sohn hingegen zuvor belehrt, nichts im Internet zu kopieren oder sich in anderer Weise nutzbar zu machen. Mit demselben Schreiben forderte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Klägerin auf, wegen seiner Inanspruchnahme 859,80 Euro zu zahlen.

Die Abgabe einer Unterlassungserklärung oder eine Zahlung erfolgten nicht.

Mit Schreiben vom 03.03.2014 mahnte die Klägerin den Beklagten zu 1) mit einer an seine gesetzlichen Vertreter gerichteten Abmahnung wegen des streitgegenständlichen Urheberrechtsverstoßes ab. Sie forderte ihn auf, bis zum 16.03.2014 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Ferner wurde der Beklagte zu 1) aufgefordert, binnen gleicher Frist der Klägerin Aufwendungen für die Abmahnung i.H.v. 124,00 Euro (= 1,3 Geschäftsgebühr aus einem Streitwert von 1.000,00 Euro nebst 20,00 Pauschale für Post und Telekommunikation) und für die Ermittlung des Verstoßes i.H.v. 1,98 Euro zu ersetzen. Außerdem veranschlagte die Klägerin hinsichtlich der geforderten Auskunftserteilung und Anerkennung des Schadensersatzanspruches weitere außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 119,60 Euro.

Die Klägerin bot dem Beklagten zu 1) ferner an, die Angelegenheit durch Zahlung einer Pauschale i.H.v. 900,00 Euro nebst Abgabe der Unterlassungserklärung zu erledigen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 06.03.2014 wies der Prozessbevollmächtigte der Beklagten auch die nunmehr gegenüber dem Beklagten zu 1) geltend gemachten Ansprüche zurück. Er wies darauf hin, dass keinerlei Zahlung geleistet und keinerlei Erklärung abgegeben werde. Abermals forderte der Prozessbevollmächtigte der Beklagten die Klägerin dazu auf, einen Betrag von 859,80 Euro für seine Inanspruchnahme zu zahlen und kündigte für den Fall des Ausbleibens der Zahlung rechtliche Schritte an.

II.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr aufgrund des vorliegenden Urheberrechtsverstoßes die geltend gemachten Ansprüche zustehen.

Der Beklagte zu 1) hafte für die Urheberrechtsverletzung als Täter. In diesem Rahmen sei der Beklagte zu 1) auch verpflichtet, die Abmahnkosten für die gegenüber der Beklagten zu 2) ausgesprochene Abmahnung zu übernehmen.

Die Klägerin bestreitet in diesem Zusammenhang mit Nichtwissen, dass die Beklagte zu 2) den Beklagten zu 1) über die das rechtmäßige Verhalten im Internet belehrt habe.

Die Klägerin ist ferner der Auffassung, dass die von ihr angesetzten Streitwerte und Schadenshöhen angemessen seien. Ein Unterlassungsstreitwert i.H.v. 20.000,00 Euro für das streitgegenständliche Computerspiel sei nicht übersetzt. Ferner sei der geltend gemachte Schadensersatz i.H.v. 1.000,00 Euro angemessen.

Die Klägerin meint schließlich, dass auch ein negatives Feststellungsinteresse gegenüber der Beklagten zu 2) gegeben sei, da ihr ein etwaiger Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 859,80 Euro nicht zustehe.

Der Klägerin beantragt,
1. es dem Beklagten zu 1) bei Meldung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 Euro, Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu verbieten das Computerspiel „[Name] “ ohne ihre Einwilligung in Tauschbörsennetzwerken zum Herunterladen für Dritte bereitzuhalten,
2. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 859,80 Euro nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2012 zu zahlen,
3. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 1,98 Euro nebst jährlicher Zinsen I.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen,
4. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 1.000,00 Euro nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 05.12.2012 zu zahlen,
5. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, an sie einen Betrag i.H.v. 243,60 Euro nebst jährlicher Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.03.2014 zu zahlen.
6. den Beklagten zu 1) zu verurteilen, ihr Auskunft über den Umfang der Verletzungshandlungen gemäß Ziff. 1 zu erteilen, geschlüsselt nach Uploadrate der jeweils verwendeten Internetanschlüsse (Bandbreite), Tauschbörsenprogramme, Daten und Dauer (Zeiträume) der Verletzungshandlungen,
7. festzustellen, dass der Beklagte zu 1) verpflichtet ist, ihr allen weiteren, über die Klageanträge hinausgehenden, Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass
der Beklagte zu 1) die Datei „D … GOTY Edition“ (Hashwert: [Hash]) mit dem Computerspiel der Klägerin „[Name]“ Dritten über Internettauschbörsen im Internet zum Download bereitgehalten hat,
8. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten zu 2) einen Betrag i.H.v. 859,80 Euro für ihre außergerichtliche Rechtsverteidigung gegen die Klägerin aufgrund der Abmahnung vom 23.11.2012 zu erstatten.

