AW3P: Verteidigung gegen „Waldorf Frommer“-Klagen! Unmöglich?

13:27 Uhr

Anfänglich möchte ich klarstellen, dass das Geschriebene meine persönliche Meinung – basierend auf keine nachgewiesene studiert-juristische Qualifikation – darstellt, sowie dass ich – kein – Anwalt bin. Das heißt, das der Inhalt dieses Artikels richtig sein kann, aber genauso falsch. Nur gibt es spätestens Ende 2013, mit inkrafttreten des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken (BGBl 2013 I, 3714, kurz: „GguGpr“) und der höchstrichterlichen Rechtsprechung eine ersichtliche Tendenz in aktuellen Klageverfahren der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“. Sicherlich, wer jetzt sich abwendet und es als „Waldorf Frommer“ Werbeveranstaltung abtut, darauf habe ich keinerlei Einfluss.

Grundlagen meiner Einschätzungen – Gerichtsentscheidungen 2016

Natürlich bin ich mir im Klaren, das jede Seite nur die ihr dienlichen Entscheidungen (Verfügung, Beschluss, Urteil) im Internet veröffentlichen wird. Das bedeutet, es gibt weit mehr Gerichtsverfahren bundesweit zu Filesharing-Abmahnungen, wo man gewinnt, verliert, anerkennt, versäumt, außergerichtlich bzw. gerichtlich vergleicht, sowie die Instanzgerichte aufruft. Und ja, auch „Waldorf Frommer“ verlieren. Diese verlorenen Entscheidungen werde ich mit einem separaten „Grinsesmiley“ kennzeichnen. In nachfolgender datumsmäßig chronologischen Auflistung werde ich im Weiteren nicht on Detail eingehen, jeder kann selbst alle Entscheidungen nachlesen. Auch werde ich die aktuellen BGH-Entscheide (12.05.2016) weglassen, da noch kein Volltext vorliegt.

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AG Homburg, Urteil vom 23.11.2015, Az. 7 C 461/14 (18):
Bloßer Verweis auf Dritte genügt nicht den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44481#p44481

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AG Charlottenburg, Urteil vom 04.12.2015, Az. 206 C 387/15
Beklagte in voller Höhe verurteilt – Lizenzgebühr von 600,00 EUR nicht nur angemessen, sondern eher niedrig!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44481#p44481

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 AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.12.2015, Az. ?
Niederlage für Waldorf Frommer in Frankfurt – Familienvater haftet nicht trotz BGH: Tauschbörse III
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44524#p44524

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LG Berlin, Urteil vom 03.11.2015, Az. 15 S 5/15
Kein zweites Gestattungsverfahren gegen „Reseller“ erforderlich
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44527#p44527

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 AG Passau, Urteil vom 30.12.2015, Az. 15 C 582/15
Keine Haftung bei Zeugnisverweigerung der Kinder!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44538#p44538

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 AG Düsseldorf, Urt. v. 07.01.2016, Az. 13 C 30/15
Rechteinhaberschaft unklar!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44758#p44758

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AG Traunstein, Urteil vom 15.01.2016, Az. 314 C 522/15
Die pauschale Angabe der Zugriffsmöglichkeit anderer Haushaltsmitglieder reicht zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast jedenfalls nicht aus.
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44764#p44764

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AG Düsseldorf, Urteil vom 09.12.2015, Az. 10 C 84/15
Kein Beweisverwertungsverbot im Auskunftsverfahren
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44768#p44768

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AG Freiburg im Breisgau, Urteil vom 11.01.2016, Az. 6 C 2451/15
Rechtsverletzung lediglich pauschal bestritten
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44833#p44833

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AG Frankfurt am Main, Verfügung vom 20.01.2016, Az. 380 C 2570/14 (14)
Pauschaler Verweis auf Dritte reicht insbesondere im Lichte der jüngsten BGH-Entscheidungen nicht aus
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44833#p44833

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AG Traunstein, Urteil vom 01.02.2016, Az. 314 C 159/15
Kein Ausschluss der Anschlussinhaberhaftung in Filesharing-Verfahren bei bloß spekulativem Verweis auf mögliche Tatbegehung durch Dritte
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44885#p44885

