Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Ein fehlerhaftes Urteil des Amtsgerichts Köln wurde aufgehoben – Schadensersatzansprüche bei Rechtsverletzungen in Tauschbörsen verjähren erst nach 10 Jahren

17:15 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Das Landgericht Köln hat ein Urteil des Amtsgerichts Köln aufgehoben, dass die geltend gemachten Ansprüche wegen des illegalen Angebots eines Films in einer Tauschbörse als verjährt angesehen hatte. Die Klägerin hatte zuvor die Anschlussinhaberin nach Ablauf der regelmäßigen Verjährung von drei Jahren auf Herausgabe des rechtswidrig Erlangten als sog. Rechtsschadensersatz in Anspruch genommen.

 

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Bericht

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Autorin:
Rechtsanwältin Carolin Kluge

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Eigentlich hatte der Bundesgerichtshof bereits in der Entscheidung „Tauschbörse III“ vom 11.06.2015 endgültig geklärt, dass die Rechteinhaber einen Anspruch auf Herausgabe des widerrechtlich „erlangten Etwas“ im Sinne der §§ 812 ff. BGB haben, welcher als sogenannter „Rechtsschadensersatz“ erst in zehn Jahren, beginnend mit dem Jahr seiner Entstehung, verjährt. Das Amtsgericht Köln war dennoch der Ansicht, dass nach einer „im Vordringen befindliche Meinung“ der Rechtsverletzer durch das Filesharing nichts „Erlangen“ könnte, was auch nach Ablauf der regelmäßigen Verjährungsfrist herauszugeben wäre.

Die Beklagte hat sehr wohl etwas erlangt, und zwar den Gebrauch eines ihr nicht zustehenden Rechts. Die Ansicht des Amtsgerichts Köln, der Tauschbörsennutzer würde nichts erlangen, ist schlicht falsch.

Das Landgericht Köln hat das Urteil nunmehr antragsgemäß aufgehoben und die Beklagte zur Zahlung des gesamten geltend gemachten Schadensersatzes verurteilt. Denn entgegen der Ansicht des Erstgerichts habe die Beklagte sehr wohl etwas erlangt – und zwar den Gebrauch eines ihr nicht zustehenden Rechts. Die Ansicht des Amtsgerichts, der Tauschbörsennutzer würde nichts erlangen, sondern sich lediglich „Kosten für den Kauf einer CD-DVD oder Ähnlichem sparen“, sei schlicht falsch, da sie den „Kern der streitgegenständlichen Rechtsverletzung“ verkennt: die öffentliche Zugänglichmachung an eine unbegrenzte Zahl von Nutzern. Dieses Recht habe sich die Beklagte verschafft, der Wert dieses Rechts sei daher auch herauszugeben. Die Wertberechnung könne entsprechend im Wege der Lizenzanalogie erfolgen. Aus diesen Gründen wurde die Beklagte nunmehr in zweiter Instanz vollumfänglich zur Zahlung des geltend gemachten Lizenzschadensersatzes in Höhe von 1.000,00 EUR verurteilt.

 

 

LG Köln, Urteil vom 17.05.2018 – 14 S 32/17

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

14 S 32/17
125 C 505/16 Amtsgericht Köln

Verkündet am 17.05.2018
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Landgericht Köln

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

Frau [Name], 2799 Leichlingen (Rheinland),
Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name], 50670 Köln,

 

hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15.03.2018 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. [Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter, Dr. [Name]

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.08.2017, Aktenzeichen: 125 C 505/16, abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.03.2017 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits I. Instanz tragen die Klägerin zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4. Die Kosten des Rechtsstreits II. Instanz trägt die Beklagte allein.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

 

I.

Die Klägerin ist u.a. Inhaberin der ausschließlichen Verwertungsrechte zur öffentlichen Zugänglichmachung an dem Film [Name]. Sie macht gegen die Beklagte urheberrechtliche Ansprüche auf Zahlung von Lizenzschadensersatz wegen der unberechtigten Nutzung des streitgegenständlichen Filmes im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse geltend.