III.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagten meinen, dass eine Einstandspflicht des Beklagten zu 1) nicht gegeben sei. Eine Einwilligung oder Genehmigung der Handlungen nach §§ 106 ff. BGB habe nicht vorgelegen. Gleichermaßen sei damit auch die Beklagte zu 2) nicht einstandspflichtig.

Ferner sei zu berücksichtigen, dass das streitgegenständliche Spiel jugendgefährdend sei. Die Klägerin habe daher dafür Sorge zu tragen, dass das Spiel Minderjährigen wie dem Beklagten zu 1) nicht zugänglich sei.

Ferner berufen sich die Beklagten auf Verjährung.

Die Beklagte zu 2) meint außerdem, dass ihr wegen der unberechtigten Abmahnung im November 2012 ein Anspruch auf Erstattung ihrer Anwaltskosten zustehe. Die negative Feststellungsklage sei daher unbegründet.

IV.

Die Klage wurde am 30.12.2015 per Fax beim Landgericht Bielefeld erhoben. Mit Verfügung vom 11.01.2016 wurde der Gerichtskostenvorschuss von der Klägerin angefordert. Den Gerichtskostenvorschuss hat die Klägerin am 21.01.2016 eingezahlt. Mit Verfügung des Kammervorsitzenden vom 27.01.2016 wurde die Zustellung der Klage veranlasst. Die Zustellung erfolgte ausweislich der Zustellungsurkunden Bl. 92/93 d.A. am 04.02.2016.

Das Gericht hat die mündliche Verhandlung am 09.06.2016 durchgeführt. Im Rahmen des Termins wurden die Beklagten persönlich angehört. Es wird auf das Sitzungsprotokoll vom 09.06.2016 (Bl. 131 ff. d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist ganz überwiegend begründet. Im Übrigen ist sie abzuweisen.

I.

Der von der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1) geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergibt sich aus § 97 Abs. 1 UrhG.

1.

Zwischen den Parteien ist unstreitig geblieben, dass der Beklagte zu 1) am 17.09.2012 das Computerspiel „[Name]“ dessen ausschließliche Nutzungsrechte bei der Klägerin liegen, in einer Tauschbörse im Internet zum Download angeboten hat.

Darin ist eine urheberrechtswidrige öffentliche Zugänglichmachung nach §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG zu sehen.

Ohne Erfolg wenden die Beklagten ein, dass es sich bei dem Computerspiel um ein jugendgefährdendes Spiel handele. Entgegen der Ansicht der Beklagten folgt aus der Einstufung des streitgegenständlichen Computerspiels als „jugendgefährdend“ nicht, dass die Klägerin nunmehr gehalten wäre, Maßnahmen zu ergreifen, die Minderjährige daran hindern, auf illegalem Wege an das Spiel zu gelangen.

Auch steht für das Gericht nicht in Zweifel, dass das Computerspiel „[Name]“ trotz der vorgenommenen Einstufung urheberrechtlichen Schutz genießt.

2.

Der nunmehr gerichtlich geltend gemachte Unterlassungsanspruch besteht auch nach wie vor. Die Klägerin hat dem Beklagten zu 1) außergerichtlich die Möglichkeit gegeben, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben. Vorliegend hätten die gesetzlichen Vertreter des Beklagten zu 1) die der Abmahnung beigefügte Unterlassungserklärung für diesen abgeben können. Damit wäre eine Wiederholungsgefahr auszuschließen gewesen. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat die Abgabe von Erklärungen jedweder Art jedoch abgelehnt.

