Oberlandesgericht Düsseldorf: Störerhaftung bei unzureichend gesicherten WLAN-Hotspot bzw. Tor-Netzwerk in Verbindung mit der Entscheidung Mc Fadden sowie erfolgter Mehrfachabmahnungen

01:21 Uhr

 

OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017, Az. I-20 U 17/16

 

(…)

I-20 U 17/16
12 0 101/15 LG Düsseldorf

verkündet am 16.03.2017
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

 

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

 

In dem Rechtsstreit

des Herrn [Name],
Beklagten und Berufungsklägers,

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Gerth, Berliner Straße 25, 33813 Oerlinghausen,

gegen die

[Name]
Klägerin und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte: .rka Rechtsanwälte, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

 

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 21.02.2017 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht [Name], die Richterin am Oberlandesgericht [Name] und den Richter am Oberlandesgericht [Name]

für Recht erkannt:

 

I.

Die Berufung des Beklagten gegen das am 13.01.2016 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziffer I des Tenors des genannten Urteils wie folgt gefasst wird:

Dem Beklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfalls höchsten 250.000,00 EUR) aufgegeben, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels seines Internetanschlusses das Computerspiel „[Name]“ oder Teile davon über eine Internettauschbörse zu; Verfügung zu stellen.

II.

Die Kosten der Berufung hat der Beklagte zu tragen.

III.

Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich des auferlegten Gebots durch Sicherheitsleistung in Höhe von 10.000,00 EUR abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung in gleicher Höhe leistet. Bezüglich der Vollstreckung wegen dar Kosten bleibt dem Beklagten nachgelassen, diese durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund der Urteile. vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.

Durch dieses hat das Landgericht den Beklagten verurteilt, es bei Meldung näher bezeichneter Ordnungsmittel zu unterlassen, Dritten zu ermöglichen, das Computerspiel „[Name]“ ohne Einwilligung der Klägerin über den eigenen Internetanschluss in Peer-to-Peer-Netzwerken zum Herunterladen bereit zu halten, sowie der Klägerin vorgerichtlichen Kosten in Höhe von 651,80 EUR nebst näher bezeichneter Zinsen zu erstatten. Wegen des weitergehenden Anspruchs auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung der Verurteilung hat das Landgericht ausgeführt, die Klägerin sei aktivlegitimiert. Das von ihr behauptete Bestehen von Nutzungsrechten habe der Beklagte nicht bestritten. Dieser hafte als Störer, da er durch die Bereitstellung seines Internetanschlusses für die rechtsverletzende Bereithaltung der Software in einem P2P-Netzwerk Verhaltenspflichten verletzt habe. Denn er habe seine fünf WLAN-Hotspots nicht der üblichen Sorgfalt entsprechend gesichert, insbesondere keine Passwortsicherheit für seine fünf WLAN-Hotspots gegen die Nutzung auch durch Dritte, die nicht für den nach seiner Behauptung betriebenen Access Point bzw. für das Tor-Netzwerk angemeldet sind, eingerichtet. Jedenfalls seien solche Vorkehrungen nicht vorgetragen. Selbst wenn Vorkehrungen getroffen worden sein sollten, seien die Nutzer aber nicht ausdrücklich über die Nutzung von P2P-Programmen belehrt worden, wozu der Beklagte nach den vorangegangenen Abmahnungen verpflichtet gewesen sei. Den Betrieb eines Tor-Netzwerke bzw. eines Access Points habe der Beklagte nicht nachgewiesen. Dafür, dass er bereits im Jahr 2013 als Access Provider tätig gewesen sein, habe er keinen Beweis angetreten. Die vorgelegte Liste der Bundesnetzagentur aus 2015 habe allenfalls für dieses Jahr indizielle Bedeutung. Selbst wenn der Beklagten im Jahr 2013 einen Netzwerkbetrieb bereit gestellt hätte, könnte er sich als bloß privater Provider – nach seinem eigenen Vorbringen erziele er keine Umsätze – gegenüber dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht auf § 8 TMG berufen. Eine analoge Anwendung der Norm sei nicht veranlasst. Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ergebe sich nicht, dass die Haftungsprivilegierung des § 8 TMG großzügig angewendet werden müsse. Aber selbst wenn von einer analogen Anwendung von § 8 TMG auszugehen wäre, fände diese dort ihre Grenze, wo Verletzungshandlungen in der Vergangenheit aufgetreten und zumutbare Maßnahmen unterblieben sind. Als eine solche Maßnahme sei in jüngster Zeit gegenüber gewerblichen Anbietern auch die Sperre angesehen worden. Gegenüber nicht gewerblichen Anbietern entfalle das gegenüber gewerblichen geltende Subsidiaritätserfordernis zumindest dann, wenn wie hier über Tor die Anonymisierung des Nutzers angeboten werde und es in der Vergangenheit bereits zu Abmahnungen gekommen sei. In einem solchen Fall könne verlangt werden, P2P-Software wie den BitTorrent zu sperren. Diese Sperrmöglichkeit sei technisch gegeben und auch bei einem Tor-Server zumutbar. Die Abmahnung genüge den zu stellenden Anforderungen. insbesondere habe die Klägerin dort ihre Aktivlegitimation offen gelegt. Die Höhe nach sei allerdings ein Abzug von der von der Klägerin geltend gemachten Summe vorzunehmen. § 97a Abs. 2 UrhG a.F. sei nicht anwendbar, da es sich bei der Download-Möglichkeit nicht um eine unerhebliche Rechtsverletzung handele.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit der Berufung und macht geltend, die Klage sei unschlüssig, da ihr die Abmahnung nicht beigefügt worden sei. Das Landgericht habe der Klägerin zu Unrecht nachgelassen, die Abmahnung nach der mündlichen Verhandlung zur Gerichtsakte zu reichen. Zu dieser habe es ihm – dem Beklagten – kein rechtliches Gehör mehr gewährt. Der Abmahnung sei im Übrigen kein Nachweis der Aktivlegitimation beigefügt gewesen. Die beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung entspreche nicht den Anforderungen der Rechtsprechung. Die Klägerin sei zudem nicht aktivlegitimiert. Entgegen der Ansicht des Landgerichts habe sein Vortrag zur Urhebereigenschaft der Klägerin auch impliziert, dass Nutzungsrechte bestritten werden. Das Landgericht habe seine Beweisantritte dazu übergangen, dass er einen Tor-Exit-Node betreibe und angemeldeter öffentlicher WLAN-Provider sei. Dass er gewerblicher Provider sei, gehe aus der Anlage B 1 hervor. Unrichtig sei auch die Annahme des Landgerichts, die Klägerin habe bei ihm keine Anfrage stellen müssen. Sicherungsmaßnahmen seien nicht erforderlich, da er kein Störer sei. Er habe dargetan, dass diverse Tor-Nutzer Zugriff auf seinen Internetanschluss hatten.

