Kanzlei Sieling (Paderborn): Amtsgericht Bielefeld – teilweise Verjährung wegen unzureichender Aufschlüsselung der Kosten im Mahnbescheid. Beklagter haftet nur auf Schadensersatz (The Walking Dead)

17:30 Uhr

In Filesharing-Angelegenheiten wird mitunter gern mit unterschiedlichen und mit wechselnden nicht nachvollziehbaren Zahlen jongliert. Manchmal werden die Forderungen – auch mehrfach – verkauft oder an ein Inkassobüro abgegeben. Die Zahlen werden dann noch einmal kräftig durchgewürfelt und auf wundersame Weise erhöht – diese Taktik ist zu Gunsten des Abgemahnten vor dem Amtsgericht Bielefeld nicht aufgegangen.

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Rechtsanwältin Carola Sieling
Fachanwältin für Informationstechnologierecht
Lehrbeauftragte der Universität Paderborn
Lehrbeauftragte der FH Flensburg

Kanzlei Sieling

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Bericht

Link:
https://www.kanzlei-sieling.de/2017-04-12/fiiesharing-teilweise-verjaehrung-wegen-unzureichender-aufschluesselung-der-kosten/

Urteil als PDF:
https://www.kanzlei-sieling.de/wp-content/uploads/SKMBT_C22017040411310.pdf

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Fazit

Im Mahnbescheid müssen nämlich sämtliche Forderungen ausreichend, das heißt, nachvollziehbar aufgeschlüsselt sein, andernfalls droht die Verjährung. Es reicht eben nicht aus, wenn gleichartige Forderungen in einer Summe zusammenfasst werden. So entschied das Amtsgericht Bielefeld in seinem Urteil vom 10.02.2017 (Az. 42 C 78/16). Lediglich der Lizenzschaden wurde zugesprochen.

Aufschlüsselung des Schadenersatzes auch schon im Mahnbescheid erforderlich

In dem vom Amtsgericht Bielefeld zu entscheidenden Fall hatte unsere Mandantschaft eine Abmahnung wegen Filesharings im Jahr 2012 erhalten. Es wurde ein pauschaler Betrag in Höhe von 800,00 EUR für die Abgeltung des Lizenzschadens und der Rechtsanwaltsgebühren gefordert, ohne, dass dieser Betrag weiter aufgeschlüsselt wurde. In dem im Jahr 2015 beantragten Mahnbescheid fanden sich unter Bezug auf die Abmahnung zwei Beträge. Zum einen ein Betrag in Höhe von 400,00 EUR als Lizenzschaden und zum anderen ein Betrag in Höhe von 855,80 EUR als Schadensersatz.

Im Rahmen der Klage schlüsselte die Klägerin den Anspruch in Höhe von 855,80 EUR dahingehend weiter auf, dass 100,00 EUR auf Ermittlungskosten entfallen, die verbleibenden 755,80 EUR wurde als Rechtsanwaltskosten geltend gemacht.

Das Amtsgericht Bielefeld gab den richterlichen Hinweis, dass die Ermittlungskosten wohl verjährt sein dürften, da diese in dem Mahnbescheid nicht ausreichend aufgeschlüsselt worden waren. Auf unseren Einwand hin, dass dasselbe dann auch für die Rechtsanwaltsgebühren gelte, entschied das Amtsgericht Bielefeld dann entsprechend und urteilte, dass über den Lizenzschaden hinausgehende Forderung insgesamt verjährt ist.

Es führte aus:

„Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist verjährt. Wie oben dargestellt gilt im Urheberrecht nach § 102 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.

Die Verjährung des Schadensersatzanspruches wurde gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres 2012 in Gang gesetzt und endete damit am 31.12.2015. Auf die Abmahnkosten ist §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB nicht anzuwenden (vgl. BGH Urteil vom 12.05.2016 Az. I ZR 48/15).

Die Verjährung ist auch nicht durch Zustellung des Mahnbescheids am 30.12.2015 gehemmt worden. Einer Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB steht entgegen, dass der Mahnbescheid mangels ausreichender Individualisierung des Anspruchs auf Abmahnkosten keine Hemmung der Verjährung herbeiführen konnten. Die Hemmung der Verjährung setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch im Mahnbescheid i.S.d. § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend bezeichnet ist. Die einzelnen geltend gemachten Ansprüche müssen abgrenzbar und unterscheidbar sein. (…)

Zwar trennte die Klägerin in ihrem Mahnantrag zwischen Schadensersatz und Aufwendungsersatz, allerdings wird aus der Anspruchsbegründungsschrift vom 11.04.2016 deutlich, dass mit der Position Aufwendungsersatz 100,00 EUR Ermittlungskosten und 755,80 EUR Abmahnkosten geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus dem Mahnbescheidsantrag nicht.