3.

Der Geltendmachung des Anspruchs steht auch nicht die Minderjährigkeit des Beklagten zu 1) zur Tatzeit entgegen. Auf die Einsichtsfähigkeit eines Minderjährigen kommt es – im Unterschied zum verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch – bei der Geltendmachung des verschuldensunabhängigen Unterlassungsanspruchs gerade nicht an. Mit der Rechtsprechung des OLG Hamm steht der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs im Hinblick auf dessen Vollstreckbarkeit auch nicht das Alter des Beklagten zu 1) zum Tatzeitpunkt entgegen (OLG Hamm, Urteil v. 28.01.2016, I-4 U 75/15). Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung. Zu diesem Zeitpunkt war der Beklagte zu 1) über 14 Jahre alt.

4.

Schließlich ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht verjährt, da die am 31.12.2015 ablaufende Anspruchsverjährung durch die Einreichung der Klage am 30.12.2015 per Fax nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB gehemmt wurde.

Maßgeblich ist nach § 102 UrhG i.V.m. §§ 195, 199 BGB zunächst die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Die Frist begann nach § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres 2012 zu laufen, da die Klägerin jedenfalls aufgrund des Schreibens des Prozessbevollmächtigten der Beklagten Kenntnis von der Person des Verletzers und den anspruchsbegründenden Tatsachen hatte. Sie endete folglich mit Ablauf des 31.12.2015. Die Hemmung der Verjährung tritt nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB ein, wenn die Klage erhoben, d.h. insbesondere gem. § 253 Abs. 1 ZPO zugestellt worden ist. Erfolgt die Zustellung, wie hier, außerhalb der Verjährungsfrist, kommt eine Rückwirkung der Hemmung auf den Eingang der Klage bei Gericht nach § 167 ZPO nur dann in Betracht, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgte. In welchem Zeitraum die Zustellung einer Klage noch „demnächst“ erfolgt, ist nicht gesetzlich definiert. Aus Gründen des Vertrauensschutzes für den Empfänger muss die Zustellung aber in einem nicht allzu erheblichen Abstand vom Fristablauf erfolgen (Zöller / Greger, ZPO (2014), § 167 Rdnr. 10). Insbesondere müssen sich die .dem Gläubiger zuzurechnenden Verzögerungen in einem hinnehmbaren Rahmen halten (BGH, Urteil v. 10.07.2015, V ZR 154/14). Andererseits sind auch die Gläubigerinteressen dahingehend in den Blick zu nehmen, dass dem Gläubiger solche Verzögerungen grds. nicht zum Nachteil gereichen sollen, die im Geschäftsbetrieb des Gerichts zu suchen sind (Zöller / Greger, ZPO (2014), § 167 Rdnr. 12). Der Gläubiger ist bspw. nicht verpflichtet, den Gerichtskostenvorschuss mit Klageerhebung einzuzahlen. Er kann zunächst die Anforderung durch das Gericht abwarten, muss aber nach der Anforderung die Zahlung unverzüglich, d.h. regelmäßig binnen zwei Wochen, leisten (siehe nur BGH NJW 2009, 999).

Vorliegend wurde der Gerichtskostenvorschuss durch das Gericht mit Verfügung vom 11.01.2016 angefordert. Die Klägerin hat den angeforderten Vorschuss am 21.01.2016 und damit binnen zwei Wochen nach der Anforderung eingezahlt. Der Grund für den weiteren Zeitablauf bis zur Zustellung der Klage am 04.02.2016 war somit in der Sphäre des Gerichts zu suchen und ist der Klägerin nicht zuzurechnen, so dass die Zustellung am 04.02.2016 noch demnächst erfolgte.

II.

(…)

III.

Der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten zu 1) auf Zahlung von Schadensersatz i.H.v. 1.000,00 Euro ergibt sich aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG

1.

Hinsichtlich des Verstoßes durch den Beklagten zu 1) und den Erwägungen zur Verjährung kann nach oben verwiesen werden (1.).