Der Beklagte beantragt,
die Klage unter Abänderung des am 13.01.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Bei dar Umformulierung des Hauptsachetenors handelt es sich lediglich um eine Klarstellung, die im Hinblick auf die nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils ergangene Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) notwendig geworden ist.

1.)

Die Klage ist entgegen der Ansicht des Beklagten schlüssig. Sein Einwand, die Klage sei unschlüssig, da ihr die Abmahnung nicht beigefügt gewesen sei, ist unverständlich. Die Klage wäre auch dann schlüssig, wenn die Klägerin den Beklagten überhaupt nicht abgemahnt hätte.

2.)

Das Begehren der Klägerin in der Hauptsache, dass sie entsprechend der bisherigen Rechtsprechung zu Recht als Unterlassungsantrag formuliert hatte, ist gemäß § 97 Abs. 1 UrhG i.V.m. §§ 19a, 69a UrhG begründet.

a)

Soweit der Beklagte erstmals in der Berufung bestreitet, dass die Klägerin über die Nutzungsrechte an dem streitgegenständlichen Werk verfügt, ist das neu und Vorliegens der Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 ZPO nicht zulassungsfähig. Die Ansicht des Beklagten, sein Vortrag zur Urhebereigenschaft impliziere auch, dass Nutzungsrechte bestritten werden, kann nur als unvertretbar bezeichnet werden. Ein Blick ins Gesetz (§ 15 und 31 UrhG) belegt eindeutig, dass zwischen Urheberrecht und Nutzungsrecht zu unterscheiden ist. Damit kann Vortrag dazu, ob die Klägerin Urheberin ist, naturgemäß nicht „implizieren“, dass ihr vorn Urheber Nutzungsrechte eingeräumt worden sind.

b)

Der Beklagte ist sowohl dann, wenn die unstreitige Rechtsverletzung über einen der von ihm betriebenen offenen WLAN-Hotspots erfolgt ist, als auch dann, wenn dies über den von ihm ebenfalls betriebenen Tor-Exit-Node geschehen ist, zu der ausgeurteilten Maßnahme verpflichtet, wobei begründungsmäßig zwischen beiden Wegen zu differenzieren ist:

aa)

Ob der Beklagte die WLAN-Hotspots gewerblich anbietet oder privat, bedarf im Ergebnis keiner Entscheidung, da beides zu demselben Ergebnis führt, nämlich dass der Beklagte zur Sicherung der Hotspots durch Einrichtung eines Passwortes verpflichtet ist.

