Kanzlei Rechtsanwalt Markus Brehm (Frankfurt am Main): Das Landgericht Frankfurt am Main bestätigt Abweisung der Klage von .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR / Koch Media GmbH

00:08 Uhr

Der beklagte Familienvater haftet nicht für Filesharingvorwurf, da er seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen ist und die Klägerseite den Beweis seiner Verantwortlichkeit nicht erbringen konnte. Wir hatten bereits im Januar 2017 darüber berichtet, dass das Amtsgericht Frankfurt am Main eine Filesharing-Klage gegen einen von unserer Kanzlei vertretenen Familienvater abgewiesen hat. Hier sehen Sie den Link zu dem damaligen Rechtstipp:

https://www.anwalt.de/rechtstipps/ag-frankfurt-am-main-familienvater-haftet-nicht-fuer-filesharingvorwurf-von-rka_097770.html

 

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Rechtsanwalt Markus Brehm

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Bericht auf Anwalt.de:

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https://www.anwalt.de/rechtstipps/landgericht-frankfurt-bestaetigt-abweisung-der-klage-von-rkakoch-media-gmbh_135096.html

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Die Kanzlei .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR hat daraufhin im März 2017 Berufung gegen das Urteil des Amtsgerichts eingelegt. Mit heute bei uns eingegangenem Urteil bestätigt das Landgericht Frankfurt am Main das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil ist folglich rechtskräftig.

Was war geschehen?

Dem Beklagten wurde vorgeworfen, das Computerspiel „Dead Island“ über eine Internettauschbörse zum Download angeboten zu haben. Der Beklagte wurde im Jahr 2013 wegen dieses Vorwurfs von der Kanzlei .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR abgemahnt. Mit der Abmahnung forderte die Kanzlei die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung sowie Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten.

Außergerichtlich gab der Beklagte weder eine Unterlassungserklärung ab noch zahlte er die geforderten Beträge.

Die Koch Media GmbH beauftragte im Jahr 2016 die Kanzlei .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR mit der Beantragung eines Mahnbescheids, gegen welchen unser Mandant fristgerecht Widerspruch erhoben hat. In dem darauffolgenden Klageverfahren unterlag die Koch Media GmbH, vertreten von der Kanzlei .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR, da sie letztlich den Beweis der Verantwortlichkeit unseres Mandanten nicht erbringen konnte.

Rechtliches

Das Amtsgericht Frankfurt wies die Klage in erster Instanz mit der Begründung ab, der Klägerin stünde der geltend gemachte Anspruch auf Schadensersatz im Wege der Lizenzanalogie gemäß § 97 Abs. 2 Urhebergesetz ebenso wenig zu wie ein Anspruch auf Ersatz von Abmahnkosten gemäß § 97a Abs. 1 Satz 2 Urhebergesetz in der hier maßgeblichen, bis zum 08.10.2013 gültigen Fassung.

Das Gericht führte zur Begründung weiter aus, dass es letztlich dahinstehen kann, ob über den Internetanschluss des Beklagten die Software „Dead Island“ zum Herunterladen zur Verfügung gestellt wurde, da jedenfalls nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststeht, dass der Beklagte auch Täter dieser Urheberrechtsverletzung war. Insofern läge die Darlegungs- und Beweislast bei der Klägerin.

Das Gericht bezieht sich hierbei auf die viel zitierten Entscheidungen des BGH vom 8. Januar 2014, die I ZR 169/12 (BearShare); BGH-Urteil vom 11.06.2015, und die I ZR 75/14 (Tauschbörse III).

Sekundäre Darlegungslast

Ferner stellt das Gericht klar, dass entgegen der Auffassung der Klägerin der Beweis des ersten Anscheins zulasten des Beklagten gerade nicht greift. Den Beklagten trifft als Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast. Diese hat der Beklagte erfüllt, indem er nachvollziehbar und konkret vortragen konnte, welche verschiedenen verwendeten Endgeräte zum fraglichen Tatzeitpunkt im Haushalt des Beklagten vorhanden waren und welche im Haushalt des Beklagten lebenden Personen ebenfalls Zugang zu dem streitgegenständlichen Internetanschluss hatten. Der Beklagte konnte weiter nachvollziehbar darlegen, dass sowohl seine Ehefrau als auch seine beiden Kinder zur angeblichen Tatzeit zu Hause gewesen sind.