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LG München I, Urteil vom 13.01.2016, Az. 21 S 1401/15
Landgericht München I hebt Vorinstanz in Tauschbörsenverfahren auf – Anschlussinhaber beharren auf gerichtlicher Klärung und müssen nach Unterliegen auch Sachverständigenkosten in Höhe von ca. 12.000,00 EUR zahlen
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44936#p44936

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AG Frankfurt am Main, Beschluss vom 02.02.2016, Az. 30 C 4218/15 (68)
Amtsgericht Frankfurt verschärft Anforderungen an die Vortragslast des Anschlussinhabers
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=44940#p44940

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 AG Charlottenburg, Urteil vom 18.02.2016, Az. 218 C 307/15
Keine Störerhaftung bei Wohngemeinschaft und LAN-Party
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45031#p45031

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 AG Frankfurt am Main, Urteil vom 26.02.2016, Az: 29 C 1395/15 (85)
Amtsgericht Frankfurt am Main weist Waldorf Frommer Klage ab
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45083#p45083

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 AG Leipzig, Urteil vom 16.06.2015, Az. 114 C 610/15
Berufung: LG Leipzig Berufung, Az. 05 S 372/15
Anschlussinhaber in einer Wohngemeinschaft haftet nicht automatisch für Urheberrechtsverletzungen durch Filesharing
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45095#p45095

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 AG Köln, Urteil vom 14.03.2016, Az. 148 C 326/15
Sony und Waldorf Frommer unterliegen vor dem Amtsgericht Köln
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45160#p45160

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LG München I, Urteil vom 17.02.2016, Az. 21 S 5929/15
Sachverständigengutachten belegt erneut die Fehlerfreiheit des „Peer-to-peer Forensic System“
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45188#p45188

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AG Frankfurt am Main, Urteil vom 17.02.2016, Az. 30 C 2838/15 (75)
Pauschaler Verweis auf Hacker verspricht keinen Erfolg!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45192#p45192

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AG Magdeburg, Urteil vom 29.03.2016, Az. 160 C 3370/15 (160)
Anschlussinhaber haftet für Rechtsverletzung, wenn Verantwortlichkeit eines Dritten weder ausreichend dargelegt, noch unter Beweis gestellt wurde
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45201#p45201

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AG Charlottenburg, Urteil vom 22.03.2016, Az. 206 C 585/15
Das Amtsgericht Charlottenburg zur Haftung in Tauschbörsenverfahren bei unzureichender Darlegung eines alternativen Geschehensablaufs
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45209#p45209

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AG Charlottenburg, Urteil vom 10.03.2016, Az. 218 C 321/15
Vorlage einer bloßen schriftlichen Erklärung des behaupteten Verursachers verspricht keinen Erfolg!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45231#p45231
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AG Künzelsau, Verfügung vom 05.04.2016, Az. 1 C 294/15
Anschlussinhaber hat in Filesharing-Verfahren substantiiert zur Zugriffsmöglichkeit Dritter zum Tatzeitpunkt vorzutragen und zudem weiterreichende Nachforschungen innerhalb seiner Sphäre anzustrengen
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45250#p45250

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AG Nürtingen, Urteil vom 01.03.2016, Az. 10 C 2031/15
Bloßes Nachfragen bei Mitnutzern reicht nicht aus, um klägerische Ansprüche zu erschüttern
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45272#p45272

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AG Leipzig, Urteil vom 24.02.2016, Az. 102 C 3470/15
Beklagter hat Nachforschungspflichten nicht erfüllt und blieb für seinen Sachvortrag beweisfällig
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45281#p45281

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AG München, Urteil vom 04.02.2016, Az. 173 C 22251/15
Widersprüchlicher Vortrag und unterlassene Nachforschungen führen zu Verurteilung in Filesharingverfahren
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45283#p45283

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AG Potsdam, Urteil vom 07.04.2016, Az. 37 C 457/14
Eintrag der Klägerseite unter ‚Musicline.de‘ ausreichendes Indiz für Rechteinhaberschaft
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45289#p45289

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AG Magdeburg, Urteil vom 29.03.2016, Az. 160 C 3370/15 (160)
Bei illegalem Tauschbörsenangebot ist ein Gegenstandswert von 10.000,00 EUR und Schadenersatz von mindestens 450,00 EUR angemessen
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45320#p45320