Zwar wird im Mahnbescheidsantrag auf die Abmahnung vom 08.03.2012 Bezug genommen, allerdings ergibt sich aus dem Abmahnschreiben nicht, welche Ansprüche die Klägerin geltend macht.

Die im Mahnverfahren geltend gemachten Ansprüche lassen sich nicht mit dem Abmahnschreiben in Einklang bringen. (…).“

 

AG Bielefeld, Urteil vom 10.02.2017, Az. 42 C 78/16

 

(…) Beglaubigte Abschrift

42 C 78/16

Verkündet am 10.02.2017
[Name], Justizbeschäftigte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Amtsgericht Bielefeld

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der [Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: [Name],

gegen

Herrn [Name],
Beklagten,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen Sieling und Kollegen, Klingenderstr. 5, 33100 Paderborn,

hat das Amtsgericht Bielefeld auf die mündliche Verhandlung vom 20.01.2017 durch den Richter [Name]

für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 04.05.2016 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 68 % und der Beklagte 32 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden .Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche wegen unerlaubter Verwendung der Folge 10 der zweiten Staffel der Serie „The Walking Dead“ in einer Internettauschbörse geltend.

Die zweite Staffel der streitgegenständlichen Serie wurde am 05.11.2012 als Kauf-DVD und Kauf-BD veröffentlicht. Die Erstausstrahlung auf dem Privatsender Fox erfolgte ab dem 03.02.2012. Dieser ist in Deutschland nur für Sky-Abonnenten frei abrufbar.

Die Klägerin ist Inhaberin der exklusiven Nutzungs- und Auswertungsrechte an der streitgegenständlichen Serie.

Zum Zweck der Verfolgung widerrechtlicher Verbreitungen von geschützten Werken beauftragte die Klägerin die Guardaley Ltd. mit der Überwachung bestimmter Peer-to-Peer-Netzwerke. Für den 29.02.2012 um 20:14:11 Uhr und den 03.03.2012 um 10:34:14 Uhr teilte die Guardaley Ltd. der Klägerin mit, dass die streitgegenständliche Folge der Serie „The Walking Dead“ von einem unbekannten Nutzer mit der IP-Adresse [Name]. (am 29.02.2012 um 10:34:14 Uhr bzw. am 03.03.2012 um 10:34:14 Uhr) zum Download in einer Filesharing-Börse angeboten wurde.

Die Klägerin erwirkte beim Landgericht München I (LG München I) gegenüber dem Internetserviceprovider die Gestattung, Auskunft zu erteilen über Namen und Anschrift der Nutzer, die bestimmten IP-Adressen zugewiesen waren. Unter dem 08.03.2012 erteilte die Telefonica Germany GmbH & Co. OHG die Auskunft, dass die ermittelten IP-Adressen-dem Beklagten zugewiesen waren.

Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen erfolgten über den Anschluss des Beklagten.

Am 10.06.2016 zog der Beklagte von Paderborn nach Frankfurt um.

Die Klägerin forderte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 08.03.2012 zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf und bot gleichzeitig an, Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche der Klägerin durch Zahlung eines pauschalen Vergleichsbetrages i.H.v. 800,00 EUR abzugelten. Die Klägerin setzte dem Beklagten hierzu eine Frist bis zum 18.03.2013.

Der Beklagte gab eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Zahlungen seitens des Beklagten erfolgten nicht.

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die ihm vorgeworfene Verletzungshandlung begangen.

Sie ist der Ansicht, der Beklagte habe ihre ausschließlichen Nutzungsrechte verletzt und sich damit schadensersatzpflichtig gemacht. Ihr stehe eine fiktive Lizenzgebühr in Höhe von 400,00 EUR zu. Sie habe ferner Anspruch auf Ersatz von Ermittlungskosten durch die Beauftragung der Firma Guardaley Ltd. in Höhe von 100,00 EUR. Weiterhin bestehe ein Anspruch auf Erstattung der Kosten der Abmahnung nach einem angemessenen Streitwert von 15.000,00 EUR. Der Beklagte sei seiner sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Für den Beklagten als Anschlussinhaber spreche eine tatsächliche Vermutung der Täterschaft.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.255,80 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er erhebt die Einrede der Verjährung und der Verwirkung.

