WALDORF FROMMER: Amtsgericht München – Bloßer Verweis auf einen „Hacker“ reicht nicht aus – Anschlussinhaber in vollem Umfang wegen illegaler Tauschbörsennutzung verurteilt

16.22 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen

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Bericht

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Autor:
Rechtsanwalt Jung-Hun Kim

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In einem aktuellen Verfahren am AG München hatte der Beklagte seine eigene Verantwortlichkeit für die Rechtsverletzung bestritten. Zur maßgeblichen Zeit sei er nicht zu Hause gewesen. Der Internetanschluss werde darüber hinaus auch von seiner Ehefrau genutzt, welche für die Verletzungshandlung jedoch ebenfalls nicht verantwortlich sei. Insoweit sei die Rechtsverletzung entweder fehlerhaft ermittelt worden oder aber ein unbekannter Dritter habe sich unbefugt Zugang zum – geschützten – WLAN-Anschluss des Beklagten verschafft. Darüber hinaus hatte der Beklagte auch die Rechteinhaberschaft der Klägerin an dem streitgegenständlichen Filmwerk pauschal bestritten.

Das Amtsgericht München hat die die Einwände des Beklagten für nicht erheblich erachtet und der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Das Gericht war angesichts des eindeutigen Vermerks auf dem körperlichen Werkstück von der Rechteinhaberschaft der Klägerin überzeugt.

Vor dem Hintergrund der mehrfach ermittelten Rechtsverletzung sah sich das Gericht auch von der Richtigkeit der Ermittlungen überzeugt. Einer dahingehenden Beweisaufnahme habe es nicht bedurft.

Schließlich habe der Beklagte die jedem Anschlussinhaber obliegenden Vortragslasten nicht erfüllen können. Der lediglich pauschale Verweis auf einen vermeintlichen Fremdzugriff auf den Internetanschluss war bereits angesichts fehlender Anhaltspunkte völlig lebensfremd und wurde daher vom Gericht nicht ernsthaft in Erwägung gezogen.

Weitere Personen schieden als Verantwortliche ebenfalls aus, so dass von der eigenen Verantwortlichkeit des Beklagten auszugehen sei. Dass der Beklagte sich zu den maßgeblichen Zeiten nicht zu Hause aufgehalten haben will, sei unerheblich, da für die Nutzung einer Tauschbörse die ständige Anwesenheit des Nutzers gerichtsbekanntermaßen nicht erforderlich sei, so das Gericht in seiner Begründung.

Da auch hinsichtlich der Angemessenheit der Forderungshöhe keine Bedenken bestünden, wurde der Beklagte vollumfänglich verurteilt.

 

Amtsgericht München, Urteil vom 13.04.2016, Az. 262 C 23085/13

 

(…) erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2016 folgendes

 

Endurteil

 

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01 12.2012 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Beschluss

 

Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Klagepartei macht gegen die Beklagtepartei Schadensersatzansprüche wegen angeblicher Urheberrechtsverletzung im Rahmen einer Internettauschbörse geltend.

Die Beklagtepartei ist Inhaberin eines Internetanschlusses. Sie wurde von der Klagepartei aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben und Schadensersatz zu leisten.

Die Beklagtepartei gab eine Unterlassungserklärung ab, verweigerte aber Bezahlung von Schadensersatz. Niemand anders aus dem Haushalt der Beklagtenseite ist Täter der Rechtsverletzung.

Die Klagepartei trägt vor, sie sei Inhaberin der Rechte an dem Film „[Name]“. Im Zeitraum [Datum] bis [Datum] habe die Beklagtepartei dieses Werk über ihren Internetanschluss Dritten insgesamt dreimal zum Download über ein Filesharing-Netzwerk angeboten.

Sie schulde daher Schadensersatz in Höhe von 506,00 EUR für aus einem Streitwert von 10.000,00 EUR zu berechnende vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren, sowie eine fiktive Lizenzgebühr, die mindestens 600,00 EUR betrage. Dies gelte auch dann, wenn die Beklagtepartei nicht selbst gehandelt haben sollte, weil sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei.