(a)

Geht man davon aus, dass der Beklagte gewerblich handelt, was von der Frage abhängt, wie man „eine in der Regel“ gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung im Sinne des Art. 1 Nr. 2 der RL 98/34 definiert und die sich nach der Definition ergebenden Voraussetzungen vorliegend als gegeben ansieht, ist der Beklagte zwar nicht für Urheberrechtsverletzungen eines Nutzers seines Internetzugangs verantwortlich. Dies steht aber nicht dem Erlass einer Anordnung entgegen, mit der ihm unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes Urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen. Denn der Beklagte hat insofern jedenfalls die Möglichkeit, seinen Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, zu dessen Erhalt die Nutzer ihre Identität offenbaren müssen und daher nicht anonym handeln können. Dass einem gewerblichen Diensteanbieter eine solche Maßnahme zumutbar ist, hat der EuGH jüngst, nämlich durch Urteil vom 15.09.2016 in der Rechtssache Mc Fadden / Sony Music (C-484/14) entschieden (siehe EuZW 2016, 821) und ausgeführt, dass – wie in Art. 12 der RL 2000/31 ausdrücklich klargestellt – dieser Artikel die Möglichkeit unberührt lasse, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde vom Diensteanbieter verlange, die Urheberrechtsverletzung abzustellen oder zu verhindern. Mit einer solchen Anordnung werde, da sie der Wiederholung einer Verletzung eines dem Urheberrecht verwandten Schutzrechts vorbeuge, der Schutz des geistigen Eigentums gemäß Art. 17 II der Charts der Grundrechte der Europäischen Union berührt. Andererseits handele es sich bei einer Anordnung wie genannt um eine Maßnahme mit Zwangswirkung gegenüber dem Diensteanbieter, die seine wirtschaftliche Tätigkeit beeinträchtigen und die Freiheit der Empfänger des Dienstes einschränken könne. Auch hier handele es sich um durch die Charta geschürte Rechte, nämlich um das Recht auf unternehmerische Freiheit auf Seiten des Diensteanbieters (Art. 16 der Charta) und das Recht auf Informationsfreiheit auf Seiten des Empfängers (Art. 11 der Charta). Es obliege daher den zuständigen innerstaatlichen Behörden oder Gerichten, ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den einander widerstreitenden, unionsrechtlich geschützten Grundrechten sicherzustellen. Insofern habe der EuGH bereits entschieden, dass eine Anordnung zulässig ist, nach der es einem Anbieter, der Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermittle, in einem solchen Fall überlassen bleibe, die konkreten Maßnahmen zu bestimmen, die zur Erreichung des angestrebten Ergebnisses zu ergreifen seien. Vereinbar mit dem Unionsrecht sei dabei nicht die Überprüfung sämtlicher übermittelter Informationen. Sie laufe Art. 15 I der RL 2000/31 zuwider, wonach Anbietern, die Zugang zu einem Kommunikationsnetz vermitteln, keine allgemeine Verpflichtung zur Überwachung der von ihnen übermittelten Informationen auferlegt werden dürfe. Eine vollständige Abschaltung des Internetanschlusses sei ein erheblicher Eingriff in die unternehmerische Freiheit des Betroffenen, auch wenn dieser den Zugang zum Internet nur im Rahmen einer Nebentätigkeit vermittle. Mit ihr würde allein einer begrenzten Urheberrechtsverletzung abgeholfen, so dass von einem angemessenen Gleichgewicht der miteinander in Einklang zu bringenden Grundrechte nicht gesprochen werden könne. Die Sicherung des Internetanschlusses durch ein Passwort sei hingegen geeignet, sowohl das Recht des Anbieters, den Zugang zu. einem Kommunikationsnetz zu vermitteln, als auch das Recht des Empfängers auf Informationsfreiheit einzuschränken, ohne in den Wesensgehalt dieser Rechte einzugreifen. Gleichzeitig bewirke sie, dass unerlaubte Zugriffe auf die Schutzgegenstände verhindert oder zumindest erschwert und die Internetnutzer, die die Dienste des Adressaten der Anordnung in Anspruch nehmen, zuverlässig davon abgehalten würden, auf die ihnen unter Verletzung des genannten Grundrechts zugänglich gemachten Schutzgegenstände zuzugreifen.

