WALDORF FROMMER: Amtsgericht Rostock – Anschlussinhaber haftet vollumfänglich, wenn kein hinreichender Vortrag zur Täterschaft eines Dritten erbracht wurde!

16:18 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de

Bericht

Link:
http://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-ag-rostock-anschlussinhaber-haftet-wenn-kein-hinreichender-vortrag-zur-taeterschaft-eines-dritten-erbracht-wurde/

Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2016/05/AG_Rostock_49_C_618_14.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Claudia Lucka

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Der abgemahnte Anschlussinhaber hatte seine eigene Verantwortlichkeit abgestritten und behauptet, dass neben ihm selbst nur noch seine Ehefrau Zugang zum Internetanschluss gehabt hätte. Diese habe die Rechtsverletzung jedoch nicht begangen, so der Beklagte.

Da der Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte für die Täterschaft eines Dritten vorgetragen hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht antragsgemäß.

Zwar müsse der Beklagte nicht den Beweis führen, dass ein Dritter für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, so das Gericht, jedoch müsse er „nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls auch beweisen, aus denen sich ein abweichender Geschehensablauf ergibt.

Einen solchen Vortrag habe der Beklagte aber gerade nicht erbracht: Die Täterschaft seiner Ehefrau sei auszuschließen, konkrete Anhaltspunkte für einen Zugriff von außen nicht erbracht. Nach Auffassung des Amtsgerichts verbleibt es daher bei der gegen den Beklagten als Anschlussinhaber sprechenden tatsächlichen Vermutung seiner persönlichen Täterschaft.

Der Beklagte wurde im Ergebnis zur Leistung von Schadenersatz, zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten sowie zur Übernahme sämtlicher Verfahrenskosten verurteilt.

Das Amtsgericht sprach dem geschädigten Rechteinhaber für das illegale öffentliche Zugänglichmachen seines Filmwerkes einen Schadenersatz in Höhe von 600,00 EUR zu und stellte zudem klar, dass „die von der Klägerin vorgenommene Pauschalisierung im Hinblick auf die Produktionskosten des Filmwerkes und die Art des Eingriffs“ gerechtfertigt sei.

 

 

Amtsgericht Rostock, Urteil vom 15.04.2016, Az. 49 C 618/14

 

(…) hat das Amtsgericht Rostock durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 31.03.2016 für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.08.2013 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 09.08.2013 zu zahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz wegen Verbreitung eines Filmwerkes im Rahmen einer Datentauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „[Name]“ für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

Der Beklagte ist Inhaber eines Internetanschlusses in [Name].

Die Klägerin hat im Rahmen von ihr veranlasster Ermittlungsmaßnahmen durch den Sicherheitsdienstleister [Name] festgestellt, dass über den Internetanschluss des Beklagten am [Datum] und am [Datum] im Rahmen eines Filesharing-Systems über die IP-Adresse [IP-Adresse] ohne ihre Zustimmung Dateien des o.a. Filmwerkes zum Download angeboten wurden.

Die betreffende IP-Adresse war zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetzugang des Beklagten zugeordnet.

Aufgrund eines von der Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgericht [Name] vom [Datum] wurde der Klägerin durch [Provider-Name] als Internetprovider der Beklagte als Inhaber des Anschlusses, dem im fraglichen Zeitpunkt die IP-Adresse zugeordnet war, mitgeteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] ließ die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten den Beklagten wegen des behaupteten Urheberrechtsverstoßes vom [Datum] abmahnen und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungsverpflichtungserklärung auffordern. Der Beklagte hat zwar eine Unterlassungserklärung abgegeben, das darin enthaltene Angebot an die Klägerin, einen pauschalen Abgeltungsbetrag zu zahlen, nicht angenommen.

Wegen des weiteren Inhaltes wird auf den Beschluss des LG [Name], das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin und auf die Unterlassungserklärung des Beklagten Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte die gegen ihn sprechende Vermutung nicht widerlegt habe und auch den an seine sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend nachgekommen sei. Sie bestreitet, dass die Urheberrechtsverletzung von einem Familienangehörigen des Beklagten begangen wurden.

Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2013 zu zahlen sowie
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 506,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 09.08.2013 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin. Diese habe nicht nachgewiesen, zum Zeitpunkt der behaupteten Urheberrechtsverletzung im Besitz der erforderlichen Verwertungsrechte gewesen zu sein. Er bestreitet weiter, die behauptete Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben. Außer ihm habe lediglich seine Ehefrau Zugang zum Internetanschluss gehabt. Auch diese habe aber die behauptete Urheberrechtsverletzung nicht begangen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Rostock ergibt sich aus § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der Gerichte (KonzVO) vom 28.03.1994 (GVO-Bl. M-V S. 514). Danach sind dem Amtsgericht Rostock alle urheberrechtlichen Streitigkeiten für den Bezirk des Oberlandesgerichtes Rostock zugewiesen.

