18:38 Uhr
Es gibt verschiedene Gründe, an denen Klagen wegen angeblicher Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing scheitern können. Einer davon ist die fehlende Klageberechtigung. Bei den angeblich per Filesharing getauschten Filmen, Spielen etc. gibt es normalerweise verschiedene Unternehmen, die Rechte an den Werken haben bzw. hatten. Diese „Rechtekette“ darzulegen und nachzuvollziehen ist nicht immer ganz einfach. Um angebliche Filesharer wegen einer Rechtsverletzung verklagen zu können, müssen aber bei dem klagenden Unternehmen die entsprechenden Rechte vorhanden sein.
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Rechtsanwältin Kathrin Berger
Fachanwältin für Informationstechnologierecht,
Fachanwältin für Urheber- und Medienrecht
Futterstraße 15 | 66111 Saarbrücken
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Bericht
Urteil als PDF:
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Im Fall des Spiels „Dead Island“ hatte die Koch Media GmbH sich darauf berufen, dass ihr von der Entwicklerin des Spiels, die Firma Techland, die Vertriebsrechte eingeräumt worden seien. In dem Vertrag, der dem Gericht vorgelegt wurde, hieß es jedoch ausdrücklich: „Wenn eine dritte Person die übertragenen Rechte nutzt oder beansprucht, ist [die Klägerin] verpflichtet, unmittelbar nach Kenntniserlangung davon Techland zu informieren. Techland wird dann alle rechtlichen und tatsächlichen Schritte unternehmen um die Verletzung von Rechten zu verhindern.“
Den Wortlaut dieser Klausel wertete das AG Saarbrücken in seinem Urteil vom 18.01.2017, Az. 121 C 316/16 (09) dahingehend, dass eindeutig die Rechte zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen gerade nicht bei der Koch Media GmbH liegen, sondern die Firma Techland sich die rechtlichen Schritte gerade selbst vorbehält.
Somit hätte entweder Techland selbst die angeblichen Filesharer abmahnen und verklagen müssen oder der Koch Media GmbH hätte eine gesonderte Ermächtigung zur Klage eingeräumt werden müssen. Auch letzteres erfolgte in dem entschiedenen Fall nicht.
Das Urteil ist übrigens noch nicht rechtskräftig. Es kann also sein, dass das Landgericht Saarbrücken sich mit der Frage der Aktivlegitimation befassen wird.
AG Saarbrücken, Urteil vom 18.01.2017, Az. 121 C 316/16 (09)
(…) – Ausfertigung –
121 C 316/16 (09)
Verkündet am 18.01.2017
[Name], Richter am Amtsgericht
als Richter am AmtsgerichtAmtsgericht Saarbrücken
Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
[Name],
KlägerinProzessbevollmächtigte: [Name],
gegen
[Name],
BeklagterProzessbevollmächtigte: [Name],
wegen Urheberrechten
hat das Amtsgericht Saarbrücken durch [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 07.12.2016
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerseite.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerseite kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 Prozent des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagtenseite leistete zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.Tatbestand
1.
Die Parteien streiten um Kostenerstattung und Schadensersatz aus einer Urheberrechtsverletzung.
Die Klägerin ist Herausgeberin und Vertreiberin von Unterhaltungsmedien.
Die Klägerin mahnte die Beklagtenpartei mit anwaltlichem Schreiben wegen unberechtigter Nutzung des Computerspiels „Dead Island“ im Wege des BitTorrent Filesharing ab, forderte die Beklagtenpartei zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungsverpflichtung auf sowie zur Leistung von Schadensersatz und zur Erstattung der ihr entstandenen Anwaltskosten.
Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten gaben eine entsprechende Unterlassungserklärung ab.
Die Klägerin macht folgende Gebühren geltend: 859,80 EUR aus einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR berechnet nach einer 1,3 Geschäftsgebühr nach VV RVG Nummer 2300 zzgl. einer Pauschale für Post und Telekommunikation.
Weiterhin mach die Klägerin € 640,20 Teilschadenersatz geltend.
2.
Die Klägerin behauptet, sie sei zur Rechtsverfolgung bezüglich des genannten Spiels aktiv legitimiert. Sie habe von der Fa. Techland Spzoo, Polen, („Techland“) der Entwicklerin des Spiels, die Vertriebsrechte erworben.
In dem Vertrag vom 10.11.2008 (original in englisch) heiße es im Unterabschnitt b), dass Techland der Klägerin die exklusiven und unbeschränkten Nutzungs-.und Verwertungsrechte am Produkte im Vertriebsgebiet einräume … Deutschland sei davon erfasst. Die Laufzeit betrage zunächst 10 Jahre.
