Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Filesharing Verfahren nach Abmahnung vor dem Amtsgericht Frankfurt an Main – Eine pauschale Behauptung der Täterschaft eines Dritten genügt nicht um klägerische Ansprüche zu erschüttern

23:23 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegale Tauschbörsenangebote urheberrechtlich geschützter Werke. Die beklagte Anschlussinhaberin hatte sich in dem Verfahren zunächst darauf berufen, nicht selbst für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen verantwortlich zu sein. Sie verfüge nicht über die nötigen technischen Kenntnisse zur Bedienung einer Tauschbörse und sei zu vielen Zeitpunkten der maßgeblichen Rechtsverletzungen nicht zu Hause gewesen. Jedoch habe ihr damaliger Lebensgefährte Zugriff auf ihren Internetanschluss nehmen können. Dieser komme als Täter ernstlich in Betracht bzw. habe seine Täterschaft der Beklagten gegenüber zugegeben. Zu weitergehenden Ermittlungen sei die Beklagte ihrer Auffassung nach nicht verpflichtet gewesen.

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

Beethovenstraße 12 | 80336 München
Telefon: 089 / 52 05 72 10 | Telefax: 089 / 52 05 72 30
E-Mail: web@waldorf-frommer.de | Web: www.waldorf-frommer.de

Bericht

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-p2p-verfahren-nach-abmahnung-vor-dem-ag-frankfurt-a-m-pauschale-behauptung-der-taeterschaft-eines-dritten-genuegt-nicht-um-klaegerische-ansprueche-zu-erschuettern/

Urteil als PDF

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2018/04/AG_Frankfurt_aM_32_C_3164_17_22.pdf

Autorin:

Rechtsanwältin Sandrine Schwertler

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Dieser Auffassung trat das Amtsgericht Frankfurt entschieden entgegen:

„Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen ergibt sich hier, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht in hinreichend konkreter Weise nachgekommen ist. So ist bereits ihr pauschal gehaltener Vortrag, sie sei zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu Hause gewesen, angesichts der Mehrzahl der Rechtsverletzungen, in Bezug auf die einzelnen Rechtsverletzungen nicht konkret nachvollziehbar.

Auch ihr pauschaler Vortrag, XX habe die Rechtsverletzung begangen bzw. begangen müssen bzw. habe dies zugegeben, erfüllt die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar vorgetragen, woraus diese Schlussfolgerung zu ziehen ist. Der Umstand, dass XX im Zeitraum der Urheberrechtsverletzung erwerbslos alleine zu Hause gewesen sei, bietet auch angesichts der Mehrzahl der Urheberrechtsverletzungen keine konkret begründeten Anhaltspunkte für eine Täterschaft des Herrn XX. Der pauschale Vortrag in der mündlichen Verhandlung am 08.03.2018, die Hauptbevollmächtigte der Beklagten habe gegenüber dem Terminsvertreter geäußert, dass die Beklagte gesagt habe, dass Herr XX ihr gegenüber die Urheberrechtsverletzung zugegeben habe, ist wiederum pauschal und daher auch in Bezug auf den Vortrag, die Beklagte wisse nicht, ob Herr XX noch an der alten Adresse wohne, nicht nachvollziehbar.

Auch der Vortrag, die Beklagte wisse nicht sicher, ob XX sich noch an der alten Adresse aufhalte, erfüllt die Darlegungslast der Beklagten nicht. Die Beklagte hat damit nicht vorgetragen, inwiefern sie ihrer Nachforschungspflicht nachgekommen ist und welche konkreten Erkenntnisse zur möglichen Täterschaft des XX ermittelt werden konnten bzw. warum er Beklagten weitere Nachforschungen nicht zumutbar gewesen sein sollten.“

Weiterhin hatte die Beklagte die korrekten Ermittlungen sowie die Zuordnung ihres Internetanschluss bestritten. Derartiges Vorbringen ordnete das Gericht jedoch als nicht erheblich ein. Insbesondere sei das Bestreiten vor dem Hintergrund der Behauptung der Täterschaft des Lebensgefährten widersprüchlich:

