AW3P: Grundlagen der Störerhaftung bei Filesharing Fällen. Eine laienhafte Sicht eines Nichtjuristen

12:10 Uhr

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Initiative AW3P

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Die meisten abgemahnten Anschlussinhaber erhalten wahrscheinlich das erste Mal in ihrem Leben ein Abmahnschreiben von einem Anwalt. Natürlich ist man zunächst verwirrt und überfordert, wenn man sich das Schreiben durchliest. Es ein Mix an Emotionen, Ängste und Unverständnis. Nach ersten Informationen kommt dann immer die gleichen Meinungen, dass man doch unschuldig sei; der Abmahner doch erst einmal die Schuld beweisen muss; es die Unschuldsvermutung gibt; man kein Filesharing betreibt; den Film oder das Album im Regal und im original Stehen hat; diesen Schmarrn weder anhören noch sehen würde usw. usf. Spätestens beim Lesen des Abschnittes …

Zitat aus einer Abmahnung:

(…) Für sämtliche über ihren Anschluss begangenen Urheberrechtsverletzungen haften Sie persönlich. (…) Es spielt auch keine Rolle, ob Sie persönlich oder eine andere Person aus Ihrer Sphäre – mit oder ohne Ihr Einverständnis – über Ihren Internetanschluss Bild- / Tonaufnahmen unserer Mandantschaft zum Download angeboten haben (…)

… ist auf einmal Schluss mit dem Verständnis. Wie kann es sein, das ich als Anschlussinhaber hafte, obwohl ich unschuldig bin, kein Filesharing vornahm?

Ich möchte kurz darauf eingehen, wie bei Filesharing die sogenannte Störerhaftung Einwirkungen auf eine Abmahnung hat.

Rechtsgrundlagen

 

1. Allgemein

§§ 1004, 823 ff. BGB i.V.m. den konkreten Schutzvorschriften

Hinweis:
Der Begriff Störer im § 1004 Bürgerlichem Gesetzbuch (kurz: „BGB“) deckt sich – nicht – mit dem im Urheberrecht.

Palandt: Bürgerliches Gesetzbuch, 72. Aflg. 2013, Eigentum. Titel 4. Ansprüche aus dem Eigentum, § 1004 Rn 12, 13:
b) Rechtswidrigkeit. Der dem Eigentum Inhalt (§ 903 BGB) widersprechende Zustand muss rechtswidrig sein, nicht die dazu führende Handlung (BGH NJW-RR 03, 953; BayObLG FGPrax 95, 231). Die Rechtswidrigkeit wird in der Regel durch die Wirkung einer Handlung indiziert (BGH WM 71,278) und entfällt nicht dadurch, dass die Voraussetzungen der beeinträchtigten Wirkung einer Handlung erst nach ihrer Vornahme eintraten (BGH 135, 235).
c) Verschulden nicht erforderlich (BGH 110, 313). Auch nicht Bewußtsein der Rechtswidrigkeit.

 

2. Urheberrecht

a) Strafbarkeit richtet sich nach § 106 Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (kurz: „UrhG“), schützt dem Rechteinhaber vor unerlaubten Eingriffen in seinen Verwertungsrechten (Vervielfältigung, Verbreitung, öffentliche Wiedergabe).

b) Herunterladen (Download) von urheberrechtlich geschützten Werken
§§ 15 Abs. 1., 16 Abs. 1, 53 Abs. 1 UrhG – unerlaubte Vervielfältigung (rechtswidrig hergestellt; öffentlich zugänglich gemachte Vorlage) sowie § 108 UrhG (Abs. 1 Nr. 4 und 5 – Musik; Abs. 1 Nr. 7 – Film).

c) Anbieten (Upload) von urheberrechtlich geschützten Werken
§ 19a UrhG – öffentliches Zugänglichmachen i.V.m. §§ 15 Abs. 2, 52 Abs. 3 UrhG – öffentliches Zugänglichmachen ohne Erlaubnis des Rechteinhabers (RI) sowie § 108 UrhG (Abs. 1 Nr. 4 und 5 – Musik; Abs. 1 Nr. 7 – Film).