Der hinsichtlich der Täterschaft des Beklagten beweisbelasteten Klägerin ist es darüber hinaus nicht gelungen zu beweisen, dass die Ehefrau und die Kinder des Beklagten keinen selbstständigen Zugriff auf den gegenständlichen Internetanschluss gehabt haben und insofern als Täter in Frage kommen.

Bestätigung durch Landgericht Frankfurt am Main

In zweiter Instanz wurde das Urteil des Amtsgerichts nunmehr bestätigt. Das Landgericht führt insbesondere aus, dass gerade keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist. Es fehle insofern an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, dass der Anschlussinhaber nicht Dritten Zugriff zu dem betroffenen Anschluss gewährt hat.

Da unser Mandant in beiden Instanzen konkret vortragen konnte, dass und welche anderen Personen zur Tatzeit Zugang zu dem Internetanschluss hatten, welche internetfähigen Geräte vorhanden waren und dass er selbst als Täter nicht infrage kommt, sah das erkennende Gericht sowohl in der ersten als auch in der zweiten Instanz die sekundäre Darlegungslast erfüllt.

Danach geht die volle Beweislast für die Verantwortlichkeit auf die Klägerseite über. Diese Beweislast konnte die Klägerin auch in der zweiten Instanz nicht erfüllen, weshalb das Landgericht Frankfurt am Main folgerichtig die Berufung zurückgewiesen hat.

Sollten Sie selbst von Vorwürfen in Zusammenhang mit Filesharing betroffen sein, wenden Sie sich gerne vertrauensvoll an uns. Wir bieten eine kostenlose telefonische Erstberatung an und klären Sie so umfassend über die Einzelheiten in Ihrer Angelegenheit auf.

 

 

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2018, Az. 2-03 S 8/17

 

(…)

Landgericht Frankfurt am Main

Aktenzeichen: 2-03 S 8/17
32 C 1866/16 (90)
AG Frankfurt am Main

Verkündet am: 09.05.2018
[Name], Justizangestellte
Urkundsbeamtin/-beamter der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin und Berufungsklägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

[Name],
Beklagter und Berufungsbeklagter

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Markus Brehm, Berger Str. 279, 60385 Frankfurt am Main,

 

hat das Landgericht Frankfurt am Main – 3. Zivilkammer – durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. [Name], Richter am Landgericht Dr. [Name] und Richter [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.03.2018

für Recht erkannt:

Die Berufung der Berufungsklägerin gegen das am 26.01.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main (Az. 32 C 1866/16 (90)) wird zurückgewiesen.

Die Berufungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Dieses Urteil und das Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe:

I.

Die Parteien streiten um urheberrechtliche Ansprüche auf Schadensersatz und Abmahnkosten aufgrund einer angeblichen Urheberrechtsverletzung durch sogenanntes Filesharing.

Die Klägerin und Berufungsklägerin (im Folgenden: „Klägerin“) ist Produzentin und Vermarkterin von digitalen Entertainment-Produkten. Vorliegend geht es um das Computerspiel „[Name]“, welches in Europa erstmals am 06.09.2011 veröffentlicht wurde

Die Klägerin macht Rechtsverletzungen vom 10.12.2012 um 19:08:22 und um 19:19:49 Uhr geltend. Mit Schreiben vom 03.01.2013 gemäß Anlage K1 (Bl. 30 – 34 d.A.) mahnte die Klägerin den Berufungsbeklagten und Beklagten (im Folgenden: „Beklagter“) ab und forderte unter gleichzeitiger Unterbreitung eines Vergleichsangebotes die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung.

Die Klägerin erwirkte unter dem 29.12.2015 gegen den Beklagten einen Mahnbescheid. Der Beklagte erhob hiergegen Widerspruch.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten wegen der behaupteten Urheberrechtsverletzung Erstattung der ihr entstandenen Abmahnkosten in Höhe von 859,80 EUR sowie Schadensersatz in Form einer Lizenzentschädigung in Höhe von 640,20 EUR.

Die Klägerin behauptet, dass die [Name] das Computerspiel „[Name]“ für die Klägerin produziert und exklusiv an diese lizenziert habe. Die Klägerin sei ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin an dem streitgegenständlichen Computerspiel. Der Beklagte habe im angegebenen Zeitraum über seinen Internetanschluss das Computerspiel „[Name]“ zum Download angeboten. Dies habe die [Name] GmbH festgestellt, die die in der Klagebegründungsschrift angegebenen IP-Adressen des Beklagten ermittelt habe. Die Klägerin bestreitet, dass die Familienmitglieder des Beklagten zum Tatzeitpunkt auf den Internetanschluss des Beklagten – selbständig zugreifen konnten. Eine etwaige Verjährung sei durch den klägerseits erwirkten Mahnbescheid gehemmt gewesen.