„Das Bestreiten der ordnungsgemäßen Ermittlungen durch die Beklagte ist dabei angesichts der von der Klägerin substantiiert dargelegten Ermittlungen der mehrfachen Rechtsverletzung von dem Internetanschluss der Beklagten nicht erheblich. Zum einen ist das Bestreiten der Beklagten insofern widersprüchlich, als dass sie einerseits davon ausgeht, dass [Name] die Urheberrechtsverletzung begangen hat, die ordnungsgemäße Ermittlung und Zuordnung ihres Internetanschlusses jedoch bestreitet (vgl. LG Berlin, Urt. Vom 19. Januar 2016, Az. 16 S 20/15).“

In der Folge verurteilte das Amtsgericht die Beklagte antragsgemäß, wobei es einen Schadensersatzbetrag von 1.350,00 EUR für die streitgegenständlichen Werke als angemessen ansah. Darüber hinaus hat die Beklagte sowohl die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten, wie auch die kompletten Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

 

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.03.2018, Az. 32 C 3164/17 (22)

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht Frankfurt am Main
Aktenzeichen:, 32 C 3164/17 (22)

Verkündet lt. Protokoll am: 27.03.2018
[Name], JAe
Urkundsbeamtin-/beamter der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München

gegen

[Name], 60489 Frankfurt am Main,
Beklagte

Prozessbevollmächtigte: [Name], 60329 Frankfurt am Main,

 

hat das Amtsgericht Frankfurt am Main durch die Richterin [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08.03.2018

für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, 1.441,49 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird ferner verurteilt, 123,51 EUR als Nebenforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2017 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz und Abmahnkosten wegen einer Urheberrechtsverletzung geltend.

Die Klägerin ist Inhaberin von Nutzungsrechten u.a. von Büchern und eBooks. Die Urheberrechtsverletzungen in Peer-to-Peer-Netzwerken lässt sie durch die Digital Forensics GmbH ermitteln. Die Digital Forensics GmbH ermittelt Urheberrechtsverletzung durch Veröffentlichung eines Werks in einem Peer-to-Peer Forensic System, indem die Kommunikation zwischen einem hochladenden und einem herunterladenden Nutzer gesichert und die jeweiligen IP-Adressen ermittelt werden.

Die Klägerin betrieb im Anschluss an diese Ermittlungen drei Auskunftsverfahren vor dem LG Köln (207 O 39/14; 214 O 45/14; 216 O 33/14), in dessen Rahmen die Telekom Deutschland Auskunft bezgl. zum Internetanschluss der Beklagten zugehöriger IP-Adressen erteilte.

Mit Schreiben vom [Datum] forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zur Unterlassung und zur Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes auf. Mit Schreiben vom 30.03.2017 forderten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Beklagte zur Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes in Höhe von 1.350,00 EUR sowie Abmahnkosten in Höhe von 215,00 EUR mit Fristsetzung zum 06.04.2017 auf.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der Nutzungsrechte der Bücher zu sein und beruft sich dabei auf die vorgelegten Buch-Kopien, die C-Vermerke bzgl. der Rechtsvorgängerin der Klägerin enthalten. Der durchschnittliche Preis eines Buches betrage mindestens 10,00 EUR. Eine Lizenz für ein umfangreiches und aktuelles eBook betrage nicht weniger als 40% von 8,40 EUR (Ladenpreis netto), also 3,36 EUR.