 

Definition

Regelmäßige Rechtsprechung des BGH zur Störerhaftung:

(…) Wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-kausal zur Verletzung eines geschützten Rechtsguts beiträgt, kann als Störer für eine Schutzrechtsverletzung auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. (…)

Hinweis
a) kausal
– bestimmtes Verhalten für die Rechtswidrigkeit Bedingung
b) adäquat
– Ursachen die dem Verhalten zugerechnet werden können (Adäquanztheorie)
– Ursachen ohne das Verhalten nicht weggedacht werden kann (Äquivalenztheorie)

AW3P

(…) Störerhaftung ist die Unterbindung einer Urheberrechtsverletzung von einem bestimmten Internetzugang aus sowie die Erlangung von Schadensersatz. Liegt ein Fall der Störerhaftung vor, muss der eigentliche Täter nicht ermittelt werden. (…)

Das heißt, unabhängig von der Haftung für Täterschaft und / oder / bzw. Teilnahme kann auch derjenige als Störer zur Unterlassung und Beseitigung verpflichtet sein, der – ohne eigenes Verschulden – [„adäquat kausal“] an der Herbeiführung oder Aufrechterhaltung einer Urheberrechtsverletzung mitgewirkt hat, z.B. indem er die Verletzung durch Dritte ermöglicht hat.

Auf den ersten Blick erscheinen die Begriffserläuterungen für die Annahme einer Haftung erschreckend. Daher schränkt der Bundesgerichtshof (kurz: „BGH“) diese Definition dahingehend ein, indem er sagt:

(…) Weil die Störerhaftung aber nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt die Haftung des Störers die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist. (…)

 

A und O = Prüfpflichten!

 

Und das ist das Komplizierte, was die meisten Betroffenen nicht verstehen. Es geht eben nicht um die Frage nach Unschuld oder Schuld, derjenige hat die Störerhaftung nicht begriffen. Es geht einzig allein um, kann der Verantwortliche – der abgemahnten Anschlussinhaber – seine mögliche Störer- und / oder / bzw. Täterhaftung entkräften. Denn der Anschlussinhaber [Verantwortlicher] eines Internetanschlusses hat die technische Voraussetzung für einen Urheberrechtsverstoß geschaffen. Ohne den lnternetanschluss ist ein Verstoß gegen das Urheberrecht über das Internet bzw. P2P-Netzwerk [Tauschbörse] nun einmal nicht möglich. Man wird in der Regel davon ausgehen können, dass die Vorhaltung eines Internetanschlusses auch willentlich geschieht.

In der Rechtsliteratur liest man,

(…) Statt der missverständlichen üblichen Einteilung scheint mir die folgende vorzugswürdig, ohne dass damit eine sachliche Abweichung von den Ergebnissen der hm [herrschenden Meinung] beabsichtigt ist.
a) Tätigkeitsstörer
b) Untätigkeitsstörer (…)
Quelle: Münchener Kommentar zum BGB, 4. Auflage 2004 / Medicus, § 1004, Rn. 42

Hinweis
– Tätigkeits- bzw. Handlungsstörer = nimmt die Beeinträchtigung selbst vor!
– Untätigkeits- bzw. Zustandsstörer = wer die Möglichkeit zur Beseitigung der Beeinträchtigung hat sowie dazu rechtlich verpflichtet ist, die Gefahrenquelle geschaffen oder übernommen hat bzw. die Störung typisch ist und damit gerechnet werden muss!

(…) als Störer haftet,
– wer ein Rechtsgut beeinträchtigt (insbesondere das Eigentum),
– wer die störende Handlung selbst vornimmt,
– wer die Handlung nicht selbst vornimmt, aber beseitigen könnte, sofern die Störungsquelle allgemein gefahren erzeugt und die Störung typische Folge dieser Gefahren ist. (…)
Quelle: „Lauterkeitsrecht: Das UWG in Systematik und Fallbearbeitung“; Seite 214; Prof. Pfeifer

Mehrheit von Störern

Allgemein hat jeder seinen eigenen Beitrag zu beseitigen (Bsp.: 2 Anschlussinhaber, WG)
a) unmittelbarer Störer = verursacht das Verhalten selbst
b) mittelbarer Störer = verursacht das Verhalten nicht selbst, sondern veranlasste dieses über einen Dritten

Das heißt nichts anderes, bei der Störerhaftung geht um die Beziehung:
a) Zurechnung / Verantwortlichkeit für fremdes Handeln
b) Zurechnung / Verantwortlichkeit für eigenes Handeln

Im Mittelpunkt stehen dabei die Prüfpflichten des Anschlussinhabers, die trotz Zumutbarkeit nicht erfüllt werden.