Er behauptet, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Ein Filesharing-Programm sei auf seinem Rechner nicht installiert. Die Ehefrau des Beklagten habe selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss gehabt. Weiterhin habe er das WLAN Passwort auch an Freunde und Verwandte, namentlich weitergegeben. Er habe die weiteren Nutzer des Anschlusses befragt, wobei keiner die streitgegenständlichen Nutzungshandlungen eingeräumt habe. Ein vollständiger Download der Datei sei nicht erfolgt.

Er ist der Ansicht, der Mahnbescheid sei nicht hinreichend aufgeschlüsselt gewesen und habe die Verjährung nicht gehemmt. Ein möglicher Anspruch sei verwirkt. Er habe die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast erfüllt. Es habe sich lediglich um einen einfach gelagerten Fall gehandelt. Die Rechtsverfolgung durch die Klägerin sei rechtsmissbräuchlich, da insbesondere das Unterlassungsbegehren nicht weiter verfolgt wurde. Der Lizenzschaden sei zu hoch angesetzt. Die aktuelle Rechtsprechung des EUGH (C-484114) sei auf private Anschlüsse zu übertragen.

Auf Antrag der Klägerin vom 16.12.2015 ist am 28.12.2015 ein Mahnbescheid erlassen worden, der dem Beklagten am 30.12.2013 zugestellt worden ist. Die Klägerin hat die Hauptforderungen wie folgt bezeichnet:

„1. Schadensersatz aus Unfall / Vorfall gem. Rechtsverletzung vom 08.03.12 400,00 EUR;

2. Aufwendungsersatz aus Urheberrechtsverletzung aus Abmahnung vom 08.03.12 855,80 EUR“

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Aktenausdruck des Mahngerichts verwiesen. Der Beklagte hat am 06.01.2016 Widerspruch eingelegt. Am 07.01.2016 ist die Benachrichtigung über den Gesamtwiderspruch und die Anforderung der Zahlung der Kosten für das streitige Verfahren durch das Mahngericht erfolgt. Unter dem 25.04.2016 ist die Abgabe an das Amtsgericht Bielefeld erfolgt. Die Anspruchsbegründung vom 11.04.2016, bei Gericht eingegangen am 14.04.2016, ist dem Beklagten am 12.05.2016 zugestellt worden. Die Prozessakten sind am 04.05.2016 beim Amtsgericht Bielefeld eingegangen.

Entscheidungsgründe:

A.

Die Klage zulässig.

Insbesondere ist das Amtsgericht Bielefeld örtlich zuständig, da der Umzug des Beklagten nach Frankfurt erst nach Rechtshängigkeit erfolgt und das Amtsgericht Bielefeld damit nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO zuständig bleibt.

B.

I.

Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 400,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG.

1.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

2.

Die streitgegenständlichen Nutzungshandlungen wurden auch zutreffend dem Anschluss des Beklagten zugeordnet.

3.

Der Beklagte ist auch als Täter anzusehen, da er seiner sekundären Darlegungslast als Anschlussinhaber nicht hinreichend nachgekommen ist. Gemäß der BearShare-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW 2014, 2360) und den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 11.06.2015 (Az. BGH I ZR 75/14) und vom 12.05.2016 (Az. BGH I ZR 48/15) besteht zunächst eine durch den Anschlussinhaber zu widerlegende tatsächliche Vermutung seiner Alleinnutzung, die bereits dann widerlegt ist, wenn weitere Personen freien Zugriff auf den Anschluss hatten. Zusätzlich trifft den Anschlussinhaber sodann eine sekundäre Darlegungslast dahingehend vorzutragen, dass und welche weiteren Mitnutzer ernsthaft als mögliche Täter in Betracht kommen. Der Inhaber eines Internetanschlusses wird dieser ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, erst gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH Urteil vom 12.05.2016 Az. BGH I ZR 48/15). In diesem Umfang trifft den Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch eine Recherchepflicht, eine Veränderung der Beweislast ist mit dieser sekundären Darlegungslast nicht verbunden, vielmehr ergibt diese sich ausschließlich daraus, dass der Vortrag von Tatsachen geboten ist, die für die Beklagtenseite leicht vortragbar sind, während sie sich der Sphäre der beweisbelasteten Klägerseite entziehen.