2.

Der Beklagte zu 1) ist für die begangene Rechtsverletzung auch deliktisch verantwortlich.

a.

Zur Bemessung der deliktischen Verantwortlichkeit ist auch im Rahmen urheberrechtlicher Verstöße auf § 828 BGB abzustellen (siehe OLG Hamm, Urteil v. 28.01.2016, 1-4 U 75/15). Die Verantwortlichkeit richtet sich hier nach § 828 Abs. 3 BGB, da der Beklagte zu 1) zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung 13 Jahre alt war.

b.

Die zur Erkenntnis seiner Verantwortlichkeit erforderliche Einsicht besitzt, wer nach seiner individuellen Verstandesentwicklung fähig ist, das gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für die Folgen seines Tuns bewusst zu sein (BGHZ 161, 180). Die Einsichtsfähigkeit ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn ein allgemeines Verständnis dafür vorhanden ist, dass die Handlung gefährlich ist und die Verantwortung begründen kann (BGH, VersR 1970, 374).

Die Darlegungs- und Beweislast für das Fehlen der Einsichtsfähigkeit trägt der in Anspruch genommene Minderjährige. Ab einem Alter von sieben Jahren wird das Vorliegen der Einsichtsfähigkeit widerlegbar vermutet (BGHZ 161, 180).

Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte zu 1) vorliegend nicht einsichtsfähig war, sind weder ersichtlich noch dargelegt. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung hat der Beklagte zu 1) selbst geschildert, dass ihn seine Eltern im Vorfeld der Internetnutzung darauf hingewiesen hätten, was er im Internet dürfe und was nicht. Deshalb sei ihm auch bewusst gewesen, dass sein Verhalten nicht ganz korrekt gewesen sei. Seine Eltern hätten ihn außerdem auch darauf hingewiesen, dass er Spiele wie das Streitgegenständliche nicht spielen solle.

3.

Der Beklagte zu 1) handelte auch schuldhaft. Im Rahmen des jedenfalls im Raum stehenden Fahrlässigkeitsvorwurfs nach § 276 Abs. 2 BGB kommt es bei dem Verhalten Minderjähriger darauf an, ob Kinder desselben Alters und derselben Entwicklungsstufe den Eintritt eines Schadens hätten voraussehen können und müssen und ob es ihnen bei Erkenntnis der Gefährlichkeit ihres Handels in der konkreten Situation möglich und zumutbar gewesen wäre, sich diese Erkenntnis gemäß zu verhalten (BGHZ 161,180).

a.

Das Gericht geht, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des OLG Hamm (Urteil v. 28.01.2016, Az. 1-4 U 75/15) davon aus, dass 13-jährige wissen, dass illegale Kopien von Spielesoftware, Musik oder Filmen im Internet kursieren und dass sie diese weder herunterladen, noch weiter verbreiten dürfen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beklagte zu 1), wie von der Beklagten zu 2) geschildert, wiederholt darüber aufgeklärt wurde, was im Internet erlaubt ist und was nicht und welche Gefahren beim Surfen im Internet lauern. Bereits nach dem eigenen Vortrag der Beklagten, ist der Beklagte zu 1) darüber belehrt und immer wieder angehalten worden, keine Dinge aus dem Internet zu kopieren oder sich in irgendeiner anderen Weise nutzbar zu machen.

Einem 13-jährigen ist es auch möglich und zumutbar, sich im Internet so zu verhalten, dass Schädigungen urheberrechtlich geschützter Rechtspositionen vermieden werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass im vorliegenden Fall der Urheberrechtsverstoß über eine Tauschbörse begangen wurde. Die Nutzung einer solchen Tauschbörse geschieht nicht durch bloßes Surfen im Internet, sondern erfordert das Starten eines entsprechenden Programms auf dem Computer.

b.

Im Hinblick auf obige Erwägungen hat der Beklagte zu 1) die im Verkehr übliche und gebotene Sorgfalt missachtet.