 

Grundsatzentscheidungen des BGH zur Störerhaftung

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe ist das oberste Gericht in Deutschland auf dem Gebiet der ordentlichen Gerichtsbarkeit und damit letzte Instanz in Zivil- und Strafverfahren. Das bedeutet, man sollte sich bei der Beurteilung der Störerhaftung nicht an den Entscheidungen von Amtsgerichten leiten lassen – auch wenn diese uns Teils genehmer sind – sondern an den der Bundesrichter.

BGH – Urteil vom 12.05.2010 – Az. I ZR 121/08: „Sommer unseres Lebens“

Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.10.2007, Az. 2/3 0 19/07
OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 01.07.2008, Az. 11 U 52/07
– Haftungsfragen bei einem unzureichend gesicherten WLAN-Netzwerk

BGH – Urteil vom 15.11.2012 – Az. I ZR 74/12: „Morpheus“

Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 30.03.2011, Az. 28 O 716/10
OLG Köln, Urteil vom 30.09.2011, Az. 6 U 67/11
OLG Köln, Urteil vom 23.03.2012, Az. 6 U 67/11
– Haftungsfragen Eltern gegenüber minderjährige Kinder

BGH – Urteil vom 08.01.2014 – Az. I ZR 169/12: „BearShare“

Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 24.11.2010, Az. 28 O 202/10
LG Köln, Urteil vom 21.12.2010, Az. 28 O 202/10
OLG Köln, Urteil vom 22.07.2011, Az. 6 U 208/10
BVerfG, Beschluss vom 21.03.2012, Az. 1 BvR 2365/11
OLG Köln, Urteil vom 17.08.2012, Az. 6 U 208/10
– Haftungsfragen Eltern gegenüber volljährige Kinder

BGH – Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14: „Tauschbörse I“

Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 31.10.2012, Az. 28 O 306/11
OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013, Az. 6 U 205/12
– Haftungsfragen von Anschlussinhaber

BGH – Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14: „Tauschbörse II“

Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 02.05.2013, Az. 14 O 277/12
OLG Köln, Urteil vom 06.12.2013, Az. 6 U 96/13
– Haftungsfragen von Anschlussinhaber

BGH – Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14: „Tauschbörse III“

Vorinstanzen:
LG Köln, Urteil vom 24.10.2012, Az. 28 O 391/11
OLG Köln, Urteil vom 14.03.2014, Az. 6 U 210/12
– Haftungsfragen von Anschlussinhaber

Verhandlungstermine am 12. Mai 2016, 11.00 Uhr: I ZR 272/14, I ZR 1/15, I ZR 43/15, I ZR 48/15 und I ZR 86/15 (Haftung wegen Teilnahme an Internet-Tauschbörsen)

 

Schwierig hierbei, dass der Bundesgerichtshof zwar eine (Grundsatz-) Entscheidung fällt, deren Auslegungen, z.B. hinsichtlich der Anforderungen der Nachforschungs- und Recherchepflichten, an den jeweiligen Gerichtsstandorten bundesweit unterschiedlich erfolgen.