Der Beklagte hat die in der Bundesgerichtshofentscheidung (BGH 1 ZR 48/15) aufgestellten Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Die Ehefrau des Beklagten wurde bereits nicht namentlich und mit ladungsfähiger Adresse benannt. Weiterhin wurde nicht vorgetragen, dass die benannten Freunde und Bekannte, die Kenntnis vom WLAN Schlüssel hatten, überhaupt in dem streitgegenständlichen Zeitraum auf den Internetanschluss zugreifen konnten. Eine dauerhafte Nutzungsmöglichkeit scheidet nach Ansicht des erkennenden Gerichts bereits deshalb aus, weil diese benannten Personen nicht im Haushalt des Beklagten lebten und drei der vier Benannten einen Wohnsitz im Ausland haben. Warum diese Personen für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommen und ob diese im konkreten Zeitpunkt überhaupt Zugriff auf den Internetanschluss nehmen konnten, ist nicht nachvollziehbar.

Schließlich trägt der Beklagte auch nicht vor inwieweit die von ihm benannten Personen aufgrund ihrer Fähigkeiten und Kenntnisse überhaupt in der Lage waren die streitgegenständlichen Nutzungshandlungen zu begehen.

4.

Es kann dahinstehen, ob eine lauffähige Datei im Internet öffentlich zugänglich gemacht wurde, da bereits das Verbreiten von Teilen einer geschützten Datei eine Urheberrechtsverletzung darstellt (vgl. BGH I ZR 19/14).

5.

Die Höhe des geltend gemachten Lizenzschadens ist nicht zu beanstanden.

Gibt es- wie im vorliegenden Fall- keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalles nach seiner freien Überzeugung zu bemessen (BGH Urteil vom 11.06.2015 I ZR 7/14).

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts ist ein Schadensersatz in Höhe von 400,00 EUR angemessen.

Nach Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes (BGH Urteil vom 11.06.2015 I ZR 7/14) können im Rahmen der Schadensschätzung verkehrsübliche Entgeltsätze für legale Downloadangebote im Internet herangezogen werden. Hiervon ausgehend sieht das erkennende Gericht gemäß § 287 ZPO einen Betrag von 2,50 EUR pro Abruf als angemessen an. Dies ergibt sich‘ daraus, dass es sich vorliegend um die Folge einer Serie handelt, welche gerichtsbekannt erfolgreich ist. Zum Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzungen befand sich die Serie auch noch in der Erstverwertungsphase. Die Rechtsverletzungen sind bereits vor der Veröffentlichung der Kauf-DVD bzw. Kauf-BD erfolgt. Soweit der Beklagte behauptet, die Serie sei bereits frei verfügbar gewesen, so hat die Klägerin nachvollziehbar und unbestritten vorgetragen, dass ein Abruf der Serie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt lediglich für Sky-Abonnenten möglich war.

Der Umstand, dass die Serie gerade nicht frei zugänglich war führt nach Ansicht des erkennenden Gerichts dazu) dass sich die Zugriffe in illegalen Filesharing-Börsen erhöht haben, da dies zum Zeitpunkt der Nutzungshandlungen neben einem Sky-Abonnement die einzige Möglichkeit war die Serie zu konsumieren.

Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die streitgegenständliche Folge sowohl am 29.02.2012 um 20:14:11 Uhr als auch am 03.03.2012 um 10:34:14 Uhr über den Anschluss des Beklagten über ein Filesharing-Programm zum Download angeboten wurde. Zwischen den einzelnen Ermittlungen lagen damit mehrere Tage. Zwar ist davon auszugehen, dass das Endgerät, von dem der Zugriff erfolgte, nicht dauerhaft mit dem Internet verbunden war. Nach der Lebenswahrscheinlichkeit ist jedoch ein Anbieten über einen längeren Zeitraum wahrscheinlich sein.

Unter Berücksichtigung aller vorgenannten Umstände schätzt das Gericht gemäß § 287 ZPO die Anzahl von Zugriffen eine Zahl von mindestens 200 Zugriffen (vgl. auch OLG Köln Urteil vom 23. März 2012 Az. 6 U 67/11), so dass ein Schadensersatz in Höhe von 400,00 EUR angemessen ist.

6.

Eine Haftung des Beklagten scheidet auch nicht vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes zum Fall McFadden (EuGH C-484/14) aus.

Der dortige Sachverhalt ist nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar.

Im vom EuGH entschiedenen Fall ging es um die Haftung eines Anbieters eines offenen WLAN-Anschlusses, durch welchen dieser einen unentgeltlichen und anonymen Zugang zum Internet anbot. Ein solcher Anbieter fällt unter Art. 12 Abs. 1 der E-Commerce- Richtlinie, wenn er diesen Dienst in der Regel gegen Entgelt anbietet.

