Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies (München): Bundesgerichtshof in Sachen I ZR 64/17 – Keine Störerhaftung für Filesharing?

10:24 Uhr

Der Bundesgerichtshof verhandelt heute einen rechtlich interessanten Fall zum Filesharing (BGH I ZR 64/17). Die von der Kanzlei .rka Rechtsanwälte vertretene Klägerin Koch Media hält die Rechte an dem Computerspiel „Dead Island“. Dieses Spiel wurde am 06.01.2013 über den Internetanschluss des Beklagten in einer Tauschbörse illegal angeboten. Die Kanzlei rka hat den Beklagten hierfür abgemahnt und, ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und zur Zahlung von Anwaltskosten und Schadensersatz aufgefordert.

 

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Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies

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Bericht vom 21.06.2018

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https://www.new-media-law.net/bgh-i-zr-64-17-filesharing-stoererhaftung/

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Soweit entspricht der Fall der Üblichkeit in tausenden von .rka Rechtsanwälte Fällen. Der Beklagte allerdings hat weder gezahlt noch eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben.

Die Kanzlei .rka Rechtsanwälte ist nach unserer Kenntnis aktuell eine der wenigen Abmahnkanzleien, die bei Filesharing Abmahnungen nicht nur die Kosten einklagt, sondern immer wieder auch die wirtschaftlich betrachtet wesentlich teurere Klage auf Unterlassung auch gegen Verbraucher wie hier den Beklagten führt.

Doch in diesem Fall könnten .rka Rechtsanwälte und Koch Media eine empfindliche Niederlage erleiden, obwohl sie in den Vorinstanzen erfolgreich waren. Der Fall könnte zu einer ersten „Probe aufs Exempel“, wie effektiv die vom Gesetzgeber letztes Jahr beschlossene Abschaffung der Störerhaftung für WLAN Betreiber tatsächlich ist.

Denn der Beklagte hat sich damit verteidigt, selbst keine Rechtsverletzung begangen zu haben. Er betreibe unter seiner IP-Adresse fünf öffentlich zugängliche WLAN-Hotspots und zwei eingehende Kanäle aus dem TOR-Netzwerk („Tor-Exit-Node“).

Das Oberlandesgericht Düsseldorf als Berufungsgericht hatte noch geurteilt, der Beklagte hafte sowohl dann als Störer, wenn die Rechtsverletzung über einen vom Beklagten betriebenen offenen WLAN-Hotspot begangen worden sei, als auch dann, wenn die Rechtsverletzung über den ebenfalls vom Beklagten betriebenen Tor-Exit-Node geschehen sei. Der Beklagte habe es pflichtwidrig unterlassen, seinen Internetanschluss gegen die missbräuchliche Nutzung durch Dritte zu schützen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.03.2017 – 20 U 17/16).

 

Unsere Prognose wie der BGH entscheiden könnte:

In der Zwischenzeit hat allerdings der Gesetzgeber das Telemediengesetz geändert und wollte damit die Störerhaftung für WLAN Betreiber abschaffen. Normalerweise haben gesetzliche Regelungen zwar eigentlich keine rückwirkende Kraft. Beim Unterlassungsanspruch besteht aber die Besonderheit, dass die Wiederholungsgefahr auch noch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegen muss. Das hat etwa auch das Oberlandesgericht München in seiner kürzlich veröffentlichten Entscheidung zum Fall McFadden so beurteilt, der ebenfalls gerade dem Bundesgerichtshof per Revision zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Nach § 8 Abs. 1 TMG können Diensteanbieter nicht haftbar gemacht werden, wenn Dritte Personen rechtswidrige Handlungen auf ihren Netzen begehen, sie können insbesondere nicht auf Unterlassung verklagt werden. Das gilt nach § 8 Abs. 3 TMG jetzt insbesondere auch für WLAN Betreiber. Nach § 7 Abs. 4 TMG dürften dann lediglich vom verletzten Rechteinhaber in „zumutbaren Fällen“ Nutzungssperren verlangen. .rka Rechtsanwälte und Koch Media klagen allerdings auf Unterlassung.

Die Klage müsste somit eigentlich als unbegründet abgewiesen werden, soweit sie den Unterlassungsanspruch betrifft. Über das Ergebnis werden wird selbstredend weiter berichten.

 

Vorinstanzen:

LG Düsseldorf – Urteil vom 13.01.2016 – 12 O 101/15
OLG Düsseldorf – Urteil vom 16.03.2017 – 20 U 17/16

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