Die Beklagte war bereits im Jahr [Jahreszahl] Inhaberin eines Internetanschlusses unter der im Rubrum angegebenen Adresse, welcher mittels WPA2 Verschlüsselung gesichert war. Im Rahmen eines von der Klägerin betriebenen Ermittlungs- und Auskunftsverfahrens wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Werkes mittels einer Filesharing-Tauschbörse wurde festgestellt, dass das streitgegenständliche Werk am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse [IP] und am [Uhr] um [Uhrzeit] Uhr über die IP-Adresse [IP] anderen Nutzern der Filesharing-Tauschbörse zum Download angeboten worden war. Der Internet-Provider der Beklagten erteilte aufgrund des von der Klägerin nach § 101 Abs. 9 UrhG erwirkten Gestattungsbeschlusses des LG München zu Az. 33 O 11533/12 die Auskunft (Anl. K2, Bl. 40 GA), dass die oben genannten IP-Adressen zu den jeweiligen Tatzeiten dem Anschluss der Beklagten zugewiesen waren.

Die Klägerin ließ die Beklagte mit Schreiben ihrer jetzigen Prozessbevollmächtigten vom [Datum] abmahnen. Mit Schreiben vom [Datum] ihres jetzigen Prozessbevollmächtigten gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab und ließ erklären, sie verfüge nicht über WLAN und sei zu den Tatzeiten nicht online gewesen. Weder sie, noch ihr Ehemann hätten den PC zu den fraglichen Zeiten genutzt, auch könne eine Nutzung durch Dritte ausgeschlossen werden.

Die Klägerin hat behauptet, ein legaler Downloadanbieter hätte an den Rechteinhaber eine Lizenzgebühr für die streitgegenständliche Nutzung von mindestens 50 – 70 % des Netto-Verkaufspreises pro Exemplar zahlen müssen, wobei der Preis auch für ältere Katalog-Werke durchschnittlich 8,50 EUR / Werk betragen habe. Vorliegend sei gerechtfertigt, im Hinblick auf Bildqualität, Bekanntheit und Kostenaufwand bei der Produktion des, streitgegenständlichen Werkes von einem höheren Wert zur Berechnung des Lizenzschadensersatzes auszugehen. Der geltend gemachte Betrag von 1.000,00 EUR sei maßvoll berechnet im Hinblick auf die weite Streuung des streitgegenständlichen Filmes im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse.

Die Klägerin hat ferner behauptet, die Ermittlungsergebnisse des von ihr beauftragten Unternehmens ipoque GmbH seien zutreffend.

Auf Antrag der Klägerin, ist der Beklagten am [Datum] ein Mahnbescheid über eine Forderung der Klägerin i.H.v. 600,00 EUR (Lizenzschaden) und 506,00 EUR (Abmahnkosten) zugestellt worden. Mit Anspruchsbegründung vom 14.12.2016, der Beklagten zugestellt am 06.03.2017, hat die Klägerin Zahlung von Lizenzschadensersatz i.H.v. 1000,00 EUR begehrt und die Klage im Übrigen zurückgenommen.

Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Schadensersatzbetrag i.H.v. mindestens 1.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses bestritten. Sie hat behauptet, ihr PC, der ausschließlich per LAN mit dem Internet verbunden gewesen sei, sei wegen eines Virenbefalls zu den streitgegenständlichen Tatzeiten defekt gewesen. Internetverbindungen seien nicht aufgebaut worden. Die Beklagte habe nicht über weitere, internetfähige Geräte verfügt. Auf dem Router sei ein verschlüsselter WLAN-Zugang eingerichtet gewesen. Dieser müsse „gehackt“ worden sein, die WPA2 Verschlüsselung sei nicht sicher. Die Beklagte hat ferner die Ansicht vertreten, der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatz sei maßlos übersetzt. Ihr werde lediglich der einmalige Download eines Spielfilms vorgeworfen. Vor diesem Hintergrund könne der Klägerin allenfalls ein Schaden i.H.v. 20,00 EUR entstanden sein.

Hinsichtlich des von der Klägerin noch geltend gemachten Zahlungsanspruchs hat die Beklagte des Weiteren die Einrede der Verjährung erhoben.

