WALDORF FROMMER: Tauschbörsen nutzt man nicht unbewusst – Anschlussinhaber haftet vollumfänglich

21:41 Uhr

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot eines urheberrechtlich geschützten Filmwerkes

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Bericht

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Urteil als PDF:
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Autorin:
Rechtsanwältin Anna Zimmermann

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Das Amtsgericht Nürnberg hat den Inhaber eines Internetanschlusses zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 600,00 EUR für das öffentliche Zugänglichmachen eines Filmes in einer Tauschbörse sowie zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR verurteilt. Darüber hinaus hat der Beklagte sämtliche Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Im Rahmen seiner Verteidigung hatte der Beklagte vorgetragen, seinen Internetanschluss weiteren Familienangehörigen zur Nutzung überlassen zu haben, so dass diese zum Verletzungszeitpunkt selbstständigen und uneingeschränkten Zugang zum Internet gehabt hätten. Während die Tochter als Täterin der Rechtsverletzung ausgeschlossen werden konnte, hat der Beklagte zu seiner Ehefrau vorgetragen, dass diese des Öfteren Tauschbörsen nutze, sich aber nicht erinnern könne, den streitgegenständlichen Film herunter geladen und dementsprechend gleichzeitig in der Tauschbörse zum Abruf angeboten zu haben.

Die Klägerin hat der Ehefrau nicht nur den Streit verkündet, sondern sie auch als Zeugin dafür angeboten, dass sie die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen hat.

Im Rahmen der Beweisaufnahme machte die Zeugin lediglich vage Angaben und erklärte unter anderem, sich nicht erinnern zu können, gezielt nach dem streitgegenständlichen Film in einer Tauschbörse gesucht zu haben. Auch habe sie keine Tauschbörsensoftware bewusst auf den von ihr genutzten Computern installiert.

Das Amtsgericht Nürnberg kam aufgrund des teils widersprüchlichen Vortrags des Beklagten zum Nutzungsverhalten seiner Ehefrau sowie deren Zeugenaussage zu dem Ergebnis, dass eine Täterschaft der Ehefrau auszuschließen ist und bejahte die täterschaftliche Haftung des Beklagten für die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung. Die Zeugin sei offensichtlich bemüht gewesen, nur möglichst vage Angaben zu ihrem tatsächlichen Nutzungsverhalten zu machen, so das erkennende Gericht. Da es nicht möglich sei, unbewusst ein Tauschbörsenprogramm zu installieren und einen bestimmten Film gewissermaßen aus Versehen herunterzuladen, scheide die Zeugin als Täterin aus.  Der Anschlussinhaber wurde daher antragsgemäß verurteilt.

 

Amtsgericht Nürnberg, Urteil vom 29.04.2016, Az. 238 C 9282/15

 

(…) erlässt das Amtsgericht Nürnberg durch die Richterin am Amtsgericht [Name] am 29 04.2016 auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2016 folgendes

 

Endurteil

 

1. Der Beklage wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 600,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 zu bezahlen.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 zu bezahlen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.106,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Urheberrechtsverletzung geltend.

Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte betreffend den Film [Name] in Deutschland. Am [Name] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr und am [Datum] zwischen [Uhrzeit] Uhr und [Uhrzeit] Uhr wurde über die IP-Adresse [IP] bzw. die IP-Adresse [IP] jeweils das vorgenannte Werk in einer auf dem „BitTorrent“-Protokoll basierenden Tauschbörse unentgeltlich zum Download angeboten. Die genannten IP-Adressen waren zu den jeweiligen Zeitpunkten dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen.

Mit Schreiben vom [Datum] wurde der Beklagte aufgrund der Urheberrechtsverletzung von der Klägerin abgemahnt und zugleich mit Fristsetzung aufgefordert, eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungsserklärung abzugeben sowie Schadensersatz in Höhe von zunächst 450,00 EUR und Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 506,00 EUR zu zahlen.

Mit Schreiben vom [Datum] gab der Beklagte daraufhin ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine Unterlassungserklärung ab, Zahlungen an die Klägerin erfolgten jedoch nicht.

