.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg): Landgericht Stuttgart – Faktor 150 des Verkaufspreises als Schadensersatz im Filesharing

00:57 Uhr

Hamburg / Stuttgart, 16.05.2018 (eig.). Die Klägerin als Rechteinhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an einem Computerspiel kann von dem Rechtsverletzer, der eine Tauschbörse genutzt hat, und das fragliche Computerspiel Dritten zum Download angeboten hat, mindestens einen Schadensersatzbetrag verlangen, der dem 150fachen des zur Zeit der Verletzungshandlung durchschnittlichen Verkaufspreises entspricht. Dies hat das Landgericht Stuttgart geurteilt (Urt. v. 23.08.2017, Az. 24 O 382/16).

 

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Nach § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG kann der Schadensersatzanspruch demnach auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechtes regulär eingeholt hätte. Die zu zahlende Lizenz ist vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände in freier Beweiswürdigung zu bemessen (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse I). Für Filesharing-Fälle ist darauf abzustellen, wie häufig aufgrund der Beteiligung des Verletzers an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel zugegriffen worden ist und welcher legale Download-Preis zum Verletzungszeitpunkt zu erreichen war (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23. 03.2012, Az. 6 U 67/11). Die Lizenz kann danach fiktiv anhand des Verkaufswerts des Spiels im Verletzungszeitpunkt durch Multiplikation mit einem Vervielfältiger, der sich nach möglichen Zugriffen auf das angebotene Spiel richtet, bestimmt werden (BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – Tauschbörse III). In letztgenannter Entscheidung hat der Bundesgerichtshof diese Berechnungsmethode für das Filesharing von Dritten im Musikbereich ausdrücklich gebilligt.

Für die Anwendung des § 287 ZPO ist nach Auffassung des Landgerichts Stuttgart die über „Geizhals.de“ aufrufbare Preisentwicklung ausreichende Schätzgrundlage. Ausgehend vom Download-Preis von ca. 30,00 EUR genügt ein Vervielfältiger von ca. 150, um die Klageforderung zu erreichen. Dieser Vervielfältiger erschien dem Landgericht unter Berücksichtigung der Einzelheiten des Streitfalles (mindestens!) als angemessen. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass sich das Computerspiel selbst insgesamt und auch zum Verletzungszeitpunkt reger Beliebtheit erfreute. Berücksichtigt hat das Gericht, dass das Spiel bis in den Februar 2013 hinein insgesamt millionenfach verkauft wurde und bis November 2016 über Aktivierungen aus dem deutschen Markt über das Portal „Steam“ in sechsstelliger Anzahl erfolgten.

Vom Bundesgerichtshof wurde in der Vergangenheit die Annahme, bei beliebten Musiktiteln auf populären Tauschbörsen könne sogar bei einer einmalig festgestellten Verletzungshandlung ein Faktor von 400 angenommen werden, gebilligt (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2016 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I; BGH, Urt. v. 11.06.2016 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II). Selbst wenn diese Entscheidungen – so das Landgericht Stuttgart – zum Download von Musiktiteln ergangen sind, können sie gleichwohl als Ausgangspunkt zur Bewertung des Downloads von Spielen herangezogen werden. Denn der Umstand, dass die Dateien mit Computerspielen umfangreicher sind, als die von Musiktiteln, rechtfertige keine andere Beurteilung. Zwar könne es so scheinen, dass deswegen im gleichen Zeitraum weniger Downloads erfolgen könnten. Dem haben die Tauschbörsenbetreiber aber dadurch Rechnung getragen, dass sie die Computerspiele in Einzelteile („Chunks“) zerlegen und der neue Nutzer solche „Chunks“ zur Umgehung der asymmetrischen Leitungsaufteilung mit geringerer Uploadbreite von früheren Nutzern erhält, die wiederum als Gesamtschuldner insgesamt haften. Gründe, die der Annahme, dass zumindest ein Vervielfältiger von 150 im hier zu entscheidenden Fall erreicht wird, entgegenstehen, waren für die Kammer nicht ersichtlich.

Neben dem so errechneten Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.399,00 EUR sprachen die Richter der Klägerin auch noch den Ausgleich der Anwaltsgebühren nach einem Gegenstandswert von 19.000,00 EUR zu.

 

 

LG Stuttgart, Urteil vom 23.08.2017, Az. 24 O 382/16

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Aktenzeichen:
24 0 382/16

 

Landgericht Stuttgart

Im Namen des Volkes

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name], vertr. d. d. Geschäftsführer [Name],
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reiche Klute, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

[Name],
– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name],

wegen Urheberrechts

 

hat das Landgericht Stuttgart – 24. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], den Richter am Landgericht Dr. [Name] und den Richter [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 09.08.2017

für Recht erkannt:

I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 807,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2012 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.399,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.12.2012 zu zahlen.
III. I.Ü. wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags.

 

Beschluss

Der Streitwert wird auf 5.258,80 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Ersatz von Abmahnkosten und Schadensersatz wegen behaupteter Nutzungsrechtsverletzungen bezüglich des Computerspiels [Name].

Die Klägerin ist ein in Österreich ansässiger Produzent und Vermarkter von digitalen Entertainment-Produkten, u.a. auch von Computerspielen.

Die Beklagte ist Inhaberin eines Internetanschlusses. Sie ist Mutter zweier Kinder, ihres Sohnes [Name], geboren am [Datum], und ihrer Tochter [Name], geboren am [Datum].

Die in Polen ansässige Firma [Name] erstellte das Computerspiel [Name].

Die Erstveröffentlichung des Spiels [Name] fand am 06.09.2011 (USA) bzw. am 09.09.2011 (EU) statt.

