Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff (Heidelberg): Landgericht Frankfurt – keine echte Mehrfachermittlung – Filesharing Klage von Schulenberg & Schenk für MIG Film GmbH auch in zweiter Instanz abgewiesen – Kläger muss substantiiert darlegen, dass zwischen 2 Ermittlungen 24 h liegen, um Fehler auszuschließen

19:12 Uhr

Wir hatten an anderer Stelle bereits vor gut zwei Jahren über eine Klageabweisung des Amtsgerichts Frankfurt im Falle einer Klage der MIG Film GmbH berichtet, vertreten durch die Kanzlei Schulenberg & Schenk aus Hamburg (Bericht: „Klageabweisung Amtsgericht Frankfurt„).

 

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Rechtsanwalt Andreas Ernst Forsthoff
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht

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Bericht

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Nach Auffassung der Kammer ist es sachgerecht, anzunehmen, dass der Rechteinhaber den Beweis der Richtigkeit seiner Ermittlungen dadurch führen kann, dass er substantiiert darlegt, dass zwischen den Ermittlungen mindestens 24 Stunden liegen. Denn hierdurch wird zum einen sichergestellt, dass die Verletzungshandlungen in unterschiedlichen Vorgängen ermittelt werden.

Die Kanzlei Schulenberg & Schenk hatte für die MIG Film GmbH gegen das Urteil des Amtsgerichts Frankfurt Berufung eingelegt. Nach längerer Zeit kam es sodann am Landgericht Frankfurt zu einer mündlichen Verhandlung und einige Zeit später zu einem Urteil am 10.07.2018 (Aktenzeichen: 2-03 S 13/16), welches – aus unserer Sicht und für unseren Mandanten höchst erfreulich – die Berufung von Schulenberg & Schenk gegen das Urteil des Amtsgericht Frankfurt zurückgewiesen hat. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der MIG Film GmbH vorgelegt.

LG Frankfurt 2-03 S 13/16: Rechtsverletzung durch Abmahner nicht nachgewiesen trotz Mehrfachermittlung: „Kölner“ Rechtsprechung nicht anwendbar

Die Kanzlei Schulenberg & Schenk hatte für die MIG Film GmbH in beiden Instanzen vorgetragen, dass der Anschluss unseres Mandanten zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten ermittelt worden sei und dass daher davon auszugehen sei, dass die Rechtsverletzung über den Anschluss unseres Mandanten quasi nachgewiesen sei. Die Kanzlei Schulenberg & Schenk argumentierte mit der vor allem durch das OLG Köln geprägte Rechtsprechung zur sogenannten Mehrfachermittlung. Diese Rechtsprechung besagt verkürzt, dass eine fehlerhafte Ermittlung de facto ausgeschlossen ist, wenn derselbe Anschluss zu zwei verschiedenen Zeitpunkten ermittelt wurde. Dann muss der Rechteinhaber nicht gesondert beweisen, dass der Anschluss des Beklagten ermittelt wurde. Vielmehr ist es dann Aufgabe des beklagten Anschlussinhabers, konkrete Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlungen vorzutragen. Kann er dies nicht, ist die Rechtsverletzung über seinen Anschluss nachgewiesen.

Das Landgericht Frankfurt hat mit Urteil vom 10.07.2018 (Aktenzeichen: 2-03 S 13/16) nunmehr eine differenzierte Betrachtung vorgenommen und entschieden, dass jedenfalls dann, wenn zwischen den einzelnen Ermittlungen weniger als 24 Stunden liegen, von keiner echten Mehrfachermittlung auszugehen ist. Denn in diesem Fall besteht die Möglichkeit, dass durch das Ermittlungsunternehmen eine bewusste oder unbewusste Falschzuordnung der IP-Adresse erfolgt oder dass gar eine missbräuchliche Zuordnung erfolgt. Nur dann, wenn zwischen den einzelnen ermittelten Zeitpunkten mehr als 24 Stunden liegen, ist diese Wahrscheinlichkeit erheblich reduziert.

Die Kanzlei Schulenberg & Schenk hatte bereits in der ersten Instanz beide zunächst unterbreiteten Beweisangebote (Zeugenvernehmung des Mitarbeiters der Ermittlungsfirma, Einholung eines Sachverständigengutachtens) zurückgenommen mit der Folge, dass die klagende MIG Film GmbH aus Sicht sowohl des Amtsgerichts Frankfurt als auch nunmehr des Landgerichts Frankfurt beweisfällig geblieben ist und deshalb die Klage abgewiesen wurde.

Landgericht Frankfurt vs. Landgericht Köln: Zulassung der Revision zum BGH

Das Landgericht Frankfurt hat in seiner Entscheidung vom 10.07.2018 (Aktenzeichen: 2-03 S 13/16) auf die gegenläufige Rechtsprechung der 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln hingewiesen. Das Landgericht Köln nimmt anders als das Landgericht Frankfurt keine Differenzierung nach den Zeitpunkten der beiden Ermittlungstreffer vor und hat eine echte Mehrfachermittlung auch dann angenommen, wenn weniger als 8 Stunden zwischen den Ermittlungstreffern vorlagen (Langericht Köln, Urteil vom 06.08.2015, Aktenzeichen 14 S 2/15). Das Landgericht Frankfurt begründet seine Entscheidung auch damit, dass nur bei einer zeitlichen Zäsur von mindestens 24 Stunden sichergestellt wird, dass es sich tatsächlich um zwei unterschiedliche Ermittlungsvorgänge handelt. Außerdem erfolgt nach 24 Stunden eine Zwangstrennung einer dynamischen IP-Adresse.

Da die eigene Rechtsprechung in diesem Punkt von der Rechtsprechung eines anderen Landgerichts abweicht und da diese Frage von grundsätzlicher Bedeutung ist, hat das Landgericht Frankfurt die Revision der MIG Film GmbH zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Wir sind gespannt, ob tatsächlich Revision zum BGH eingelegt wird und bejahendenfalls, wie der BGH diese Streitfrage beurteilt.

 

 

LG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2018 – 2-03 S 13/16

 

(…)

Landgericht Frankfurt am Main

Aktenzeichen: 2-03 S 13/16
31 C 2860/15 (96) AG Frankfurt am Main

Verkündet am: 10.7.2018
[Name], Justizangestellte
Urkundsbeamtin/-beamter der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Schulenberg & Schenk, Alsterchaussee 25, 20149 Hamburg,

gegen

[Name],
Beklagter und Berufungsbeklagter,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte F3S Rechtsanwälte, Landhausstraße 30, 69115 Heidelberg,

 

hat das Landgericht Frankfurt am Main – 3. Zivilkammer – durch Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], Richter am Landgericht [Name] und Richter [Name] ein aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2018

für Recht erkannt:

Die Berufung der Berufungsklägerin gegen das am 09.05.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Frankfurt am Main (31 C 2860/15 (96)) wird zurückgewiesen.

Die Berufungsklägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das Urteil des Amtsgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Die Berufungsklägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der Berufungsbeklagte nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe:

I.

Die Berufungsklägerin (im Folgenden: „Klägerin“) begehrt Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung mittels sogenanntem Filesharing betreffend das Computerspiel „[Name]“.

Die Klägerin macht zwei Rechtsverletzungen geltend: am 07.04.2012 um 16:36:23 Uhr über die IP-Adresse 93.229.97.194 sowie am 07.04.2012 um 22:40:14 Uhr über die IP-Adresse 93.229.100.111 soll das streitgegenständliche Werk im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse jeweils öffentlich zugänglich gemacht worden sein. Der Internetprovider des Berufungsbeklagten (im Folgenden: „Beklagter“) erteilte im Rahmen eines von der Klägerin betriebenen Ermittlungs- und Auskunftsverfahrens die Auskunft, dass jene IP-Adressen zur jeweiligen Tatzeit dem Anschluss des Beklagten zugewiesen gewesen seien.

Die Klägerin mahnte den Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 09.10.2012 ab und forderte ihn unter Fristsetzung zum 24.10.2012 auf, einen Betrag in Höhe von 1.298,00 EUR zu zahlen (Anlage K 6, Bl. 37 ff. d.A.).

