.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg): Landgericht Frankfurt am Main – Abstrakte Nutzungsmöglichkeiten reichen zur Entlastung in Filesharingfällen nicht

20:30 Uhr

Hamburg / Frankfurt, 27.02.2018 (eig.). Die Frage des Umfangs sekundärer Darlegungslasten ist in sogenannten „Filesharing-Fällen“ immer wieder Thema. Nun liegt eine Entscheidung des Landgerichts Frankfurt vor, die im wesentlichen zur Verurteilung der dortigen Anschlussinhaberin hinsichtlich der über ihren Internetanschluss begangenen Rechtsverletzungen führte (LG Frankfurt am Main, Urt. v. 05.11.2017, Az. 2-06 O 120/17).

 

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Demnach ist der allgemein gehaltene Vortrag der Beklagten, dass ihr Ehemann und ihre Kinder neben ihr den Internetanschluss nutzen würden, unzureichend. Auch ihre Angabe, dass sie davon ausgehe, dass ihr Sohn der Täter sei, dass aber auf Befragen kein Familienangehöriger Angaben gemacht habe, zeigt lediglich eine bloß theoretische Möglichkeit des Zugriffs durch andere Haushaltsangehörige und der Täterschaft des Sohnes auf.

Zwar sei, so das Gericht, die Beklagte zu Recht der Auffassung, dass sie ihren Ehemann nicht überwachen müsse. Indes enthebt sie dies jedoch nicht von der Notwendigkeit, die Einzelheiten zu ihren eigenen und den Nutzungsgewohnheiten, Kenntnissen und Fähigkeiten ihrer Familienmitglieder im Rahmen der Internetnutzung so vorzutragen, dass das Gericht zu der Beurteilung in die Lage versetzt wird, ob eine Täterschaft Dritter ernsthaft in Betracht kommt und ob die Beklagte alle ihr zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft hat. Letzteres kann nur ermessen werden, so das Gericht, wenn die technische Ausgestaltung des Internetzugangs dargestellt wird, insbesondere – was jedem Anschlussinhaber möglich sein muss – ob und gegebenenfalls welches Familienmitglied über einen eigenen Computer Zugang zum Internet hatte, ob auf dem Computer Filesharing-Software installiert war und ob andere Familienmitglieder überhaupt über die Kenntnisse und Fähigkeiten und die technischen Möglichkeiten zur Installation und Nutzung solcher Software verfügten.

Im vorliegenden Fall hat solcher Vortrag der Beklagten gefehlt und in der Folge verurteilte das Gericht die Beklagte aufgrund der gegen sie streitenden und nicht widerlegten Täterschaftsvermutung zu einem Schadensersatzbetrag von 1.000,00 EUR und zur Anwaltsgebühren in Höhe von 859,80 EUR.

 

LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.11.2017, Az. 2-06 O 120/17

 

(…) 2-06 0 120/17

Verkündet am: 15.11.2017
[Name], Justizangestellte
Urkundsbeamtin/-beamter der Geschäftsstelle

 

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Benedikt Rader, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

[Name],
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name],

 

hat das Landgericht Frankfurt am Main – 6. Zivilkammer – durch Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], Richterin am Landgericht [Name] und Richter [Name] im schriftlichen Verfahren (Schriftsatzschluss: 25.10.2017) am 15.11.2017

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.859,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 640,20 EUR seit 18.12.2012, aus 859,80 EUR seit 06.07.2016 und aus 359,80 EUR seit 11.04.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte 35% und die Klägerin 65% zu tragen.

Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags und für die Beklagte ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Zwangsvollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des nach dem Urteilt vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Schadensersatz und Abmahnkostenerstattung wegen Filesharings.

Am 15.09.2017 zwischen 16:33 Uhr und 17:48 Uhr wurde das Computerspiel „D.“, das von der Firma T. entwickelt wurde, über den Internetanschluss der Beklagten zum Download angeboten. Die Klägerin ließ die Beklagte unter dem 06.12.2012 anwaltlich abmahnen, woraus der Klägerin Abmahnkosten in Höhe einer 1,3fachen Gebühr aus einem Geschäftswert von 20.000,00 EUR zuzüglich Auslagenpauschale, insgesamt 859,80 EUR entstanden, für deren Erstattung sowie für die Zahlung eines Schadensersatzes von 640,20 EUR die Klägerin der Beklagten eine Frist bis zum 17.12.2012 setzte.