Mit Urteil vom 14.08.2017 hat das Amtsgericht Köln die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht ausgeführt, der Anspruch der Klägerin auf Zahlung von Lizenzschadensersatz sei jedenfalls verjährt. Auch dieser Anspruch unterliege der regelmäßigen, dreijährigen Verjährung (§ 195 BGB), da die Verlängerung der Verjährung auf zehn Jahre gemäß §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB hier nicht zulässig sei. Durch den mit Filesharing verbunden Upload, der Gegenstand des Lizenzschadensersatzanspruchs sei, erlange der Filesharer nichts, das Gegenstand eines Bereicherungsanspruchs sein könne.

Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 ZPO.

Mit Schriftsatz vom 08.09.2017 hat die Klägerin Berufung gegen das ihr am 21.08.2017 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Köln eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 18.10.2017 begründet. Die Schriftsätze der Klägerin sind jeweils am Tage der Ausfertigung bei Gericht eingegangen.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, die Ausführungen des Amtsgerichts zur Verjährung des klägerischen Anspruchs seien rechtsfehlerhaft und in Verkennung der gesetzlichen Regelung, insbesondere § 102 UrhG i.V.m. § 852 BGB sowie der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung, erfolgt. Der Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz unterliege danach einer zehnjährigen Verjährungsfrist.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 14.08.2017 Aktenzeichen 125 C 505/16, abzuändern, und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.000,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die Ausführungen des Amtsgerichts in dem angefochtenen Urteil seien uneingeschränkt zutreffend. Sie nimmt im Übrigen Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

II.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig und begründet.

1.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere ist sie statthaft und in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt und begründet worden, §§ 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4, 517, 519, 522 ZPO.

2.

Die Berufung ist begründet.

a.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz gemäß §§ 97 Abs. 1 S. 2, 94, 102 UrhG i.V.m. § 852 BGB in Höhe von 1.000,00 EUR.

Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte aktivlegitimiert. Als solche steht ihr unter anderem das ausschließliche Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Filmes zu, §§ 94 Abs. 1 S. 1 4. Fall, 31 Abs. 3 S. 1 UrhG. Dieses Recht der Klägerin ist durch das Angebot zum Download des streitgegenständlichen Filmes in einer Filesharing-Tauschbörse über den Internetanschluss der Beklagten am [Name] verletzt worden.

Vorliegend ist von der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses auszugehen, wonach eine öffentliche Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Filmes im Rahmen einer Internettauschbörse am [Datum] über zwei unterschiedliche IP-Adresse erfolgte, die zu den erfassten Tatzeiten jeweils dem Internetanschluss der Beklagten zugewiesen waren. Im Hinblick auf die Mehrfacherfassungen des Anschlusses der Beklagten ist ein Indizienbeweis geführt, aufgrund dessen an der Richtigkeit des von der Klägerin vorgetragenen Ermittlungsergebnisses keine Zweifel bestehen. Denn es ist äußerst unwahrscheinlich, dass mehrere unrichtige Ermittlungen zu dem Internetanschluss derselben Person führen könnten, weshalb in Fällen von Mehrfachermittlungen unter unterschiedlichen IP-Adressen der Anschlussinhaber substantiiert dazu vortragen muss, weshalb dennoch Zweifel an der Richtigkeit dieser Mittelungsergebnisses begründet sein könnten (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – 6 U 239/11). Erhebliches Bestreiten von Seiten der Beklagten hierzu ist nicht erfolgt. Insbesondere geht die Beklagte selbst davon aus, dass die Erfassungen ihres Anschlusses als solche zutreffend erfolgten, nur die Anschlussnutzung nicht von ihr selbst, sondern von Seiten eines unbekannten Dritten vorgenommen wurde.

Das Angebot zum Download eines urheberrechtlich geschützten Werkes im Rahmen einer Internettauschbörse, die einer unbegrenzten Vielzahl von Nutzern zugänglich ist, stellt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne von § 19a UrhG dar (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I, zitiert nach juris Rdnr. 28 m.w.N.), ohne dass tatsächlich ein Download von dritter Seite erfolgen muss.