Der Beklagte gab hierauf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, dass der Beklagte Filesharing betrieben habe. Das von ihr beauftragte Unternehmen IPP International UG habe die hier streitgegenständlichen Verletzungshandlungen zutreffend ermittelt. Die IP-Adressen seien zu den in Streit stehenden Zeitpunkten dem Anschluss des Beklagten zugeordnet gewesen. Die damalige Lebensgefährtin des Beklagten, Frau [Name] habe die Rechtsgutsverletzung nicht begangen.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zur Zahlung eines Betrages von 1.051,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verurteilen, wobei ein Betrag in Höhe von 651,00 EUR auf Abmahnkosten (Netto, Gegenstandswert in Höhe von 10.000,00 EUR, 1,3er Geschäftsgebühr Nr. 2300, 1008 VV RVG zzgl. Auslagen) und 400,00 EUR auf einen Schadensersatzanspruch (Lizenzanalogie) entfielen. Der Beklagte hat die ordnungsgemäße Ermittlung des Internetanschlusses bestritten. Er hat überdies vorgetragen, dass er niemals eine Tauschbörse benutzt bzw. urheberrechtlich geschützte Werke im Internet öffentlich zugänglich gemacht habe. Insbesondere habe er zu dem von der Klägerin genannten Zeitpunkt keine Tauschbörse benutzt.

Das Amtsgericht hat die Klägerin mit Beschluss vom 30.11.2015 (Bl. 102 f. d.A.) u.a. darauf hingewiesen, dass die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Beklagte die Urheberrechtsverletzung begangen habe oder dass die Nutzung des Anschlusses durch Dritte nicht möglich gewesen sei, die Klägerin trage. Das Amtsgericht hat den Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung am 21.12.2015 informatorisch angehört und die von der Klägerin angebotene Zeugin [Name] vernommen (Bl. 107 ff. d.A.). Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 25.01.2016 weitere Hinweise erteilt und die Beweiserhebung durch Vernehmung des von der Klägerin angebotenen Zeugen [Name] angeordnet (Bl. 128 f. d.A.). Unter dem 15.02.2016 hat das Amtsgericht die Parteien darauf hingewiesen, dass es die von der Klägerin zitierte Entscheidung des OLG Köln vom 16.05.2012 (Az.: 6 U 239/11) zur Mehrfachermittlung für nicht anwendbar halte (Bl. 146 d.A.). Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 03.03.2016 ihr Beweisangebot zurückgenommen und dies unter Bezugnahme auf jene Entscheidung des OLG Köln vom 16.05.2012 (Az.: 6 U 239/11) damit begründet, dass eine Mehrfachermittlung vorliege, weil der Anschlussinhaber unter zwei verschiedenen IP-Adressen ermittelt worden sei. Es sei zu zwei Einwahlen gekommen, was aufgrund des Zeitunterschieds (nachmittags und abends) nichts Ungewöhnliches sei.

Auf den Hinweis des Amtsgerichts, dass auf den Antrag der Klägerin ein Sachverständigengutachten zu den Beweisthemen aus dem Beweisbeschluss vom 26.012016 zu erheben sei (Bl. 149 d.A.), hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.03.2016 ihr Angebot auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgenommen (Bl. 158 d.A.).

Das Amtsgericht hat die Klage im schriftlichen Verfahren mit dem am 09.05.2016 verkündeten Urteil, welches den Prozessvertretern der Klägerin am 11.05.2016 zugestellt worden ist (Bl. 177 d.A.), abgewiesen. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, dass es nur dann keinen Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlungen der Klägerin geben könne, wenn zwischen den einzelnen Ermittlungen wenigstens 24 Stunden liegen würden. Das beruhe darauf, dass dann jedenfalls aufgrund der Zwangstrennung nach 24 Stunden durch den Internet-Provider (hinsichtlich der IP-Adresse) davon ausgegangen werden könne, dass der Anschlussinhaber mehrfach die Verletzungshandlung begangen habe. Der zeitliche Abstand von 24 Stunden stelle auch sicher, dass die Ermittlung der (jeweiligen) IP-Adresse auf zwei unterschiedlichen Prozessen beruhe. Nur in diesem, hier jedoch nicht einschlägigen Fall sei die Wahrscheinlichkeit von Fehlern sehr gering.