 

Im Weiteren beziehe ich mich auf den Artikel in der Zeitschrift „ZUM 8/9/2014, Rechtsprechung, S.30 – 32:

„Christian Weber (Frankfurt am Main): Anmerkung zu BGH Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – „BearShare“: Störerhaftung, tatsächliche Vermutung und sekundäre Darlegungslast beim Filesharing“

 

(…) Der BGH hat in der Entscheidung die Störerhaftung in Bezug auf volljährige Familienmitglieder – wie dies bereits aufgrund der „Morpheus“-Entscheidung zu erwarten war – auf solche Fälle beschränkt, in denen der Anschlussinhaber Anhaltspunkte dafür hat, dass volljährige Familienmitglieder Rechtsverletzungen über seinen Internetanschluss begehen. Insoweit hat er hinsichtlich der Begrenzung der Störerhaftung klare Zumutbarkeitskriterien aufgestellt und damit in solchen Fällen – was zu begrüßen ist – für Rechtssicherheit gesorgt. (…)

(…) Hinsichtlich der tatsächlichen Vermutung der Verantwortlichkeit und der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers bestätigt das Urteil die bisher in Filesharing-Fällen ergangene Rechtsprechung des BGH nicht nur, sondern führt diese fort und stellt sie hinsichtlich der nunmehr klaren Differenzierung zwischen tatsächlicher Vermutung und sekundärer Darlegungslast dogmatisch auf sichere Beine. (…)

 

Störerhaftung (Filesharing)

I. Tatsächliche Vermutung

– ist der AI selbst nicht Täter, muss er die gegen ihn streitende tatsächliche Vermutung entkräften.
– Grundlage: Vermutung!
Annahme eines typischen bzw. der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der AI seinen Internetzugang nutzt oder jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft – bewusst und alleine – kontrolliert

Hinweis:
Wird die Vermutungsgrundlage beseitigt, entfällt diese Vermutung. Regelmäßig, wenn – wie beim BGH-Entscheid „BearShare“ – der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.

Das heißt:
a) der AI muss folglich seine eigene Täterschaft bestreiten und zugleich Tatsachen und Umstände darlegen, wonach zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen seinen Internetanschluss benutzen konnten.
b) wird die tatsächliche Vermutung vom AI nicht entkräftet, hat dies zur Folge, dass der AI als (vermuteter) Täter für die Rechtsverletzung ist und somit haftbar (verschuldensunabhängig)

 

II. Sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers

Beachte:
Unabhängig von der tatsächlichen Vermutung

Grundlage: Bewältigung von Wissens- bzw. Wahrnehmungsdefiziten
– kein typischer Geschehensablauf
– die konkreten Umstände der Tat entziehen sich dem Wahrnehmungsbereich der beweisbelasteten Partei (Kläger)
– der Gegner der beweisbelasteten Partei (AI) hat – allein – über die die Kenntnisse über Tatumstände oder
– kann sich die sich Kenntnisse über Tatumstände mit – zumutbarem – Aufwand verschaffen

Hinweis:
Kommt der Anschlussinhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nach, ist sein Vortrag unbeachtlich und er muss die von der beweisbelasteten Partei vorgetragenen Tatsachen – auch wenn diese nicht bewiesenen sind – im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO, als zugestanden gegen sich gelten lassen (vgl. Greger, in: Zöller, ZPO, 30. Aufl. 2014, § 138 Rn. 8 b u. Vor § 284 Rn. 34 c).

 

(…) Hinsichtlich der tatsächlichen Vermutung der Verantwortlichkeit und der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers bestätigt das Urteil die bisher in Filesharing Fällen ergangene Rechtsprechung des BGH nicht nur, sondern führt diese fort und stellt sie hinsichtlich der nunmehr klaren Differenzierung zwischen tatsächlicher Vermutung und sekundärer Darlegungslast dogmatisch auf sichere Beine (vgl. „Christian Weber: Anmerkung zu BGH Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – „BearShare“: Störerhaftung, tatsächliche Vermutung und sekundäre Darlegungslast beim Filesharing“) (…)

 

Fazit:

BGH-Entscheid: „Tauschbörse III (Rdnr. 40, 42):

 

(…) Die Klägerinnen tragen nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – BearShare).

Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast.

Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen.

Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. (…)

In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – BearShare, mwN). Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil im Einklang.

(…)

Soweit die Revision geltend macht, Raum für eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Beklagten bestehe nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht, wenn der Internetanschluss von mehreren Personen im Haushalt genutzt werde, lässt sie außer Acht, dass es nicht auf die Nutzungsmöglichkeit von Familienangehörigen im Allgemeinen, sondern konkret auf die Situation zum Verletzungszeitpunkt ankommt. (…)

 

Zusammenfassung von richterlichen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast (bundesweit) in der Konstellation „Mitnutzer“

Hinweis:
Für die Zusammenfassung ist die Frage nach sinnvoll oder nicht, nicht entscheidend!