Mit Schreiben vom 23.11.2012 wurde die Beklagte von der Klägerin wegen des fünffachen Bereithaltens einer Datei mit dem Computerspiel [Name] zum Download über ihren Internetabschluss abgemahnt und aufgefordert, eine beigefügte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung abzugeben (vgl. Bl. 30 ff., Anlagenordner der Beklagten). Die Beklagte antwortete darauf mit Anwaltsschreiben vom 05.12.2012 (Bl. 33 ff., Anlagenordner der Beklagten), in dem bestritten wurde, dass sie die behaupteten Verstöße begangen habe; zugleich ließ die Beklagte in dem Schreiben eine Unterlassungserklärung abgeben.

Nach anfänglichem Bestreiten auch in diesem Rechtsstreit hat die Beklagte zuletzt eingeräumt, dass sie das Spiel über eine Tauschbörse zum Download angeboten hat (Bl. 207 d.A.).

Über ihren Internetanschluss hat die Beklagte demnach mit Hilfe eines sog. P2P-Clients, also eines Tauschbörsenprogramms, die Datei mit dem Namen [Name], die eine funktions- und ablauffähige Fassung des Computerspiels enthalten hat, in der Zeit vom 03.09.2012 bis zum 11.09.2012 an 7 Tagen zu insgesamt 24 Zeitpunkten (vgl. im Einzelnen die Anspruchsbegründung, S. 12 – 18 = Bl. 16 – 18 d.A.) im BitTorrent-Netzwerk zum Herunterladen bereitgehalten.

Die Klägerin behauptet, sie habe bezüglich des Computerspiels [Name] ausschließliche weltweite Nutzungs- und Verwertungsrechte inne. Die Firma [Name] habe es an sie lizenziert (vgl. „Exclusive Publishing Agreement“ vom 10.11.2008, Anlage K1, Übersetzung in Anlage K2). Der Verkaufspreis des Spiels im Einzelhandel habe zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung rund 50,00 EUR betragen. Auch im Jahr 2013 habe der Verkaufspreis noch zwischen 30,00 EUR und 40,00 EUR gelegen. Zum Verletzungszeitpunkt habe der Verkaufspreis für das Spiel 43,99 EUR betragen (Bl. 64 d.A., vgl. auch den Ausdruck aus der Preissuchmaschine „Geizhals“, Anlage K 8).

Die Klägerin meint, sie könne von der Beklagten Ersatz von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR für die Abmahnung gegenüber der Beklagten vom 23.11.2012 verlangen. Darüber hinaus stehe ihr ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.399,00 EUR zu.

Die Klägerin beantragt,
nachdem sie im Mahnverfahren zunächst 859,80 EUR für die Abmahnung und einen Teil-Schadensersatz i.H.v. 640,20 EUR geltend gemacht hatte und nach Eingang der Anspruchsbegründung in gleicher Höhe die Klage dann bezüglich der Höhe des Schadensersatzbetrags erweitert hat, nunmehr (Bl. 140, 206 d.A.):
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag von 859,80 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 5. Dezember 2012 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag über 4.399,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 5. Dezember 2012 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt (Bl. 206 d.A.):
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, das Spiel [Name] habe jedenfalls im November 2012 einen Preis von 13,99 EUR gehabt. Die Beklagte meint, bereits deshalb sei der verlangte Schadensersatz übersetzt.

Ferner meint die Klägerin, die von der Klägerin verlangten Abmahnkosten seien bereits deshalb überhöht, weil auf die Abmahnung der Klägerin § 97a Abs. 3 UrhG n.F. Anwendung finde und deshalb Abmahnkosten maximal aus einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR berechnet werden könnten. Die Abmahnung der Klägerin enthalte auch nicht alle nach § 97a Abs. 2 UrhG n.F. erforderlichen Inhalte.

Im Übrigen sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert.

Jedenfalls habe sich die Beklagte, vertreten durch ihre Prozessbevollmächtigte, mit der Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, am 24.07.2017 telefonisch darauf verständigt, dass die Ansprüche der Klägerin im Vergleichswege durch Zahlung von 1.685,00 EUR erledigt werden könnten.

Deshalb dürfte die Klägerin keinen hierüber hinausgehenden Betrag mehr fordern.

Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die Schriftsätze samt Anlagen und auf die Sitzungsprotokolle vom 10.05.2017 (Bl. 175 ff. d.A.) und vom 09.08.2017 (Bl. 205 ff. d.A.) verwiesen. In beiden Sitzungen hat die Kammer die Beklagte angehört. Für die Ergebnisse wird auf die Sitzungsprotokolle verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

1.

Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte ergibt sich für die Klage der in Österreich ansässigen Klägerin wegen des Wohnsitzes der Beklagten im Gerichtsbezirk jedenfalls aus Art. 4 Abs. 1 EuGVVO n.F.

2.

Nach Vorlage einer unterschriebenen Prozessvollmacht der Prozessbevollmächtigten im Original (Bl. 143 d.A.) bestehen an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung keine Zweifel.

II.

Die Klage ist auch überwiegend begründet. Die Beurteilung richtet sich gemäß Art. 8 Abs. 1 ROM II-VO grundsätzlich nach deutschem Recht.

1.

Der Klägerin stehen die in Ziff. I des Tenors zugesprochenen Abmahnkosten gegen die Beklagte aus § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG a.F. mit einem Zinsanspruch ab Ablauf der Mahnung (BGH, Urt. v. 24.11.1981- X ZR 7/80, zit. n. juris) zu.

Die Beklagte hat die Klägerin gemäß § 97 Abs. 1 UrhG in ihren Rechten verletzt [nachfo1gend a) bis d)]. Die unstreitig erfolgte Abmahnung vom 23.11.2012 (vgl. Anlage K 7) erfüllt die Anforderungen [nachfolgend e)). Der Klägerin steht aber nur ein Anspruch auf Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert bis 19.000,00 EUR zu (nachfolgend f)].

a)

Anders als die Beklagte meint, richtet sich die Ersatzfähigkeit der Abmahnkosten nach § 97a UrhG in seiner bis zum 09.10.2013 geltenden Fassung (nachfolgend: § 97a UrhG a.F.) und nicht nach § 97a UrhG in seiner ab dem 09.10.2013 (BGBl. 1 S. 3714) geltenden Fassung (nachfolgend: § 97a UrhG n.F.).