Hiergegen wendet sich die Klägerin. Mit Schriftsatz vom 13.06.2016 – bei Gericht per Fax eingegangen am selben Tag – hat die Klägerin Berufung eingelegt und diese innerhalb der um einen Monat bis zum 11.08.2016 verlängerten Berufungsbegründungsfrist begründet. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie eine Mehrfachermittlung des Anschlusses des Beklagten substantiiert vorgetragen habe, wonach der Anschluss des Beklagten zu unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen dynamischen IP-Adressen im Hinblick auf dasselbe Werk ermittelt und beauskunftet worden sei. Angesichts dessen, so meint die Klägerin, dürften Zweifel an der Richtigkeit der Ermittlung und Zuordnung des Anschlusses schweigen. Eine Beweiserhebung zu dieser Frage wäre allenfalls auf Veranlassung des Beklagten durchzuführen.

Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 09.05.2016 verkündeten Urteils des AG Frankfurt am Main – Az. 31 C 2860/15 (96) – den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin einen Schadensersatzbetrag in Höhe von 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (12.09.2015) zu zahlen;
2. an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 651,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (12.09.2015) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Er meint, die Klägerin sei beweisfällig geblieben hinsichtlich der ordnungsgemäßen Ermittlung des Anschlussinhabers.

Im Übrigen wird gemäß der §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 S. 1 ZPO auf den Tatbestand des angegriffenen Urteils des Amtsgerichts Frankfurt am Main vom 09.05.2016 Bezug genommen (Bl. 166 ff. d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie den sonstigen Akteninhalt Bezug genommen.

 

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.

Die Berufung kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen, 513 ZPO. Dies ist hier nicht der Fall.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen. Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachenfeststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen. § 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 286 Rn. 13, m.w.N.). Darüber hinaus hat er die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung nachvollziehbar im Urteil darzulegen, wobei es genügt, dass nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 28.01.2008 – 12 U 50/07 – juris, m.w.N.).

An diese Regeln der freien Beweiswürdigung hat sich das Amtsgericht im angefochtenen Urteil gehalten.

Rechtsfehlerfrei ist insbesondere die Wertung des Amtsgerichts, dass die Ermittlung und Zuordnung von unterschiedlichen dynamischen IP-Adressen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten zum Nachweis der Rechtsverletzung über den Anschluss des Beklagten nur dann genügt, wenn zwischen den einzelnen Ermittlungen wenigstens 24 Stunden liegen.

Diese Würdigung verstößt weder gegen Denk- und Naturgesetze noch gegen Erfahrungssätze.

Auch hat das Amtsgericht die Grundsätze zur Darlegungs- und Beweislast rechtsfehlerfrei angewandt.

Die Täterschaft des beklagten Anschlussinhabers ist als anspruchsbegründende Tatsache nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen von der Klägerin darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Zu ihren Gunsten gelten dabei gewisse Beweiserleichterungen. Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus öffentlich zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08 -, juris Rn. 12 – Sommer unseres Lebens).

Hierbei wird vertreten, dass es genüge, wenn der Rechteinhaber eine Mehrfachermittlung des Anschlusses des Beklagten substantiiert vortrage, wonach der Anschluss des Beklagten zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten mit unterschiedlichen dynamischen IP-Adressen im Hinblick auf dasselbe Werk ermittelt und beauskunftet worden sei [vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 – 6 U 239/11 -, NJW-RR 2012, 1327 (Mehrfachermittlung mit mehr als 24 Stunden Abstand an zwei unterschiedlichen Tagen); OLG München, Beschluss vom 01.10.2012 – 6 W 1705/12BeckRS 2013, 17282 – (Mehrfachermittlung in zwei Fällen); AG Köln, Urteil vom 22.10.2014 – 125 C 410/14 -, juris (Mehrfachermittlung „innerhalb weniger Tage oder Wochen“); AG Hamburg, Urteil vom 06.02.2015 – 36a C 38/14 -, juris Rn. 3, 21 (Ermittlung von zwei IP-Adressen im Abstand von etwas mehr als 24 Stunden); AG Charlottenburg, Urteil vom 08.08.2017 – 206 C 16/17 -, juris Rn. 2 und 33 – (Mehrfachermittlung innerhalb von mehreren Tagen)]. Es sei in diesen Fällen extrem unwahrscheinlich, dass mehrere unrichtige Ermittlungen zu dem Internetanschluss derselben Person führen könnten, so dass der Anschlussinhaber substantiiert dazu vortragen müsse, weshalb dennoch Zweifel an der Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses begründet sein könnten (LG Köln, Urteil vom 06.08.2015 – 14 S 2/15, juris Rn. 4 und 32). Die 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln vertritt die Ansicht, dass eine echte Mehrfachermittlung des Internetanschlusses in Filesharing-Verfahren selbst dann vorliege, wenn die ermittelten Verletzungshandlungen – wie vorliegend weniger als 24 Stunden auseinander liegen [vgl. LG Köln, Urteil vom 14.12.2017 – 14 S 1/17 -, juris Rn. 29 (Mehrfachermittlung einer Rechtsverletzung mit 7 1/2 Stunden Abstand über eine IP-Adresse); Urteil vom 06.08.2015 – 14 S 2/15 -, juris Rn. 4 und 32 (Mehrfachermittlung innerhalb von wenigen Stunden)].