Die Klägerin behauptet, dass davon auszugehen sei, dass der Beklagte als Anschlussinhaber die streitgegenständliche Rechtsverletzung persönlich begangen habe. Anhaltspunkte, die Zweifel an der Verantwortlichkeit des Beklagten begründen könnten, seien nicht ersichtlich bzw. nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden. Andere Personen, insbesondere die Ehefrau und die Tochter des Beklagten, hätten zu den Zeitpunkten der streitgegenständlichen Rechtsverletzung keine konkrete Zugriffsmöglichkeit auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt und die Rechtsverletzung nicht begangen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass ihr daher nach den Grundsätzen der Linzenzanalogie nunmehr ein Schadensersatz von nicht weniger als 600,00 EUR zustehe Daneben habe sie gegen den Beklagten auch einen Anspruch auf Ersatz der ihr durch die Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 506,00 EUR.

Die Klägerin beantragt daher,
den Beklagten zu verurteilen, einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 sowie 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 10.04.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Er behauptet, dass er die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung nicht begangen habe. Zum Tatzeitpunkt habe sowohl die Ehefrau des Beklagten, die Zeugin [Name] als auch seine minderjährige Tochter, die Zeugin [Name] uneingeschränkten und selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt.

Der Beklagte ist der Ansicht, dass er der ihm als Anschlussinhaber auferlegten sekundären Darlegungslast mit seinen Angaben entsprochen habe, weshalb für seine Täterschaft keine tatsächliche Vermutung mehr zu Gunsten der Klägerin spreche Daneben scheide aber auch eine Störerhaftung des Beklagten aus, da gegenüber -seiner Ehefrau keine anlasslosen Belehrungs- oder Überwachungspflichten bestünden, die er hätte verletzen können. Seine Tochter sei vor den streitgegenständlichen Tatzeitpunkten über die Rechtswidrigkeit von Internettauschbörsen belehrt und jedwede Nutzung verboten worden. Konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsverletzende Nutzung des Internetanschlusses durch sein Tochter hätten nicht vorgelegen.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin [Name]. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 01.04.2016 Bezug genommen. Die Klägerin hat der Zeugin [Name] mit Schriftsatz vom 04.02.2016, zugestellt am 18.02.2016, den Streit verkündet.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 05.02.2016 (Bl. 77/81 d. Akte) und vom 01.04.2016 (BI. 104/110 d. Akte) sowie die sonstigen Aktenteile Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist zulässig und vollumfänglich begründet.

I.

Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht Nürnberg gemäß § 104a UrhG i.V.m. §§ 12, 13 ZPO ausschließlich örtlich zuständig.

II.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Zahlung von insgesamt 1.106,00 EUR aus einer Urheberrechtsverletzung gemäß §§ 97, 97a (a.F.) UrhG.

1.

Der Klägerin steht ein Anspruch auf die geltend gemachten Abmahnkosten in Höhe von 506,00 EUR aus § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG (a.F.) zu.

Es liegt eine berechtigte Abmahnung der Klägerin gegenüber dem Beklagten vor, denn die Klägerin hat gegen den Beklagten aufgrund der rechtswidrigen Urheberrechtsverletzung des Beklagten einen Anspruch auf Unterlassung gemäß § 97 Abs. 1 UrhG.

Der Inhalt des Abmahnschreibens vom [Datum] entspricht den grundlegenden Anforderungen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2011, Az. 1-20 W 132/11). Die Aktivlegitimation der Klägerin wurde von dem Beklagten nicht bestritten. Die Ermittlungen der Klägerin haben ergeben, dass die Datei mit dem Hashwert [Hash], die den Film [Name] beinhaltet, unter Verwendung eines „BitTorrent“-Clients am [Datum] und am [Datum] zu zwei verschiedenen Zeitpunkten zum Herunterladen über IP-Adressen bereitgehalten wurde, die dem Internetanschluss des Beklagten zuzuordnen waren Die Rechtsverletzung vom Anschluss des Beklagten wurde nicht in Abrede gestellt.

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind, weshalb es grundsätzlich zunächst ihre Sache ist, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az: I ZR 75/14).

