.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg): Das Landgericht Bochum ändert ein Urteil des Amtsgericht Bochum ab – Beklagte zur Zahlung einer Lizenz und Abmahnkosten verurteilt, da sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht gerecht wurde (Nachbarn)

10:52 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot eines urheberrechtlich geschützten PC-Spiels. Das Landgericht Bochum hat ein Urteil des Amtsgericht Bochum (Urt. v. 29.11.2017 – 70 C 375/17) abgeändert, dass die Haftung der Beklagten für die geltend gemachte Urheberrechtsverletzung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ansah.

 

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs auf den Internetanschluss genügt hierbei nicht, ohne sich näher zu den zum streitgegenständlichen Zeitpunkt herrschenden konkreten Umständen in ihrer Sphäre zu äußern (vgl. BGH, Urt. vom 06.10.2016 – I ZR 154/15 – Afterlife; Urteil vom 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud).

Die Beklagte hatte sich damit verteidigt, dass ihr Lebensgefährte sowie weitere 2 Nachbarn das Internet selbstständig nutzen konnten. Nach einer Befragung der Nachbarn bestritten diese zwar einen möglichen Down- bzw. Upload, es konnte aber nicht ausgeschlossen werden, so die Beklagte, dass sie trotzdem als mögliche Täter in Betracht kämen.

Das Landgericht Bochum hat das Urteil nunmehr antragsgemäß abgeändert und die Beklagte zur Zahlung einer Lizenz und Abmahnkosten verurteilt, da sie ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügte.

(…) Denn die Beklagte hat ihren Internetanschluss nicht nur ihrem Lebensgefährten, sondern darüber hinaus zwei Nachbarn zur Verfügung gestellt; sie hat sich damit der Kontrolle der Nutzung ihres Anschlusses begeben. Über das konkrete Nutzungsverhalten der Nachbarn hat die Beklagte keine belastbaren Angaben gemacht. (…)

Aus diesen Gründen wurde die Beklagte in zweiter Instanz vollumfänglich zur Zahlung des geltend gemachten Lizenzschadensersatzes in Höhe von 750,00 EUR sowie Abmahnkosten verurteilt.

 

 

LG Bochum, Urteil vom 17.05.2018 – I-8 S 3/18

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

I-8 S 3/18
70 C 375/17 Amtsgericht Bochum

Verkündet am: 17.05.2018
[Name], Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Landgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte rka Rechtsanwälte, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

Frau [Name],
Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: [Name],

 

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 17.05.2018 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter am Landgericht Dr. [Name]

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 29.11.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.495,40 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2013 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Gründe:
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO)

Die zulässige Berufung der Klägerin gegen das am 29.11.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bochum ist begründet.

Die Beklagte ist gemäß § 97 UrhG zur Zahlung einer Lizenz und Abmahnkosten an die Klägerin verpflichtet.

Soweit die Beklagte die Aktivlegitimation der Klägerin und die Zuverlässigkeit des von dieser angewandten Ermittlungsverfahrens bestreitet, ist dieses Bestreiten unerheblich. Denn die Beklagte trägt weder vor, wer statt der Klägerin Inhaber der urheberrechtlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte sein soll noch worin die Schwächen des von der Klägerin genutzten Ermittlungsverfahrens liegen sollen. Da trotz wechselnder IP-Adressen der Internetanschluss der Beklagten am [Datum] und [Datum] insgesamt sechsmal ermittelt wurde, ist ein Softwarefehler auszuschließen.

Im Hinblick auf die die Beklagte damit treffende sekundäre Darlegungslast folgt die Kammer der Rechtsprechung des BGH, insbesondere den Grundsätzen, die dieser in dem sogenannten „BearShare“-Urteil (I ZR 169/12 vom 08.01.2014) aufgestellt hat. Danach gilt:

Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss nutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Den Anschlussinhaber trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast, der er dadurch entspricht, dass er vorträgt, welche anderen Personen aufgrund ihres konkreten Nutzungsverhaltens als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, weil er ihnen Zugang zu seinem Internetanschluss gewährt hat. Hierbei ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.

Der sie nach diesen Grundsätzen treffenden sekundären Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Denn die Beklagte hat ihren Internetanschluss nicht nur ihrem Lebensgefährten, sondern darüber hinaus zwei Nachbarn zur Verfügung gestellt; sie hat sich damit der Kontrolle der Nutzung ihres Anschlusses begeben. Über das konkrete Nutzungsverhalten der Nachbarn hat die Beklagte keine belastbaren Angaben gemacht. Eine Schriftsatzfrist zur Ergänzung ihres Vorbringens war der Beklagten insoweit nicht zu bewilligen, da die Frage der sekundären Darlegungslast bereits erstinstanzlich relevant war und die Beklagte angesichts des Wegzugs eines der fraglichen Nachbarn zudem außerstande ist, sich die zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast erforderlichen Informationen zu beschaffen.

Die von der Beklagten damit nach § 97 UrhG an die Klägerin zu zahlende Lizenz beläuft sich jedenfalls auf den von der Klägerin geltend gemachten Betrag von 750,00 EUR. Das Computerspiel „[Name]“ ist erst im Mai 2013 veröffentlicht worden und befand sich zum Zeitpunkt der Downloads Anfang August 2013 daher gerade in der relevanten Verkaufsphase. Nicht zu beanstanden ist auch, dass die Klägerin der Abmahnung einen Streitwert von 10.000,00 EUR zugrunde gelegt hat. Dieser Streitwert liegt bei gängigen Computerspielen in der Zeit unmittelbar nach ihrer Markteinführung im Rahmen der vom Bundesgerichtshof anerkannten Spanne und entspricht der ständigen Rechtsprechung der Kammer.

Der Zinsausspruch folgt aus §§ 286, 288 BGB.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

[Name],
Vorsitzenden Richter am Landgericht

[Name],
Richterin am Landgericht

Dr. [Name],
Richter am Landgericht

Beglaubigt
[Name], Urkundsbeamter/in
der Geschäftsstelle
Landgericht Bochum (…)

 

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AG Bochum, Urteil vom 29.11.2017 – 70 C 375/17

1. Instanz (ohne Abänderung durch Berufung)

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

70 C 375/17

Verkündet am 29.11.2017
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

Amtsgericht Bochum

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute Aßmann, Nikolai Klute, Michael Aßmann, Dr. Thomas Reichelt, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

Frau [Name],
Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: [Name],

 

hat das Amtsgericht Bochum auf die mündliche Verhandlung vom 29.11.2017 durch den Richter am Amtsgericht [Name]

ür Recht erkannt:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten anlässlich einer angeblichen Urheberrechtsverletzung. Dazu behauptet die Klägerin, die Beklagte habe am [Datum] und [Datum] das PC-Spiel [Name] über ihren Internetanschluss ohne Erlaubnis der Klägerin, die Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte sei, öffentlich anderen Nutzern zum Download angeboten. Dafür begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 750,00 EUR sowie Ersatz der vorgerichtlichen Abmahnkosten nach einem Streitwert von 10.000,00 EUR.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin einen Betrag von 745,40 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2013 zu zahlen
2. an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 750,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 20.09.2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, zur Zeit der angeblichen Urheberrechtsverletzung habe in der Wohnung nebenan der Lebensgefährte Herr [Name] gewohnt, der den Internetanschluss der Beklagten mit einem Desktop-PC benutzt habe. Ebenso nutzten zwei weitere Nachbarn, Herr [Name] und Herr [Name], den Internetanschluss der Beklagten jeweils in ihren Wohnungen mit. Vor Erhalt der Abmahnung habe sie keinerlei Anhaltspunkte dafür gehabt, dass über ihren Anschluss Rechtsverletzungen begangen werden könnten. In der streitgegenständlichen Zeit sei sie mit der Betreuung eines Kleinkindes beschäftigt gewesen und habe weder Zeit noch Interesse für Computerspiele gehabt. Es habe sich auch zu keinem Zeitpunkt Filesharing-Software auf ihrem Endgerät befunden. Eine Befragung der Mitnutzer [Name] und [Name], der weitere Mitnutzer [Name] sei verzogen, habe ergeben, dass sie die streitgegenständlichen Downloads bzw. Uploads bestritten. Da die Mitnutzer den Internetanschluss der Beklagten aber selbstständig genutzt hätten, könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie für die streitgegenständliche Rechtsverletzung verantwortlich sind.

Für weitere Einzelheiten wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist unbegründet.

Die Beklagte haftet unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt für die geltend gemachte Urheberrechtsverletzung. Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung noch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. So war es auch im vorliegenden Fall. Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast ausreichend genügt. Sie hat nachvollziehbar dargelegt, dass der Internetanschluss außer ihr den benannten volljährigen Mitnutzern zur Verfügung stand und sie den Anschluss auch entsprechend genutzt haben und sie selbst zur Zeit des angeblichen Urheberrechtsverstoßes anderweitig beschäftigt gewesen sei.

Zugunsten der Klägerin spricht zwar eine tatsächliche Vermutung, die jedoch keine Beweislastumkehr bewirkt, dass eine festgestellte Urheberrechtsverletzung von dem Anschlussinhaber verursacht ist. Der aus der tatsächlichen Vermutung folgenden sekundären Darlegungslast hat die Beklagte aber genügt, denn nach ihrem Vortrag besteht die nicht nur theoretische, sondern ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs, nämlich einer Rechtsverletzung durch einen der volljährigen Mitnutzer der Beklagten.

Danach war die Klägerin in vollem Umfang für eine Rechtsverletzung durch die in Anspruch genommene Beklagte darlegungs- und beweispflichtig, was nicht erfolgt ist. Soweit die Klägerin lediglich den entlastenden Vortrag der Beklagten mit Nichtwissen bestreitet, oder ins Negative kehrt und unter Beweis stellt, folgt der Vortrag aber ins Blaue hinein. Eine Beweisaufnahme würde danach zu einer reinen Ausforschung führen, was sich im Zivilprozess verbietet.

Eine Inanspruchnahme der Beklagten als Störer wird nicht dargelegt und ist nicht ersichtlich.

Danach war die Klage mit den Nebenentscheidungen aus §§ 91, 708 Nr. 11 in Verbindung mit § 711 ZPO abzuweisen.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,

1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bochum,
Josef-Neuberger-Straße 1,
44787 Bochum,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bochum zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bochum durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

[Name]
Richter am Amtsgericht

Beglaubigt
[Name], Justizamtsinspektor (…)

 

 

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LG Bochum, Urteil vom 17.05.2018 – I-8 S 3/18

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