Die Klägerin behauptet, dass über den Internetanschluss der Beklagten am [unterschiedliche Datums] an 36 unterschiedlichen Zeitpunkten von acht verschiedenen IP-Adressen diese Bücher als eBook ohne Einwilligung der Klägerin über ein Peer-to-Peer Forensic System öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Bzgl. der einzelnen streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen wird auf die Klageschrift vom 20.11.2017 (BI. 9 d. A.) verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie einen Anspruch auf Schadensersatz in Form einer fiktiven Lizenzgebühr in Höhe von mindestens 1.350 EUR habe. Bei einer Mindestabruflizenz von 6,72 EUR und 400 Abrufen ergebe sich bereits eine Lizenzgebühr von 2.600,00 EUR. Darüber hinaus habe die Klägerin Anspruch auf Ersatz der Abmahnkosten bemessen an einem Gegenstandswert in Höhe von 1.875,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerseite einen angemessenen Schadenersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1.350,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2017 zu zahlen,
2. 91,49 EUR als Hauptforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2017, sowie
3. 123,51 EUR als Nebenforderung zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 07.04.2017 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, dass sie die streitgegenständlichen Bücher nicht zum Download angeboten habe. Sie verfüge nicht über die nötigen Kenntnisse über Peer-to-Peer-Netzwerke. Sie habe zum streitgegenständlichen Zeitpunkt mit Ihrem damaligen Lebenspartner [Name]zusammengelebt, der die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung habe begangen müssen. Er sei aufgrund seiner damaligen Erwerbslosigkeit den ganzen Tag zu Hause gewesen und habe daher auch die Möglichkeit gehabt, auf ihren Internetanschluss zuzugreifen und die Uploads auszuführen komme daher als Täter der streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung ernstlich in Betracht bzw. habe das auch zugegeben. Die Beklagte ist der Ansicht, dass sie zu weitergehenden Ermittlungen nicht verpflichtet sei.

Bzgl. des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.

Gemäß § 97 Abs. 2 UrhG ist derjenige, der gemäß § 97 Abs. 1 UrhG das Urheberrecht oder / ein anderes nach diesem Gesetz geschütztes Recht widerrechtlich verletzt und diese Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.

Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, Inhaberin der Nutzungsrechte der streitgegenständlichen Bücher zu sein. Die Klägerin hat dies unter Vortage der Bucheinband-Kopien mit dem C-Vermerk für die Rechtsvorgängerin der Klägerin substantiiert dargelegt. Für die Klägerin spricht damit die Vermutungsregel des § 10 Abs. 3 UrhG, wobei diese zwar grundsätzlich nur im Rahmen des Unterlassungsanspruch relevant ist, als Indiz aber auch in dem vorliegenden Zusammenhang verwendet werden kann (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.11.2017, Az. 2-06 0 120/17). Die Aktivlegitimation wurde durch die Beklagte nicht erheblich bestritten. Es ist nicht ersichtlich, welche konkreten Gesichtspunkte ernstlich gegen die Rechteinhaberschaft der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständlichen Werke sprechen sollen.

Von dem Anschluss der Beklagten wurde das Urheberrecht der Klägerin verletzt, indem die streitgegenständlichen Bücher gemäß § 19a UrhG ohne ihre Einwilligung öffentlich zugänglich gemacht worden ist.

Das Bestreiten der ordnungsgemäßen Ermittlung durch die Beklagte ist dabei angesichts der von der Klägerin substantiiert dargelegten Ermittlungen der mehrfachen Rechtsverletzung von dem Internetanschluss der Beklagten nicht erheblich. Zum einen ist das Bestreiten der Beklagten insofern widersprüchlich, als dass sie einerseits davon ausgeht, dass die Urheberrechtsverletzung begangen hat, die ordnungsgemäße Ermittlung und Zuordnung ihres Internetanschlusses jedoch bestreitet (vgl. LG Berlin, Urt. v. 19.01.2016, Az. 16 S 20/15). Darüber hinaus ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin 36 unterschiedliche konkrete Rechtsverletzungen vorgetragen hat, die von insgesamt acht verschiedenen IP-Adressen ausgegangen sein sollen. Dabei hat die Klägerin jeweils den konkreten Zeitraum der Verletzung, die IP-Adresse, die Ports, über die die Daten je Protokolltyp übertragen wurden sowie die Clients, über die die Rechtsverletzungen begangen wurden, vorgetragen. Jede der ermittelten IP-Adressen wurde dabei dem Anschluss der Klägerin zugeordnet und stimmte auch jeweils mit dem Kreis der streitgegenständlich verletzten urheberrechtlich geschützten Werke überein. Es erscheint daher außerhalb jeder Lebenswahrscheinlichkeit, dass in Bezug auf fünf IP-Adressen mit jeweils drei identischen eBook-Titeln zufällig fehlerhaft ermittelt worden ist. Ebenso unwahrscheinlich erscheint es angesichts der Mehrfachermittlung der IP-Adressen der Beklagten, dass eine fehlerhafte Zuordnung des Internetanbieters zum Anschluss der Beklagten im Rahmen des Auskunftsverfahrens erfolgt ist. Die Beklagte hat keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, warum die von der Klägerseite dargelegten Ermittlungen nicht ordnungsgemäß erfolgt sein sollen.

