WALDORF FROMMER: Landgericht Magdeburg zum Nachweis der Rechteinhaberschaft mittels Zeugenbeweis – Nachweis der fehlenden Täterschaft der Mitnutzer führt zur Haftung des Anschlussinhabers

17:07 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützte Filmaufnahmen. In diesem Verfahren hatte das Amtsgericht Magdeburg die Klage zuvor mit der Begründung abgewiesen, den zur bestehenden Rechteinhaberschaft der Klägerin angebotenen Zeugen nicht hören zu müssen. Denn, so das Amtsgericht, der Nachweis der Rechteinhaberschaft könne allein durch die Vorlage der Vertragswerke geführt werden.

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Bericht

 

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Urteil als PDF:
http://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/01/LG_Magdeburg_7_S_83_16.pdf

Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

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Das Landgericht sah dies erwartungsgemäß anders und lud den von der Klägerin angebotenen Zeugen, um sich selbst ein Bild machen zu können. Die Aktivlegitimation der Klägerin stand nach der durchgeführten Beweisaufnahme zur Überzeugung des Landgerichts fest:

„Zu Unrecht stellt die Beklagte zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin in Frage. Zur Rechteinhaberschaft und damit zur Aktivlegitimation der Klägerin hat die Kammer Beweis erhoben durch Vernehmung von […]. Der Zeuge, der als Justitiar für die Klägerin tätig ist, hat der Kammer alle Einzelheiten des Rechteerwerbs überzeugend dargelegt.

Er hat der Kammer im Einzelnen geschildert, dass er die Übertragung der Verwertungsrechte selbst verhandelt habe und dass er insbesondere auch den Vertrag gesehen habe, mit dem die Rechte zur Verwertung dieses Films von der Produktionsgesellschaft auf die Klägerin übertragen worden sind. Schließlich hat der Zeuge auch nachvollziehbar dargelegt, aus welchem Grund auf der Hülle der DVD die Bezeichnung […] enthalten ist. Es handele sich um ihre 100%ige Tochterfirma, die lediglich den Vertrieb der Datenträger für sie übernommen habe. Mit dieser Sublizenz sei jedoch keinerlei Rechteinhaberschaft auf ihre Tochter übergegangen.

Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Zeuge die Vorgange zu dem Rechteerwerb zutreffend geschildert hat seine Ausführungen waren glaubhaft. Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge nicht die Wahrheit gesagt haben konnte, hat die Kammer nicht gewonnen.“

Die Beklagte hatte in diesem Verfahren zudem in erster Instanz schriftsätzlich darauf hingewiesen, dass ihre Familienangehörigen als Täter der konkreten Rechtsverletzung in Betracht kommen sollten. Die Tochter sowie der Ehemann wurden daher zwar nicht in erster, jedoch in zweiter Instanz als Zeugen gehört. Beide Mitnutzer kamen jedoch nach Durchführung der Beweisaufnahme  zur Überzeugung des Landgerichts nicht als Täter der Rechtsverletzung in Betracht.

Das Landgericht Magdeburg sah daher ihm Ergebnis die Täterschaft der Beklagten als erwiesen an:

„Nach Maßgabe dieser Grundsätze haftet die Beklagte der Klägerin als Täterin für die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung. Denn sie hat gerade nicht dargelegt und bewiesen, dass zum Verletzungszeitpunkt (auch) andere Personen selbstständig Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, so dass – nach wie vor – eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass sie für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Hiervon ist die Kammer schon aufgrund der Anhörung der Beklagten überzeugt. […] Ist aber – wie hier – der Beklagten der Vortrag und der Beweis einer zum Verletzungszeitpunkt möglichen Täterschaft eines Dritten nicht gelungen, so haftet der Anschlussinhaber allein deshalb, weil seine Täterschaft vermutet wird.“

Auch dem weiteren Einwand der Beklagten, angesichts einer vermeintlich nicht hinreichenden Konkretisierung der Forderung im Mahnbescheid sei die Regelverjährungsfrist von drei Jahren überschritten, vermochte das Landgericht nicht zu folgen.

„Sowohl der Schadenersatzanspruch als auch die als Hauptforderung daneben geltend gemachten Abmahnkosten sind so präzise beschrieben, dass die Beklagte keinem Irrtum darüber unterliegen konnte, um welche Forderung es sich handelt.“

Da die Beklagte auch die Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung nicht ausreichend substantiiert bestritten hatte, hob das Landgericht Magdeburg das erstinstanzliche Urteil auf und verurteilte die Beklagte zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes, der entstandenen Rechtsanwaltskosten sowie zur Übernahme der Verfahrenskosten beider Instanzen.