Wird allerdings ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht die tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 12 05.2010, Az. I ZR 121/08), wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine andere Person diesen Internetanschluss benutzen konnte (BGH, Urteil vom 11 6.2015, Az: I ZR 75/14). Der Beklagte hat im vorliegenden Fall vorgetragen, dass er selber für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich sei. Zu den betreffenden Zeitpunkten habe aber nach seinen Angaben sowohl seine Ehefrau, die Zeugin [Name] als auch seine Tochter, die Zeugin [Name] uneingeschränkt und selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt. Von den Parteien wurde mittlerweile unstreitig gestellt, dass die Rechtsverletzung nicht von der Zeugin [Name] begangen wurde.

Eine die angeführte tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist aber dann anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst der anderen Person zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seine Prozessverfolgung benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin als Anspruchstellerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umständen darzulegen und nachzuweisen (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az: I ZR 75/14).

Der Beklagte, der nach eigenem Vortrag in der IT-Branche arbeitet, gab auf Nachfrage des Gerichts an, dass das betreffende „WLAN“ mit WPA2 verschlüsselt und durch ein individuell vergebenes 8- bis 12-stelliges Passwort, das aus einer Buchstaben-Zahlen-Sonderzeichen-Kombination bestanden habe, gesichert gewesen sei. Angesichts dieser Maßnahmen erscheint es dem Gericht fernliegend, dass ein unbefugter Dritter auf den WLAN-Access Point des Beklagten zugegriffen hat (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 1-6 U 10/13, 6 U 10/13).

Hinsichtlich seiner Ehefrau, der Zeugin [Name] teilte der Beklagte zunächst mit, dass diese uneingeschränkten und selbstständigen Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten habe und er vermute, dass diese für die Urheberrechtsverletzung verantwortlich sei. Nach Erhalt der Abmahnung habe er seine Ehefrau diesbezüglich befragt, diese habe jedoch die Tat nicht zugegeben. Auf eine erneute Nachfrage habe die Zeugin [Name] dann bestätigt, Tauschbörsen genutzt zu haben, könne sich aber nicht erinnern, den streitgegenständlichen Film angeboten bzw. heruntergeladen zu haben, da sie des öfteren Filesharing betrieben und die heruntergeladenen Dateien überhaupt nicht angesehen habe. Im weiteren Verlauf des Verfahrens gab der Beklagte dann an, dass, soweit er sich erinnere, seine Ehefrau bereits nach Zugang der Abmahnung ihm gegenüber angegeben habe, dass sie auf Tauschbörsen unterwegs sei, sich aber nicht erinnern könne, dass sie zum streitgegenständlichen Zeitpunkt auf einer solchen gewesen sei und den Film auch angesehen habe.

Die Zeugin [Name] selbst gab in ihrer uneidlichen Vernehmung im Termin am 01.04.2016 an, dass sie möglicherweise schon auf Tauschbörsen im Internet gewesen sei, konkrete Namen seien ihr diesbezüglich aber nicht in Erinnerung. Zum konkreten Zeitpunkt könne sie sich nicht erinnern, dass sie nach dem speziellen Film gesucht habe. Nach Erhalt der Abmahnung habe sie dem Beklagten auf dessen Nachfrage mitgeteilt, dass sie sich nicht erinnern könne, etwas herunter geladen zu haben. Auf Nachfrage des Gerichts gab die Zeugin dann an, dass sie nicht gezielt nach dem Film gesucht habe. Bewusst habe sie auch keine Tauschbörsen-Software auf den von ihr genutzten Rechnern installiert, sie wisse es aber nicht. Über Filme habe sie sich im Internet informiert, sie wisse aber nicht, ob sie schon einmal einen Film runtergeladen oder angeschaut habe. Zu den konkreten Tagen konnte die Zeugin nicht mehr sagen, ob sie konkret Zugriff auf das Internet gehabt habe. Auch konnte sie sich nicht erklären, warum von der Beklagtenseite vorgetragen wurde, dass sie Filme öfters runtergeladen und dann nicht angeschaut habe. Unbewusst habe sie schon mal Programme installiert, bewusst jedoch nur einmal ein Programm für ein Buch „als Reader“. Es könne auch gut sein, dass sie „mal etwas runterladen musste, um danach dann etwas ansehen zu können, und dass sich zuvor etwas geöffnet hat“, was sie dann habe bestätigen müssen.

Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall schon fraglich ist, ob der Beklagte, der seinen Vortrag im Laufe des Prozesses mehrfach angepasst hat, in ausreichendem Maße den ihm im Rahmen der sekundären Darlegungslast auferlegten Anforderungen überhaupt nachgekommen ist, ist jedenfalls das Gericht nach der durchgeführten Beweisaufnahme der Überzeugung, dass die Zeugin [Name] hier nicht ernsthaft als Täterin der streitgegenständlichen Rechtsverletzung in Betracht kommt. Zwar hat die Beklagtenseite vor der Verhandlung vorgetragen, dass die Zeugin Tauschbörsen genutzt und desöfteren Filesharing betrieben habe. Diesen Eindruck vermittelte die Zeugin dem Gericht in ihrer uneidlichen Vernehmung aber zu keinem Zeitpunkt in nachvollziehbarer Weise. Auf Nachfrage konnte sie weder konkrete Namen von Tauschbörsen nennen, noch sicher angeben, ob sie jemals einen Film aus dem Internet heruntergeladen habe. Dementsprechend konnte sich die Zeugin auch nicht erklären, wie die Beklagtenseite zu der vorgenannten Behauptung kommt. Die Zeugin war sonst offensichtlich bemüht, nur möglichst vage Angaben zu ihrem tatsächlichen Nutzungsverhalten zu machen. Das Gericht ist aber überzeugt, dass es der Zeugin nicht möglich gewesen ist, „unbewusst“ das hier in Frage kommende Tauschbörsenprogramm zu installieren oder zu nutzen und dann mehr oder weniger aus Versehen den streitgegenständlichen Film herunterzuladen, zumal die Zeugin selber angegeben hat, dass sie nicht gezielt nach diesem im Internet gesucht habe. Da die Ehefrau des Beklagten hier aber aus Sicht des Gerichts als Täterin damit ausscheidet und aus den oben angeführten Gründen auch keine anderen Personen unter Berücksichtigung des Vortrags des Beklagten hierfür in Betracht kommen, kann sich die Klägerin auf die dann geltende tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Anschlussinhabers, hier des Beklagten, berufen (OLG München, Urteil vom 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15).

Eine wirksame Einwilligung der Klägerin oder sonstige Lizenzierung lag nicht vor, so dass das mehrmalige Bereitstellen des Films [Name] zum Download über den Internetanschluss des Beklagten auch rechtswidrig war. Das Bestehen eines Unterlassungs- und Aufwendungsersatzanspruches ist unabhängig von einem etwaigen Verschulden. Die Wiederholungsgefahr wird vorliegend durch die mehrmalige Rechtsverletzung indiziert (LG Bielefeld, Urteil vom 04.03.2015, Az. 4 0 211/14).

Die Kappungsgrenze des § 97a UrhG (a.F.) kommt vorliegend nicht zur Anwendung. Zwar ist nach dem bisherigen Vortrag der Parteien davon auszugehen, dass der Beklagte erstmalig von der Klägerin abgemahnt wurde, es lag aber bereits keine unerheblicher Rechtsverletzung im Sinne der genannten Vorschrift vor. Hinzu kommt, dass ein Auskunftsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG zur Anschlussermittlung durchzuführen war und dem Anspruch eine komplexe Tatsachen-und Rechtsmaterie zugrunde liegt.

Der Höhe nach ist der von der Klägerin angenommene Gegenstandswert von 10.000,00 EUR für das öffentliche Zugänglichmachen eines Films in einer Internettauschbörse sowie die Geltendmachung einer 1,0 Gebühr zuzüglich Auslagenpauschale auch angemessen (LG München I, Urteil vom 05.09.2014, Az. 21 S 24208/13). Da die Neuregelung des § 97a Abs. 3 UrhG erst zum 09.10.2013 in Kraft getreten und im vorliegenden Fall die Abmahnung dem Beklagten noch vorher zugegangen ist, kam eine Berechnung der Abmahnkosten nach einem Gegenstandswert von 1.000,00 EUR hier nicht in Betracht (Beck0K / Reber, UrhG, 11 Ed., Stand: 01.01.2016, § 97a Rn. 1).