Grds. kommt es für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten allein auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. BGH, Urt. v. 28.9.2011 – I ZR 145/10, zit. n. juris, Tz. 8 m.w.N. zur st. Rspr.). Dementsprechend hat der BGH auch in jüngeren Urteilen betreffend das Filesharing dann § 97a UrhG a.F. angewandt, wenn die Abmahnung vor Inkrafttreten des § 97a UrhG n.F. erfolgt ist (vgl. BGH, Urt. v. 6.10.2016 – I ZR 97/15 – „T.W.“; Urt. v. 24.11.2016 – I ZR 220/15 – „WLAN-Schlüssel“). Genauso hatte er noch auf § 683 BGB zurückgegriffen, wenn die Entscheidung zwar nach Inkrafttreten des § 97a UrhG ergangen war, aber die Abmahnung zuvor stattgefunden hatte (BGH Urt. v. 12.5.2015 – I ZR 272/14 „Päpstin“; Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 1/15 – „Tannöd“; Urt. v. 12.05.2015 – I ZR 43/15 – „Alan Wake“; Urt. v. 12.05.2015 – I ZR 44/15 – „Scream 4“). Auch die Literatur hat sich dieser Ansicht angeschlossen (vgl. Wandtke / Bullinger-Kefferpütz, Urheberrecht, 4. Aufl. 2014, UrhG § 97a Rdnr. 1; Dreier / Schulze, UrhG, 5. Aufl., UrhG § 97a Rdnr. 1).

Es ist auch sonst nicht ersichtlich, wieso die Regelung des § 97a UrhG n.F. hier auf Abmahnungen rückwirken soll, die vor seinem Inkrafttreten erfolgt sind.

An die Rückwirkung von Gesetzen sind schon aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit hohe Anforderungen zu stellen (vgl. etwa BVerfG, Beschl. v. 17.12.2013 – 1 BvL, 5/08 zu den Anforderungen an den rückwirkenden Eingriff in abgeschlossene Sachverhalte). Eine Rückwirkung ist im Einführungsgesetz zu § 97a UrhG n.F. (Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken v. 01.10.2013, BGBl. I S. 3714) daher auch nicht vorgesehen.

Auch aus dem Umstand, dass in Art. 14 der Richtlinie 2004/48/EG v. 29.04.2004 vorgesehen ist, dass die Mitgliedsstaaten sicher zu stellen haben, dass die Prozesskosten und sonstigen Kosten der obsiegenden Partei in der Regel, soweit sie zumutbar und angemessen sind, von der unterlegenen Partei getragen werden, sofern Billigkeitsgründe dem nicht entgegenstehen, kann – entgegen der Ansicht der Beklagten – noch nicht darauf geschlossen werden, dass § 97a Abs. 3 UrhG n.F. auch auf Altfälle vor seinem Inkrafttreten anzuwenden wäre. Europäische Richtlinien haben keine unmittelbare Geltung, sondern bedürfen eines mitgliedsstaatlichen Umsetzungsaktes, Art. 288 Abs. 3 AEUV. Es kommt noch hinzu, dass sich Art. 14 der Richtlinie mit Prozesskosten und allenfalls nach einer Auslegung mit Abmahnkosten beschäftigt (vgl. hierzu EuGH, Urt. v. 28.7.2016 – C-57115 – „United Video Properties gegen Telenet N. V.“, zit. n. juris Tz. 36), schon deshalb für den vorliegenden Fall keine unmittelbare Bedeutung hat und die Regelung des § 97a UrhG n.F. nach der Gesetzesbegründung nicht der – aus Sicht der Beklagten verspäteten (Bl. 29 d.A.) – Umsetzung dieses Teils der Richtlinie dient. Die Umsetzung der von der Beklagten zitierten Richtlinie ist vielmehr bereits durch das „Gesetz zur Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums“ (GEigDuVeG v. 07.07.2008, BGBl. I S. 1191), mit dem § 97a UrhG a.F. erstmals eingeführt worden ist, erfolgt. Dass der Gesetzgeber mit Einführung des § 97a UrhG a.F. hinter den Anforderungen der Richtlinie zurückgeblieben wäre, ist weder offenkundig, noch aus der Gesetzesbegründung zu § 97a UrhG n.F. ersichtlich noch Gegenstand der Diskussion in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu § 97a UrhG. Zudem käme eine unmittelbare Geltung der Richtlinie selbst bei verspäteter Umsetzung nicht in Betracht, da Art. 14 der Richtlinie dem Gesetzgeber erkennbar einen Umsetzungs-Spielraum belässt, was einer unmittelbaren Wirkung der Richtlinie entgegenstünde.

b)

Bei dem Computerspiel [Name] handelt es sich um ein nach §§ 69a Abs. 3, 2 Abs. 1 Nr. 1 und 6 UrhG geschütztes Werk, dass bereits aufgrund seiner technischen Komplexität dem Schutzbereich des Urheberrechts unterfällt.

c)

Die Klägerin ist als Inhaberin ausschließlicher und unbeschränkter Nutzungsrechte an dem Computerspiel aktivlegitimiert.

