Rechtsanwalt Thomas Rader (Bonn): Landgericht Hamburg – Reisekosten des Anwalts der auswärts klagenden Partei – 1.200,00 EUR Kosten bei 400,00 EUR Streitwert (parship.de)

10:34 Uhr

In seinem Beschluss stellt das Landgericht klar, dass Reisekosten eines Anwalts am Wohnort der an einem auswärtigen Gericht klagenden Partei grundsätzlich notwendige Kosten i.S.d. § 91 ZPO darstellen. Sofern die Beauftragung eines am Wohnsitz der klagenden Partei ansässigen Rechtsanwalts unter Kostengesichtspunkten zulässig ist, gilt dies erst recht, wenn der Kanzleisitz des Anwalts sich näher am Gericht befindet als der Wohnort der klagenden Partei.

 

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Rechtsanwalt Thomas Rader

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Legt der Anwalt der an einem auswärtigen Gericht klagenden Partei substantiiert dar, über Spezialkenntnisse rechtlicher und tatsächlicher Art zu verfügen, reicht ein bloßer Hinweis auf das Vorhandensein von 45 Fachanwälten am Sitz des Gerichts zur Entkräftung dieses Vortrags nicht aus. Vielmehr müsste es der an einem auswärtigen Gericht klagenden Partei auch möglich sein, einen entsprechenden Fachmann mit denselben Spezialkenntnissen zu beauftragen.

 

 

LG Hamburg, Beschluss vom 23.08.2018 – 314 T 4/18

 

(…) – Abschrift –

Landgericht Hamburg

Az. 314 T 4/18
13 C 9/17
AG Hamburg

 

Beschluss

 

In der Sache

[Name],
– Kläger und Beschwerdegegner –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Rader & Mazur, Markt 14, 53111 Bonn,

gegen

[Name], 20095 Hamburg
– Beklagte und Beschwerdeführerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin [Name],

 

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 14 – durch die Richterin am Landgericht [Name] als Einzelrichterin am 23.03.2018:

1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom19.12.2017 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Hamburg vom 05.12.2017 (Az. 13 C 9117) wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Gegenstandswert von 875,70 EUR.

 

Gründe:

Die gemäß §§ 104, 567, 569 ZPO zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist in der Sache unbegründet, weil das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss zu Recht die der Klägerseite entstandenen Reisekosten zu Lasten der Beklagten mit festgesetzt hat.

Vorliegend überschneiden sich dabei zwei Kategorien, in denen die Obergerichte und auch der Bundesgerichtshof eine Erstattungsfähigkeit von Reisekosten auch dann annehmen, wenn diese die Kosten für die Einschaltung eines Terminsvertreters wesentlich übersteigen.

Zum einen ist es so, dass grundsätzlich ein an einem auswärtigen Gericht klagender Kläger einen Anwalt (seines Vertrauens) an seinem Wohnort beauftragen kann, den auswärtigen Termin wahrzunehmen, und diese Kosten auch vollen Umfangs erstattet bekommt, weil diese als notwendig im Sinne des § 91 ZPO angesehen werden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 28.01.2010 – III ZB 64/09, Ls.1, zitiert nach juris.de).

Die früher vorgesehene Begrenzung von Kosten, die die nicht höher als 110 % der Kosten eines Terminsvertreters liegen, wird von den Obergerichten nicht mehr aufrechterhalten (z.B. BGH Beschluss vom 11.12.2007 – X ZB 21/07, Ls. zitiert nach juris.de). Zwar kann ausnahmsweise die Entsendung des am Wohnort ansässigen Anwaltes unter Kostengesichtspunkten abzulehnen sein, wenn – wie z.B. bei einem großen Unternehmen – die Organisation der klagenden Partei eine rein schriftliche oder telefonische Information der Terminsvertreters ausreichen lässt. So liegt es hier aber unstreitig nicht. Dies kann auch nicht aus dem Umstand gefolgert werden, dass der Klägervertreter nicht am Wohnort des Klägers ansässig ist, da nicht sicher ist, dass die Kontaktaufnahme nur telefonisch oder schriftlich erfolgt ist und zudem gerade eine typisierende, und nicht eine konkrete Betrachtung anzustellen ist (vgl. BGH Beschluss vom 28.01.2010 – III ZB 64/09, Ls. 3, zitiert nach juris.de).