Dies trifft auf die Beklagte aber nicht zu. Diese hat ein verschlüsseltes WLAN betrieben und unterfällt damit nicht Art. 12 Abs. 1 der E-Commerce- Richtlinie.

7.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist auch nicht verjährt.

Nach § 102 S 1 UrhG i.V.m. § 195 BGB gilt im Urheberrecht die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren. Fristbeginn gemäß § 199 Abs. 1 BGB ist der Schluss des Jahres in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger den Umständen, die den Anspruch begründen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen (vgl. BGH Urteil vom 12.05.2016 Az. I ZR 48/15).

Die Verjährung des Schadensersatzanspruches wurde gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres 2012 in Gang gesetzt und endete damit nicht vor dem 31.12.2015.
Die Verjährung des Schadensersatzanspruches wurde jedoch durch den Zustellung des Mahnbescheides beim Mahngericht am 30.12.2015 gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB gehemmt.

Der Anspruch auf Schadensersatz ist in dem Mahnbescheidsantrag auch ausreichend individualisiert, da in diesem die 400,00 EUR Schadensersatz gesondert ausgewiesen ist.

Auf die ausreichende Individualisierung des Mahnbescheides kommt es den Schadensersatzanspruch betreffend jedoch nicht an. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Mahnbescheid hinsichtlich dieser Forderung nicht ausreichend individualisiert war, so wäre der Anspruch jedoch als Restschadensersatzanspruch begründet, der nach § 102 S. 2 UrhG i.V.m. § 852 BGB nicht verjährt ist. Dieser Anspruch verjährt nach § 852 S. 2 BGB erst in zehn Jahren von seiner Entstehung an und damit erst im Jahr 2022 (vgl. BGH Urteil vom 12.05.2016 Az. I ZR 48/15).

8.

Der Anspruch ist auch noch nicht verwirkt i.S.d. § 242 BGB.

Voraussetzung ist sowohl das Vorliegen des Zeitmoments als auch des Umstandsmoments. So muss seit der Möglichkeit das Recht geltend zu machen, längere Zeit verstrichen sein. Die erforderliche Zeitspanne richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (Palandt-Grüneberg, BGB, § 242, Rn. 93). Ferner muss der Verpflichtete sich auf Grund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Wegen des geschaffenen Vertrauensbestandes muss die verspätete Geltendmachung des Rechts als eine mit Treu und Glauben unvereinbare Härte erscheinen (Grüneberg a.a.0., Rn. 95).

Davon kann vorliegend nicht ausgegangen werden. Richtig ist zwar, dass die Klägerin nach der unmittelbar der Rechtsverletzung folgenden Abmahnung einige Zeit bis zur Beantragung des Mahnbescheides verstreichen ließ. Allerdings bestand kein Anlass für den Beklagten, sicher davon ausgehen zu können, die Klägerin würde ihre Ansprüche nicht mehr weiterverfolgen. Ein Vertrauen auf Seiten des Beklagten konnte auch nicht dadurch geweckt werden, dass der Unterlassungsanspruch nicht weiter verfolgt wurde, da der Beklagte eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben und damit den Unterlassungsanspruch erfüllt hat.

Die Klägerin war nicht gezwungen, ihre Ansprüche zeitlich stringent und zügig zu verfolgen, sondern hatte durchaus das Recht, hiermit abzuwarten. Eine Verwirkung ihrer Rechte kann hierin nicht gesehen werden (LG Köln Beschl. v. 13.12.2010 – Az. 28 0 515/10, BeckRS 2011; LG Bielefeld 20 S 69114).

9.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 291 BGB.

Rechtshängigkeit ist nicht durch die Zustellung des Mahnbescheides nach § 696 Abs. 3 ZPO eingetreten, da keine alsbaldige Abgabe nach Erhebung des Widerspruchs erfolgte.

„Alsbald“ ist wie „demnächst“ in §167 ZPO zu verstehen. Als „alsbald“ ist eine Abgabe 14 Tage nach Widersprucheinlegung anzusehen (Vollkommer in Zöller ZPO 31. Auflage § 696 Rn. 6).

Diese Frist ist nicht gewahrt, da der Widerspruch am 06.01.2016 eingegangen ist und dieser Umstand der Klägerin am 07.01.2016 mitgeteilt wurde. Eine Abgabe erfolgte jedoch erst am 25.04.2016.