 

LG Magdeburg, Urteil vom 23.11.2016, Az. 7 S 83/16

 

(…) – Abschrift –

Landgericht Magdeburg

Geschäfts-Nr.: 7 S 83/16
150 C 1102/15 Amtsgericht Magdeburg

Verkündet am: 23.11.2016
[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle

Im Namen des Volkes!

Urteil

[Name],
Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name],
Beklagte und Berufungsbeklagte

Prozessbevollmächtigte: [Name],

hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht [Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter am Landgericht [Name] auf die mündliche Verhandlung vom 02.11.2016

für Recht erkannt

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 17.02.2016 (Az 150 C 1102/15 (150)) abgeändert und wie folgt neu gefasst
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.06.2014 zu zahlen
3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen 4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar

Gründe:

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche wegen der Verletzung ihrer Urheberrechte durch unerlaubte Verwertung in sogenannten Tauschbörsen geltend.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der Verwertungsrechte des Films [Name] zu sein. Die Klägerin lasst Rechtsverletzungen in Tauschbörsen systematisch von der „ipoque GmbH“ ermitteln. Ermittlungen dieses Unternehmens ergaben in fünf Fällen eine Zuordnung zu der IP-Adresse der Beklagten.

Mit Schreiben vom [Datum] mahnte die Klägerin die Beklagte erfolglos ab und verlangte von ihr die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Mit Schreiben vom [Datum] gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab, ohne allerdings die ihr gegenüber geltend gemachten Abmahnkosten zu begleichen.

Die Klägerin ist der Auffassung, sie könne von der Beklagten Schadensersatz in einer Mindesthöhe von 600,00 EUR verlangen. Daneben könne sie von ihr die Erstattung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung beanspruchen. Entgegen dem Vorbringen der Beklagten sei sie auch Rechteinhaberin des gegenständlichen Filmes. Soweit auf der Hülle des Films der Copyright-Vermerk [Name] enthalten sei, so beruhe dies allein darauf, dass sie die Rechte zur DVD-Auswertung an ihre 100%ige Tochter [Name] übertragen habe Die Beklagte habe zudem ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt Auch sei die IP-Adresse der Beklagten zutreffend ermittelt worden. In einer Vielzahl bereits durchgeführte gerichtlicher Beweisaufnahmen sei die Zuverlässigkeit der Ermittlungen des hier beauftragten Unternehmens durch Sachverständige bestätigt worden Hinzu komme, dass im folgenden Fall bei der Beklagten am [Datum] fünf Datensatze unter vier unterschiedlichen IP-Nummern festgestellt worden seien.

Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie angemessenen Schadensersatz, dessen Hohe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2014 sowie 506,00 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2014 zu zahlen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen

Zur Begründung hat sie zunächst die Einrede der Verjährung erhoben. Sie gehe davon aus, dass im vorliegenden Fall die Regelverjährung von drei Jahren Anwendung finde. Der im Jahre 2014 erlassene Mahnbescheid habe die Verjährung nicht unterbrechen können, weil die klägerische Forderung in diesem Mahnbescheid nicht hinreichend konkret erkennbar sei. Die mit Mahnbescheid geltend gemachte Forderung weiche von der außergerichtlichen Forderung ab Darüber hinaus werde die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten. Zwar sei sie im Jahre [Jahreszahl] Inhaberin des betreffenden Internetanschlusses gewesen sei. Es habe sich um einen Internetanschluss mit Router gehandelt, der ordnungsgemäß mittels WPA-2-Verschlusselung geschützt worden sei. Neben ihr hatten diesen Internetanschluss auch weitere Familienmitglieder genutzt, und zwar konkret ihr Ehemann [Name] sowie ihre Tochter [Name]. Sie führt weiter aus, dass für ihre Tochter ein eigenes Endgeräte zur Verfügung gestanden habe. Sämtliche Familienmitglieder seien vor der erstmaligen Nutzung ihres Computeranschlusses ausdrücklich darüber belehrt worden, dass sie keine Internettauschbörsen nutzen sollten Die Befragung der Familienmitglieder habe ergeben, dass sie keine Tauschbörsen genutzt hatten Auch ihre Haftung als Störer komme nicht in Betracht, sie habe ihren Anschluss vor dem illegalen Zugriff Dritter geschützt und habe die weiteren Nutzer sowohl belehrt als auch regelmäßig kontrolliert. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass es auch zu einem Fehler bei der Ermittlung des Anschlussinhabers gekommen sei Es sei bekannt, dass die Fehlerquote hierbei sehr hoch sei Schließlich sei der geltend gemachte Schadensbetrag überhöht und auch die Anwaltskosten konnten in der Höhe nicht geltend gemacht werden.

Mit Urteil vom 17.02.2016 wies das Amtsgericht Magdeburg die Klage ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass die Klägerin ihre Aktivlegitimation nicht ausreichend dargelegt und bewiesen habe. Insbesondere könne sie den Beweis ihrer Rechteinhaberschaft nicht durch den von ihr angebotenen Zeugenbeweis fuhren.