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LG München I, Beschluss vom 22.02.2016, Az. 21 S 11700/14
Landgericht München I weist Gehörsrüge zurück – Beklagte ließ plausiblen Vortrag vermissen
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45327#p45327

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LG Berlin, Urteil vom 10.03.2016, Az. 16 S 31/15
sekundäre Darlegungslast durch bloßes Nachfragen nicht erfüllt – tatsächliche Vermutung einerseits und sekundäre Darlegungslast andererseits sind getrennt voneinander zu behandeln!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45367#p45367

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AG Rostock, Urteil vom 15.04.2016, Az. 49 C 618/14
Anschlussinhaber haftet vollumfänglich, wenn kein hinreichender Vortrag zur Täterschaft eines Dritten erbracht wurde!
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45436#p45436

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 LG Berlin, Urteil vom 15.03.2016, Az. 16 S 35/14
Ortsabwesenheit zum Tatzeitpunkt lässt Haftung entfallen
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45438#p45438

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LG Potsdam, Urteil vom 04.05.2016, Az. 2 S 23/15
Tatsächliche Vermutung auch im Falle einer gemeinsamen Inhaberschaft eines Anschlusses.
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45443#p45443

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AG München, Urteil vom 13.04.2016, Az. 262 C 23085/13
Bloßer Verweis auf einen „Hacker“ reicht nicht aus
http://abmahnwahn-dreipage.de/forum/viewtopic.php?p=45455#p45455

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Randbemerkungen

Jede Einschätzung liegt im Auge des jeweiligen Betrachters und deren Qualifikation, Kompetenz und Motivation. Das heißt, diese Einschätzung ist subjektiv, da man immer – egal ob man unparteiisch sein möchte und sachlich (objektiv) – aus einer persönlichen Sichtweise heraus einen gewissen Sachverhalt betrachtet. Natürlich ist der polemische Ruf zum Beispiel auf einem renommierten Anwalts-Blog nach bajuwarischen bzw. preußischen Rechtsmissbrauch, Nichtbeachtung der Menschenrechte und des Grundgesetzes, inkompetenten Richtern oder in einem Forum nach Betrug, Abzocke, Klüngel und geistig völlig umnachteten Richtern wohl auch in einer gewissen Art und Weise eine persönliche Sichtweise. Sicherlich. Wichtig aber kommt die jeweilige Sichtweise der Realität nahe und nützt diese einen Beklagten. Dieses zu entscheiden und zu beantworten, liegt dann bei jedem allein.

AW3P: Verteidigung gegen Waldorf Frommer Klagen!

Warum überhaupt diese Einschätzung? Spätestens seit inkrafttreten des GguGpr Ende 2013 wird eines deutlich. Die jährlich zahlenmäßig versendeten Abmahnungen wegen einer UrhR-Verletzung über ein P2P-Netzwerk sind spürbar rückläufig. Es kristallisiert sich immer weiter heraus, dass wir 2016 von nur noch 1 „Großabmahner“ sprechen (Waldorf Frommer; versendet Abmahnungen in großer Anzahl) und mehreren „Einzelabmahnern“ (.rka, Fareds, Daniel Sebastian, Y. Sarwari, Schutt & Waetke usw.; versenden Abmahnungen in geringer Anzahl oder nur sporadisch). Klagewellen wie 2013/2014 der Kanzlei „BaumgartenBrandt“ wird es nicht mehr geben so geben. Das heißt, zukünftig wird man sich – hauptsächlich – auch nur mit Klageverfahren der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ beschäftigen, die den Löwenanteil bilden werden. Und die Qualität der Kläger (allgemein) ist aktuell eine ganz andere, wie noch 2013/2104. Im Grundsatz stehen jetzt hinter dem Kläger Rechteinhaber mit einem großen wirtschaftlichen Hintergrund, Werken aktueller Kino-, Hörbuch- und Musikcharts sowie Prozessbevollmächtigten, die ihr anwaltliches Handwerk verstehen. Natürlich bestehen auch hier unterschiedliche Sichtweisen, aber diese ist nun einmal meine.

1. Grundlagen

Dogmatische BGH-2 Säulen-Verteidigung: Tatsächliche Vermutung und sekundäre Darlegungslast

I. Tatsächliche Vermutung der Verantwortlichkeit des Anschlussinhabers

Grundlage: Vermutung bzw. Anscheinsbeweis!

– wenn Anschlussinhaber selbst nicht der Täter muss er seiner – vermutete – Verantwortlichkeit für den Vorwurf entkräften

Definition Anscheinsbeweis
»Annahme eines typischen bzw. der Lebenserfahrung entsprechenden Geschehensablaufs, wonach in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt oder jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft – bewusst und alleine – kontrolliert«

Beachte
Wird mittels Sachvortrag die Vermutungsgrundlage beseitigt, entfällt diese Vermutung. Regelmäßig höchstrichterlich dann, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung
a) nicht hinreichend gesichert war
b) bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde

Das heißt
a) der Anschlussinhaber muss seine eigene Täterschaft bestreiten und zugleich Tatsachen und Umstände darlegen, wonach zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen seinen Internetanschluss benutzen konnten und als möglicher Täter infrage kommen könnten, oder das sein Internetanschluss nicht hinreichend gesichert war
b) wird die tatsächliche Vermutung vom Anschlussinhaber nicht entkräftet, hat dies zur Folge, dass der Anschlussinhaber verantwortlich für die Rechtsverletzung gemacht werden kann und somit als Täter haftbar (verschuldensunabhängig)

Hinweis
a) in einem sog. Single-Haushalt oder bei fehlenden Mitnutzern i.V.m. einem hinreichend gesicherten Internetanschluss wird der Anscheinsbeweis bestehen bleiben.
b) In einem Haushalt mit mehreren Anschlussinhabern ist die tatsächliche Vermutung nicht automatisch entkräftet
c) es gilt der vertragliche Anschlussinhaber

II. Sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers

Grundlage: Bewältigung von Wissens-, Wahrnehmungs- sowie Informationsdefiziten i.V.m. Substantiierung

– kein typischer Geschehensablauf (typischen Lebenssachverhalt) ausreichend
– die konkreten Umstände der Tat entziehen sich dem Wahrnehmungsbereich der beweisbelasteten Partei (Kläger) ;
– der Gegner der beweisbelasteten Partei (Anschlussinhaber) hat – allein – über die die Kenntnisse über Tatumstände und kann sich die sich Kenntnisse über Tatumstände mit – zumutbarem – Aufwand verschaffen

Beachte
Unabhängig von der tatsächlichen Vermutung!

Das heißt,
a) Beweislast bleibt beim Kläger; der Anschlussinhaber muss nicht beweisen, das er nicht verantwortlich für den Vorwurf ist
b) bei Mitnutzer ist ein pauschaler Sachvortrag zur theoretischen Möglichkeit,
aa) des Internetzugriffs
ab) eines Tauschbörsenbesuches
– nicht – ausreichend
c) es kommt – konkret – auf die Situation am Internetzugang zum Vorwurf an;
d) kommt der Anschlussinhaber der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nach, ist sein Vortrag unbeachtlich und er muss die von der beweisbelasteten Partei vorgetragenen Tatsachen – auch wenn diese nicht bewiesenen sind – im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO, als zugestanden gegen sich gelten lassen;
e) Kommt der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast nach, ist es wieder an den Kläger, darzulegen und vor allem zu beweisen, wer der wahre Täter ist

AW3P Leseempfehlung:
a) ZUM 2014, Heft 8/9, Rechtsprechung, S.710 ff.
„Christian Weber (Frankfurt am Main): Anmerkung zu BGH Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 – „BearShare“: Störerhaftung, tatsächliche Vermutung und sekundäre Darlegungslast beim Filesharing“
b) ZUM 2016, Heft 4, Rechtsprechung, S. 380 ff.
„Weber, Christian/Dombrowski, Jörg: sekundäre Darlegungslast und Anscheinsbeweis beim Filesharing – zugleich Anmerkung zu BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 Tauschbörse III“
c) Rechtsanwälte Knies & Albrecht, New-Media-Law.net, Online-Aufsatz
„Dr. Bernhard Knies: Sekundäre Darlegungslast und tatsächliche Vermutung“