2.

Die Klägerin hat darüber hinaus auch einen Anspruch auf Ersatz des fiktiven Lizenzschadens gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.

Wie oben bereits dargelegt wurde, hat der Beklagte vorliegend die ausschließlichen Nutzungs- bzw. Verwertungsrechte der Klägerin verletzt. Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG setzt, anders als der Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG, zudem ein Verschulden des Beklagten gemäß § 276 BGB voraus. Dies ist hier aber gegeben, da der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts zumindest fahrlässig gehandelt hat. Wer fremde Werke nutzt oder verbreitet, muss sich grundsätzlich vorher auch über sein Recht zur Nutzung vergewissern (LG Bielefeld, Urteil vom 04.03.2015, Az. 4 0 211/14, m.w.N.). Im Urheberrecht gelten dabei generell hohe Sorgfaltsanforderungen, weshalb bereits leichte Fahrlässigkeit den Vorwurf einer Sorgfaltspflichtverletzung begründet. Dies gilt erst recht, wenn Filme unberechtigt zum Herunterladen im Internet verfügbar gemacht werden. Eine solche Verhaltensweise führt zu einer hochgradigen Gefährdung der Verwertungsrechte des Urhebers. Selbst wenn dem Beklagten nicht positiv bekannt gewesen sein sollte, dass er als Nutzer einer Tauschbörse die heruntergeladenen Dateien sogleich anbietet, oblag ihm zumindest die Pflicht, sich vor der Installation umfassend über die technische Ausgestaltung dieser Programme und deren Funktion zu vergewissern (LG Düsseldorf, Urteil vom 24 08.2011, Az. 12 0 177/10; LG Hamburg, Urteil vom 12.02.2014, Az. 308 0 227/13). Dass dies der Beklagte vorliegend getan hat, ist für das Gericht nicht ersichtlich, weshalb er den Film jedenfalls fahrlässig öffentlich zugänglich gemacht hat.

Der danach dem Grunde nach gegen den Beklagten gegebene Schadensersatzanspruch der Klägerin besteht in Höhe der geltend gemachten 600,00 EUR. Gibt es, wie im vorliegenden Fall, keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Gericht gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der von dem Geschädigten beizubringenden Schätzgrundlagen nur geringe Anforderungen zu stellen. Dem Gericht kommt zudem in den Grenzen eines freien Ermessens ein großer Spielraum zu (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. A 1 ZR 19/14).

Bei der Bemessung des angemessenen Lizenzschadens hat das Gericht berücksichtigt, welchen Betrag der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Nach der Rechtsprechung ist dafür zu ermitteln, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrags in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des konkreten Falls als angemessene Lizenzgebühr vereinbart hätten, wobei maßgebend der objektive Wert der Nutzungsberechtigung ist. Hierzu müssen alle relevanten Umstände des Einzelfalls in Betracht gezogen und umfassend gewürdigt werden (LG Köln, Urteil vom 30.11.2011, Az. 28 0 482/10). Im vorliegenden Fall hat der Beklagte in zwei Fällen den streitgegenständlichen Film kurz nach dessen Verkaufsstart auf DVD und damit innerhalb seiner relevanten Verwertungsphase zum kostenlosen Download über das Internet mittels eines Filesharing-Clients angeboten. Angesichts dessen erscheint es angemessen, den von der Klägerin geforderten Betrag von 600,00 EUR der gebotenen Schätzung des Gerichts zugrunde zu legen. Diese Höhe der Lizenzforderung erweist sich auch verglichen mit anderen Fällen als angemessen. Bereits für das kurzzeitige öffentliche Zugänglichmachen nur eines Musiktitels wird schon eine Lizenz in Höhe von 200,00 EUR für angemessen angesehen (Hans OLG Hamburg, Urteil vom 07.11.2013, Az. 5 U 222/10: OLG Köln, Urteil vom 23.03.2012, Az. 1-6 U 67/11, 6 U 67/11) und auch bereits für das einmalige öffentliche Anbieten eines Films ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 600,00 EUR (LG Bochum, Urteil vom 13.08.2015, