Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Das Amtsgericht Deggendorf verurteilt Anschlussinhaber wegen mangelhaften Nachforschungen – Die bloße Befragung potenziell Zugriffsberechtigter reicht nicht aus (2 Filme)

23:40 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. In dem genannten Verfahren trug der Beklagte vor, neben ihm selbst hätten neun weitere Personen Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt. Diese seien zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch zu Hause gewesen. Sie hätten mit eigenen Endgeräten, aber auch über einen allgemein zugänglichen PC Zugriff auf den Internetanschluss nehmen können. Auf Nachfrage hätten alle genannten Personen die Rechtsverletzung abgestritten. Es sei dem Beklagten dabei jedoch nicht zuzumuten, den genauen Gesprächsverlauf darzulegen oder zu beurteilen, ob die befragten Mitnutzer auch die Wahrheit gesagt hätten.

 

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Bericht

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-amtsgericht-deggendorf-verurteilt-anschlussinhaber-in-filesharingverfahren-wegen-mangelhaften-nachforschungen-blosse-befragung-potentiell-zugriffsberechtigter-reicht-nicht-a/

Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/08/AG_Deggendorf_-4_C_746_16.pdf

 

Autorin

Rechtsanwältin Sandrine Schwertler

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Dieser Vortrag genügte dem Gericht nicht. Die einem Anschlussinhaber obliegende sekundäre Darlegungslast sei nicht bereits dadurch erfüllt, indem er – wie geschehen – lediglich die generelle Zugriffsmöglichkeit seiner Mitnutzer in den Raum stellt.

„Denn der Beklagte hat lediglich seine eigene Täterschaft in Abrede gestellt, während er sich im Hinblick auf seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen auf eine bloß generelle Zugriffsmöglichkeit berufen hat. Er hat lediglich vorgetragen, dass alle von ihm genannten neun Personen generell auf das WLAN zugreifen können, da alle das Passwort kennen.“

 

Dies gelte vorliegend umso mehr, da der Beklagte nicht die im Rahmen des Zumutbaren erforderlichen Nachforschungen durchgeführt habe.

„Der Beklagte hat sich jedoch nicht dazu geäußert, ob er zumindest auf dem von allen Personen genutzten PC mit Drucker die streitgegenständlichen Filme oder eine installierte Filesharing-Software gefunden habe. Zumindest zu dieser Nachforschung hat jedoch Anlass bestanden, wenn alle Personen ihm gegenüber verneinten eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben bzw. sich nicht mehr erinnern konnten, ob sie zum Tatzeitpunkt Zugang zum Internet hatten.“

 

Der Beklagte habe mithin versäumt darzulegen, dass und warum ausschließlich einer seiner Mitnutzer und gerade nicht er selbst als Täter der Rechtsverletzung, welche unstreitig über seinen Internetanschluss erfolgte – in Betracht kämen.

„Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich gerade nicht, dass eine andere Person als der Anschlussinhaber als Täter in Betracht kommt. Denn um der sekundären Darlegungslast zu genügen, hätte der Beklagte konkret darlegen müssen, ob und warum seine neun weiteren Familienangehörigen, obwohl sie die Rechtsverletzung nicht zugestanden hätten, als Täter in Betracht kämen. Der Beklagte hat sich vielmehr mit der pauschalen Auskunft seiner Familienangehörigen begnügt, die im Widerspruch zur feststehenden Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss und zu seiner eigenen Einlassung, dass er es nicht gewesen sei, steht.“

 

Im Übrigen sah das Gericht auch den von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatz sowie die Kosten für die Abmahnung als angemessen an. Das Amtsgericht verurteilte den Beklagten daher vollumfänglich zur Zahlung des Schadensersatzes, der Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme der gesamten Verfahrenskosten.

 

 

 

AG Deggendorf, Urteil vom 27.07.2017, Az. 4 C 746/16

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Amtsgericht Deggendorf

Az.: 4 C 746/16

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München,

gegen

[Name], 94569 Stephansposching,
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name], 94469 Deggendorf,

wegen Forderung

erlässt das Amtsgericht Deggendorf durch die Richterin [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2017 folgendes

Endurteil

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.200,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2015 sowie weitere 666,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 13.11.2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.200,00 EUR festgesetzt:

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin verfügt über die ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte der Filme [Name] und [Name] in Deutschland. Beide Filme erschienen in Deutschland auf DVD, [Name] im Jahr 2009, [Name] im Jahr 2011.