Die Klägerin hat eine Abbildung der Verpackung sowie des CD-Aufdrucks einer Hardcopy-Kaufversion des streitgegenständlichen Spiels (Anlage K 3) vorgelegt. Beide enthalten neben einem Copyright-Vermerk zugunsten des Spieleentwicklers [Name] einen Publisher-Vermerk für die Klägerin. Im Rahmen des Anspruchs auf Ersatz der Abmahnkosten ist der Publisher-Vermerk jedenfalls in Verbindung mit dem an gleicher Stelle aufgebrachten Copyright-Vermerk aufgrund der Vermutungswirkung des § 10 Abs. 3 UrhG schon ausreichend zum Nachweis der Aktivlegitimation.

Weiter hat die Klägerin auch das „Exclusive Publishing Agreement“ vom 10.11.2008 (Anl. K1, Übersetzung in Anl. K2) vorgelegt. Aus diesem geht hervor, dass sich die vom Spieleentwickler [Name] erworbene ausschließliche Lizenz auch auf das Anbieten des Spiels [Name] im Internet bezieht (K1: „Distribute the Product through internet streaming, pay per play and/or downloading and to sublicense such distribution“). Die Lizenz bezieht sich auch auf den gesamten deutschsprachigen Raum (vgl. K1: „G/S/A“ = Deutschland/ Schweiz/Österreich). Die Rechte sind der Klägerin auch über einen Zeitraum von 10 Jahren ab Erstveröffentlichung des Spiels, die hier unstreitig in der Europäischen Union am 09.09.2011 stattgefunden hat, eingeräumt worden.

Damit hat die Klägerin die Rechtekette von der Entwicklerin des Spiels hin zur Klägerin hinreichend dargelegt.

Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation zwar. Dieses Bestreiten ist aber, trotz Hinweises hierauf (Bl. 149 d.A.), pauschal geblieben und nicht ausreichend, um Zweifel an der Aktivlegitimation der Klägerin, wie sie sich aus dem vorgelegten Lizenzvertrag ergibt, hervorzurufen. Die Aktivlegitimation kann daher nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gelten.

d)

Die Verletzung der Nutzungsrechte durch das Anbieten zum Download (§ 69c Nr. 4 UrhG) ist von der Beklagten im Rahmen ihrer Anhörung am 09.08.2017 vollumfänglich eingeräumt worden (Bl. 207 d.A.). Ihr anfängliches Bestreiten der geltend gemachten Rechtsverletzungen hat die Beklagte damit aufgegeben.

Wegen dieses tatsächlichen Geständnisses (§ 288 Abs. 1 ZPO) bedarf es auch keiner weiteren Ausführungen zur Korrektheit der Ermittlung der IP-Adressen, unter denen die Verletzungshandlungen stattgefunden haben sollen, und zur Frage, ob die ermittelten IP-Adressen zu den angeführten Zeitpunkten dem Anschluss der Klägerin zugewiesen waren. Als notwendige Voraussetzung für die von der Beklagten eingeräumten Verletzung unterfallen diese ebenfalls dem tatsächlichen Geständnis der Beklagten.

e)

Die Abmahnung der Klägerin vom 23.11.2012 (vorgelegt als Anlage durch die Beklagte) genügt den Anforderungen des § 97a UrhG a.F.; § 97a Abs. 2 UrhG n.F., der weitergehende Anforderungen stellt, findet entsprechend obiger Ausführungen keine Anwendung.

Soweit die Beklagte darauf abstellt (Bl. 28 d.A.), dass die behauptete Rechtsverletzung nicht hinreichend genau bezeichnet sei, überzeugt dieser Einwand nicht. Vor Geltung des § 97a Abs. 2 UrhG n.F. war anerkannt, dass Voraussetzung einer wirksamen Abmahnung ist, dass sich aus ihr das gerügte Verhalten ohne weiteres erkennen lässt. Für den Verletzer muss ersichtlich sein, was ihm in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht vorgeworfen wird (vgl. zu § 97a UrhG a.F: OLG Frankfurt, Urt. v. 04.11.2014 – Az. 11 U 106/13 -, zit. n. juris Tz. 26; BeckOK-Reber, Urheberrecht, 1. Edition, Stand 15.09.2012, § 97a Rdnr. 5; ähnlich Wandtke / Bullinger-Kefferpütz, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, UrhG § 97a Rdnr. 6). Hieran hat sich durch die Einführung des § 97a UrhG a.F. nichts geändert (BGH, Urt. v. 06.10.2016 – I ZR 97/15 – „T.W.“; Urt. v. 24.11.2016 -I ZR 220/15 „WLAN-Schlüssel“). Dieser Anforderung genügt das Abmahnschreiben der Klägerin. Aus dem vorgelegten Abmahnschreiben wird deutlich, dass es um einen Verstoß gegen das Urheberrecht durch Anbieten eines in Lizenz von der Klägerin vertriebenen, namentlich benannten Computerspiels zum Zwecke des Downloads zu individuell bezeichneten Zeitpunkten über Tauschbörsen geht. Hieraus konnte die Beklagte hinreichend schließen, was ihr in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht von der Klägerin vorgeworfen wird.