(b)

Geht man davon aus, dass der Beklagte die Hotspots nicht gewerblich, sondern privat bereit hält, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit von Art. 12 E-Commerce-RL. Diese hatte der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen zur Rechtssache McFadden / Sony Music (C-484/16 Rn. 50) ausdrücklich offen gelassen. Der EuGH hat hierzu nicht ausdrücklich Stellung genommen. Aufgrund seiner Argumentation dürfte davon auszugehen sein, dass er die Frage implizit verneint hat (so auch Mantz, Die Haftung des. WLAN-Betreibers und das McFadden-Urteil des EuGH, EuZW 2016, 817). Im Ergebnis kann aber auch dies dahinstehen. Hält man Art. 12 E-Commerce-RL auch auf Private für anwendbar, gilt das unter lit. (a) Gesagte. Verneint man eine Anwendbarkeit, sind die Pflichten des WLAN-Betreibers nach deutschem Recht zu beurteilen. Insofern war die Rechtslage bis zum 20.06.2016 eindeutig. Der Bundesgerichtshof bejahte in gefestigter Rechtsprechung eine Haftung des Inhabers eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, als Störer auf Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in lnternettauschbörse einzustellen (siehe BGH NJW 2010, 2061: – Sommer unseres Lebens), Durch Gesetz vom 21.07.2016 (BGBl. S. 1766) ist § 8 TMG jedoch mit Wirkung zum 27.07.2016 um einen Absatz 3 erweitert worden, der wie folgt lautet:

Die Absätze 1 und 2 geiten auch für Diensteanbieter nach Absatz 1, die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen.