Unter dem Stichwort „Deefinitions“, dort „Exclusivity“ heiße es indes: „If any third person uses or claims the rights transferred, Koch is obliged to inform Techland immediately after getting knowledge of this. Techland will undertake all legal and actual steps in order to impede the violation of rights.“, also übersetzt: „Wenn eine dritte Person die übertragenen Rechte nutzt oder beansprucht, ist [die Klägerin) verpflichtet unmittelbar nach Kenntniserlangung davon Techland zu informieren. Techland wird dann alle rechtlichen und tatsächlichen Schritte unternehmen um die Verletzung von Rechten zu verhindern.“
Die Klägerin ist der Ansicht, dieser Vertrag gewähre ihr die hier geltend gemachten Rechte.
Die Klägerin behauptet weiter, über die Internetadresse des Beklagten sei das gegenständliche Spiel im Rahmen einer BitTorrent Börse zwischen dem 29.09.2012 und dem 17.10.2012 zu zahlreichen, in der Klage aufgelisteten Zeitpunkten zum Download angeboten worden. Der Beklagte sei der Täter dieser Urheberrechtsverletzung. Die Firma Excipio UG habe die oben ersichtlichen Daten protokolliert, daraus seien die genauen Zeiten und der Gegenstand der Vertragsverletzung sowie die IP-Adresse, von der die Verletzung ausgegangen sei, erkennbar. Das Landgericht Köln habe dem Internetprovider der Beklagtenpartei die Sicherung und Auskunft der Verkehrsdaten zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs der Klägerin gemäß § 101 Abs. 9 Urheberrechtsgesetz aufgegeben. Der Internetprovider habe nach Erlass der Gestattungsanordnung die vorstehenden Datensätze dem Internetanschluss der Beklagtenpartei zugeordnet.
Weiter hält sie eine fiktive Lizenzgebühr für die weltweiten und zeitlich unbeschränkten Onlinenutzungsrechte in Höhe von wenigstens 640,20 € für angemessen. Das Spiel sei äußert erfolgreich gewesen.
Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin Anwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit 18.12.2012 zu zahlen.
2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Teil-Schadensersatz i.H.v. 640,20 EUR zu zahlen zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit 18.12.2012.
3. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.Wegen ihres Vortrags wird auf die Schriftsätze verwiesen.
Das Gericht hat mündlich verhandelt, den Beklagten informatorisch angehört. Es hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Aktivlegitimation seiner Ansicht nach nicht bestehe. Die Klägerseite hat Zeugenbeweis dafür angeboten, dass der Vertrag so wie von ihr gewünscht auszulegen sei. Eine weitere Stellungnahmefrist zum 11.01.2017 hat sie indes nicht mehr genutzt.
Auf die gewechselten Schriftsätze und insbesondere den Wortlaut des als Anlage vorgelegten Vertrages wird Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig aber unbegründet.
1.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz aus Urheberrecht. Sie hat ihre Aktivlegitimation nicht dargetan.
Nach dem von ihr vorgelegten Vertrag wurde ihr das Recht zur Verfolgung von Verletzungen des Urheberrechts mit rechtlichen Mitteln gerade nicht eingeräumt.
Dies ergibt sich aus einer Auslegung des Vertrags von 2008 zwischen Techland und der Klägerin.
Zwar hat Techland, die von der Klägerin behauptete Entwicklungsgesellschaft, in dem vorgelegten Vertrag die Klägerin berechtigt, das Computerspiel „Dead Island“ unter allen kommerziellen Gesichtspunkten zu vermarkten. Der Klägerin wurden nach dem Wortlaut des Vertrages hierfür in der bis 2018 laufenden Vertragszeit und für das Vertragsgebiet, das die Bundesrepublik erfasst, exklusiv alle Vertriebsrechte zur eigenen wirtschaftlichen Nutzung eingeräumt, dies auf allen relevanten Vertriebskanälen und auf allen Medien.
Indes erfasst diese Rechteinräumung gerade nicht das hier gegenständliche Recht, gegen Dritte, welche das Techland zustehende und an die Klägerin exklusiv lizenzierte Urheberrecht einräumen: Die im Tatbestand zitierte Klausel, nach der Techland, und nicht die Klägerin gegen jede Nutzung der Rechte durch Dritte vorzugehen hat, belegt eindeutig, dass der ursprünglichen Rechteinhaber selbst gegen unberechtigte Dritte vorzugehen hat. Das ergibt sich bereits eindeutig aus dem Wortlaut, nach dem die Klägerin Techland jede Nutzung des Rechts durch einen Dritten und jede Rechtsanmutung („claim“) desselben zu melden hat. Techland hat dann nach dem Vertrag gegen diese Nutzung vorzugehen.