Gegen dieses Urteil, das der Klägerin am 22.02.2016 zugestellt wurde, legte sie am 16.03.2016 Berufung ein. Nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist ging die Berufungsbegründung der Klägerin am 29.04.2016 beim erkennenden Gericht ein, in der die Klägerin im Wesentlichen ausführte, dass das Amtsgericht nicht berechtigt gewesen sei, die Klage aufgrund unsubstantiierten Vortrags zur Rechteinhaberschaft ohne Beweisaufnahme abzuweisen Der von ihr benannte Zeuge sei unter anderem zum Beweis für solche Tatsache angeboten worden, aus denen sich die Inhaberschaft der für den streitgegenständlichen Film maßgebenden exklusiven Rechte gemäß § 19a UrhG ergebe. Im übrigen wiederholte und verteidigte sie ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Berufungsklägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Magdeburg vom 17.02.2016 (Az 150 C 1102/15 (150)) die Beklagte zu verurteilen,
1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2014 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Hohe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 05.06.2014 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen

Zur Begründung hat sie das erstinstanzliche Urteil verteidigt und im Urigen auf ihre Ausführungen der ersten Instanz Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen [Name] sowie [Name] und [Name]. Darüber hinaus hat die Kammer die Beklagte persönlich angehört Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 02.11.2016 Bezug genommen.

Bezug genommen wird hinsichtlich des Vorbringens der Parteien im übrigen auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlage. Alle diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung

II.

Die zulässige Berufung hat auch in der Sache Erfolg.

Im Ergebnis der Beweisaufnahme war das angegriffene Urteil des Amtsgerichts Magdeburg abzuändern und die Beklagte war antragsgemäß zu verurteilen.

Der rechtliche Anknüpfungspunkt für eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz dem Grunde nach ergibt sich aus § 97 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG. Gemäß § 97 Abs 1 Satz 1 UrhG kann derjenige, der das Urheberrecht oder ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt, von dem Verletzten auf Beseitigung der Beeinträchtigung, bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung, in Anspruch genommen werden. Gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet, wer die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften haftet die Beklagte der Klägerin aus der hier gegenständlichen Urheberrechtsverletzung dem Grunde nach auf, Schadensersatz Denn sie hat das Urheberrecht der Klägerin verletzt Hiervon ist die Kammer insbesondere aufgrund der Beweisaufnahme letztlich überzeugt.

Zu Unrecht stellt die Beklagte zunächst die Aktivlegitimation der Klägerin in Frage. Zur Rechteinhaberschaft und damit zur Aktivlegitimation der Klägerin hat die Kammer Beweis erhoben durch Vernehmung von [Name]. Der Zeuge, der als Justitiar für die Klägerin tätig ist, hat der Kammer alle Einzelheiten des Rechteerwerbs überzeugend dargelegt. Er hat der Kammer im Einzelnen geschildert, dass er die Übertragung der Verwertungsrechte selbst verhandelt habe und dass er insbesondere auch den Vertrag gesehen habe, mit dem die Rechte zur Verwertung dieses Films von der Produktionsgesellschaft auf die Klägerin übertragen worden sind. Schließlich hat der Zeuge auch nachvollziehbar dargelegt, aus welchem Grund auf der Hülle der DVD die Bezeichnung [Name] enthalten ist. Es handele sich um ihre 100%ige Tochterfirma, die lediglich den Vertrieb der Datenträger für sie übernommen habe. Mit dieser Sublizenz sei jedoch keinerlei Rechteinhaberschaft auf ihre Tochter übergegangen.

Die Kammer hat keine Zweifel daran, dass der Zeuge die Vorgänge zu dem Rechteerwerb zutreffend geschildert hat Seine Ausführungen waren glaubhaft Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge nicht die Wahrheit gesagt haben könnte, hat die Kammer nicht gewonnen.

Diese, der Klägerin an dem Film [Name] zustehenden Rechte, hat die Beklagte verletzt. Zwar trägt die Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz und Erstattung der Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist. Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese fuhrt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vortragt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zur Nachforschung verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchsstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter als Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzustellen und nachzuweisen (so etwa BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 -, zitiert nach Juris).