Damit sind WLAN-Anbieter nunmehr Zugangsvermittlern nach § 8 Abs. 1 und 2 TMG gleichgestellt. Die im Regierungsentwurf noch vorgesehene Verpflichtung zur Sicherung des WLANS sowie die Notwendigkeit einer Erklärung, dass der Nutzer keine Rechtsverletzungen begehen werde, wurden im Gesetzgebungsverfahren verworfen. Das Gesetz enthält vielmehr keine Regelung der Unterlassungsansprüche. Soweit sich der Gesetzgeber auf eine entsprechende Klarstellung in der Gesetzesbegründung verlassen hat (vgl. Spindler, Die neue Providerhaftung für WLANs – Deutsche Störerhaftung adé?, NJW 2016, 2449 m.w.N.), wonach die Haftungsprivilegierung uneingeschränkt auch die verschuldensunabhängige Störerhaftung erfassen soll (vgl. Sesing, Verantwortlichkeit für offenes WLAN – Auswirkungen der TMG-Reform auf die Haftung des Anschlussinhabers, MMR 2016, 507 siehe Anlage), steht dies in Widerspruch zur Rechtsprechung des für Urheberrechtsstreitigkeiten zuständigen 1. Zivilsenats des BGH, der die Auffassung vertritt, dass die Ansicht der Verfasser eines Gesetzentwurfs für die Auslegung unbeachtlich ist, wenn der im Gesetzgebungsverfahren angesprochene Aspekt in der verabschiedeten gesetzlichen Regelung keinen Niederschlag findet. Die Gesetzesbegründung soll nur als Auslegungskriterium Berücksichtigung finden können (vgl. Beschluss vom 17.07.2013, NJW-RR 2014, 354 (355) – Kindersekt). Die Frage, wie § 8 Abs. 3 TMG anzuwenden ist, beantwortet auch nicht die jüngst ergangene, noch nicht mit Gründen bekannt gemachte Entscheidung „WLAN-Schlüssel“ des BGH vom 24.11.2016 – I ZR 220/15 -. Darin hat der BGH lediglich klargestellt, dass es zur Erfüllung der Verschlüsselungspflicht ausreicht, einen für das Gerät individuell voreingestellten Code zu verwenden, wenn nicht bekannt ist, dass hierbei Sicherheitslücken bestehen (siehe Presseerklärung des BGH vom 24.11.2016). Zudem ging es in diesem Verfahren nur um die Erstattung von Abmahnkosten (siehe Mitteilung des BGH in gleicher Sache zur Anberaumung eines Verhandlungstermins auf den 24.11.2016). Der Senat ist der Auffassung, dass aus den Gründen der EuGH-Entscheidung McFadden / Sony Music auch in Bezug auf private WLAN-Betreiber jedenfalls eine anlassbezogene Verschlüsselung verlangt werden kann. Die dortigen Erwägungen zum Widerstreit sich gegenüber stehender Grundrechte gelten auch hier. Jegliche Verantwortung eines privaten WLAN-Betreibers zu verneinen, hieße, Schutzrechtsinhaber rechtlos zu stellen. In § 7 Abs. 2 Satz 2 TMG lässt der Gesetzgeber zudem selbst im Fall einer Nichtverantwortlichkeit nach § 8 TMG eine Anordnung gerichtlicher Maßnahmen ausdrücklich zu. Ob es sogar bei der Verpflichtung zur anlasslosen Verschlüsselung zu verbleiben hat, kann im vorliegenden Fall offen bleiben. Dass der Beklagte in der Vergangenheit mehrfach wegen Urheberrechtsverletzungen über seinen Internetanschlusses abgemahnt worden ist, steht fest. Die Feststellung des Landgerichts im Tatbestand des angefochtenen Urteils, dass der Beklagte in der Vergangenheit zwei Abmahnungen der Klägerin wegen behaupteter Urheberechtsverletzungen aus den Jahren 2011 erhalten hat, hat der Beklagte nicht angegriffen. Er kann sich auch nicht mit Erfolg darauf zurückziehen, Sicherungsmaßnahmen durch ihn seien nicht erforderlich, da er kein Störer sei. Dies sei er deshalb nicht, de er dargetan habe, dass diverse (Tor-) Nutzer Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten. Der Beklagte missversteht hier die bisherige Rechtsprechung des BGH zur Haftung eines WLAN-Inhabers, wie sie in der Entscheidung „Sommer unseres Lebens“ (NJW 2010, 2061) zum Ausdruck gekommen ist. Indem er vorgetragen hat, er habe das streitgegenständliche Spiel nicht zum hierunterladen bereit gehalten, diverse andere Personen hätten Zugriff auf seinen Internetanschluss gehabt, hat er lediglich eine täterschaftliche Haftung ausgeschlossen, um die es vorliegend auch nicht zwingend geht, da die Klägerin lediglich Unterlassen und nicht (auch) Schadensersatz geltend macht. Gleichwohl kann der Beklagte Störer sein. Insofern sei auf Leitsatz 2 der genannten Entscheidung verwiesen, der wie folgt lautet:

Der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es unterlässt, die im Kaufzeitpunkt des WLAN-Routers marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend anzuwenden, haftet als Störer auf‘ Unterlassung, wenn Dritte diesen Anschluss missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Musiktitel in Internettauschbörsen einzustellen.

Diese Feststellung gilt nach dem Gesagten entweder unverändert weiter oder sie gilt jedenfalls mit der Modifikation, dass der Inhaber eines WLAN-Anschlusses, der es nach einer Abmahnung wegen einer von seinem Anschluss aus begangenen Urheberrechtsverletzung unterlässt, die zu diesem Zeitpunkt marktüblichen Sicherungen ihren Zweck entsprechend anzuwenden, als Störer auf Unterlassen haftet, wenn Dritte diesen Anschluss (erneut) missbräuchlich nutzen, um urheberrechtlich geschützte Werke in Internettauschbörsen einzustellen.

Dem Beklagten kommen auch nicht die vom Landgericht angestellten und im Ergebnis verneinten Verhältnismäßigkeitserwägungen zu Gute. Zwar hat der BGH in seiner Entscheidung „Störerhaftung von Access-Providern“ (GRUR 2016, 268) geurteilt, dass eine Störerhaftung des Vermittlers von Internetzugängen nur in Betracht kommt, wenn der Rechteinhaber zunächst zumutbare Anstrengungen unternommen hat, gegen diejenigen Beteiligten vorzugehen, die – wie die Betreiber der Internetseite – die Rechtsverletzung selbst begangen haben oder – wie der Host-Provider – zur Rechtsverletzung durch die Erbringung von Dienstleistungen beigetragen haben. Denn in der genannten Entscheidung heißt es weiter: „Nur wenn die Inanspruchnahme dieser Beteiligten scheitert oder ihr jede Erfolgsaussicht fehlt und deshalb andernfalls eine Rechtsschutzlücke entstünde, ist die Inanspruchnahme des Zugangsvermittlers als Störer zumutbar.“ Letzteres ist hier der Fall. Die Klägerin weiß nichts, außer dass über die IP-Adresse des Beklagten und ein Filesharing-Netzwerk eine Datei mit dem streitgegenständlichen Werk zum Download angeboten wurde. Mehr kann sie angesichts der Bereitstellung von offenen WLAN-Hotspots in Bezug auf die IP-Adresse auch nicht wissen oder aus eigener Kraft herausfinden. Welche Anstrengungen der Beklagte konkret vermisst, bleibt demgemäß auch offen.