Am [Datum] [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr wurde [Name] am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr [Name], am [Datum] von [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr sowie am [Datum] [Uhrzeit] Uhr bis [Uhrzeit] Uhr ohne Zustimmung der Klägerin über den Internetanschluss des Beklagten mittels einer Filesharing-Software zum Herunterladen angeboten.

Die Klägerin mahnte die Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] ab. Der Beklagte antworte mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] dem eine Unterlassungserklärung des Beklagten vom [Datum] beigefügt war, in der dieser sich „ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber rechtsverbindlich“ gegenüber der Klägerin verpflichtete, es bei Meidung einer Vertragsstrafe zu unterlassen, [Namen] ohne Einwilligung der Klägerin im Internet der Öffentlichkeit zugänglich zu machen oder sonst wie öffentlich zugänglich zu machen, zu verbreiten oder zu vervielfältigen.

Die Klägerin mahnte den Beklagten mehrmals ab und setzte eine letzte Zahlungsfrist bis [Datum].

Die Klägerin behauptet, der Beklagte habe die Rechtsverletzung begangen.

Die Klägerin meint, ihr stehe gegen den Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG zu. Die Täterschaft des Anschlussinhabers werde vermutet. Diese Vermutung hätte der Beklagte nicht erschüttert, er hätte nicht der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast genügt, insbesondere sei er seinen Nachforschungspflichten nicht ausreichend nachgekommen.

Die Klägerin ist der Meinung, nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie stehe ihr jedenfalls ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 1.200,00 EUR zu. Außerdem habe die Klägerin einen Anspruch auf Ersatz der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung und zwar in Höhe einer 1,0 Geschäftsgebühr aus einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR nach §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG. § 97a Abs. 3 n.F. sei auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar.

Die Klägerin beantragt:
1. Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 1.200,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.11.2015 sowie
2. 666,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13.11.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.

Der Beklagte behauptet, zum Tatzeitpunkt seinen außer ihm neun weitere Personen zu Hause gewesen nämlich [Name], [Name], [Name], [Name], [Name], [Name], [Name], [Name] sowie [Name]. Alle diesen Personen hätten Zugang zum passwortgesicherten WLAN-Netzwerk des Beklagten gehabt. Der Beklagte und alle weiteren Personen hätten Zugang zu einem PC mit Drucker gehabt, einzelne andere Personen zudem zu weiteren internetfähigen Geräten wie Mobiltelefonen, Tablets und Laptops. Alle Personen hätten ihm gegenüber eine Verletzungshandlung abgestritten.

Der Beklagte meint, er sei seiner Nachforschungspflicht nachgekommen, indem er alle genannten Personen (außer den 6-jährigen [Name]) nach Erhalt der Abmahnung zu den vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen befragte. Es sei ihm nicht zuzumuten, den genauen Gesprächsverlauf mit seinen Familienmitgliedern offenzulegen oder weitere Details zu den Befragungen zu liefern. Auch müsse er nicht beurteilen, ob die Antworten wahr seien.

Der Beklagte ist weiter der Meinung, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei zu hoch bemessen.

Das Gericht hat den Beklagten informatorisch angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses der Anhörung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 23.06.2017 Bezug genommen. Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus § 97 Abs. 2 UrhG in Höhe von 1.200,00 EUR.

1.

In Bezug auf die Filme [Name] und [Name] liegt eine rechtswidrige Verletzung des der Klägerin zustehenden Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung nach §§ 85, 19a UrhG vor. Die streitgegenständlichen Werke wurden über den Internetanschluss des Beklagten unstreitig mittels einer Filesharing-Software zum Herunterladen angeboten und öffentlich zugänglich gemacht.

2.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass hinsichtlich der ermittelten Rechtsverletzung von einer Täterschaft des Beklagten auszugehen ist.

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (vgl. BGH Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12; BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 11.6.2015, Az. I ZR 75/14).