Nach Maßgabe dieser Grundsatze haftet die Beklagte der Klägerin als Täterin für die in Rede stehende Urheberrechtsverletzung. Denn sie hat gerade nicht dargelegt und bewiesen, dass zum Verletzungszeitpunkt (auch) andere Personen selbstständig Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, so dass nach wie vor – eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass sie für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Hiervon ist die Kammer schon aufgrund der Anhörung der Beklagten überzeugt. Zwar hat die Beklagte vorgetragen, dass auch ihre Tochter und ihr Ehemann grundsätzlich Zugang zu dem fraglichen Internetanschluss gehabt hätten. Im Rahmen ihrer Anhörung hat sie allerdings sowohl in Bezug auf ihre Tochter als auch in Bezug auf ihren Ehemann angegeben, dass sie sich weder bei ihr noch bei ihm vorstellen könne, dass sie zum einen in der Lage seien, so einen Vorgang technisch umzusetzen. Zum anderen könne sie sich nicht vorstellen, dass sie überhaupt auf die Idee kamen, sich einen Film im Internet illegal zu beschaffen. Hieraus ergibt sich, dass schon aus der Sicht der Beklagten selbst ein Dritter, der theoretisch Zugang zu ihrem Internetanschluss gehabt hat, als Täter nicht in Betracht kommt. Sie selbst vermag nicht überzeugend darzulegen, welcher Dritte als potenzieller Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung in Betracht kommt.

Schließlich hat auch die Vernehmung der Zeugen [Name] und [Name] nicht den Beweis ihrer – der Zeugen – Täterschaft erbracht. Beide haben überzeugend und nachvollziehbar geschildert, dass sie den fraglichen Film nicht heruntergeladen haben. Die Kammer hatte keine Anhaltspunkte dafür, dass einer der von ihr vernommenen Zeugen die Unwahrheit gesagt hat.

Ist aber – wie hier – der Beklagten der Vortrag und der Beweis einer zum Verletzungszeitpunkt möglichen Täterschaft eines Dritten nicht gelungen, so haftet der Anschlussinhaber allein deshalb, weil seine Täterschaft vermutet wird.

Ohne Erfolg macht die Beklagte in diesem Zusammenhang auch geltend, dass möglicherweise ihr Anschluss fehlerhaft ermittelt worden sei, weil die zur Ermittlung der jeweiligen IP-Adressen eingesetzte Software fehleranfällig sei. Dies ist im vorliegenden Fall deshalb unbeachtlich, weil der Anschluss der Beklagten nicht nur einmal, sondern im Zusammenhang mit der hier in Rede stehenden Urheberrechtsverletzung bei fünf unterschiedlichen Datensätzen unter vier unterschiedlichen IP-Adressen ermittelt wurde. Dieser Umstand schließt es nach den Grundsätzen der Wahrscheinlichkeit nahezu aus, dass die Ermittlung des Anschlusses der Beklagten fehlerhaft erfolgt ist.

Entgegen dem Vorbringen der Beklagten ist die Forderung der Klägerin auch nicht verfahrt. Die Beklagte beanstandet in diesem Zusammenhang lediglich, dass der ihr zugestellt Mahnbescheid die bis zum 31.12.2014 laufende Verjährungsfrist nicht unterbrochen habe, weil der geltend gemachte Anspruch darin nicht hinreichend eindeutig beschrieben werde. Am 13.09.2014 wurde der Beklagten ein Mahnbescheid zugestellt, in dem der geltend gemachte Anspruch wie folgt beschrieben ist.

„1. Schadenersatz aus Unfall/Vorfall gem Schadenersatz wg UrhR-Verletzung gemäß Schreiben vom [Datum]
2. Rechtsanwaltskosten aus UrhR-Verletzung gemäß Schreiben vom [Datum].“

Sowohl der Schadenersatzanspruch als auch die als Hauptforderung daneben geltend gemachten Abmahnkosten sind so präzise beschrieben, dass die Beklagte keinem Irrtum darüber unterliegen konnte, um welche Forderung es sich handelt Nach ihrer eigenen Auskunft handelt es sich hierbei um die erste ihr gegenüber ausgesprochene Abmahnung. Sie selbst hat zum Ausdruck gebracht, dass sie „fix und fertig“ war, als die Abmahnung bei ihr einging. Es war ihr unzweifelhaft daher möglich zu erkennen, welche Forderung genau die Klägerin geltend macht.

Nicht zu beanstanden ist auch der von der Klägerin im Wege der Lizenzanalogie geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Hohe von 600,00 EUR. Diesen Betrag halt die Kammer angesichts Tatsache, dass es sich um einen Film mit internationalem Erfolg unter Mitwirkung namhafter Schauspieler handelt, für angemessen.

Gemäß § 97a Abs. 3 Satz 1 UrhG kann die Klägerin von der Beklagten auch die geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 506,00 EUR verlangen Dabei ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Klägerin ihrer Abmahnung einen Gegenstandswert von 10.000,00 EUR zugrunde gelegt hat Auf der Basis dieses Gegenstandswerts hat die Klägerin die Aufwendungen für die ausgesprochene Abmahnung zutreffend berechnet.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr 10, 713 ZPO.

[Name] [Name] [Name] (…)

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LG Magdeburg, Urteil vom 23.11.2016, Az. 7 S 83/16

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