Richterliche Anforderungen

a) Absicherung der internetfähigen Endgeräte gegenüber unbefugten Zugriffen (befugte / unbefugte Dritte)
=> Antivirus, Firewall, eigenes Benutzerkonto mit eingeschränkten Rechten, Port-Sperrung, sicheres Passwort usw.
b) Art und Umfang der Absicherung des WLAN-Anschlusses gegenüber Eingriffen unbefugter Dritter
=> Werkseitige (ausgelieferte) Passwörter sind mit Einrichtung des Netzwerkes
aa) zu ändern
ab) periodisch zu wechseln
ac) immer abwechslungsreich und schwierig zu wählen (alphanumerisch: im engeren Sinne entweder ein Buchstabe oder eine Ziffer. Im weiteren Sinne ist es eine Ziffer, ein Buchstabe oder ein Sonderzeichen (z.B. Punkt, Komma, Klammern)) sowie
ad) der AI muss dieses Passwort auswendig kennen und den Nachweis (Zettel, Ausdruck) über das aufgeschriebene Passwort erbringen
c) Benennung der konkreten Zugriffsberechtigten im fraglichen (Tat-) Zeitraum
=> mit Name, Alter, Verhältnis zum Anschlussinhaber + Anschrift
=> Hatten diese Benannten auch – tatsächlich – zum Tatzeitpunkt / Tatzeitpunkten Zugang
=> bei minderjährige Mitnutzer ist Voraussetzung:
aa) Vorlage Einsichtsfähigkeit
ab) Belehrung Internetnutzung
ac) Verbot von P2P
ad) keine vorliegende Kenntnis
=> denklogisch: War niemand zu Hause, kommt keiner als Täter infrage – wer dann!?
d) Art und Anzahl der PCs bzw. internetfähigen Endgeräte im Haushalt
=> Wer benutzt welches internetfähige Endgerät
=> befindet sich die benannte Tauschbörsensoftware
=> befindet sich der Streitgegenstand auf irgendein internetfähiges Endgerät
e) Nutzungsverhalten der Zugriffsberechtigten
=> sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu installieren
=> sind diese in der Lage eine Tauschbörsensoftware zu (be-) nutzen
=> Vorlieben in puncto Musik, Filme oder Games – insbesondere gegenüber dem Streitgegenstand
f) Umfang der Nachforschungen bei den Zugriffsberechtigten in Form von Befragung
=> Ergebnis – schriftlich – dokumentieren
=> wie reagierte der / die Befragte/n auf den „Vorwurf“ der Begehung der Tat?
aa) reagierte dieser „komisch“ / widersprüchlich / lange nachdenkend / kooperativ usw.
=> Onlineaktivität zum Tatzeitpunkt im Verlauf des Betriebssystems des jeweiligen Rechners (Browserverlauf, Cache usw.)
=> bei Einräumen des Vorwurfs innerhalb der Befragung (beachte: dieses ist im Grundsatz vorab anwaltlich zu besprechen!)
aa) mit Kenntnis eines Urheberrechts-Verstoßes werden gesteigerte Prüfpflichten notwendig
aaa) Belehrung Internetnutzung
aab) Verbot von P2P
aac) detaillierte Befragung des Täters zum Vorgang
aad) Kontrolle der internetfähigen Endgeräte nach P2P-Dateien bzw. dem Tauschbörsenprogramm zum Vorgang eines Down- bzw. Uploads
aae) notfalls Sanktionen (bei Uneinsichtigkeit, wie dokumentierte Kontrollen und Verbote)

Hinweis:
1) diese richterlichen Anforderungen aus diversen Gerichtsverfahren (AG, LG, OLG) wurden von mir zusammengefasst
2) können von Gerichtsstandort zu Gerichtsstandort bzw. innerhalb eines Gerichtsstandortes unterschiedlich hoch oder gering gestellt werden
3) wurden in dieser kompakten Form vom BGH nicht bestätigt
4) deren Sinn oder Unsinn – unserer Meinung nach – ist dabei unbeachtlich