Im vorliegenden Fall hat der Beklagte jedoch nicht die ihm zumutbaren Nachforschungen unternommen, seiner sekundären Darlegungslast nicht entsprechend vorgetragen, womit es an einer tatsächlichen Grundlage für die Annahme fehlt, ein Dritter könne die Verletzungshandlung mit alleiniger Täterschaft begangen haben (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14).

Denn der Beklagte hat lediglich seine eigene Täterschaft in Abrede gestellt, während er sich im Hinblick auf seine im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen auf eine bloß generell bestehende Zugriffsmöglichkeit berufen hat. Er hat lediglich vorgetragen, dass alle von ihm genannten neun Personen generell auf das WLAN zugreifen können, da alle das Passwort kennen. Der Beklagte hat sich jedoch nicht dazu geäußert, ob er zumindest auf dem von allen Personen benutzten PC mit Drucker die streitgegenständlichen Filme oder eine installierte Filesharing-Software vorgefunden habe. Zumindest zu dieser Nachforschung hat jedoch Anlass bestanden, wenn alle Personen ihm gegenüber verneinten eine Urheberrechtsverletzung begangen zu haben bzw. sich nicht mehr erinnern konnten, ob sie zum Tatzeitpunkt Zugang zum Internet hatten (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14).

Aus dem Vortrag des Beklagten ergibt sich weiter gerade nicht, dass eine andere Person als der Anschlussinhaber als Täter in Betracht kommt. Denn um der sekundären Darlegungslast zu genügen, hätte der Beklagte konkret darlegen müssen, ob und warum seine neun weiteren Familienangehörigen, obwohl sie die Rechtsverletzung nicht zugestanden hätten als Täter in Betracht kämen. Der Beklagte hat sich vielmehr mit der pauschalen Auskunft seiner Familienangehörigen begnügt, die im Widerspruch zur feststehenden Rechtsverletzung über seinen Internetanschluss und zu seiner eigenen Einlassung, dass er es nicht gewesen sei, steht (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.9.2016, Az. 2 Bv,R 1797/15). Wie bereits ausgeführt, fehlt jeglicher Vortrag dazu, inwiefern der Computer dahingehend überprüft worden ist, ob sich auf ihm eine Software für ein Tauschbörsenprogramm befunden hat.

Der Vortrag des Beklagten ist darüber hinaus widersprüchlich.

Der Beklagte hat seine eigene Täterschaft in Abrede gestellt und entweder gleichzeitig auch die Täterschaft seiner Familienmitglieder bestritten und damit (konkludent) abstrakt auf einen trotz der Verschlüsselung des Anschlusses mit einem Passwort möglichen Zugriff eines Dritten verwiesen oder sich – unter (konkludentem) Bestreiten des Wahrheitsgehalts von den Aussagen der Familienangehörigen – auf die generell bestehende Zugriffsmöglichkeit der in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen berufen. Es fehlen jedoch konkrete Darlegungen zur Möglichkeit, dass ein unbefugt handelnder Dritter Täter der Rechtsverletzung sein könnte. Zudem wurde die Möglichkeit einer Tatbegehung durch die Familienangehörigen nicht über die allgemein bestehende Möglichkeit einer Internetnutzung durch diese hinaus konkretisiert. Hierzu hätte es Darlegungen des Beklagten zum Vorhandensein von Filesharing-Software beziehungsweise zu auffindbaren Spuren der Filme zumindest auf dem von allen benutzten Computer bedurft (vgl. BVerfG, Urteil vom 23.9.2016, Az. 2 BvR 1797/15).

Das bloße Nachfragen des Beklagten stellt kein Nachforschen dar, gerade dann nicht, wenn das Nachfragen ergebnislos bleibt.

3.

Die Rechtsverletzung erfolgte auch jedenfalls fahrlässig. Im Urheberrecht gelten strenge Sorgfaltsanforderungen, ein Verwerter muss sich grundsätzlich umfassend nach den erforderlichen Rechten erkundigen. Ein Verschulden ist schon dann zu bejahen, wenn der Verletzer sich erkennbar in einem Grenzbereich des rechtlich Zulässigen bewegt hat (vgl. v. Wolff, in: Wandtke / Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, 4. Auflage, § 97, Rn. 52). Die Beteiligung an einer Internettauschbörse stellt zumindest ein fahrlässiges Verhalten dar (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2016, Az. I ZR 19/14; OLG München, Urteil vom 14.1.2016, Az. 29 U 2593/15).

4.

Der Klägerin, steht der Schadensersatzanspruch in der geltend gemachten Mindesthöhe von 1.200,00 EUR zu. Die Klägerin kann nach § 97 Abs. 2 S. 3 UrhG den Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie geltend machen. Als angemessen gilt die Lizenzgebühr, die bei vertraglicher Einräumung ein vernünftiger Lizenzgeber gefordert und ein vernünftiger Lizenznehmer gewährt hätte, wenn beide die im Zeitpunkt der Entscheidung gegebene Sachlage gekannt hätten (st. Rspr., s. BGH GRUR 1990, S. 1008ff).

Das Gericht hält den von der Klägerin als Mindestschaden geltend gemachten Betrag von 1.200,00 EUR im vorliegenden Fall für angemessen. Für die kostenlose und unkontrollierte Weiterverbreitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes im Wege des File-Sharings in Internettauschbörsen existiert keine marktübliche Lizenz. Gibt es keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr gern. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung des Tatrichters zu bemessen (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. 1 ZR 75/14).

Das Gericht hat u.a. berücksichtigt, dass eine öffentliche Zugänglichmachung eines Filmes in einer Tauschbörse eine sehr hohe Reichweite hat, die den Kauf des Filmes auf DVD entbehrlich macht und somit eine Verdrängung des Angebots der Klägerin darstellt. Im Hinblick auf diese Reichweite der öffentlichen Zugänglichmachung der Filme in einer Tauschbörse hätte eine Lizenz räumlich und zeitlich unbeschränkt erteilt werden müssen.

Das Gericht legt bei der Schätzung zum einen das berechtigte Interesse der Rechteinhaber zugrunde, die sich dem Massenphänomen File-Sharing ausgesetzt sehen, zum anderen berücksichtigt das Gericht, dass die in Anspruch Genommenen ein Anliegen an der Vermeidung einer Überkompensation haben. Vorliegend ist auch die Aktualität der beiden Filme im Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung zu berücksichtigen. Angesichts der durchschnittlichen Marktpreise für aktuelle Filme erachtet das Gericht daher einen Betrag in Höhe von 700,00 EUR für den zum Tatzeitpunkt vor zwei Jahren erschienenen Film [Name] sowie 500,00 EUR für den zum Tatzeitpunkt bereits vor vier Jahren erschienenen Film [Name] für angemessen (vgl. auch LG Bochum, Urteil vom 18.03.2016, Az. 1-5 S 165/15).

II.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nach § 97a Abs. 1 S. 2 a.F. i.H.v. 666,00 EUR. § 97a UrhG ist in seiner vorn 01.09.2008 bis 08.10.2013 gültigen Fassung anzuwenden im Hinblick auf das Datum der Abmahnung vom [Datum].

Das Gericht hält einen Gegenstandswert pro Film in Höhe von 10.000,00 EUR für angemessen. Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. BGH GRUR 2016, 1275). Der Wert eines Unterlassungsanspruchs bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchsstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße (vgl. BGH GRUR 2016, 1275). Es ist vor allem auch die Aktualität und Popularität des Werkes zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreicher Spielfilm nicht allzu lang nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 10.000,00 EUR angemessen (vgl. BGH GRUR 2016, 1275 bzw. BGH BeckRS 2016, 20395). Vorliegend wurden zwei Filme zum illegalen Download angeboten, deren Erscheinungsdatum nicht länger als zwei bzw. vier Jahre, und damit nicht allzu lang nach ihrem Erscheinungstermin zurücklag.

Die Zinsentscheidung beruht auf § 286 Abs. 1 BGB, die Kostenentscheidung auf § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S.2 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Deggendorf
Amanstraße 19
94469 Deggendorf

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Deggendorf
Amanstraße 17
94469 Deggendorf

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

gez. [Name]
Richterin

Verkündet am 27.07.2017
gez.
[Name], JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

Für die Richtigkeit der Abschrift
Deggendorf, 27.07.2017
[Name], JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt – ohne Unterschrift gültig (…)

 

 

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AG Deggendorf, Urteil vom 27.07.2017, Az. 4 C 746/16

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