 

a) Benennung der konkreten Zugriffsberechtigten im fraglichen Zeitraum (Log/Logs)
– mit Namen, Alter + Anschrift, Stellung /Verhältnis zum AI
– hatten diese Benannten auch – tatsächlich – zum Tatzeitpunkt / Tatzeitpunkten Zugang.
aa) denklogisch:
– war niemand zu Hause, wer kommt dann infrage!? (auch wenn sich diese Frage nur die südlichen Gerichte stellen)
b) Art und Anzahl der PCs bzw. internetfähigen Endgeräte im Haushalt
– Wer benutzte welches internetfähige Endgerät
– befindet sich die benannte Tauschbörsensoftware auf diesen
– befindet sich der Streitgegenstand auf irgendeinem Rechner bzw. internetfähigen Endgerät
c) Absicherung der PCs bzw. internetfähigen Endgeräte gegenüber unbefugten Zugriffen
– Antivirus, Firewall, eigenes Benutzerkonto mit eingeschränkten Rechten, Port-Sperrung, sicheres Passwort usw.
d) Nutzungsverhalten der Zugriffsberechtigten
– sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu installieren
– sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu (be-) nutzen
– Vorlieben in puncto Musik, Filme oder Games – insbesondere gegenüber dem Streitgegenstand
e) Art und Umfang der Absicherung des WLAN-Anschlusses gegenüber Eingriffen unbefugter Dritter
– Werkseitige (ausgelieferte) Passwörter sind mit Einrichtung des Netzwerkes
aa) zu ändern,
ab) periodisch zu wechseln,
ac) immer abwechslungsreich und schwierig zu wählen (alphanumerisch: im engeren Sinne entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer. Im weiteren Sinne ist es eine Ziffer, ein Buchstabe oder ein Sonderzeichen (z.B. Punkt, Komma, Klammern)) sowie
ad) muss der AI dieses Passwort auswendig kennen und den Nachweis (Zettel, Ausdruck) über das aufgeschriebene Passwort erbringen.
f) Umfang der Nachforschungen bei den Zugriffsberechtigten in Form von Befragung
– Ergebnis – schriftlich – dokumentieren
– wie reagierte der / die Befragte/n auf den „Vorwurf“ der Begehung der Tat?
aa) Reagierte dieser „komisch“ / widersprüchlich / lange nachdenkend / kooperativ usw.
– Verbot gegenüber minderjährigen Zugriffsberechtigten Internettauschbörsen zu nutzen, da man jetzt Kenntnis über einen Urheberrechtsverstoß hat
– Onlineaktivität zum Tatzeitpunkt im Verlauf des Betriebssystems des jeweiligen Rechners
– oder gar das Einräumen des Vorwurfs innerhalb der Recherchepflicht (beachte: dieses ist im Grundsatz vorab anwaltlich zu besprechen!)

Natürlich bin ich persönlich – kein – Anwalt. Punkt. Sicherlich ist die Menge an Informationen für einen unbedarften Leser wahrscheinlich auch viel zu viel und irritierend. Klar kann sich jeder Abgemahnte lieber an eine sich bewusst-vergleichende und aufgeblasene „Gerichtssaalbegleiterin Inge“ halten, als an einem Profi, einem Anwalt. Es ist jedem sein Geld, was er in die Waagschale wirft.

Spätestens mit dem BGH-Entscheid „Tauchbörse III“ wird wieder ersichtlich, dass unsere Auslegungen der BGH-Entscheide hinsichtlich Filesharing nicht so ganz zutreffend sind, wie wir diese so easy und polemisch in den Foren und diversen Blogs gern sehen.

Das A und O bilden die Prüfpflichten und ein substantiierter Sachvortrag, einmal zu Entkräftung der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft und andermal hinsichtlich der sekundären Darlegungslast.

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Steffen Heintsch für AW3P

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