Die Eltern des Beklagten zu 1) hatten diesem nicht nur aufgegeben, Spiele wie das streitgegenständliche insgesamt zu meiden, sondern ihm auch untersagt, Dinge im Internet herunterzuladen oder sich sonst nutzbar zu machen. Dass der Beklagte zu 1) in Kenntnis dieser Verbote aber dennoch ein Weg suchte und auch fand, das Spiel „[Name]“ herunterzuladen, kann ihm als Sorgfaltsverstoß zum Vorwurf gemacht
werden.

Dies gilt gleichermaßen für die mit der Nutzung der Tauschbörse verbundene Verbreitung der heruntergeladenen Dateien. Soweit der Beklagte zu 1) im Rahmen seiner persönlichen Anhörung geschildert hat, sich nicht daran erinnern zu können, dass das Spiel auch für andere zum Download bereit gestanden habe, ergeben sich daraus keine Zweifel hinsichtlich eines Sorgfaltsverstoßes. Gerade die Tatsache, dass zur Begehung des Urheberrechtsverstoßes ein Tauschbörsenprogramm verwendet wurde, spricht dafür, dass der Beklagte zu 1) nicht unerfahren und ahnungslos im Umgang mit dieser Art von Computerprogrammen gewesen war. Die Nutzung eines Tauschbörsenprogramms geschieht nicht beiläufig, sondern erfordert ein aktives Eingreifen des Benutzers, begonnen bei der Installation des Programms auf dem Computer und endend bei der Auswahl der gewünschten Raubkopie. Die Schilderung des Beklagten zu 1), sich nicht mehr an einen Upload der Dateien erinnern zu können, ist vor diesem Hintergrund als bloße Schutzbehauptung zu sehen.

c.

Den obigen Erwägungen steht auch nicht die von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zitierte Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 15.11.2012; I ZR 74/12) entgegen. Diese Entscheidung nimmt Bezug auf die Haftung der Eltern für das Verhalten ihrer minderjährigen Kinder. Einer Aussage über eine etwaige eigene Verantwortlichkeit des Minderjährigen enthält diese Entscheidung nicht.

4.

Hinsichtlich des geltend gemachten Schadenersatzes hat das Gericht keine Bedenken, der Klägerin im Wege der Schätzung nach § 287 ZPO einen Schadenersatz i.H.v. 1.000,00 Euro zuzusprechen. Dieser Betrag erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung der Kammer (LG Bielefeld, Urteil vom 04.03.2015; Az. 4 0 211/14) und den erheblichen kommerziellen Erfolg des streitgegenständlichen Spiels nicht übersetzt.

IV.

Ferner schuldet der Beklagte zu 1) gem. § 97 Abs. 2 UrhG auch die von der Klägerin geltend gemachten anteiligen Kosten i.H.v. 1,98 Euro für die Auskunfterteilung. Die dem Verletzten nach § 101 Abs. 9 S. 5 UrhG anfallenden Kosten werden im Verhältnis zum Schädiger als notwendige Rechtsverfolgungskosten von dem geschuldeten Schadensersatz erfasst.

V.

Die Klägerin hat gegenüber dem Beklagten zu 1) auch Anspruch auf Ersatz der angefallenen Abmahnkosten aus § 97a n.F. Ein Anspruch besteht aber nur i.H.v. 183,80 Euro.

1.

Auf die im März 2014 gegenüber dem Beklagten zu 1) erfolgte Abmahnung ist § 97a UrhG in der seit 09.10.2013 geltenden Fassung anzuwenden. Folglich besteht hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsbegehrens ein Kostenerstattungsanspruch i.H.v. 124,00 Euro (= 1,3 Geschäftsgebühr bei einem Unterlassungsstreitwert von 1.000,00 Euro zzgl. Pauschale für Post und Telekommunikation).

2.

Die weiteren geltend gemachten Kosten i.H.v. 119,60 Euro sind dem Grunde nach erstattungsfähig, in der Höhe aber auf 59,80 Euro begrenzt.

Das Gericht schätzt den Streitwert für das Auskunftsbegehren auf 500,00 Euro und den Streitwert für den Feststellungsantrag auf 1.500,00 Euro. Diese Werte erscheinen insbesondere im Hinblick auf den geltend gemachten und zugesprochenen Schadensersatz in Höhe von 1.000,00 Euro angemessen.