bb)

Gleiches gilt vollumfänglich für das Betreiben eines Tor-Exit-Node durch den Beklagten, wobei allein die Frage der Möglichkeit und Zumutbarkeit einer Sicherung im Rahmen des Tor-Netzwerkes gesondert zu betrachten ist. Weitergehende Maßnahmen (wie z.B. Sperrung des Zugangs zum Tor-Netzwerk) sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens und werden auch von der Klägerin nicht verlangt: Insofern hat das Landgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich festgestellt, dass die Möglichkeit P2P-Saftware zu sperren, technisch gegeben und auch bei einem Tor-Server zumutbar ist. Dies hat der Beklagte nicht, jedenfalls nicht mit Gründen angegriffen, und zwar auch nicht in der mündlichen Verhandlung. Ein begründeter Angriff wäre ihm, der nach eigenem Vorbringen Angestellter in der IT-Sicherheit, also ausgesprochen fachkundig ist, möglich gewesen.

cc)

Die vorzunehmende Tenorierung der Unterlassungsverpflichtung ergibt sich wie dargelegt aus der Mc Fadden-Entscheidung des EuGH. Damit wird dem Begehren der Klägerin im Ergebnis vollumfänglich entsprochen, wenn auch mir anderen Worten.

3.)

Auch die Abmahnkosten in tenorierter Höhe, über die in der Berufung allein noch zu entscheiden ist, hat das Landgericht der Klägerin zu Recht zugesprochen. Soweit der Beklagte hiergegen einwendet, das Landgericht habe zu Unrecht das mit Schriftsatz vom 21.12.2015 vorgelegte Abmahnschreiben berücksichtigt, ist das aus Rechtsgründen selbst dann unerheblich, wenn das entsprechende Vorbringen tatsächlich hätte als verspätet zurückgewiesen werden müssen. Denn auf Vorbringen, in erster Instanz zu Unrecht zugelassen wurde, ist § 531 Abe. 1 ZPO nicht anwendbar. Es wird ohne weiteres und unpräkludiert Prozessstoff der Berufungsinstanz ( vgl. Rimmelspacher in MüKo-ZPO, 5. Aufl. 2016, § 531 Rdnr. 5 m.w.N.). Ob die der Abmahnung beigefügte vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unbestimmt war, ist unerheblich. Das macht die Abmahnung nicht unbestimmt. In Bezug auf diese gelten die landgerichtlichen Ausführungen, die der Beklagte nicht angegriffen hat. Weshalb der Abmahnung hätte ein Nachweis der Aktivlegitimation der Klägerin beigefügt werden müssen, erschließt sich nicht. Insofern ist in rechtlicher Hinsicht allenfalls streitig, ob entsprechend der Regelung in § 174 BGB die Wirkungen der von einem Bevollmächtigten ausgesprochenen Abmahnung entfallen, wenn ihr kein Vollmachtsnachweis beigefügt ist und der Abgemahnte die Abmahnung deswegen unverzüglich zurückweist. Letzteres kann vorliegend schon deshalb unentschieden bleiben, da der Beklagte keine unverzügliche Zurückweisung ausgesprochen hat.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr 10, § 711 ZPO.

Die Revision war nach § 543 Abs, 2 Nr. 2 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die sich in diesem Fall stellenden Rechtsfragen betreffen eine Vielzahl von Fällen und sind – wie die obigen Ausführungen zeigen – nach dem neuesten Stand zum Teil noch nicht höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt.

Streitwert für die Berufungsinstanz:
10.000,00 EUR (entsprechend der erstinstanzlichen, von keiner Partei angegriffenen Festsetzung)

 

[Name]

[Name]

[Name] (…)

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OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017, Az. I-20 U 17/16

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