OLG München, Beschluss vom 18.01.2016, Az. 29 W 1949/15 – Rechtsauffassung wird bestätigt und weiter verfestigt!

23:31 Uhr

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Bericht
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Das OLG München hat in einem vom NIMROD geführten Beschwerdeverfahren erneut die klaren Anforderungen an die Erfüllung der sekundären Darlegungslast bestätigt. Der Senat nimmt unmittelbar Bezug auf das Urteil vom 14.01.2016 – 29 U 2593/15, welches wir hier vorstellen.

Die sekundäre Darlegungslast wird nur erfüllt, wenn der Anschlussinhaber konkret vorträgt, ob und ggf. welche anderen Personen eigenständig Zugriff auf den Internetanschluss hatten. Der Anschlussinhaber ist in diesem Zusammenhang im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet sowie zur Mitteilung welche Erkenntnisse über die Verletzungshandlung gewonnen wurden. Die pauschale Behauptung, dass weitere Haushaltsangehörige ebenfalls Zugriff auf den Anschluss hatten, wird diesen Aufforderungen gerade nicht gerecht. Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nicht in dem vorgegebenen Umfang, ist von der tatsächlichen Vermutung seiner Täterschaft auszugehen.

Im vorliegenden Fall hatte der Anschlussinhaber nur allgemein vorgetragen, dass auch seine Ehefrau und sein Sohn Zugriff hätten. Dass dies auch an den konkret ermittelten Zeitpunkten der Verstöße der Fall war, hatte der Antragsgegner gerade nicht vorgetragen. Er ist daher seiner ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen.

Den Beschluss finden Sie hier.

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OLG München, Beschluss vom 18.01.2016, Az. 29 W 1949/15 (Volltext)

Vorinstanz: Landgericht München I – Az. 7 O 7037/15

(…) hat der 29. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht [Name] sowie Richterin am Oberlandesgericht [Name] und Richter am Oberlandesgericht [Name] ohne mündliche Verhandlung am 18. Januar 2016 beschlossen:

I. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts München I vom 04.08.2015 in seiner Ziffer 1. dahin abgeändert, dass der Antragsgegner die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.

II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe:

I.

Von einem Tatbestand wird in entsprechender Anwendung der Vorschriften § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.

1.

Gemäß § 91a Abs. 1 Satz 1 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, wenn die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben. Dabei ist maßgebend, welcher Partei ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich die Kosten aufzuerlegen gewesen wären.

2.

Im Streitfall ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin obsiegt hätte, wenn der Antragsgegner nicht die den Rechtsstreit erledigende Unterlassungserklärung abgegeben hätte.

a)

Nach dem Sach- und Streitstand davon stand der Antragstellerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG zu. Insbesondere ist der Antragsgegner als Täter der Verletzungshandlung anzusehen.

aa)

Für den Nachweis der Täterschaft in Filesharing-Fällen gelten folgende Grundsätze (vgl. ausführlich Senat, Urt. v. 14. Januar 2016 – 29 U 2593/15 – Loud, juris, dort Tz. 33 ff.):

Wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers. Voraussetzung für das Eingreifen der tatsächlichen Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ist allerdings nicht nur das Vorliegen einer Verletzungshandlung, die von diesem Internetanschluss ausging, sondern – im Falle der hinreichenden Sicherung des Anschlusses – auch, dass der Anschluss nicht bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast, der er nur genügt, wenn er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen; in diesem Umfang ist er im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Anschlussinhabers lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht (vgl. (vgl. BGH, Urt. v. 11. Juni 2015 – I ZR 75/14, juris, – Tauschbörse III Tz. 37 und 42). Entspricht der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nicht, so ist zugunsten des Anspruchstellers dessen Vorbringen zugrunde zu legen (vgl. BGH NJW 2010, 2506 Tz. 26 m. w. N.), dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers begründet.

bb)

Danach ist im Streitfall von der Täterschaft des Antragsgegners auszugehen.

(1)

Die Antragstellerin hat durch die von einer eidesstattlichen Versicherung gestützte Darstellung des Gangs und der Ergebnisse der Ermittlungen zu den Verletzungshandlungen glaubhaft gemacht, dass diese vom Internetanschluss des Antragsgegners aus begangen wurden.

(2)

Die Antragstellerin hat sich zu Recht auf die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Antragsgegners als Inhabers des für die Taten verwendeten Anschlusses berufen. Dieser hat zwar allgemein vorgebracht, auch seine Ehefrau und sein Sohn hätten Zugriff auf den Anschluss gehabt; er hat jedoch nicht vorgetragen, dass diese auch zu den konkreten Tatzeitpunkten am 14., 15., 21., 22., 24. und 27. März 2015 (vgl. S. 3 f. d. Antragsschrift) Zugriff gehabt hätten und deshalb als Täter in Betracht kämen (vgl. BGH, a.a.0., – Tauschbörse III Tz. 39 a.E.). Damit ist er der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Antragsgegners Anwendung findet.

Diese Vermutung ist im Streitfall nicht erschüttert worden. Dazu hätte der Antragsgegner besondere Umstände, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs ergibt, vortragen und Glaubhaftmachungsmittel dafür vorlegen müssen (vgl. (vgl. BGH NJW 2012, 2435 Tz. 36; Greger in: Zöller, ZPO, 31. Aufl. 2016, vor § 284 Rz. 29; Reichold in: Thomas / Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, § 286 Rz. 13; jeweils m.w.N.). Das hat er nicht getan.

b)

Es lag auch ein Verfügungsgrund vor.

Zwar findet die Dringlichkeitsvermutung des § 12 Abs. 2 UWG im Urheberrecht keine Anwendung (vgl. Senat, Beschl. v. 17. April 2007 – 29 W 1295/07, juris, dort Tz. 2). Indes war wegen des Zeitablaufs bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache eine Regelung durch einstweilige Verfügung zur Abwendung wesentlicher Nachteile für die Antragstellerin nötig (vgl. § 940 ZPO). Der Antragstellerin konnte nicht zugemutet werden, entgegen ihrem Primäranspruch die glaubhaft gemachte laufende Verletzung ihrer urheberrechtlichen Nutzungsrechte – allein im März 2015 mindestens sechs Verletzungshandlungen – hinzunehmen und später lediglich Sekundäransprüche in Gestalt von Schadensersatzansprüchen zu realisieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. (…)

 

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OLG München, Beschluss vom 18.01.2016, Az. 29 W 1949/15