Die Klägerin behauptet,
sie habe von der Firma T. die ausschließlichen Nutzungsrechte eingeräumt bekommen. Die Beklagte hat die Urheberrechtsverletzung begangen. Der Bezugspreis für das Spiel liege zwischen 30,00 und 40,00 EUR, der Einzelhandelspreis bei durchschnittlich 43,99 EUR. Bei zu unterstellenden 400 Downloads sei ihr ein laden von jedenfalls 4.500,00 EUR entstanden. Sie – die Klägerin selbst habe 7 Mio. Euro an Lizenzgebühren aufgewandt. Das Spiel sei mit mehr als 5 Mio. verkauften Einheiten in Deutschland ein Erfolg gewesen.

Nachdem die Klägerin neben der Erstattung der Abmahnkosten zunächst nur 640,20 EUR Schadensersatz verlangt hat, beantragt sie nunmehr,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 859,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18.12.2012 zu zahlen,
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag von 4.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 18.12.2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet,
zu dem an das Internet angeschlossenen Computer hätten neben ihr ihr Ehemann und ihre Kinder Zugang gehabt. Insbesondere ihr Sohn habe den Computer intensiv genutzt. Sie gehe daher davon aus, dass ihr Sohn das Computerspiel heruntergeladen habe. Auf Befragen habe kein Familienangehöriger Angaben gemacht. Die Beklagte ist der Auffassung, dass ein Gegenstandswert von 1.000,00 EUR angemessen ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsprotokolle verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist teilweise begründet.

Die Klägerin kann nach §§ 97, 97a UrhG von der Beklagten die Zahlung von 1.000,00 EUR Schadensersatz und die Erstattung von 859,80 EUR Abmahnkosten verlangen, weil die Beklagte das nach dem Urhebergesetz geschützte Recht der Klägerin schuldhaft, widerrechtlich verletzt hat und die von der Klägerin ausgesprochene Abmahnung demgemäß berechtigt und erforderlich war.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Das einfache Bestreiten durch die Beklagte ist angesichts des Vortrags der Klägerin unsubstanziiert.

Die Klägerin hat ihre ausschließlichen Nutzungsrechte substanziiert durch Vorlage der entsprechenden Verträge dargetan (Bl. 76 ff. d.A.). Hinzu kommt, dass der Vermerk auf dem Spiel die Klägerin als Inhaberin der Nutzungsrechte (Publisher) ausweist (Bl. 96 f. d.A.) Zwar wirkt die Vermutung nach § 10 Abs. 3 UrhG nur hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs; als Indiz kann der Urhebervermerk jedoch auch hier verwendet werden.

Dass die Beklagte Täterin der beanstandeten Urheberrechtsverletzung ist unstreitig.

Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Erstattung von Abmahnkosten und Schadenersatz erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist. Wird die Urheberrechtsverletzung jedoch über einen Internetanschluss begangen, so trifft den Inhaber des Internetanschlusses – hier den Beklagten – allerdings eine sekundäre Darlegungslast mit der Folge, dass die Täterschaft des Anschlussinhabers unstreitig bleibt, wenn er dieser sekundären Darlegungslast nicht genügt.

Die Beklagte hat ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt.

Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.

In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber darüber hinaus im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Rechtsverletzung gewonnen hat. Nur die pauschale Behauptung der bloßen theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss erfüllt die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15, RdNr. 15 – Afterlife). Der Inhaber eines Internetanschlusses wird der ihn treffenden sekundären Darlegungslast in Bezug darauf, ob andere Personen als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen, dagegen gerecht, wenn er nachvollziehbar vorträgt, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 48/15, RdNr. 34 – Everytime we touch; Urteil vom 30.03.2017, I ZR 19/16, Rn. 15 – Loud). Dabei ist es dem privaten Internetanschlussinhaber allerdings nicht zumutbar, die Internetnutzung seiner Familienangehörigen einer Dokumentation zu unterwerfen, um im gerichtlichen Verfahren seine täterschaftliche Haftung abwenden zu können. Ebenfalls unzumutbar ist es, dem Anschlussinhaber die Untersuchung des Computers seines Ehegatten oder volljähriger Haushaltsangehöriger im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software abzuverlangen (vgl. BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15, RdNr. 26 – Afterlife). Ob dies auch für minderjährige Kinder zu gelten hat, kann hier dahinstehen.