Steht somit fest, dass ein geschütztes Werk von dem Internetanschluss einer bestimmten Person öffentlich zugänglich gemacht wurde, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens, GRUR 2010, 633 ff.; BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – BearShare, GRUR 2014, 657; BGH Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Rdnr. 37 – Tauschbörse III).

Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war öder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt der Anschlussinhaber (erst) dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Person und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. BGHZ 200, 76 Rdnr. 15 ff – BearShare; betätigt durch BGH Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Rdnr. 37 – Tauschbörse III).

Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Beklagte ihrer Darlegungslast nicht genügt. Denn nach Vorbringen der Beklagten kommt weder sie selbst, noch ihr Ehemann als Täter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht.

Des Weiteren ist auch nicht davon auszugehen, dass der Anschluss der Beklagten nicht hinreichend gesichert war und das Download-Angebot des streitgegenständlichen Films im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse über den Internetanschluss der Beklagten von Seiten eines unbekannten Dritten erfolgte, der den Anschluss der Beklagten „gehackt“ hatte. Der Vortrag der Beklagten hierzu ist unsubstanziiert, worauf bereits das Amtsgericht im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 19.06.2017 (Bl. 148 GA) zutreffend hingewiesen hat. Auch in zweiter Instanz hat die Beklagte ihr Vorbringen zu einer angeblichen Sicherheitslücke des nach wie vor nicht näher spezifizierten Routers sowie zu dem angeblichen Hackerangriff nicht konkretisiert. Da andererseits die Beklagte vorträgt, der von ihr genutzte Router sei mit einer Verschlüsselung versehen gewesen, bestehen mangels Angaben der Beklagten zur Art der Verschlüsselung keine Anhaltspunkte dafür, dass diese dem damaligen Standard nicht entsprochen haben könnte und überhaupt Dritten eine Zugriffsmöglichkeit auf den Router der Beklagten eröffnet gewesen sei. Vor diesem Hintergrund kann das Vorbringen der Beklagten, zu den streitgegenständlichen Tatzeiten sei ihr PC infolge eines Virenbefalls defekt gewesen, als zutreffend unterstellt werden, weil auch dann der Beklagten mittels des von ihr genutzten Routers der Aufbau einer Internetverbindung zu den streitgegenständlichen Tatzeiten möglich war.

Da die, Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt hat, weil sie die Zugriffsmöglichkeit eines unbekannten Dritten nicht substantiiert dargetan und im Übrigen nicht vorgetragen hat, welche andere Person als Alleintäter der streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beklagte als Täterin für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. BGHZ 200, 76 – BearShare). In einem solchen Fall fehlt es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme, ein Dritter könnte die Verletzungshandlung mit – alleiniger – Tatherrschaft begangen haben (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III).

Die Beklagte handelte auch widerrechtlich, da sie von der Klägerin keine Lizenz zur Nutzung des streitgegenständlichen Filmes erworben hatte.

Das der Beklagten zur Last fallende Verschulden im Sinne von § 276 BGB liegt darin, dass die Beklagte zumindest fahrlässig verkannt hat, zum Anbieten von. Filmen über ihren Internetanschluss im Rahmen von Filesharing-Tauschbörsen nicht berechtigt zu sein, weil sie dafür keine Lizenzrechte von der Klägerin erworben hatte.

Der der Klägerin dem Grunde nach zustehende, Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz ist nicht verjährt.

Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts ist der von der Klägerin erhobene Schadensersatzanspruch wegen der Rechtsverletzung aus dem Jahr [Jahreszahl] nach der Regelung der § 102 S. 2 UrhG, § 852 BGB nicht verjährt.