2. Ablauf der Verteidigung

Wichtig:
a) mit Erhalt einer Verfügung zur Durchführung eines Zivilverfahren (mit beinhalteter Klageschrift bzw. Anspruchsbegründung = Klageschrift im Mahnverfahren) muss ein „Anwalt seines Vertrauens“ beauftragt werden
=> von einer Eigenverteidigung oder Zuhilfenahme von anonymen „Foren-Experten“ ist abzuraten!
aa) ein anonymer „Foren-Experten“ wird niemals in einem Urteil erscheinender Prozessbevollmächtigter sein
=> ab Landgericht herrscht Anwaltspflicht
ab) alles, was nicht bestritten wird, gilt als eingestanden
b) eine Verteidigung richtet sich im Wesentlichen aus 2 Teile
aa) naturwissenschaftlichen Teil
ab) juristischen Teil

Naturwissenschaftlicher Teil

1) Beweiskette
a) IP-Ermittlung
b) IP-Übermittlung/-Übertragung
c) IP-Beauskunftung (§ 101 IX UrhG)
aa) IP-Übermittlung/-Übertragung
ab) IP-Zuordnung durch Provider
ac) IP-Beauskunftung Provider – Abmahner

2) Logfirma
a) verwendete Software
b) bestehende (Privat- / Gerichts-) Gutachten zur Software / IP-Ermittlung
c) eidesstattliche Erklärungen der den Logvorgangs überwachenden Mitarbeiters der Logfirma
d) Technische Daten des Logs (Hashwert, IP-Adresse, Datum)

3) internetfähige Endgeräte
a) Absicherung (Hardware / Software)
b) vorhandene/nichtvorhandene P2P-Software bzw. -Client
c) vorhandener/nichtvorhandener Streitgegenstand

Juristischer Teil

a) Rüge der örtlichen Zuständigkeit
Beachte:
aa) mit Inkrafttreten des GguGpr (09.10.2013) wurde der „fliegende Gerichtsstand“ abgeschafft
ab) siehe hierzu §§ 104a, 105 UrhG
b) Aktivlegitimation
Hinweis:
aa) Ist der Kläger berechtigt, verfügt er über die notwendige Rechte abzumahnen und zu Klagen
c) substantiierter Sachvortrag zu den Vorwürfen
Hinweis: Detailliertheit eines Vortrages
d) Passivlegitimation/Beweislastverteilung
aa) Beweiskraft
e) Entkräftung Störerhaftung
f) Entkräftung Täterschaft bzw. Teilnahme
g) Anwaltskosten
h) Sonstiges

Grundsätze:
1) Gleichheitsprinzip:
Jede Partei (Kläger/Beklagter) beweise, was ihm zum Vorteil gereicht und seinen Anspruch stützt oder den gegnerischen Anspruch hindert
2) Behauptung ist ein Tatsachenvortrag.
Dieser muss bewiesen werden. Der Beweis ist erbracht, wenn die behauptete Tatsache zur Überzeugung des Gerichtes feststeht.
3) Tatsachenbehauptungen der Klägerseite, die der Beklagte nicht bestreitet, gelten als zugestanden und werden vom Gericht als „wahr“ unterstellt.

Was gilt bei Waldorf Frommer?

Natürlich ist dieses meine persönliche Meinung. Dieser Artikel soll zu einer umfassenden Diskussion anregen, zumindest zu einem Überdenken. Natürlich kann jetzt ein studierter und zugelassener Anwalt diesen Inhalt mit einem müden Lächeln quittieren, etwas verneinen oder ergänzen; natürlich kann auch ein „Foren-Experte“ einen widerstreitenden Standpunkt vertreten oder etwas einmal sachdienlich ergänzen. Natürlich kann man auch schweigen, wie der Großteil.

Steffens Meinung

Meines Erachtens werden – insbesondere bei Waldorf Frommer – bestimmt Defizite deutlich. Und nein, diese meine ureigene Meinung dient als weiterführende Kritik und nicht als öffentlicher Pranger oder der Lächerlichmachung von irgendjemanden.