Der allein gehaltene Vortrag der Beklagten, dass ihr Ehemann und ihre Kinder neben ihr den Internetanschluss nutzen würden, dass sie davon ausgehe, dass ihr Sohn der Täter sei, dass aber auf Befragen kein Familienangehöriger Angaben gemacht hätte, zeigt lediglich eine bloß theoretische Möglichkeit des Zugriffs durch andere Haushaltsangehörige und der Täterschaft des Sohnes auf. Die Beklagte vertritt zwar zu Recht die Auffassung, dass sie ihren Ehemann nicht überwachen müsse. Das enthebt sie jedoch nicht der Notwendigkeit, die Einzelheiten zu ihren eigenen und den Nutzungsgewohnheiten, Kenntnissen und Fähigkeiten ihrer Familienmitglieder im Rahmen der Internetnutzung so vorzutragen, dass das Gericht zu der Beurteilung in die Lage versetzt wird, ob eine Täterschaft Dritter ernsthaft in Betracht kommt und ob die Beklagte alle ihr zumutbaren Erkenntnismöglichkeiten ausgeschöpft hat. Letzteres kann nur ermessen werden, wenn die technischen Ausgestaltung des Internetzugangs dargestellt wird, insbesondere – was jedem Anschlussinhaber möglich sein muss – ob und gegebenenfalls welches Familienmitglied über einen eigenen Computer Zugang zum Internet hatte, ob auf dem eigenen Computer Filesharingsoftware installiert war und ob andere Familienmitglieder überhaupt über die Kenntnisse und Fähigkeiten und die technischen Möglichkeiten zur Installation und Nutzung solcher Software verfügten. Solcher Vortrag der Beklagten fehlt.

Die Kammer kann den der Klägerin entstandenen Schaden nach § 287 ZPO jedoch nicht wie von der Klägerin beantragt, auf 4.500 EUR, sondern nur auf 1.000,00 EUR schätzen.

Die Klägerin nimmt insoweit auf BGH GRUR 2016, 1280 (Everytime we touch) Bezug. Sie legt dabei einen Endverkaufspreis zwischen 30,00 und 40,00 EUR sowie mindestens 400 mögliche Abrufe zugrunde; dies habe der BGH für Musikaufnahmen für angemessen gehalten. Für Computerspiele gelte nichts anderes. Die Kammer kann dieser Schadensberechnung nicht folgen. Sie berücksichtigt schon nicht, dass die Dateien von Computerspielen ungleich größer sind als diejenigen von Musikstücken im MP3-Format und somit während desselben Zeitraums deutlich weniger Spiele-Dateien als Musik-Dateien heruntergeladen werden können. Während eine MP3-Datei ca, 3-5 MB groß ist, sind für einen zweistündigen HD-Film ca. 3-5 GB zu veranschlagen, also um den Faktor 1000 größer. Bei komplex programmierten Videospielen dürfte ähnliches gelten, so dass die Kammer in Ausübung des ihr nach § 287 ZPO zustehenden Ermessen diesen Weg als zur Schadensberechnung untauglich betrachtet.

Es besteht das Dilemma, dass für eine verlässliche Schadensschätzung keine empirische Grundlage besteht. Vernünftige Vertragsparteien hätten die Zahl der Downloads, insbesondere unter Berücksichtigung der sog. Chunks, vermutlich nicht zum Maßstab für die Höhe der Lizenzgebühr gemacht. Sie hätten auch unberücksichtigt gelassen, dass sich die Zahl der Anbieter in einer Internettauschbörse mit der Popularität und Aktualität des konkret zugänglich gemachten Werkes potenzieren dürfte.

Es kann aber dennoch davon ausgegangen werden, dass sich verständige Parteien für die in Rede stehende Werknutzung zumindest auf eine Lizenzgebühr in Höhe von 1000,00 EUR verständigt hätten. Löst man sich von den Versuchen einer Schadenschätzung auf Grundlage der hypothetischen Zahl von Weiterverbreitungen, die mangels eines Anhaltspunktes für die Zahl der Downloadvorgänge vollkommen in der Luft hängen würde, und stellt man stattdessen darauf ab, was vernünftige Lizenzvertragsparteien bei objektiver Betrachtung sinnvollerweise vereinbart hätten, erscheint eine Lizenzgebühr von 1000,00 EUR für eine nicht exklusive Lizenz zur öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels in einer Internettauschbörse mit Blick auf die Kosten für die Produktion dieses Spiels und angesichts des Risikos seiner unkontrollierbarer Werterverbreitung für angemessen. In der Vergangenheit haben die Kammer und der 11. Zivilsenat des OLG Frankfurt den durch das öffentliche Zugänglichmachen eines Musikwerks entstandenen Schaden nach der Lizenzanalogie bereits auf 200,00 EUR geschätzt (OLG Frankfurt, MMR 2014, 687); angesichts dessen erscheint ein Schadensersatz in Höhe von 1 000,00 EUR angemessen.