Soweit die Beklagte weiter meint, die Abmahnung enthalte keine Angabe, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgehe (Bl. 28 d.A.), bezieht sich dieser Einwand zunächst auf die nunmehr ausdrücklich in § 972 Abs. 2 Nr. 4 UrhG n.F. geregelte Voraussetzung für eine Abmahnung. Der Einwand greift vor diesem Hintergrund nicht durch, wobei dahinstehen kann, ob die Voraussetzung des § 97a Abs. 2 Nr. 4 UrhG n.F. erfüllt wäre, weil diese auf den vorliegenden Fall keine Anwendung findet. Zur Wirksamkeit der Abmahnung nach § 97a Abs. 1 UrhG a.F. ausreichend ist, dass unter Fristsetzung die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung gefordert wird. Die konkrete Reichweite der geforderten Unterlassungserklärung kann schon deshalb der Berechtigung der Abmahnung nicht entgegenstehen, weil der Abmahnende schon nicht verpflichtet ist, eine vorformulierte Unterlassungserklärung der Abmahnung beizufügen (vgl. zu § 97a UrhG a.F.: Wandtke / Bullinger-Kefferpütz, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, UrhG § 97a Rdnr. 6; zum Anspruch aus GoA: BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 7/14 – „Tauschbörse II“, zit. n. juris, Tz. 59). Im Übrigen ist es nach § 97a Abs. 1 UrhG a.F. auch unschädlich, wenn der Abmahnende mit seiner Abmahnung mehr fordert, als ihm zusteht (vgl. zu § 97a UrhG a.F.; Wandtke / Bullinger-Kefferpütz, Urheberrecht, 3. Aufl. 2009, UrhG § 97a Rdnr. 6). Aus dem von der Klägerin dem Abmahnschreiben beigefügten Entwurf einer Unterlassungserklärung ergibt sich im Übrigen auch hinreichend deutlich, worauf sich die begehrte Unterlassung bezieht; namentlich darauf, dass es die Beklagte zukünftig unterlässt, das Computerspiel „Dead Island“ ganz oder teilweise ohne Einwilligung der Klägerin in P2P-Netzwerken zum Herunterladen bereit zu halten oder dies Dritten über den eigenen Internetanschluss zu ermöglichen.

f)

Der Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Abmahnkosten besteht lediglich in Höhe von 807,80 EUR, was einer Geschäftsgebühr von 1,3 zuzüglich einer Auslagenpauschale von 20 aus einem angemessenen Gegenstandswert bis 19.000,00 EUR entspricht. Die Berechnung hat dabei nach dem RVG in seiner bis zum 01.08.2013 geltenden Fassung zu erfolgen.

Hinsichtlich des darüber hinaus mit dem Klageantrag zu 1 begehrten Zahlbetrags ist die Klage abzuweisen.

aa)

Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach billigem Ermessen, § 23 Abs. 2 RVG, zu bestimmen und entspricht dem Wert des mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruchs, wobei dieser pauschalierend nach dem Interesse des Anspruchsstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bemessen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2016 -I ZR 1/15 – „Tannöd“, zit. n. juris Tz. 30 f.).

Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswerts des Unterlassungsanspruchs kommt es einerseits auf die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts an, ohne dass dabei generalpräventive Erwägungen erhöhend zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 1/15 – „Tannöd“, zit. n. juris, Tz. 33, 42). Zum anderen ist dem Wert des verletzten Schutzrechts angemessen Rechnung zu tragen, wobei insbesondere die Aktualität und Popularität des Werkes und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung zu berücksichtigen ist (BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 43/15 – „Alan Wake“, zit. n. juris Tz. 48).

Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht unter 15.000,00 EUR angemessen. Liegen allerdings besondere Umstände vor, wie z.B. eine in erheblichen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität, kann auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein (BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 43/15 – „Alan Wake“, zit. n. juris Tz. 48).

Zudem gilt, dass das Angebot zum Herunterladen eines Computerprogramms (entsprechendes gilt für Spielfilme und vollständige Musikalben) regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigt, als er etwa für das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist (vgl. BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 1/15 – „Tannöd“, zit. n. juris Tz. 59).

Zwar dürfte die Erstverwertungsphase des Spiels [Name] das zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung der Beklagten im September 2011 rund 12 Monate auf dem Markt gewesen ist, bereits abgeschlossen gewesen sein. Allerdings handelt es sich nach den unbestritten gebliebenen Angaben der Klägerin (Bl. 12 d.A.) bei dem Spiel [Name] um ein – mit weltweit bis Februar 2013 fünf Millionen verkauften Exemplaren – erfolgreiches Spiel. Der Kammer ist aus dem eigenen Kammerbetrieb auch bekannt, dass sich das Spiel noch in der zweiten Jahreshälfte 2012 hoher Beliebtheit erfreut hat, was sich an einer Vielzahl von Fällen, die sich mit dem Filesharing des Spiels [Name] zu dieser Zeit befassen, zeigt.

Auch ist zu berücksichtigen, dass die Lizenz der Klägerin, die überdies ein nahezu weltweites, ausschließliches Vermarktungsrecht (vgl. „Exclusive Publishing Agreement“, Anlage KI, Übersetzung Anlage K2) beinhaltet, zum Verletzungszeitpunkt noch mindestens 9 Jahre andauerte.

Zu berücksichtigen ist weiter, dass das Spiel aufgrund der feststehenden 24 Verstöße über einen Zeitraum vom 03.09.2012 bis zum 11.09.2012 – mit Ausnahme des 10.09.2012 – täglich im BitTorrent-Netzwerk zum Herunterladen angeboten worden ist. Dabei ist anzunehmen, dass das Spiel – was sich aus dem Umstand ergibt, dass für jeden der Tage mehrere Angebotszeitpunkte unter der gleichen IPv4-Nummer festgestellt wurden – an den meisten der genannten Tage über einen nicht unerheblichen Zeitraum angeboten worden ist. So ergibt sich ein Zeitraum von rund 50 Stunden (03.09.2012: 12:11:56 bis 21:09:08 Uhr; 04.09.2012: 12:14:24 bis 21:09:41 Uhr; 05.09.2012: 10:44:10 bis 20:24:16 Uhr; 06.09.2012: 17:13:31 bis 23:28:27 Uhr; 07.09.2012: 9:35:42 bis 9:37:34 Uhr; 08.09.2012: 10:07:57 bis 16:25:43 Uhr; 09.09.2012: 10:55:55 bis 17:03:38 Uhr; 11.09.2012: 14:54:20 bis 19:28:48 Uhr), in denen das Spiel durch die Beklagte mindestens zum Download angeboten worden ist.

Weiter zu berücksichtigen ist die virale Verbreitung von Spielen, die über Tauschbörsen angeboten werden. Sobald die Spiele (oder Spieleteile, sog. „Chunks“) von der Beklagten angeboten werden, werden diese von Dritten heruntergeladen und von diesen direkt selbst wieder hochgeladen und erneut angeboten – was aufgrund der Standardeinstellungen von gängigen Filesharing-Programmen zumeist automatisiert geschieht. Maßgeblich ist damit nicht nur die Erstweitergabe durch die Beklagte.

Umgekehrt ist aber auch festzuhalten, dass die Verletzungshandlungen bereits 2 1/2 Monate vor Zugang der Abmahnung ohne Zutun der Klägerin geendet haben, mithin der drohende weitere Verletzungsumfang, definiert als Wahrscheinlichkeit künftiger Verletzungshandlungen, maximal als durchschnittlich zu bewerten ist – das Interesse an diesem Werk wird sich bei der Beklagten also zumindest fürs Erste bereits erschöpft haben.

Aufgrund dieser Umstände wird ein Gegenstandswert bis 19.000,00 EUR erreicht – für einen noch höheren Streitwert besteht zur Überzeugung der Kammer allerdings kein Raum. Soweit die Kammer in einer früheren Entscheidung (Urt. v. 30.09.2015, Az. 24 0 179/15) einen Gegenstandswert von lediglich 8.000,00 EUR angenommen hatte, obwohl der Entscheidung einerseits ein Verletzungszeitpunkt in der Erstverwertungsphase und zum anderen ein noch umfangreicherer Verletzungszeitraum zugrunde lag, sind die Grundlagen für diese Entscheidung durch die späteren, vom BGH zur Bemessung des Gegenstandswerts genannten Werte überholt.

Das Schreiben, das die Abmahnung enthielt, hatte zwar daneben auch Schadensersatz- und Auskunftsansprüche erwähnt. Unabhängig von der geltend gemachten Anspruchsgrundlage § 97a UrhG sind Ansprüche auf Anwaltskosten hierfür aber nicht rechtshängig gemacht und daher auch nicht zu berücksichtigen.

bb)

Das Vorliegen eines Massengeschäfts rechtfertigt angesichts der rechtlichen und vor allem auch tatsächlichen Schwierigkeiten bei der Ermittlung und Inanspruchnahme des Verantwortlichen im konkreten Einzelfall keine Abweichung von der Regelgebühr von 1,3 nach unten (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 1/15 „Tannöd“, zit. n. juris Tz. 49 zu dieser Erwägung, die auch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 97a Abs. 2 UrhG a.F. ausdrücklich keine Rolle spielt; zudem BGH, Urt. v. 11.06.2015 – 1 ZR 19/14 – „Tauschbörse I“, zit. n. juris Tz. 74 ff).

cc)

§ 97a Abs. 2 UrhG a.F., der den Ersatzanspruch in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 EUR beschränkt, ist nicht anwendbar. In Tauschbörsenfällen liegt wegen der viralen Verbreitungswirkung von Tauschbörsen regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung vor (vgl. auch BGH, Urt. v. 12.05.2016 – I ZR 1/15 – „Tannöd“, zit. n. juris Tz. 53 m.w.N.). Für eine andere Beurteilung im konkreten Fall ist nichts ersichtlich. Da – wie bereits ausgeführt § 97a UrhG in seiner Fassung bis zum 09.10.2013 Anwendung findet, kommt eine Beschränkung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 3 UrhG n.F. deshalb ebenfalls nicht in Betracht.

2.

Der Klägerin steht gemäß § 97 Abs. 2 UrhG gegenüber der Beklagten der mit dem Klageantrag zu 2 geltend gemachte Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.399,00 EUR nebst Zinsen (siehe oben 1.) zu.

a)

Die Voraussetzungen des § 97 Abs. 2 UrhG sind gegeben. Die Beklagte hat eingeräumt, dass sie das Computerspiel [Name] über eine Tauschbörse heruntergeladen hat, ohne dazu berechtigt zu sein. Damit hat sie die Verletzung der Nutzungsrechte über ihren Internetanschluss zumindest fahrlässig begangen. Selbst wenn der Beklagten nicht positiv bekannt gewesen sein sollte, dass sie als Nutzer einer Tauschbörse die heruntergeladenen Dateien zugleich anbietet – was angesichts der Bekanntheit von Tauschbörsen und deren Funktionsweise auch im Jahr 2012 unwahrscheinlich ist – , hätte ihr zumindest die Pflicht oblegen, sich vor Nutzung der Tauschbörse über deren Funktionsweise zu vergewissern. Indem sie dies unterlassen hat, hat sie das Computerspiel jedenfalls fahrlässig öffentlich zugänglich gemacht (vgl. auch LG Hamburg, Urt. v. 12.02.2014 – Az. 308 O 227/13, zit. n. juris Tz. 30; LG Bielefeld, Urteil vom 4. März 2015 – Az. 4 O 211/14, zit. n. juris Tz. 45). Zu den übrigen Voraussetzungen wird auf die Ausführungen unter II. 1. verwiesen mit der Anmerkung, dass § 10 Abs. 3 UrhG zwar nicht für Schadensersatzansprüche gilt, aber angesichts des Erfolgs des Spiels [siehe noch unten b)] und dass keine Unterlassungsklagen gegen die Klägerin bekannt geworden sind i.V.m. dem „Exclusive Publishing Agreement“ auch der Vollbeweis für die Inhaberschaft der Klägerin an den Rechten geführt ist.

b)

Der Anspruch ist auch in der geltend gemachten Höhe von 4.399,00 EUR begründet.

Nach § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG kann der Schadensersatzanspruch auf der Grundlage des Betrages berechnet werden, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Die zu zahlende Lizenz ist vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Berücksichtigung aller Umstände in freier Beweiswürdigung zu bemessen (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – „Tauschbörse I“, zit. n. juris Tz. 57).

