Dr. Wachs Rechtsanwälte: Amtsgericht Rostock, Urteil vom 05.01.2016, Az. 49 C 364/14 – erfolgreiche Baumgarten Brandt Klageabweisung, da nach der Beweisaufnahme nicht feststeht, dass der Beklagte widerrechtlich in die Rechte der Klägerin eingriff

23:07 Uhr

Wie die Hamburger Kanzlei …

~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs

 

Dr. Wachs Rechtsanwälte

Osterstraße 116 | 20259 Hamburg
Telefon: 040 411 88 15 70
Fax: 040 411 88 15 77 | 040 444 65 51 0
E-Mail: info@dr-wachs.de | Web: www.dr-wachs.de

———

Zusammenstellung ausgewählter Entscheidungen
der Kanzlei Dr. Wachs Rechtsanwälte: Link

~~~~~~~~~~~~~~~~~~

… informiert, wurde mit dem Urteil vom 05.01.2016 (Az. 49 C 364/14) des Amtsgerichts Rostock eine unbegründete Filesharingklage der „Europool Europäische Medienbeteiligungs-GmbH“, vertreten durch die Berliner Kanzlei „Baumgarten und Brandt“, erfolgreich abgewiesen, da nach der Beweisaufnahme nicht feststeht, dass der Beklagte widerrechtlich in die Rechte der Klägerin eingriff.

Amtsgericht Rostock, Urteil vom 05.01.2016, Az. 49 C 364/14

(…) hat das Amtsgericht Rostock durch den Richter am Amtsgericht [Name] aufgrund des Sachstands vom 29.12.2015 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 955,60 EUR festgesetzt.

Die Klägerin begehrt Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz wegen Verbreitung eines Filmwerkes im Rahmen einer Datentauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „Niko – Ein Rentier hebt ab“ für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses in [PLZ, Wohnort].

Die Klägerin behauptet, dass sie im Rahmen von ihr veranlasster Ermittlungsmaßnahmen durch den Sicherheitsdienstleister G. festgestellt habe, dass über den Internetanschluss des Beklagten am xx.11.2009 um xx:xx Uhr im Rahmen eines Filesharing-Systems über die IP-Adresse [IP-Adresse] ohne ihre Zustimmung Dateien des o.a. Filmwerkes zum Download angeboten wurden.

Die betreffende IP-Adresse sei zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetzugang des Beklagten zugeordnet.

Aufgrund eines von der Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgericht Köln vom xx.12.2009 wurde der Klägerin durch die Deutsche Telekom als Internetprovider der Beklagte als Inhaber des Anschlusses, dem zum fraglichen Zeitpunkt die IP-Adresse zugeordnet war, mitgeteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 18.03.2010 ließ die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten den Beklagten wegen des behaupteten Urheberrechtsverstoßes abmahnen und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern. Der Beklagte hat das darin enthaltene Angebot, an die Klägerin einen pauschalen Abgeltungsbetrag in Höhe von 850,00 EUR zu zahlen, nicht angenommen.

Wegen des weiteren Inhaltes wird auf den Beschluss des LG Köln, die Mitteilung der [Name Provider] und das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom xx.03.2010 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte die gegen ihn sprechende Vermutung nicht widerlegt habe und auch den an ihre sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie bestreitet, dass die Urheberrechtsverletzung von einem Familienangehörigen des Beklagten begangen wurde.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin angemessenen Schadensersatz in Höhe von wenigstens 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie

2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 555,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bestreitet, die behauptete Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben. In seinem Haushalt hätte zum Tatzeitpunkt seine Ehefrau gelebt, die Zugang zum Internetanschluss des Beklagten gehabt hätte.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin [Name] des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftliche Aussage vom 12.09.2015 verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb abzuweisen.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Rostock ergibt sich aus § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der Gerichte (KonzVO) vom 28.03.1994 (GVO-BI. M-V S. 514).

Danach sind dem Amtsgericht Rostock alle urheberrechtlichen Streitigkeiten für den Bezirk des Oberlandesgerichtes Rostock zugewiesen.

2.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG, 280 ff, 823, 832 BGB.

a)

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt Inhaberin der Nutzungs- und Verwertungsrechte für das gern. § 2 Nr. 6 UrhG geschützte Filmwerk „Niko – Ein Rentier hebt ab“ gewesen ist und ihr als solche an dem Werk sowohl die Verbreitungs- und Vervielfältigungsrechte des § 19 UrhG, als auch das Recht zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung nach § 19a UrhG zugestanden haben.