Diese Klausel ist auch so zu verstehen, dass dies unter Ausschluss der lizenznehmenden Klägerin erfolgt. Denn anders ließe sich die Pflicht für die Klägerin, den Verstoß zu melden, nicht erklären. Der Vertrag sieht gerade einen Mechanismus für den Fall der Nutzung des Urheberrechts durch Dritte vor. Und dieser Mechanismus sieht gerade keine Rechtsverfolgung durch die Klägerin vor.
Der Vertrag lässt sich auch nicht mit einer Unterscheidung zwischen berechtigter und unberechtigter Nutzung durch Dritte erklären. Einmal ist der Wortlaut der Klausel insoweit völlig eindeutig, da er nicht zwischen berechtigter (also von Techland entgegen dem Vertrag mit der Klägerin) lizensierter und unberechtigter Nutzung der Rechte – damit kann nur das urheberrechtlich geschützte Werk gemeint sein – unterscheidet. Weiterhin macht die Klausel im weiteren auch nur Sinn, wenn sie nicht von Techland (unter Bruch des Vertrages mit Koch) lizenzierte Nutzung meint, denn Techland könnte ja gerade nicht gegen einen solchen Vertragspartner vorgehen. Die Klausel kann folglich nur den Fall erfassen, dass ein Dritter ohne Lizenz von Techland das Urheberrecht am Spiel nutzt. Das ist aber genau der gegenständliche Fall, in dem die Klägerin dem Beklagten die unberechtigte Nutzung des Spiels durch Verbreitung über Filesharing vorwirft.
Die Klausel macht auch nur so Sinn, da sie die Klägerin der Pflicht enthebt, selbst gegen solche Dritten vorzugehen. Sie kann sich „zurücklehnen“ und im Zweifel Techland in Anspruch nehmen, wenn Techland die Nutzung der Rechte durch Dritte nicht unterbindet.
Eine andere Auslegung des Vertrags ist mit dessen Wortlaut nicht vereinbar. Dies bedeutet, das nur Techland, nicht aber die Klägerin berechtigt ist, Dritte wie den Beklagten, die möglicherweise Filesharing mit dem gegenständlichen Spiel betreiben, vorzugehen.Urheberrecht ist zudem nach allgemeiner Meinung entsprechend einem allgemeinen Grundsatzes träge. Nur ausdrücklich übertragene oder lizensierte Rechte sind vom Rechtegeber daher auch tatsächlich übertragen oder lizenziert. Im Zweifel bleiben bestimmte Komponenten des Urheberrechts oder Rechte zu seiner Ausübung daher beim Urheber; Lizenzverträge sind entsprechend auszulegen.
Selbst wenn also die Klausel entgegen der obigen Ausführungen mehrdeutig in dem Sinne wäre, dass man ihr dem Wortlaut nach eine Berechtigung der Klägerin zum Vorgehen gegen Dritte wie den Beklagten entnehmen könnte, führte der Trägheitsgrundsatz dazu, den Vertrag so auszulegen, dass diese Rechte bei Techland verbleiben. Denn ausdrücklich räumt der Vertrag der Klägerin nirgends das Recht ein, gegen die illegale Nutzung der Rechte am Spiel vorzugehen.
Die von der Klägerin angebotenen Zeugen, z.B. der Justziar und Repräsentanten von Techland, waren daher nicht zu vernehmen. Denn die Klägerin behauptet keine mündlichen Nebenabreden zum Vertrag oder Ähnliches. Es liegt aber eine schriftliche Urkunde vor, die aus sich heraus auszulegen und deren Wortlaut eindeutig ist.
Ein schlagendes Indiz für die hiesige Argumentation ist zudem der Umstand, dass Techland offenbar nicht bereit war, der Klägerin für den hiesigen Fall eine gewillkürte Prozessstandschaft zu gewähren, wodurch die Klägerin des Problems der Auslegung des Vertrages enthoben worden wäre. Wäre der Vertrag auch von Techland so verstanden worden wie die Klägerin es vorgibt, wäre dies ein unproblematischer Vorgang.
2.
Die weiteren Ansprüche teilen das Schicksal der Hauptforderung.
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.
III.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711, 713 ZPO.
IV.
Der Streitwert beträgt für den Antrag Ziffer 1 859,80 EUR. Für den Antrag Ziffer 2 640,20 EUR, der Antrag Ziffer 3 ist im Antrag Ziffer 1 und 2 enthalten und rechtfertigt keine Erhöhung des Streitwertes.
Rechtsbehelfsbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Saarbrücken,
Franz-Josef-Röder-Straße 15,
66119 Saarbrücken.Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 € übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden. (…)
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AG Saarbrücken, Urteil vom 18.01.2017, Az. 121 C 316/16 (09)
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