Gemäß § 102 S. 2 UrhG findet § 852 BGB entsprechende Anwendung, wenn der Verpflichtete durch die Verletzung auf Kosten des Berechtigten etwas erlangt hat. Danach ist der Ersatzpflichtige auch nach Eintritt der Verjährung des Anspruchs auf Ersatz des aus einer Verletzung des Urheberrechts entstandenen Schadens zur Herausgabe nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet (§ 852 S. 1 BGB). Dieser Anspruch verjährt in zehn Jahren von seiner Entstehung an, ohne Rücksicht auf seine Entstehung in 30 Jahren von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an (§ 852 S. 2 BGB). Die Verweisung in § 852 BGB auf die Vorschriften über die. Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung bezieht sich nicht auf die Voraussetzungen, sondern auf dem Umfang der Bereicherungshaftung. Bei § 852 BGB handelt es sich nicht um einen Bereicherungsanspruch, sondern um einen so genannten Restschadensersatzanspruch, also einen Anspruch aus unerlaubter Handlung, der in Höhe der Bereicherung nicht verjährt ist (BGH, Urteil vom 15.01.2015 – I ZR 148/13 – Motorradteile, zitiert nach juris Rn. 29 m.w.N.).

Vorliegend hat die Beklagte durch die Verletzung des Rechts der Klägerin zum öffentlichen Zugänglichmachen des streitgegenständlichen Filmes etwas im Sinne von § 102 S. 2 UrhG erlangt. Sie hat in den Zuweisungsgehalt des der Klägerin zustehenden Rechts zum öffentlichen Zugänglichmachen eingegriffen und sich damit auf deren Kosten den Gebrauch dieses Rechts ohne rechtlichen Grund verschafft. Die von dem Amtsgericht vertretene Auffassung, der Rechtsverletzer, der an einer Filesharing-Tauschbörse teilnehme, erlange auf Kosten des Berechtigten lediglich mit dem Download des Werkes die Befreiung von der Verbindlichkeit, eine entsprechende Vergütung für die eigene Nutzung des Werkes zu zahlen, er erspare sich also lediglich Kosten für den Kauf einer CD, DVD oder Ähnlichem, verkennt den Sachverhalt und den Kern der streitgegenständlichen Rechtsverletzung.

Tatbestand der Urheberrechtsverletzung ist nicht der private Download des Filmes [Name] von Seiten der Beklagten, sondern dessen öffentliche Zugänglichmachung. Dies bedeutet das Angebot zum Download des streitgegenständlichen Filmes an eine unbegrenzte Anzahl von Benutzern der Filesharing-Tauschbörse, die, wie gerichtsbekannt ist, häufig im sechsstelligen Bereich liegt. Dabei ist die Bereitstellung der heruntergeladenen Dateien oder Dateifragmente im Netzwerk nicht nur ein Reflex des eigentlich interessierenden Downloads aus Sicht des Nutzers (so aber das Amtsgericht), sondern eine notwendige ‚Begleiterscheinung des Herunterladens auf den eigenen Computer (vgl. BGH, Urteil vom 06.12.2017 – I ZR 186/16 – Konferenz der Tiere, juris Rdnr. 27), welche der Nutzer als Folge seines Handelns mindestens billigend in Kauf nimmt (BGH a.a.O.). Den Gebrauch dieses Rechtes hat sich die Beklagte ohne rechtlichen Grund verschafft. Da die Herausgabe des Erlangten wegen seiner Beschaffenheit nicht möglich ist, weil der Gebrauch eines Rechts seiner Natur nach nicht herausgegeben werden kann, ist nach § 818 Abs. 2 BGB der Wert zu ersetzen. Der objektive Gegenwert für den Gebrauch eines Immaterialgüterrechts besteht in der angemessenen. Lizenzgebühr. Wer durch die Verletzung des Urheberrechts oder eines anderen nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts etwas erlangt hat, kann sich im Regelfall auch nicht mit Erfolg nach § 818 Abs. 3 BGB auf den Wegfall seiner Bereicherung berufen, da das Erlangte, also der Gebrauch des Schutzgegenstandes, nicht mehr entfallen kann (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1971 – I ZR 58/70, BGHZ 56, 317 (322) – Gasparone BGH, GRUR 2012, 715 – Bochumer Weihnachtsmarkt, juris Rn: 41; BGH, Urteil vom 15.01.2015 – I ZR 148/13NJW 2015, 3165 – Motorradteile, juris Rn. 32). Mit dem Restschadensersatzanspruch aus § 852 BGB kann daher die Herausgabe des durch die Verletzung eines Schutzrechts erlangten Gebrauchsvorteils im Wege der Zahlung einer fiktive Lizenzgebühr verlangt werden (BGH – Motorradteile – Rdnr. 34).