Im Bezug auf diese Rechtsverletzung ist von einer Täterschaft der Beklagten auszugehen.

Im Ausgangspunkt ist es gem. der allgemeinen Regeln der Darlegungs- und Beweislast Sache der Klägerin, die Voraussetzungen ihrer Ansprüche und damit auch die Täterschaft der Beklagten darzulegen.

Hier spricht jedoch zunächst eine tatsächliche Vermutung dafür, dass die Beklagte die gegenständliche Rechtsverletzung begangen hat, die die Beklagte im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast ihrerseits nicht erschüttert hat.

Sofern ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, spricht dies dafür, dass der der 1P-Adresse zuzuordnende Anschlussinhaber die Rechtsverletzung begangen hat. Dem Anschlussinhaber obliegt dann eine sekundäre Darlegungslast für die Darlegung, dass tatsächlich eine andere Person die Rechtsverletzung begangen habe (BGH, Urt. v. 12.05. 2010 -I ZR 121/08, NJW 2010, 2061; LG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.11.2017, Az. 2-06 0 120/17).

Diese sekundäre Darlegungslast führt nicht zu einer Umkehr der Beweislast, so dass der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast dadurch genügt, dass er vorträgt, ob und ggf. welche andere Personen selbstständigen Zugang zu dem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Diesbezüglich besteht auch eine Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers. Er hat darzulegen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung erlangt hat. Allerdings genügt der Anschlussinhaber seiner obliegenden sekundären Darlegungslast nicht, wenn er lediglich pauschal vorträgt, dass andere Personen theoretisch Möglichkeit des Zugriffs auf den Internetanschluss hatten, sondern er „hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen“ (BGH, Urt. v. 30.3.2017 – I ZR 19/16, NJW 2017, 1233, 1234).

Der Anschlussinhaber hat zudem „hinsichtlich derjenigen Personen, die selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen, im Rahmen des Zumutbaren Nachforschungen anzustellen und mitzuteilen, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat“ (BGH Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 48/15).

Vor dem Hintergrund dieser Anforderungen ergibt sich hier, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht in hinreichend konkreter Weise nachgekommen ist.

So ist bereits ihr pauschal gehaltener Vortrag, sie sei zum streitgegenständlichen Zeitraum nicht zu Hause gewesen, angesichts der Mehrzahl der Rechtsverletzungen, in Bezug auf die einzelnen Rechtsverletzungen nicht konkret nachvollziehbar.

Auch ihr pauschaler Vortrag, [Name] habe die Urheberrechtsverletzung begangen bzw. begangen müssen bzw. habe dies zugegeben, erfüllt die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht. Die Beklagte hat nicht nachvollziehbar vorgetragen, woraus diese Schlussfolgerung zu ziehen ist. Der Umstand, dass IM. im Zeitraum der Urheberrechtsverletzungen erwerbslos und allein zu Hause gewesen sei, bietet auch angesichts der Mehrzahl der Urheberrechtsverletzungen keine konkret be-gründeten Anhaltspunkte für eine Täterschaft des [Name]. Der pauschale Vortrag in der mündlichen Verhandlung am 08.03.2018, die Hauptbevollmächtigte der Beklagten habe gegenüber dem Terminsvertreter geäußert, dass die Beklagte gesagt habe, dass ihr gegenüber die Urheberrechtsverletzungen zugegeben habe, ist wiederum pauschal und daher auch in Bezug auf den Vortrag, die Beklagte wisse nicht, ob Herr [Name] noch an der alten Adresse wohne, nicht nachvollziehbar.

Auch der Vortrag, die Beklagte wisse nicht sicher, ob [Name] sich noch an der alten Adresse aufhalte, erfüllt die Darlegungslast der Beklagten nicht. Die Beklagte hat damit nicht vorgetragen, inwiefern sie ihrer Nachforschungspflicht nachgekommen ist und welche konkreten Erkenntnisse zur möglichen Täterschaft des [Name] ermittelt werden konnten, bzw. warum der Beklagten weitere Nachforschungen nicht zumutbar gewesen sein sollten.

