Rechtsanwälte Knies und Albrecht (München): Das LG Düsseldorf legt einen großzügigen Maßstab an die sekundäre Darlegungslast bei Filesharing durch Angehörige an und lässt die Revision zum BGH zu

10:02 Uhr

Das Landgericht Düsseldorf hat entschieden, dass ein Elternteil als Anschlussinhaber nicht wegen Filesharing haften muss, wenn er darlegen kann, dass zum Tatzeitpunkt ein volljähriger Angehöriger den Internetzugang nutzen konnte. Damit seien nach Ansicht des Gerichts die Vermutung einer Alleinnutzung des Anschlusses und damit die Vermutung der Täterschaft im Rahmen der sekundären Darlegungslast ausreichend widerlegt, wodurch die volle Beweislast wieder auf den Anspruchsteller übergehe (Urteil v. 24.02.2016, Az. 12 S 2/15).

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Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies

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Sachverhalt:

Der beklagte Familienvater wurde von der Klägerin wegen Filesharing abgemahnt und aufgefordert, die entstandenen Kosten der Abmahnung in Höhe von 368,00 EUR sowie den Schadensersatz wegen der urheberrechtswidrigen Nutzung in Höhe von 100,00 EUR und außerdem angeblich entstandene Filesharing Ermittlungskosten von 33,32 EUR auszugleichen. Der Abmahner warf dem Beklagten vor, eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben, indem er ein urheberrechtlich geschütztes Computerspiel illegal über eine Tauschbörse im Internet angeboten und verbreitet habe.

Die Klägerin berief sich in erster Instanz vor dem Amtsgericht Düsseldorf in Anlehnung an die BGH-Rechtsprechung auf die tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber auch der alleinige Nutzer dieses Internetzugangs ist. Der Familienvater führte dagegen an, dass auch sein volljähriger Sohn, mit dem er im Haushalt lebt, den Internetanschluss, über den die Urheberrechtsverletzung stattgefunden hatte, nutzen durfte und konnte und belegte dies mit einer aktuellen Meldebescheinigung. Der Sohn des Beklagten wurde als Zeuge benannt, machte dann allerdings von seinem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Gebrauch. Das Amtsgericht Düsseldorf wies daraufhin die Klage ab (Urteil v. 09.12.14, Az. 57 C 422/14).

Die Klägerin wandte sich mit dem Rechtsmittel der Berufung zum LG Düsseldorf gegen das erstinstanzliche Urteil.

Entscheidung des Gerichts

Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Landgericht Düsseldorf bestätigte das Urteil aus erster Instanz dahingehend, dass das Amtsgericht Düsseldorf rechtsfehlerfrei zu der Ansicht gekommen sei, die Klägerin habe die Täterschaft des Beklagten nicht nachgewiesen. Der Beklagte sei durch die Vorlage der Meldebescheinigung seiner sekundären Darlegungspflicht ausreichend nachgekommen, sodass eine tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung durch den Beklagten als widerlegt gelte und die Beweislast über die tatsächliche Täterschaft wieder zur Klägerin übergehe. Die Beweislast, die Täterschaft des Beklagten nachzuweisen, konnte die Klägerin nicht erfüllen, auch deshalb, weil der Sohn des Beklagten von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hatte. Richtigerweise habe das Amtsgericht die Tatsache, dass der Sohn von seinem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO Gebrauch machte, nicht zulasten des Beklagten ausgelegt. Die Ansicht der Klägerin, der Beklagte hätte die Pflicht, sämtliche Umstände, die zur tatsächlichen Vermutung der Alleinnutzung des Anschlusses führen, zu widerlegen, verkenne, dass es sich bei der sekundären Darlegungslast nur um eine gesteigerte Substantiierungslast handelt. Ein Verlangen nach einem Vollbeweis über die normalen Grundsätze der sekundären Darlegungslast hinaus würde den Prozessgegner in unzulässiger Weise schlechter stellen und ist daher abzulehnen.

Bewertung:

Die Entscheidung des Landgericht Düsseldorf ist zu begrüßen. Das Landgericht Düsseldorf beurteilt grundlegende Regeln zur Beweisverteilung in Filesharing-Fällen. Dabei geht das Gericht insbesondere auf die sekundäre Darlegungslast und die tatsächliche Vermutung der Alleinnutzung durch den Anschlussinhaber ein.