Damit ergibt sich ein Gegenstandswert von 18.000,00 Euro und unter Berücksichtigung einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr ein Betrag von 904,80 Euro, von dem wiederum die Gebühr in Bezug auf die Unterlassung i.H.v. 845,00 Euro abzuziehen ist.

VI.

Der Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten zu 1), ihr Auskunft über die Art, Dauer und Reichweite der Urheberrechtsverletzung zu erteilen, folgt aus § 97 UrhG i.V.m. § 242 BGB.

Der Anspruch auf Auskunftserteilung zur Vorbereitung der Berechnung eines Schadensersatzanspruchs setzt voraus, dass dem Geschädigten nicht nur dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zusteht, zu dessen (weiterer) Berechnung die Auskunft erforderlich ist, sondern auch, dass der Geschädigte in entschuldbarer Weise über den Umfang des Anspruchs im Unklaren ist, während der Beklagte unschwer Aufklärung geben kann (vgl. BGH, GRUR 2010, 1090). Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Insbesondere hängt die Höhe des verursachten Schadens auch von den konkreten Umständen der öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Spiels ab. Die Upload-Rate gibt dabei in Verbindung mit dem Zeitraum, in dem das Spiel zum Download angeboten wurde, darüber Aufschluss, in welchem Maße aufgrund der Handlung des Beklagten zu 1) eine Verbreitung überhaupt stattfinden konnte.

VII.

Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Beklagte zu 1) zum Schadensersatz verpflichtet ist. Zwar ist die Feststellungsklage nach § 256 ZPO grds. subsidiär und ein Feststellungsinteresse entfällt regelmäßig dann, wenn der Anspruchsteller Leistungsklage erheben könnte. Nach der Rechtsprechung des BGH gilt dieser Grundsatz bei urheberrechtlichen Sachverhalten aber nur eingeschränkt. Zu bedenken ist dabei, dass (auch) im Urheberrecht die Begründung des Schadensersatzanspruchs häufig auch nach erteilter Auskunft Schwierigkeiten bereitet und eine eingehende sachliche Prüfung zur Berechnungsmethode des Schadens erfordert (BGH NJW 2003, 3274). Das Feststellungsurteil trägt diesem Umstand Rechnung und kann den Verletzten so vor dem Eintritt der Verjährung des gesamten Schadens schützen (BGH NJW 2003, 3274).

VIII.

Die Klägerin hat schließlich auch ein negatives Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO hinsichtlich der durch den Prozessbevollmächtigten der Beklagten geltend gemachten Forderung i.H.v. 859,80 Euro.

Eine Forderung der Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin besteht nicht (1.). Dennoch hat sich die Beklagte zu 2), vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, mehrmals und ausdrücklich der Forderung berühmt (2.).

1.

a.

Auch wenn nach den obigen Ausführungen die gegenüber der Beklagten zu 2) im November 2012 ausgesprochene Abmahnung unberechtigt war, erwächst für die Beklagte zu 2) daraus per se aber noch kein Kostenerstattungsanspruch für Aufwendungen, die sie zur Abwehr der unberechtigten Abmahnung getätigt hat. Grds. gehört die Abwehr unberechtigter Ansprüche zum allgemeinen Lebensrisiko, weshalb im Regelfall auch diesbezüglich anfallende Kosten nicht ersatzfähig sind.

b.

Ein Erstattungsanspruch aus § 97a Abs. 4 S. 1 UrhG n.F. kommt vorliegend nicht in Betracht, da die Abmahnung seitens der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) bereits vor Inkrafttreten der Norm in ihrer heutigen Form ausgesprochen wurde.

c.

Ebenso wenig besteht für die Beklagte zu 2) ein Anspruch nach anderen Anspruchsgrundlagen.