Insofern verfängt auch der Hinweis der Beklagten auf die Rechtsprechung des LG Frankfurt am Main (Urt. v. 14.02.2018, Az. 2-06 S 55/15) nicht. In dem Urteil ging es nämlich um die Frage der Einschränkung der Zumutbarkeit der Nachforschungspflicht aufgrund des Grundrechtes auf Schutz der Ehe und Familie gemäß Art. 6 I GG, weshalb im Falle der Gefahr, durch weitere Darlegungen Familienangehörige in die Gefahr der Strafverfolgung zu bringen, die weitere Nachforschungspflicht eingeschränkt sein kann. Die Beklagte war aber mit [Name] nicht in einer vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG erfassten Weise verbunden bzw. hat dies nicht geltend gemacht.

Die Rechtsverletzung erfolgte auch schuldhaft. Der Beklagten ist jedenfalls Fahrlässigkeit zur Last zu legen. Derjenige, der ein fremdes Werk veröffentlicht, hat regelmäßig die Pflicht, sich umfassend nach den erforderlichen Rechten zu erkundigen (LG München I, Endurteil vom 01.07.2015, Az. 37 0 5394/14, GRUR-RS 2015, 12287).

Der Klägerin steht ein Schadenersatzanspruch gegen die Beklagte in der geltend gemachten Höhe von 1.350,00 EUR zu.

Die Klägerin kann gemäß § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie geltend machen. Als angemessen gilt die Lizenzgebühr, die bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (LG München I, Endurteil vom 01.07.2015, Az. 37 O 5394/14, GRUR-RS 2015, 12287 m.w.Nw.).

Die Klägerin hat die Lizenzberechnung unter Zugrundelegung der Abrufanzahl substantiiert dargelegt. Bei einer öffentlichen Zugänglichmachung eines digitalen Werkes im Internet ist zu beachten, dass die Reichweite nicht begrenzt ist. Es macht den Kauf des Werks für die Nutzer der Tauschbörse entbehrlich. Vor diesem Hintergrund ist die Bemessung des Schadensersatzes auf der Grundlage der fiktiven Lizenzberechnung der Klägerin in Bezug auf die streitgegenständlichen eBooks von insgesamt wenigstens 1350,00 EUR angemessen.

Daneben steht der Klägerin ein Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren gemäß § 97a Abs. 1 UrhG zu.

Gemäß § 97a Abs. 1 UrhG soll der Verletzte den Täter vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Gemäß § 97a Abs. 1 S. 1 UrhG kann der Verletzte hierfür den Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, soweit die Abmahnung berechtigt ist.

Die Klägerin hat die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungsverpflichtungserklärung aufgefordert. Diese Abmahnung war berechtigt.

Die Klägerin hat somit Anspruch auf Ersatz der für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen. Bei der Bemessung des Gegenstandswerts ist der hohe Angriffsfaktor einer öffentlichen Zugänglichmachung in einem Online-System zu berücksichtigen. Sie kann Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus einem Gegenstandswert von 1.875,00 EUR verlangen, so dass insgesamt 215,00 EUR nicht zu beanstanden sind, wobei die Klägerin diese anteilig als Hauptforderung (91,49 EUR) und anteilig als Nebenforderung (123,51 EUR) geltend macht.

Der Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren ist nicht gemäß § 97a Abs. 2 S. 3 UrhG beschränkt. In dem Hochladen eines geschützten Rechtsguts in einer Tauschbörse, wodurch eine zahlenmäßig unbeschränkte weltweite öffentliche Zugänglichmachung erfolgt, kann nicht eine nur unerhebliche Rechtsverletzung gesehen werden (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 15.11.2017, Az. 2-06 0 120/17).

Der geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 Abs. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus 709 S. 2 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Frankfurt am Main,
Gerichtsstraße 2,
60313 Frankfurt am Main.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

[Name]
Richterin

Beglaubigt
Frankfurt am Main, 03.04.2018
[Name]Justizangestellte
Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle des Amtsgerichts (…)

 

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

AG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.03.2018, Az. 32 C 3164/17 (22)

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~