Die Klägerin stützt ihre Ansprüche primär darauf, dass der Beklagte die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen habe, vorsorglich auch auf die §§ 832 BGB, 97 UrhG wegen der Verletzung von Aufsichtspflichten mit Blick auf die minderjährigen Kinder.

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin und eine Verantwortlichkeit des Beklagten für die behauptete Rechtsverletzung. Er behauptet, die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen zu haben. Er sei weder in der Vergangenheit noch gegenwärtig in sog. Filesharing-Netzwerken aktiv gewesen. Ihm sei das streitgegenständliche Computerspiel völlig unbekannt. Dieses habe sich weder in der Vergangenheit noch derzeit auf einem seiner Endgeräte befunden. Er lebe in einem 4 Personen-Haushalt. Neben ihm hätten seine Ehefrau, sein damals 17-jähriger Sohn und seine damals 13-jährige Tochter Zugang zum Internetanschluss gehabt. Er – der Beklagte – habe seine Ehefrau und seine beiden Kinder bereits vor Erhalt der vorliegenden Abmahnung darüber belehrt, sämtliche Rechtsverletzungen im Internet, insbesondere die Nutzung von Internettauschbörsen, zu unterlassen. Auf Nachfrage des Beklagten hätten die genannten drei weiteren Familienangehörigen erklärt, die von der Klägerin angeführte Tauschbörse nicht benutzt zu haben,

Auch eine Störerhaftung des Beklagten komme nicht in Betracht, da er in keiner Weise zu der angeblichen Rechtsverletzung beigetragen habe. Das WLAN-Netzwerk sei durch eine 16-stellige Verschlüsselungskombination (WPA2-Verschlüsselung) gegen Zugriff von unberechtigten Dritten geschützt gewesen. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

Das Amtsgericht hat den Beklagten in seiner Sitzung vom 11.01.2017 (Bl. 150 ff. d.A.) informatorisch angehört und Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau [Name] und der Kinder des Ehepaares [Name] und [Name]. Diese haben von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Beklagte konkret und unter Benennung der verschiedenen verwendeten Endgeräte vorgetragen habe, dass zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung seine Ehefrau und seine Kinder Zugriff auf den Internetanschluss gehabt und sich in der Wohnung aufgehalten hätten. Der Beklagte habe insoweit seiner sekundären Darlegungslast genügt.

Die danach beweisbelastete Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis nicht erbringen können, nachdem sich die Zeugen auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht berufen hätten. Ferner hätte der Beklagte vorgetragen, dass seine Ehefrau und seine Kinder den streitgegenständlichen Rechtsverstoß ihm gegenüber verneint hätten. Darüber hinausgehende Nachforschungspflichten würden den Beklagten nicht treffen.

Die Klägerin rügt, dass das Amtsgericht die Anforderungen der sekundären Darlegungslast des Beklagten falsch bewertet habe. Der Beklagte habe insbesondere nicht dargelegt, dass andere Personen ernsthaft anstelle des Anschlussinhabers als Täter der Verletzungshandlung in Betracht kämen. Die Nachforschungspflicht erschöpfe sich nicht in der Mitteilung der anderen Nutzer des Internetanschlusses. Rechtsfehlerhaft habe das Amtsgericht die Zeugnisverweigerung der Ehefrau und der Kinder des Beklagten nicht zu Lasten des Beklagten gewertet. Vorsorglich stützt die Klägerin ihre Ansprüche auf eine Verletzung von Aufsichtspflichten mit Blick auf die minderjährigen Kinder.

Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.

Es wird im Übrigen gemäß der §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 26.01.2017 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Das Amtsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

1.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG nicht zu. Das Amtsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Beklagte seine sekundäre Darlegungslast erfüllt hat.

Zwar ist davon auszugehen, dass die Klägerin hinsichtlich der hier geltend gemachten Ansprüche aktivlegitimiert ist. Die Klägerin hat – insoweit unbestritten – vorgetragen, dass sie auf dem Cover und DVD des Computerspiels mit einem ©-Hinweis genannt ist (Anlage K3, Bl. 116 d.A.). Nach § 10 Abs. 3 UrhG begründet dies grundsätzlich die Vermutung, dass der Anspruchsteller Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte ist. Zwar kann sich die Klägerin hier auf diese Vermutungswirkung nicht berufen, da sie keine Unterlassungsansprüche geltend macht. Dennoch stellt der ©-Vermerk ein Indiz für die Rechteinhaberschaft der Klägerin dar. Zudem hat die Klägerin in der Anlage K1 (Bl. 95 ff. d.A.) einen entsprechenden (Änderungs-)Vertrag vorgelegt, aus dem sich eine ausschließliche Einräumung von Nutzungsrechten ergibt. Angesichts der Indizwirkung des ©-Vermerks und der vorgelegten Unterlagen oblag es hier dem Beklagten, sich nicht lediglich auf ein pauschales Bestreiten zu beschränken.

Allerdings hat das Amtsgericht zu Recht festgestellt, dass der Beklagte – entgegen der Einschätzung der Klägerin – seine sekundäre Darlegungslast erfüllt hat. Nach der Rechtsprechung des BGH kann eine tatsächliche Vermutung zu Lasten des Anschlussinhabers bestehen, wenn über seinen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde und nicht die ernsthafte Möglichkeit bestand, dass Dritte den Internetanschluss genutzt haben (BGH GRUR 2014, 657 – BearShare; LG Frankfurt a. M., Urt. v. 08.07.2015 – Az. 2-06 S 6/15). Es besteht hingegen keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist. Dies kommt nur in Betracht, wenn für die Täterschaft des Anschlussinhabers der bei typischen Geschehensabläufen eingreifende Beweis des ersten Anscheins (Anscheinsbeweis) spricht. Für die Annahme, der Inhaber eines Internetanschlusses sei ohne das Hinzutreten weiterer Umstände regelmäßig der Täter einer mittels dieses Anschlusses begangenen Urheberrechtsverletzung, fehlt es an einer hinreichenden Typizität des Geschehensablaufs. Angesichts der naheliegenden Möglichkeit, dass der Anschlussinhaber Dritten Zugriff auf seinen Anschluss einräumt, besteht für die Annahme der Täterschaft des Anschlussinhabers keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit (BGH GRUR 2017, 1233 Rn. 18 f. – Loud).

Dem Anspruchsgegner obliegt aber eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt jedoch weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Es besteht nämlich keine generelle Vermutung, dass der Anschlussinhaber Täter einer Urheberrechtsverletzung ist, die von seinem Anschluss aus begangen worden ist und die er widerlegen oder erschüttern müsste, nur weil er Inhaber des Anschlusses ist (BGH GRUR 2017, 386 Rdnr. 18 ff. – Afterlife; BGH, GRUR 2017, 1233 Rdnr. 18 ff. – Loud).

Im Hinblick auf den Umfang der dem Anschlussinhaber obliegenden sekundären Darlegungslast sind die unter dem grundrechtlichen Schutz des Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und des Art. 14 Abs. 1 GG stehenden urheberrechtlichen Positionen auf der einen Seite und die gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG geschützten Rechte des Anschlussinhabers und seiner Familienmitglieder zu berücksichtigen (BGH GRUR 2017, 386 Rdnr. 22 f. – Afterlife; BGH GRUR 2017, 1233 Rdnr. 20 ff. Loud).

Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast in diesem Fall dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Weitergehende Nachprüfungen dahingehend, ob die Familienmitglieder hinsichtlich der behaupteten Zugriffszeiten oder wegen der Art der Internetnutzung als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, sind dem Anschlussinhaber hingegen nicht zumutbar (BGH GRUR 2017, 386 Rdnr. 26 – Afterlife). Ferner ist es dem Anschlussinhaber nicht zumutbar, die Internetnutzung seiner Familienmitglieder einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Auch kann vom Anschlussinhaber nicht die Untersuchung des Computers seiner Familienmitglieder im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software verlangt werden (BGH GRUR 2017, 386 Rdnr. 26 – Afterlife; BGH GRUR-RR 2017, 484 Rdnr. 18 – Ego-Shooter).

Der Beklagte hat vorliegend nicht nur die theoretische Möglichkeit der Nutzung durch seine Familienmitglieder vorgetragen. Er hat vielmehr die ernsthafte Möglichkeit dargelegt, dass er, seine Ehefrau und seine beiden Kinder jeweils an dem streitgegenständlichen Tag, dem 10.12.2012, einem Montag, um 19:08 und 19:19 Uhr eigenständig auf den Internetanschluss hätten zugreifen können. Ferner hat er dargelegt, dass er seine Familienmitglieder befragt habe. Das streitgegenständliche Spiel habe er auf seinem Computer nicht gefunden. Der Beklagte hat unter Berücksichtigung des obigen Vortrages im Rahmen des Zumutbaren die Möglichkeiten einer Rechtsverletzung eruiert und zudem das Ergebnis davon mitgeteilt.

Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Beklagte auch nicht nur die rein theoretische Möglichkeit der Nutzung seines Internetanschlusses durch seine Familienmitglieder vorgetragen. Vielmehr hat der Beklagte dargelegt, dass seine Familienmitglieder auch zum Tatzeitpunkt zu Hause waren und den Internetanschluss hätten nutzen können.

Damit lag die volle Beweislast der Täterschaft des Beklagten bei der Klägerin. Insoweit ist der Klägerin der entsprechende Beweis nicht gelungen. Dabei gereicht es insbesondere nicht dem Beklagten zur Last, dass sich seine Familienmitglieder in ihrer Vernehmung auf das ihnen jeweils zustehende Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 2 bzw. 3 ZPO berufen haben (vgl. insoweit BGH GRUR-RR 2017, 484 Rdnr. 28 – Ego-Shooter; LG Frankfurt a. M., Beschl. v. 18.09.2017 – Az. 2-03 S 10/17 m.w.N.). Es bestehen auch keine anderweitigen, besonderen, konkret festgestellten Indizien im Sinne dieser Rechtsprechung, die die Annahme einer Täterschaft des Beklagten nahelegten.

Auch die Entscheidung des BGH „Loud“ (GRUR 2017, 1233) verhilft der Berufung nicht zum Erfolg, da der dieser Entscheidung zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar ist. Dort war unstreitig, dass der dortige Beklagte positiv wusste, wer die Rechtsverletzung begangen hat. Vor diesem Hintergrund hat es der BGH als zulässige Folge des § 138 ZPO angesehen, dass dem Anschlussinhaber obliegt, ob er den Täter benennt Unterlässt er dies, soll er selbst haften.

Im hiesigen Fall hat der Beklagte hingegen vorgetragen, dass er nach der Abmahnung seine Familienmitglieder befragt hat und dass diese die Begehung der Rechtsverletzung verneint haben. In einer solchen Situation ist es dem Beklagten auch unter Berücksichtigung von § 138 ZPO nicht verwehrt, darauf zu verweisen, dass seine Familienmitglieder als potentielle Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.

2.

Vorliegend kommt auch keine Haftung des Beklagten wegen Verletzung von Aufsichtspflichten gemäß den §§ 832 BGB, 97 Abs. 2 UrhG in Betracht. Abgesehen davon, dass der Beklagte erstinstanzlich sich darauf berufen hat, dass er seine Ehefrau und die beiden, damals minderjährigen Kinder vor dem Eingang des streitgegenständlichen Abmahnschreibens darüber belehrt habe, sämtliche Rechtsverletzungen im Internet, insbesondere die Nutzung von Internettauschbörsen, zu unterlassen, was klägerseits in Abrede gestellt worden ist, so ist festzustellen, dass sich diese Belehrungspflicht nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2013, 511 – Morpheus) nur auf die Belehrung minderjähriger Kinder, nicht jedoch auf volljährige Familienangehörige bezieht. Da aber nach obigen Ausführungen auch die Ehefrau des Beklagten als Nutzerin des Internetanschlusses zum streitgegenständlichen Zeitpunkt in Betracht kommt, kommt es auf die Durchführung einer Beweisaufnahme hinsichtlich einer – behaupteten – Belehrung des Beklagten gegenüber seinen beiden damals minderjährigen Kindern nicht mehr an. Es war nicht erforderlich, dass der Beklagte seine volljährige Ehefrau überwacht oder vor der Gewährung des Zuganges belehrt (BGH GRUR 2014, 657 Rdnr. 24 – BearShare).

3.

Die Klägerin hat ferner gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Ersatz von Kosten für die vorgerichtliche Abmahnung aus § 97a Abs. 1 UrhG, auch nicht auf Grundlage einer Störerhaftung des Beklagten. Denn dem Beklagten ist ein Verstoß gegen die ihm obliegenden Prüfungs- und Überwachungspflichten nicht zur Last zu legen.

4.

Die Entscheidung zu den Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

5.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. § 543 Abs. 2 ZPO.

 

Dr. [Name]
Vorsitzenden Richter am Landgericht

Dr. [Name]
Richter am Landgericht

[Name]
Richter

 

Beglaubigt
Frankfurt am Main, 14.05.2018
[Name]
Urkundsbeamtin/-beamter der Geschäftsstelle (…)

 

 

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LG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.05.2018, Az. 2-03 S 8/17

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