Die Klägerin kann ferner die Erstattung der Abmahnkosten in der geltend gemachten Höhe verlangen.

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der angesetzte Gegenstandswert von 20.000,00 EUR angemessen.

Gemäß § 3 ZPO ist der Streitwert nach freiem Ermessen im Wege der Schätzung zu bestimmen. Maßgeblich für die Schätzung ist bei einer auf Unterlassung gerichteten Klage das Interesse, das der Kläger an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verletzungen hat. Dies ist aus ex-ante Sicht zu beurteilen (Jan Bernd Nordemann in Fromm / Nordemann, UrhG, 10. Aufl., 2008, § 97 Rn. 223). Ein wichtiges Kriterium bei der Ermittlung des Verfahrenswerts ist der sogenannte Angriffsfaktor, der den drohenden Verletzungsumfang, die Qualität und Gefährlichkeit der Verletzungshandlung einschließlich Verschuldensgrad und späterem Verhalten, die Stellung des Verletzers und des Verletzten, das Wirkungspotenzial der Verletzung sowie die Intensität und Nachahmungsgefahr der Verletzung berücksichtigt. Ein gewichtiges Indiz für die Schätzung des Interesses bildet hierbei die Angabe des Streitwerts des Verletzten zu Beginn der Auseinandersetzung (vgl. KG, KG-Report 1998, 170, Rn. 7 nach juris).

Die entsprechende Streitwertangabe der Klägerin von 20.000,00 EUR ist nach diesen Grundsätzen nicht zu beanstanden. Durch das Zurverfügungstellen des Werks im P2P Netzwerk wurde dieses zeitlich unbegrenzt und weltweit einer Vielzahl von Nutzern zur Verfügung gestellt, so dass die für die Beklagte ohne weiteres vorhersehbare Weiterverbreitung des Werks zu befürchten ist. Berücksichtigt man, dass die Kammer für das Einstellen eines Computerspiels zum Download in eine sog. Tauschbörse bereits einen Streitwert von 30.000,00 EUR angenommen (Az. 2-06 0 277/15) und einen Streitwert von 50.000,00 EUR für ein ganzes Musikalbum als angemessen angesehen hat (Urteil vom 17.06.2015, Az. 2-06 S 7/14), ist die Streitwertangabe von 20.000,00 EUR nicht zu beanstanden. Denn das wirtschaftliche Interesse an der Unterbindung weiterer Verletzungsfälle ist bei einem Computerspiel aufgrund seines Herstellungsaufwands und des mit einem einzigen Vervielfältigungsstück sehr erheblich.

Ein Anspruch auf Verzugszinsen in der geltend gemachten Höhe steht der Klägerin gemäß §§ 286, 288 ZPO lediglich für einen Teil des Schadensersatzanspruchs (640,20 EUR) aufgrund der ausgesprochenen (Ab-)Mahnung zu. Im Übrigen kann sie Verzugszinsen erst ab Rechtshängigkeit verlangen. Denn Verzug setzt eine Mahnung nach Eintritt der Fälligkeit voraus. Den mit der Klageerweiterung geltend gemachten Schadensersatz hat die Klägerin jedoch zuvor nicht angemahnt. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten ist erst mit Zugang der Abmahnung entstanden und konnte deshalb nicht zugleich angemahnt werden.

Die Kosten des Rechtsstreits waren gemäß § 92 Abs. 1 ZPO jeder Partei im Verhältnis ihres Obsiegens und Unterliegens aufzuerlegen.

Das Urteil ist für die Klägerin nach § 709 ZPO und für die Beklagte nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO vorläufig vollstreckbar

 

[Name]

[Name]

[Name]

 

Beglaubigt
Frankfurt am Main, 20. November 2017
[Name], Justizangestellte
Urkundsbeamtin/-beamter der Geschäftsstelle (…)

 

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LG Frankfurt am Main, Urteil vom 05.11.2017, Az. 2-06 O 120/17

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