Die Klägerin kann den ihr gemäß §§ 97 Abs. 2 S. 3, 102 UrhG in Verbindung mit § 852 BGB zustehenden Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen. Gibt es – wie im Streitfall – keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadenersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I, juris Rdnr. 57 m.w.N.). Für die Bestimmung der angemessenen Lizenzgebühr ist objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gezahlt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebenen Sachlage gekannt hätten. Vorliegend ist zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bereits für die öffentliche Zugänglichmachung einer Musikaufnahme ein Betrag von 200,00 EUR je Aufnahme als Nutzungsentgelt angemessen ist (vgl. BGH a.a.O. Tauschbörse I, Rdnr. 65). Da streitgegenständlich die öffentliche Zugänglichmachung eines Filmes und damit eines weit umfangreicheren Werkes ist, ist der von der Klägerin geforderte Lizenzschadensersatz von 1000,00 EUR nicht übersetzt. Denn er entspricht wertmäßig – auch unter Ansatz des von der Beklagten angegebenen Verkaufspreises von 5,88 EUR für eine DVD – dem Betrag, den die Klägerin bereits für ca. 200 als DVD vertriebene Filme erzielen konnte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass auch ohne konkrete Kenntnis von der Zahl der Teilnehmer der Filesharing-Tauschbörse zu den jeweiligen Tatzeitpunkten eine Zahl von (mindestens) 400 möglichen Zugriffen auf ein in einer solchen Tauschbörse zum Download angebotenes, aktuelles Werk durchaus realistisch ist und zur Grundlage der Bemessung eines Anspruchs auf Lizenzschadensersatz geeignet ist (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 08.05.2013 – 6 W 256/12, juris Rn. 9; OLG Frankfurt, Urteil vom 15.07.2014 – 11 U 115/13; OLG Köln, Urteil vom 06.02.2015 – 6 U 209/13; nicht beanstandet von BGH, Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – Everytime we touch, juris Rn. 56). Andererseits erachtet die Kammer im konkreten Fall einen Betrag von 1.000,00 EUR gemäß § 287 ZPO auch für ausreichend, weil der streitgegenständliche Film im Zeitpunkt der Rechtsverletzungen‘ bereits längere Zeit bekannt war, wie aus dem Vermerk [Name] (DVD-Hülle, Anlage K 1, Bl. 38 GA) abzuleiten ist, die Vermarktungsinteressen der Klägerin demzufolge nicht in gleicher Weise beeinträchtigt wurden wie bei der Nutzung eines neu auf dem Markt erschienenen Werkes.

b.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1, 247 in Verbindung mit §§ 251 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO und ist seit dem auf die Zustellung der Anspruchsbegründung folgenden Tag begründet (§ 187 BGB). Rechtshängigkeit des Anspruchs der Klägerin trat nicht bereits gemäß § 696 Abs. 3 ZPO mit Zustellung des Mahnbescheids ein, weil die Abgabe der Streitsache nicht alsbald nach Einlegung des Widerspruchs vom 25.06.2015, sondern erst Ende 2016 erfolgt ist.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf .§ 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr. 8 EG ZPO.

 

IV.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision sind nicht erfüllt. Die Kammer weicht mit dieser Entscheidung weder von einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes ab, noch hat die Sache über die Rechtsanwendung auf den Einzelfall hinaus grundsätzliche Bedeutung oder ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Die Beschwer im Berufungsverfahren wird auf 1.000,00 EUR festgesetzt.

 

Dr. [Name]
Vorsitzenden Richter am Landgericht

[Name]
Richterin am Landgericht

Dr. [Name]
Richter

 

Beglaubigt
[Name], Urkundsbeamter/in der Geschäftsstelle
Landgericht Köln (…)

 

 

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LG Köln, Urteil vom 17.05.2018 – 14 S 32/17

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