Für Filesharing-Fälle ist darauf abzustellen, wie häufig aufgrund der Beteiligung des Verletzers an der Tauschbörse von unbekannten Dritten auf die geschützten Titel zugegriffen worden ist und welcher legale Downloadpreis zum Verletzungszeitpunkt zu erreichen war (vgl. OLG Köln, Urt. v. 23.03.2012 – Az. 6 U 67/11, zit. n. juris Tz. 40). Die Lizenz kann danach fiktiv anhand des Verkaufswerts des Spiels im Verletzungszeitpunkt durch Multiplikation mit einem Vervielfältiger, der sich nach möglichen Zugriffen auf das angebotene Spiel richtet, bestimmt werden (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“, zit. n. juris Tz. 61 ff., der diese Berechnungsmethode für das Filesharing von Musikstücken ausdrücklich gebilligt hat).

Die Klägerin trägt unter Vorlage eines Ausdrucks der Internetseite „Geizhals.de“ (Anlage K 8) vor, zum Zeitpunkt der Verletzung (konkret: 12.09.2012 und damit ein Tag nach der letzten Verletzungshandlung) habe das Spiel einen legalen Kaufwert von 43,99 EUR gehabt. Die Beklagte hingegen trägt vor, eine von ihr unmittelbar nach Zugang der Abmahnung im November 2012 erfolgte Internetrecherche habe einen Spielepreis von lediglich 13,99 EUR ergeben (Bl. 27 d.A.). Bei Anwendung des § 287 ZPO ist die über „Geizhals.de“ aufrufbare Preisentwicklung jedenfalls für Zeiten mit tatsächlichen Umsätzen ausreichende Schätzgrundlage (siehe schon Kammer, Urt. v. 30.9.2015 – Az. 24 O 179/15), allerdings muss dann auch tatsächlich die Preisentwicklung für die (legale) Download-Version des Spiels herangezogen werden und sind ggfs. heftigere kurzfristige Preissprünge auszublenden. Damit ist mit diesem Tool der Hauptbeweis für einen Download-Preis in der Größenordnung von 30,00 EUR geführt. Der von der Beklagten ohne nähere Angaben zum Anbieter behauptete Preis von 13,99 EUR ist nicht geeignet, den Gegenbeweis zu führen. So ist z.B. möglich, dass die Beklagtenvertreterin das Angebot eines Raubkopierers gefunden hatte, der die Raubkopie nicht kostenlos, sondern „nur“ verbilligt vertreibt. Darüber hinaus ändern einzelne Ausreißer auch nichts am Marktpreis.

Ausgehend vom Download-Preis von ca. 30,00 EUR genügt ein Vervielfältiger von ca. 150, um die Klageforderung zu erreichen. Er erscheint unter Berücksichtigung der Einzelheiten des Streitfalles (mindestens) angemessen.

Bei dem Spiel [Name] handelt es sich – wie bereits ausgeführt wurde – um ein solches, das sich auch zum Verletzungszeitpunkt reger Beliebtheit erfreut hat. Dies zeigt sich nicht zuletzt auch an der aus Anlage K 8 ersichtlichen Preisentwicklung, die – selbst wenn der Anstieg des Verkaufspreises einige Zeit vor den hier interessierenden Treffern ausgeblendet wird – einen für sonstige Computerspiele sehr langsam abfallenden Preistrend ausweist. Unter Berücksichtigung des allg. Grundsatzes von Angebot und Nachfrage kann hieraus auf eine nur gering nachlassende Nachfrage und damit auf eine nach wie vor anhaltende Beliebtheit des Spiels geschlossen werden, auch wenn das Spiel zum Verletzungszeitpunkt bereits ein Jahr auf dem Markt gewesen ist. Dementsprechend hat auch die Klägerin – unwidersprochen – ausgeführt, dass das Spiel bis Februar 2013 insgesamt 5 Millionen verkauft wurde (Bl. 12 d.A.) und bis November 2016 über 165.000 Aktivierungen aus dem deutschen Markt über das Portal „Steam“ erfolgt sind (Bl. 64 d.A.).

Weiter ist zu berücksichtigen, dass das Spiel, wie festgestellt, über einen nicht unerheblichen Zeitraum von rund 50 Stunden, verteilt über einen Zeitraum von rund einer Woche, im BitTorrent-Netzwerk zum Download bereit gestellt wurde und damit über lange Zeit hinweg die Möglichkeit zur viralen Verbreitung des angebotenen Spiels bestand.