Bestreite ein Anschlussinhaber in solchen Fällen, dass die Rechtsverletzung tatsächlich über den eigenen Anschluss erfolgt sei, so obliege ihm die Darlegung konkreter Anhaltspunkte, welche im Einzelfall für eine fehlerhafte Anschlussermittlung sprechen. Andernfalls sei im Rahmen des § 286 Abs. 1 ZPO von der zutreffenden Ermittlung der IP-Adresse sowie der Zuordnung zum entsprechenden Internetanschluss auszugehen, ohne dass es eines dahin gehenden Beweises durch den verletzten Rechteinhaber bedürfe (LG Köln, Urteil vom 14.12.2017 14 S 1/17 -, juris Rn. 38).

Die Kammer schließt sich der auch vom Amtsgericht überzeugend begründeten Ansicht an, wonach es zum Beweis der Richtigkeit der Ermittlungen des klägerseits beauftragten Unternehmens ausreichen kann, wenn jedenfalls mehrere Verletzungshandlungen über mehrere IP-Adressen ermittelt wurden und ein Zeitraum von mehr als 24 Stunden zwischen den ermittelten Verletzungshandlungen liegt. Denn die Wahrscheinlichkeit, dass es hier zu einer bewussten oder unbewussten Falschzuordnung gekommen ist oder dass die von dem beauftragten Unternehmen – hier die IPP International UG – verwendete Software fehlerfrei gearbeitet hat, ist durch die Zuordnung von zwei Verletzungshandlungen erheblich reduziert. Ferner weiß das beauftragte Unternehmen zu dem Zeitpunkt der Ermittlung der Verletzungshandlungen noch nicht, über welchen Anschluss diese vorgenommen worden sind, was ebenfalls die Gefahr für missbräuchliche Zuordnungen reduziert.

Nach Auffassung der Kammer ist es sachgerecht, anzunehmen, dass der Rechteinhaber den Beweis der Richtigkeit seiner Ermittlungen dadurch führen kann, dass er substantiiert darlegt, dass zwischen den Ermittlungen mindestens 24 Stunden liegen. Denn hierdurch wird zum einen sichergestellt, dass die Verletzungshandlungen in unterschiedlichen Vorgängen ermittelt werden. Zum anderen trägt diese zeitliche Zäsur auch dem Umstand Rechnung, dass – wie der Kammer bekannt ist – regelmäßig nach 24 Stunden eine Zwangstrennung von einer dynamischen IP-Adresse vorgenommen wird, was die Annahme rechtfertigt, dass zwei Verletzungshandlungen vorliegen. Nur in einer solchen Konstellation ist es regelmäßig gerechtfertigt, von einem so starken Indizwert auszugehen, dass Zweifeln Schweigen geboten ist, ohne sie völlig auszuschließen (§ 286 Abs. 1 ZPO).