b)

Nach der Beweisaufnahme steht nämlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass der Beklagte in diese Rechte widerrechtlich eingegriffen hat, indem er das Filmwerk betreffende Dateien am xx.11.2009 über den auf ihn zugelassenen Internetanschluss zum Download anbot.

Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches bestehen, dass also die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses auch der Täter ist, wenn nicht zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen Zugriff auf den Anschluss hatten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 – BearShare).

Dem Inhaber des zugeordneten Internetanschlusses obliegt es dann, diese Vermutung zu widerlegen. Entkräftet ist diese, wenn weitere Personen Zugriff auf den Internetanschluss hatten und ebenso als Täter in Betracht kommen. Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit im Rahmen des ihm zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes, nämlich die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers ergibt.

Dazu müssen konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die einen abweichenden Geschehensablauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13). Zwar muss der Beklagte nicht den Beweis des Gegenteils führen, also dass ein Dritter für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Er muss jedoch nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls auch beweisen, aus denen sich ein abweichender Geschehensablauf ergibt.

c)

Nach der schriftlichen Vernehmung der Ehefrau des Beklagten hatte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Jahre 2009 auch sie jederzeit freien Zugang zu dem auf den Namen des Beklagten angemeldeten Internetanschluss.

Diese Darstellung erscheint als lebensnah und gibt auch vor dem Hintergrund der familiären Bindung zwischen dem Zeugen und dem Beklagten keinen Anlass zum Zweifel.

Der Beklagte ist auch seiner weiteren sekundären Darlegungslast nachgekommen. So hat dieser vorgetragen, dass auch seine Ehefrau durchschnittliche bis gute PC-Kenntnisse hatte und insbesondere auch die Fähigkeit besitzt, Programme zu installieren. Ob diese tatsächlich die behauptete Urheberrechtsverletzung – sei es vorsätzlich – oder fahrlässig – begangen habe, wisse er nicht, auf Nachfrage habe seine Ehefrau dies jedenfalls abgestritten.

Der Beklagte ist damit ihren Nachforschungspflichten hinreichend nachgekommen, da berücksichtigt werden muss, dass vor dem Hintergrund des besonderen Schutzes, den die Familie genießt, nicht erwartet werden kann, dass kriminalistische Aufklärungsarbeit gegenüber Familienangehörigen geleistet wird.

Berücksichtigt werden muss auch, dass an die Widerlegung der vom BGH in der bereits zitierten Entscheidung aufgestellte Vermutung nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden können, da es der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte, dass alle Angehörigen eines Mehrpersonenhaushaltes gleichberechtigt Zugriff auf einen vorhandenen Internetanschluss haben.

Der Klägerin hat damit nicht den Nachweis erbracht, dass der Beklagte Täter der Urheberrechtsverletzung gewesen ist, da die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass diese von seiner Ehefrau begangen wurde.

3.

Der Beklagte haftet auch nicht als Störer.

Als Störer kann nach allgemeinen Regeln bei der Verletzung absoluter Rechte in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.

Die Haftung des Beklagten unter diesem Gesichtspunkt scheitert jedoch bereits daran, dass nicht feststeht, dass der Download durch einen unberechtigten Dritten aufgrund unzureichender Sicherungsmaßnahmen erfolgte. Denn vorliegend ist die täterschaftliche Haftung eines bestimmten berechtigten Nutzers nicht ausgeschlossen, so dass eine Haftung als Störer ausscheidet, vgl. LG Köln, ZUM 2013, Seite 66; OLG Köln Beschluss vom 28.05.2031, Az. 6 W 60/13, da sich eine möglicherweise unzureichende Sicherung in diesem Fall nicht kausal ausgewirkt hätte.

Die Klage musste daher der Abweisung unterliegen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Rostock
Neuer Markt 3
18055 Rostock

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung. (…)

 

 

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Steffen Heintsch für AW3P

file.php

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

AG Rostock, Urteil vom 05.01.2016, Az. 49 C 364/14