Bei einer verzögerten Abgabe tritt die Rechtshängigkeit mit Eingang der Akten beim Streitgericht ein (vgl. Vollkommer aa0 § 696 Rn. 6).

Eingang der Akte erfolgte am 04.05.2016.

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Abmahnkosten in Höhe von 755,80 EUR gemäß § 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F.

1.

Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten ist verjährt.

Wie oben dargestellt gilt im Urheberrecht nach § 102 Abs. 1 UrhG i.V.m. § 195 BGB die regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren.

Die Verjährung des Schadensersatzanspruches wurde gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB mit Schluss des Jahres 2012 in Gang gesetzt und endete damit am 31.12.2015. Auf die Abmahnkosten ist §§ 102 S. 2 UrhG, 852 BGB nicht anzuwenden (vgl. BGH Urteil vom 12.05.2016 Az. I ZR 48115).

Die Verjährung ist auch nicht durch Zustellung des Mahnbescheids am 30.12.2015 gehemmt worden.

Einer Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB steht entgegen, dass der Mahnbescheid mangels ausreichender Individualisierung des Anspruch auf Abmahnkosten keine Hemmung der Verjährungsfrist herbeiführen konnten.

Die Hemmung der Verjährung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB setzt voraus, dass der geltend gemachte Anspruch im Mahnbescheid im Sinne des § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO hinreichend bezeichnet wird. Die einzelnen geltend gemachten Ansprüche müssen abgrenzbar und unterscheidbar sein. Der Schuldner muss durch die Bezeichnung im Mahnbescheid in der Lage sein zu beurteilen, ob und in welchem Umfang er sich gegen die Inanspruchnahme verteidigen möchte (LG Bielefeld 20 S 50/15).

Ob die Anforderung an die Individualisierung erfüllt ist, ist nach dem Einzelfall zu beurteilen. Sie richtet sich nach dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnis und der Art des Anspruches, wobei der Horizont des Antragsgegners maßgeblich ist (LG Bielefeld 20 S 50/15).

Zwar trennt die Klägerin in ihrem Mahnantrag zwischen Schadensersatz und Aufwendungsersatz, allerdings wird aus der Anspruchsbegründungsschrift vom 11.04.2016 deutlich, dass mit der Position Aufwendungsersatz 100,00 EUR Ermittlungskosten und 755,80 EUR Abmahnkosten geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus dem Mahnbescheidsantrag nicht.

Zwar wird im Mahnbescheidsantrag auf die Abmahnung vom 08.03.2012 Bezug genommen, allerdings ergibt sich aus dem Abmahnschreiben nicht, welche Ansprüche die Klägerin geltend macht.

Die im Mahnverfahren geltend gemachten Ansprüche lassen sich nicht mit dem Abmahnschreiben in Einklang bringen. Im Mahnverfahren hat die Klägerin Aufwendungsersatz aus Urheberrechtsverletzung aus der Abmahnung vom 08.03.12 in Höhe von 855,80 EUR geltend gemacht. In der Abmahnung wurde jedoch lediglich die Zahlung eines pauschalen Betrages in Höhe von 800,00 EUR begehrt. Eine Aufschlüsselung der Forderung ist nicht erfolgt.

Für den Beklagten war auch nicht erkennbar, welche Forderungen mit der Position Aufwendungsersatz im Mahnbescheid beansprucht werden.

Dem stehen auch nicht etwaige Kenntnisse der Beklagtenvertreterin entgegen. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 31.01.2017 vortragen lässt, dass die Aufschlüsselung der Beklagtenvertreterin aus anderen Verfahren bekannt war, ist darauf hinzuweisen, dass die in diesen benannten Verfahren geltend gemachten Ermittlungs- und Abmahnkosten nicht den Betrag in Höhe von 755,80 EUR ergeben.

2.

Mangels Hauptanspruch scheitert auch der diesbezüglich geltend gemachte Zinsanspruch.

III.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch keinen Anspruch auf Zahlung von Ermittlungskosten in Höhe von 100,00 EUR nebst Zinsen, da dieser Anspruch ebenfalls aus den unter Ziff. II dargestellten Gründen verjährt ist.

IV.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.255,80 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bielefeld,
Niederwall 71,
33602 Bielefeld,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Amtsgericht Bielefeld,
Gerichtstraße 6,
33602 Bielefeld,

schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Beglaubigt
[Name], Justizbeschäftigte (…)

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AG Bielefeld, Urteil vom 10.02.2017, Az. 42 C 78/16

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