Sofern die Beauftragung eines am Wohnort ansässigen Anwaltes unter Kostengesichtspunkten zulässig ist, muss dies aber erst recht gelten, wenn der beauftragte Anwalt – wie hier – dichter an dem Prozessgericht sitzt als der Wohnort des Klägers liegt, da die Reisekosten dann eher geringer ausfallen.

Hinzukommt im vorliegenden Fall, dass die Beauftragung der an einem dritten Ort ansässigen Klägervertreter bereits deshalb gerechtfertigt war, weil diese im konkreten Fall über erforderliche Detail- und Spezialkenntnisse und zwar nicht nur in rechtlicher, sondern auch in tatsächlicher Art hatten, wie die Klägervertreter nunmehr ausführlich dargelegt haben. Dabei geht es nicht darum, lediglich einen Fachanwalt für IT-Recht als Spezialisten zu bestimmen. Die Klägervertreter hatten sich vielmehr durch eigene umfangreiche Recherchen Spezialkenntnisse im tatsächlichen betr. die Vorgehensweise der Beklagten angeeignet, u.a. auch aus der Vertretung weiterer Betroffener in Parallelverfahren, dass ein bloßer Hinweis auf das Vorhandensein von 45 Fachanwälten für IT-Recht in Hamburg dies wohl nicht entkräften kann. Zudem hätte es für den Kläger tatsächlich möglich sein müssen, einen entsprechenden Fachmann mit denselben Detailkenntnissen wie die Klägervertreter auch tatsächlich zu finden (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 20.12.2011 – XI ZB 13/11, Ls. 2; OLG Naumburg, Beschluss vom 30.7.2010 – 2 W 61/10, beide zitiert nach juris.de).

Etwas anderes ergibt sich vorliegend auch nicht aus dem Umstand, dass die geltend gemachten Reisekosten den Streitwert der Angelegenheit wesentlich übersteigen.

So wird zwar unter Hinweis darauf, dass die Parteien nach den Grundsätzen des § 91 ZPO gehalten sind, bei vernünftiger Betrachtungsweise die Erforderlichkeit der entstehenden Kosten zu berücksichtigen, bei der Anreise der Partei selbst zum Termin, die mit erheblichen Kosten verbunden ist, verlangt Kosten einzusparen, wenn diese im konkreten Fall in einem erheblichen Missverhältnis zu dem Gegenstandswert der Angelegenheit stehen (vgl. z.B. OLG München, Beschluss vom 18.07.2003, – 11 W 1732/03, und OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.05.2000 – 12 W 17/00, beides zitiert nach juris.de).

Hier geht es aber vorliegend um die Reisekosten des Rechtsanwaltes und nicht der (zusätzlich) anreisenden Partei. Da es einer Anwesenheit entweder des Klägers oder eines Prozessbevollmächtigten zur Wahrnehmung der Termine in Hamburg bedurfte, fehlt es schon an der diesen Entscheidungen zugrundeliegenden Grundkonstellation.

Außerdem ist dabei zu berücksichtigen, dass ein Teil der Kosten (nämlich 461,69 EUR für den Termin am 31.3.2017) allein aufgrund der Säumnis der Beklagten entstanden ist. Die restlichen Kosten für die Wahrnehmung des Termins am 09.06.2017 (364,01 EUR) erreichen nicht einmal den mit 386,44 EUR bemessenen Streitwert. Dass eine zweimalige Anreise nach Hamburg erforderlich werden würde, musste die Partei bei der Auswahl des Anwaltes in keiner Weise berücksichtigen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, der Beschwerdewert ergibt sich aus der Höhe der Reisekosten, die die Beklagte in dem angefochtenen Beschluss beanstandet.

[Name]
Richterin am Landgericht (…)

 

 

 

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LG Hamburg, Beschluss vom 23.08.2018 – 314 T 4/18

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