Unschädlich ist dabei, dass es an konkreten Angaben der Klägerin zu Nutzerzahlen des BitTorrent-Netzwerks fehlt. Im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO ist es nicht erforderlich, im Einzelfall konkret die Anzahl der zum jeweiligen Verletzungszeitpunkt online befindlichen Tauschbörsenteilnehmer festzustellen (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 7/14 – „Tauschbörse II“, zit. n. juris Tz. 46). Dass das BitTorrent-Netzwerk selbst im Verletzungszeitpunkt beliebt gewesen ist, ist der Kammer auch aus der Bearbeitung weiterer Fälle zu Verletzungen im zweiten Halbjahr 2012 bekannt. Im Hinblick darauf, dass erfahrungsgemäß nur ein geringer Teil der Anbietenden auf diesen Tauschbörsen festgestellt wird und aufgrund dessen, dass die Kammer lediglich diejenigen Fälle zu bearbeiten hat, die ihr aufgrund ihrer Zuständigkeit zugeordnet sind, ergibt sich hinreichend, dass sich die verwendete Tauschbörse zum Verletzungszeitpunkt gewisser Beliebtheit erfreute. Nicht zuletzt kann auch aus der von der Klägerin als Anlage (Bl. 92 ff. des Anlagenordners der Klägerin) vorgelegten Übersicht über die im Verletzungszeitraum begangenen Verstöße geschlossen werden, dass eine nicht unerhebliche Anzahl von Nutzern in der Tauschbörse aktiv gewesen ist, zumal sich diese Liste allein auf das Auskunftsverfahren vor dem LG Köln mit dem Az. 216 O 182/12 bezieht (Bl. 56 d.A.); die parallelen Auskunftsverfahren vor dem LG Köln mit den Az. 217 O 217/12 und Az. 231 O 248/12 (Bl. 54 d.A.) sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Auch wurde vom Bundesgerichtshof in der Vergangenheit die Annahme, bei beliebten Musiktiteln auf populären Tauschbörsen könne sogar bei einer einmalig festgestellten Verletzungshandlung ein Faktor von 400 angenommen werden, gebilligt (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2016 – I ZR 19/14 – „Tauschbörse I“, zit. n. juris Tz. 3, 59 ff.; BGH, Urt. v. 11.06.2016 – I ZR 7/14 – „Tauschbörse II“, zit. n. juris Tz. 3, 46 ff.). Selbst wenn diese Entscheidungen zum Download von Musiktiteln ergangen sind, können sie als Ausgangspunkt zur Bewertung des Downloads von Spielen herangezogen werden. Denn der Umstand, dass die Dateien mit Computerspielen umfangreicher sind als die von Musiktiteln, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Zwar könnte es so scheinen, dass deswegen im gleichen Zeitraum weniger Downloads erfolgen könnten. Dem haben die Tauschbörsenbetreiber aber dadurch Rechnung getragen, dass sie die Computerspiele in Einzelteile („Chunks“) zerlegen und der neue Nutzer solche Chunks zur Umgehung der asymmetrischen Leitungsaufteilung mit geringerer Uploadbreite von mehreren früheren Nutzern erhalten, die wiederum als Gesamtschuldner insgesamt haften.

Gründe, die der Annahme, dass zumindest ein Vervielfältiger von 150 im hier zu entscheidenden Fall erreicht wird, entgegenstehen, sind für die Kammer nicht ersichtlich.

3.

Der Anspruch der Klägerin hat sich auch nicht der Höhe nach dadurch auf 1.685,00 EUR reduziert, weil zwischen den Parteien gerichtlich oder außergerichtlich ein Vergleichsvertrag geschlossen worden wäre.

Den gerichtlichen Vergleichsvorschlag, unterbreitet im Termin am 10.05.2017 (Bl. 182 d.A.), hat die Beklagte nicht angenommen, wie sich aus den Schriftsätzen v. 26.05.2017 (Bl. 186 d.A.), v. 30.06.2017 (Bl. 188 d.A.) und v. 15.07.2017 (Bl. 192 d.A.) ergibt, in denen die Beklagte jeweils mitteilt, dass noch keine Einigkeit auf einen bestimmten Vergleichstext erzielt werden konnte.

Soweit die Beklagte meint, mit der telefonischen Übereinkunft zwischen dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin und der Prozessbevollmächtigten der Beklagte vom 24.07.2017 (Bl. 202 d.A.) sei ein Vergleichsvertrag i.S.d. § 779 BGB zustande gekommen, steht dies bereits im Widerspruch zum Schreiben der Beklagten vom 26.07.2017 (Bl. 196 d.A.). Dort ist ausdrücklich die Rede davon, dass seitens der Parteien gewollt war, dass ein Vergleichsvorschlag durch die Kammer nach § 278 Abs. 6 ZPO unter Berücksichtigung der in diesem Schreiben von der Beklagten begehrten Anpassung durch die Kammer vorgeschlagen werden sollte. Fett gedruckt ist zudem der Kammer übertragen, gegen wen alles Ansprüche der Klägerin abgegolten sein sollen, ein essentialium negotii, ohne das ein wirksamer Vertrag ohnehin nicht zustande kommt.

Dem ist die Kammer mit Beschluss vom 03.08.2017 nachgekommen (Bl. 198 ff. d.A.), mit dem den Parteien ein Vergleich vorgeschlagen wurde. Diesen Vergleichsvorschlag hat die Klägerin sodann mit Schriftsatz vom 08.08.2017 (Bl. 204 d.A.) ausdrücklich abgelehnt.

Ist seitens der Parteien die Beurkundung eines Vertrages gewollt, so kommt der Vertrag im Zweifel nur bei Einhaltung dieser Form zustande, § 154 Abs. 2 BGB. Diese Vorschrift gilt entsprechend, wenn die Parteien eine gerichtliche Protokollierung eines Vergleichs wünschen (vgl. Palandt-Ellenberger, BGB, 76. Aufl. 2017, BGB § 154 Rdnr. 4 m.w.N.).

Nachdem ein Vergleich hier aufgrund eines gerichtlichen Vorschlags nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossen werden sollte, ein solcher aber letztlich von der Klägerin nicht angenommen worden ist, ist ein Vergleichsvertrag zwischen den Parteien nicht wirksam entstanden. Dass beide Parteien etwas anderes gewollt hätten, ist nicht ersichtlich.

Damit ist der Anspruch der Klägerin auch nicht der Höhe nach auf 1.685,00 EUR beschränkt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 S. 1 u. 2 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Landgericht Stuttgart
Urbanstraße 20
70182 Stuttgart

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

 

[Name]
Vorsitzender Richter am Landgericht

zugleich für RiLG Dr. [Name],
der durch Urlaub verhindert ist,
selbst zu unterschreiben.

 

[Name]
Richter

 

 

Verkündet am 23.08.2017
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Beglaubigt
Stuttgart, den 24. Aug. 2017
Urkundsbeamter der Geschäftsstelle (…)

 

 

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LG Stuttgart, Urteil vom 23.08.2017, Az. 24 O 382/16

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