Grundsätzlich habe der Anspruchsteller die im Zivilrechtstreit anspruchsbegründenden Tatsachen zu belegen. Daraus ergibt sich wiederum, dass die Partei, die die Beweislast trägt, auch die Darlegungslast trifft. Die sekundäre Darlegungslast trifft den in Anspruch genommenen Beklagten in der Weise, dass Umstände vorzutragen sind, die die Möglichkeit der Nutzung durch Dritte ergibt, wodurch der Gegebenheit Rechnung getragen wird, dass der Rechteinhaber normalerweise keine Kenntnis über die private Sphäre des Beklagten hat. Der BGH führte in vorausgehenden Entscheidungen (vgl. BGH, Urteil v. 08.01.2014, Az. I ZR 169/12 – BearShare, BGH, Urteil v. 11.06.2015, Az. I ZR 19/14 – Tauschbörse I; BGH, Urteil v. 11.06.2015, Az. I ZR 7/14 – Tauschbörse II; BGH, Urteil v. 11.06.2015, Az. I ZR 75/14 – Tauschbörse III) aus, die sekundäre Darlegungslast dürfe nicht zu einer echten Beweislast verkehrt werden. Es kommt zu keiner Umkehrung der Beweislastverteilung, sodass der Anschlussinhaber auch nicht über die prozessuale Wahrheits- und Erklärungslast gem. § 138 Abs. 1, 2 ZPO hinaus verpflichtet ist, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg nötigen Informationen zu besorgen.

Das Landgericht Düsseldorf meint, dass der BGH nicht nur Umfang und Wirkung der sekundären Darlegungslast herausgearbeitet hat, sondern auch detailliert zu einer tatsächlichen Vermutung der Nutzung durch den Anschlussinhaber Stellung genommen habe. In Filesharing-Fällen müssen daher zur Entkräftung einer solchen Vermutung Tatsachen dargelegt und bewiesen werden, die die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs zulassen.

Unklar ist noch, ob die Möglichkeit der Nutzung durch Dritte die tatsächliche Vermutung ausschließt bzw. entkräftet oder erst gar nicht begründet. Außerdem herrschen weiterhin Zweifel darüber, ob der Anspruchsteller Tatsachen, die zur Anwendung der ihm günstigen tatsächlichen Vermutung führen, auch beweisen muss, einschließlich des Negativbeweises, dass für einen Dritten keine Nutzungsmöglichkeit bestanden hat, oder ob der in Anspruch genommene Beweis darüber führen muss, dass ein Dritter Nutzungsmöglichkeiten hatte, um die tatsächliche Vermutung zu widerlegen. Das Landgericht Düsseldorf hat dieser Auffassung hier zu Recht widersprochen.

Interessant und zu begrüßen sind auch die Ausführungen des Landgerichts Düsseldorf zur Nachforschungsplicht: Der BGH hatte ja mit der Entscheidung Tauschbörse III klargestellt, dass ein Anschlussinhaber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast auch nach Zugang einer Abmahnung im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen anstellen muss und das Ergebnis dieser Nachforschungen mitzuteilen hat. Oft bestreiten aber die befragten Familienmitglieder – wie auch hier – eine Tatbegehung. Dies darf aber richtigerweise nicht zu Lasten des Anschlussinhabers gewertet werden, da er eben nur diese Informationen auf seine Nachfragen erhalten hat. Die Gegenposition macht hier die zu recht oft kritisierte Rechtsprechung des Landgericht München auf, nach der einfache Nachfragen im Familienkreis eben gerade nicht reichen sollen. Es wird hier das Auslesen von meist nicht mehr vorhandenen Routerprotokollen gefordert, die Untersuchung der Laptops von Familienangehörigen oder sonstige in der Realität letztlich für den Anschlussinhaber nicht beibringbarer Informationen. Dies führt etwa im Gerichtsbezirk München dazu, dass Fälle ohne Täterbenennung letztlich nicht gewonnen werden können. Das Landgericht München lässt auch nie Revisionen zum BGH zu.

Gerade auch in diesem Punkt ist aber die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf sehr erfreulich: Denn das Landgericht Düsseldorf hatte im Hinblick auf eine Vielzahl ähnlich gelagerter Sachverhalte eine Revision zugelassen. Außerdem, so das Landgericht Düsseldorf, seien die Anwendungsvoraussetzungen, die Reichweite der Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers und die diesbezüglichen Beweislastfragen noch nicht ausreichend geklärt.

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LG Düsseldorf, Urteil vom 24. Februar 2016, Az. 12 S 2/15

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