2.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR aus §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG, 280 ff. BGB.

a)

Die Klägerin hat nach Auffassung des Gerichts hinreichend nachgewiesen, dass sie zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung Inhaberin der hier maßgeblichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für das gem. § 2 Nr. 6 UrhG geschützte Filmwerk „[Name]“gewesen ist. Diese hat in der mündlichen Verhandlung eine Original DVD des streitgegenständlichen Filmwerkes vorgelegt, auf welcher sich ein Copyright-Vermerk zu ihren Gunsten befand. Die sich daraus ergebende Indizwirkung wiegt jedenfalls so schwer, dass das pauschal gehaltene Bestreiten des Beklagten nicht geeignet ist, durchgreifende Zweifel an der Rechteinhaberschaft der Klägerin auch zum Zeitpunkt der Urheberechtsverletzung hervorzurufen.

Dieser standen an dem Werk daher sowohl die Verbreitungs- und Vervielfältigungsrechte des § 19 UrhG, als auch das Recht zur öffentlichen Wahrnehmbarmachung nach § 19a UrhG zu.

In dieses Rechte hat der Beklagte widerrechtlich eingegriffen, als er das Filmwerk betreffende Dateien am [Datum] und [Datum] über den auf ihn zugelassenen Internetanschluss zum Download anbot. Die Richtigkeit der Datenermittlung stand zwischen den Parteien zuletzt nicht mehr im Streit.

b)

Zwar trägt die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches bestehen, dass also der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung spricht jedoch eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses auch der Täter ist, wenn nicht zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen Zugriff auf den Anschluss hatten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 – BearShare-).

Dem Inhaber des zugeordneten Internetanschlusses obliegt es dann, diese Vermutung zu widerlegen. Entkräftet ist diese, wenn weitere Personen Zugriff auf den Internetanschluss hatten und ebenso als Täter in Betracht kommen. Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit im Rahmen des ihm zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen vortragen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufes, nämlich die Alleintäterschaft eines anderen Nutzers ergibt.

Dazu müssen konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt werden, die einen abweichenden Geschehensablauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13).

Dem wird der Vortrag des Beklagten jedoch nicht gerecht. Zwar muss der Beklagte nicht den Beweis des Gegenteils führen, also dass ein Dritter für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist. Er muss jedoch nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen diejenigen Tatsachen vortragen und gegebenenfalls auch beweisen, aus denen sich ein abweichender Geschehensablauf ergibt. Eine solchen hat der Beklagte jedoch gerade nicht aufgezeigt, vielmehr vorgetragen, dass Dritte und insbesondere seine neben dem Kleinkind des Beklagten allein im gemeinsamen Haushalt anwesende Ehefrau als Alleintäter ausgeschlossen sei. Es sind ebenfalls keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgetragen worden, dass sich unberechtigte Dritte Zugang zum Internetanschluss des Beklagten verschafft haben. Damit verbleibt es jedoch bei der gegen den Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses, über den die Rechtsverletzung begangen wurde, sprechenden Vermutung.

c)

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 97 Abs. 2 UrhG errechnet sich nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie und begegnet auch der Höhe nach keinen durchgreifenden Bedenken. Insbesondere erscheint die von der Klägerin vorgenommene Pauschalisierung im Hinblick auf die Produktionskosten des Filmwerkes und die Art des Eingriffes als gerechtfertigt, da dass wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Unterbindung der widerrechtlichen Nutzung entsprechend hoch ist.

3.

Der Klägerin steht aus §§ 670, 683 S. 1, 677 BGB auch ein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe zu.

Das anwaltliche Schreiben der Klägerin erfüllt die inhaltlichen Anforderungen an eine wirksame Abmahnung. Diese war auch sachlich berechtigt, da der Klägerin aufgrund der von dem Beklagten begangenen Rechtsverletzung ein Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zustand.

4.

Die Entscheidung über die Nebenforderungen folgt aus §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Rostock
August-Bebel-Straße 15 – 20
18055 Rostock

einzulegen. (…)

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
AG Rostock, Urteil vom 15.04.2016, Az. 49 C 618/14

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~