Die Klagepartei beantragt daher:

Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite

1. Einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen i.H.v. 5  Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem [Datum] sowie

2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem [Datum] zu zahlen.

 

Die Beklagtepartei beantragt,
Klageabweisung.

Sie hält das Amtsgericht München für örtlich unzuständig, und trägt vor, der Internetanschluss sei geschützt gewesen. Die gegenständliche Handlung sei weder von ihr selbst, noch von einem Familienangehörigen vorgenommen worden. Der Anschluss müsse gehackt worden sein. Die Aktivlegitimation der Klagepartei werde bestritten. Darüber hinaus seien die geltend gemachten Beträge überhöht.

Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München örtlich zuständig, § 32 ZPO. Auf die zutreffenden Ausführungen der Klagepartei zum für den Tatzeitpunkt 2010 geltenden „fliegenden Gerichtsstand“ wird Bezug genommen.

Sie ist auch begründet.

Angesichts des als Anlage K1 vorgelegten Covers des Filmes, das die Klagepartei als Rechteinhaberin ausweist, ist von deren Aktivlegitimation auszugehen, § 10 UrhG.

Die Beklagtenseite schuldet der Klagepartei Schadensersatz, weil sie als Täterin der gegenständlichen Handlung anzusehen ist.

Da das gegenständliche Werk insgesamt dreimal von der IP-Adresse des Beklagten aus hochgeladen worden sein soll, besteht nach allgemeiner Meinung weder Veranlassung dazu, die Richtigkeit dieser Angaben gutachterlich zu überprüfen, noch ist davon auszugehen, dass der Anschluss der Beklagtenseite gehackt wurde.

Es ist so extrem unwahrscheinlich, dass gleich dreimal die IP-Adresse der Beklagtenseite falsch ermittelt worden sein soll, dass es darüber keiner Beweiserhebung bedarf.

Das Hacken des Internetanschlusses erforderte gerichtsbekannt einen so hohen Aufwand, dass dieser in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Interesse zu dem hier gegenständlichen Erfolg stünde. Aus diesem Grund kommt auch diese den Beklagen entlastende Sachverhaltsvariante nicht in Betracht.

Da unstreitig kein anderes Mitglied des Haushalts der Beklagtenseite die Tat begangen hat, ist nach den in der „BearShare“-Entscheidung des BGH (I ZR 169/12) entwickelten Grundsätzen zur sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers von dessen Täterschaft auszugehen.

In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, ob sich die Beklagtenseite zur Tatzeit zu Hause aufgehalten hat. Gerichtsbekannt ist es technisch ohne Weiteres möglich, dass ein Computer auch in Abwesenheit seines Inhabers Daten zur Verfügung stellen kann.

Die Höhe der von der Klagepartei geltend gemachten Beträge ist nicht zu beanstanden. Insbesondere liegt der für die Abmahnung angesetzte Gegenstandswert von 10.000,00 EUR für ein Filmwerk im Rahmen dessen, was nach ganz herrschender Meinung als angemessen im Sinne des § 287 ZPO angesehen wird.

Auch die von der Klagepartei als Mindestbetrag begehrten 600,00 EUR sind erforderlich, aber auch ausreichend, um den klägerischen Schaden auszugleichen, § 287 ZPO. In diesem Zusammenhang war zu berücksichtigen, dass es sich vorliegend um ein Filmwerk handelt, und dieses, wenn es einmal ins Internet Eingang gefunden hat, ohne weiteres Zutun der Beklagtenseite vervielfältigt werden kann.

Zinsen: §§ 286, 288 BGB.
Kosten: §§ 91 ZPO.
Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Streitwert: § 3 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

 

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht München I
Prielmayerstraße 7
80335 München

einzulegen. (…)

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AG München, Urteil vom 13.04.2016, Az. 262 C 23085/13

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