Diese Ansicht überspannt nicht die Anforderung an die Darlegung und Beweisführung einer Rechtsverletzung. Zwar ist es sicherlich nicht erforderlich, dass der Rechteinhaber nachweist, dass sein Ermittlungsergebnis stets absolut fehlerfrei ist (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 -, juris Rn. 39 – Tauschbörse I). Diesen Nachweis hätte die Klägerin jedoch auch nicht führen müssen. Denn selbst wenn das dargelegte Ermittlungsergebnis nicht ohne weiteres zur Überzeugungsbildung ausreicht, bleibt es dem Rechteinhaber unbenommen, den Beweis mit sonstigen Beweismitteln zu führen. So hatte die Klägerin im vorliegenden Fall zunächst sowohl Zeugenbeweis als auch Sachverständigenbeweis angetreten, ihre Beweisangebote jedoch sodann wieder zurückgenommen.

Die hier vertretene Ansicht berücksichtigt auch, dass der Anspruchsgegner mit Blick auf den klägerseits beauftragten Ermittlungsvorgang kaum Möglichkeiten hätte, konkrete Anhaltspunkte für eine Fehlzuordnung darzulegen, während es dem Rechteinhaber regelmäßig zumutbar und möglich ist, die Richtigkeit des Ermittlungsvorgangs darzulegen und auch zu beweisen. Der Rechteinhaber nimmt die Ermittlungen in der ersten Phase (Ermittlung des Upload-Vorgangs, Zuordnung zu einer bestimmten IP-Adresse) regelmäßig durch ein von ihm selbst beauftragtes Unternehmen (hier die IPP International UG) vor. Er hat vor diesem Hintergrund naturgemäß bessere Einsichtsmöglichkeiten in die Ermittlungsvorgänge, die er auf der Grundlage eines vertraglichen Auskunftsanspruchs gegen das mit den Ermittlungen beauftragte Unternehmen auch durchsetzen könnte. Demgegenüber liegen diese Vorgänge außerhalb der Wahrnehmungssphäre des Anspruchsgegners. Auch deshalb sind starke Indizien zu fordern, um zur Überzeugung im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO zu gelangen, dass der Ermittlungsvorgang zutreffend war.

Selbst für die durch den Internetprovider im Rahmen eines staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens beauskunfteten Informationen, denen im Einzelfall durchaus ein hoher Beweiswert zukommen kann, kann nicht ohne weiteres die Zuverlässigkeit des Ermittlungsvorgangs angenommen werden. So kam der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs in der „Tauschbörse I“-Entscheidung vom 11.06.2015 (I ZR 19/14) zum Ergebnis, dass die Beweiswürdigung (des Berufungsgerichts) keine revisionsrechtlich beachtlichen Fehler habe erkennen lassen. Das Berufungsgericht hatte in jenem Fall angenommen, dass insbesondere nach Würdigung der in jenem Verfahren vernommenen Zeugen keine Umstände vorlägen, die gegen die Zuverlässigkeit der gegebenen Auskünfte sprächen. Es sei auch davon auszugehen, dass die mit der Bearbeitung derartiger Anfragen befassten Personen sogar im Fall einer etwaigen Eingabe per Hand von Kundendaten in Anbetracht der ihnen bekannten strafprozessualen Konsequenzen für die Betroffenen bemüht gewesen seien, Fehlzuordnungen tunlichst zu vermeiden. Eine pauschale Aussage zur Darlegungs- und Beweislast betreffend die Richtigkeit der Ermittlungsergebnisse beim Filesharing hat der Bundesgerichtshof – entgegen der Ansicht der Klägerin (vgl. Schriftsatz der Klägerin vom 11.08.2016, dort S. 4, Bl. 207 d.A.) hingegen nicht getroffen.

Die Entscheidung zu den Kosten ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen. Die entscheidungserhebliche Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ermittlung und Zuordnung von unterschiedlichen dynamischen IP-Adressen zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten zum Nachweis der Rechtsverletzung genügt, ist von grundsätzlicher Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und ist weder höchstrichterlich entschieden noch lässt sich die zu treffende Entscheidung eindeutig aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ableiten.

 

[Name]
Vorsitzenden Richter am Landgericht

[Name]
Richter am Landgericht [Name]

[Name]
Richter

 

Beglaubigt
Frankfurt am Main,
11. Juli 2018
[Name], Justizangestellte
Urkundsbeamtin/beamter
der Geschäftsstelle (…)

 

 

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LG Frankfurt, Urteil vom 10.07.2018 – 2-03 S 13/16

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