1. Unterschätzung des Klägers

a) hinter der Münchner Kanzlei stehen (seriöse) Kläger mit hohen wirtschaftlichen Interessen und Potenzial
b) Abmahnende Kanzlei verfügt über jahrelange Gerichtserfahrung zu Filesharing-Klagen
aa) Qualifikation / Weiterbildung
ab) umfangreiche Urteilsdatenbank

2. Überschätzung der eigenen Qualifikation

a) in keinem anderen Bereich des Zivilrechts, wird sich an Amtsgerichten allein, das heißt, mit ohne Anwalt verteidigt – ohne praktischen sowie juristischen Kenntnissen und Klageerfahrung zum Urheberrecht / Filesharing-Verfahren
aa) fehlende Kenntnis zum Ablauf (Fristwahrung, Erwiderung, Ablauf usw.)
ab) Überheblichkeit betreffs Jura
b) man denkt, das man den eigenen Anwalt oder Richter aufzeigt / aufdiktiert was Sache ist!
c) Herr über alles, was sein könnte und nicht wie es tatsächlich war!
d) Anwälte mit fehlender Sachkompetenz / Erfahrung zum Urheberrecht / Ablauf eines Filesharing-Verfahren
e) wichtiger Unterpunkt – widersprüchlicher Sachvortrag / Zeugenaussagen, Anpassung dieser nach Gerichtshinweisen bzw. neuer Sachvortrag z.B. vor dem Berufungsgericht im Gegensatz vor dem Erstgericht

3. Fehlende Grundlagen

Es werden die Grundlagen (siehe Punkt zu „1. Grundlagen“) entweder nicht beherrscht oder nicht beachtet. Punkt. Bei aktuellen Klagen der Kanzlei „Waldorf Frommer Rechtsanwälte“ macht es mit fehlenden Beweisen einer fehlerhaften IP-Ermittlung (Ermittlung, Übertragung, Zuordnung, Beauskunftung, Logfirma (Software, Funktion)) wenig Sinn den Hauptteil seiner Verteidigung auf den naturwissenschaftlichen Teil seiner Verteidigung zu legen, sprich die IP-Ermittlung anzugreifen. Es bestehen hierzu einfach schon eine große Anzahl von gerichtlichen Gutachten, die Beklagte zahlten, die anderer Meinung waren.

Weiterführende Links hinsichtlich Urteil mit Sachverständigen-Gutachten:

LG München, Az. 21 S 2043/15
LG München, Az. 21 S 1401/15
LG München, Az. 21 S 5929/15
LG München, Az. 21 S 21719/14
LG München, Az. 21 S 15609/14
AG München, Az. 155 C 27136/12
AG München, Az. 142 C 17300/12
AG München, Az. 161 C 8756/11
AG München, Az. 111 C 30105/12
AG München, Az. 171 C 22116/13
AG München, Az. 171 C 22117/13

Natürlich, wer konkrete Beweise – keine hochtechnischen Spekulationen oder Foren-Fantastereien – besitzt, dass die IP-Ermittlung fehlerhaft ist, der sollte es auf ein Gutachten ankommen lassen. Die möglichen juristischen und wirtschaftlichen Folgen / Risiken bei einem Fehlschlag sollten aber vorher anwaltlich geprüft werden, genau wie die mögliche anwaltliche Haftung.

Fazit

Sicherlich kann ich aus Gründen des Einzelfalls und der unerlaubten Rechtsberatung heraus nicht sagen: „Beklagter, erhältst Du eine WF-Klageschrift, musst Du Folgendes machen: 1., 2. 3., … 1001, um zu obsiegen.“ Dies wäre unseriös und ich bin auch gar nicht dazu in der Lage. Ausrufezeichen. Aber ich kann mit der Auflistung der bekannten Gerichtsentscheidungen – und der Aufforderung zum Studium und Analyse – und Grundlagen (siehe Punkt zu „1. Grundlagen“) zur umfassenden Diskussion – zumindest zum Nachdenken – anregen.

Natürlich ist der polemische Ruf zum Beispiel auf einem renommierten Anwalts-Blog nach bajuwarischen bzw. preußischen Rechtsmissbrauch, Nichtbeachtung der Menschenrechte und des Grundgesetzes, unkompetenten Richtern, nervende und überhebliche WF-Anwälten oder in einem Forum nach Betrug, Abzocke, Klüngel und geistig völlig umnachteten Richtern wohl auch in einer gewissen Art und Weise einer Defizit-Vertuschung (bzw. Entschuldigung).

Nur wer zahlt letztendlich den Preis? Diese Antwort sollte man wissen. Niemals der Ratgeber, der Blogger, der Anwalt sondern allein der Beklagte.

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Steffen Heintsch für AW3P

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