Ein Anspruch des Abgemahnten kann sich nach alter Rechtslage und, da hier kein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vorliegt, allenfalls aus § 678 BGB ergeben (vgl. OLG München, GRUR-RR 2008, 461; Beck-OK / Reber, UrhR, Stand 01.01.2016, § 97a Rdnr. 31). Eine Haftung des Abmahnenden für Kosten des Abgemahnten scheidet aber aus, wenn der Abmahnende bei Ausspruch der Abmahnung nicht erkennen konnte, dass die Abmahnung unberechtigt war, also kein Übernahmeverschulden vorliegt (OLG München, GRUR-RR 2008, 461).

Vorliegend konnte die Klägerin zunächst lediglich die Beklagte zu 2) als Inhaberin des Anschlusses ermitteln, von dem der streitgegenständliche Verstoß verübt worden war. Einblicke in die Sphäre der Beklagten zu 2), insbesondere, wem der Anschluss in welcher Weise und wann zugänglich gemacht wurde, hatte sie nicht, Im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des BGH, wonach (zunächst) eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers besteht (siehe nur BGH GRUR 2016, 191), durfte die Klägerin auch zunächst davon ausgehen, dass die Beklagte zu 2) als Täterin der Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt und daher ihr gegenüber der Unterlassungsanspruch bestand.

2.

Die Klägerin hat auch ein negatives Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO. Dieses besteht jedenfalls dann, wenn der vermeintliche Anspruchsinhaber sich der Forderung ausdrücklich berühmt (Zöller / Greger, ZPO (2014), § 256 Rdnr. 14a). Ferner muss sich das Berühmen auf ein gegenwärtiges, feststellungsfähiges Rechtsverhältnis beziehen (BGH GRUR 2001, 1036).

Vorliegend hat der Prozessbevollmächtigte die Klägerin mehrmals zur Zahlung eines Betrags i.H.v. 859,80 Euro aufgefordert und dieses Verlangen auf die Kosten seiner Inanspruchnahme gestützt. Darin ist ein ausdrückliches Berühmen, welches sich auf ein gegenwärtiges Rechtsverhältnis, nämlich einen vermeintlichen Kostenerstattungsanspruch, bezieht, zu erkennen.

IX.

Zinsansprüche der Klägerin bestehen nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang.

Eine Verzinsung der Schadensersatzforderung kommt erst ab Rechtshängigkeit in Betracht. Dass der Beklagte zu 1) bereits mit Ablauf der Frist am 04.12.2012 in Verzug geraten sein soll, ist nicht dargetan. Zu diesem Zeitpunkt war die Forderung lediglich gegenüber der Beklagten zu 2) geltend gemacht worden. Auch ein Verzugseintritt mit Ablauf der in der Abmahnung vom 03.03.2014 gesetzten Frist kommt nicht in Betracht, da die Abmahnung keine Aufforderung zur Zahlung des nunmehr konkret geltend gemachten Schadensersatzes enthielt.

Insoweit bleibt es bei einer Verzinsung ab Rechtshängigkeit, die das Gericht als Minus ohne gegen § 308 ZPO zu verstoßen, zusprechen konnte.

X.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, 100 ZPO. die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit für die Klägerin auf § 709 ZPO und für den Beklagten zu 1) auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

XI.

Der Streitwert wird auf 20.751,80 EUR festgesetzt.

Das Gericht beziffert dabei den Wert des Unterlassungsanspruchs, wie von der Klägerin außergerichtlich (BI. 82 d.A.) selbst zu Grunde gelegt, mit 16.000,00 Euro. Dieser Wert erscheint im Hinblick auf die Rechtsprechung der Kammer, die wirtschaftliche Bedeutung des streitgegenständlichen Spiels für die Klägerin und die Intensität des Verstoßes durch den Beklagten zu 1), als angemessen.

Den Streitwert für den Auskunftsanspruch und das Feststellungsbegehren beziffert das Gericht mit 500,00 bzw. 1.500,00 Euro (s.o. V.2.).

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Landgericht zugelassen worden ist.
Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Oberlandesgericht Hamm,
Heßlerstr. 53,
59065 Hamm,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils (Datum des Urteils, Geschäftsnummer und Parteien) gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Oberlandesgericht Hamm zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Oberlandesgericht Hamm durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

[Name]
als Einzelrichter (…)

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LG Bielefeld, Urteil vom 30.06.2016, Az. 4 O 363/15

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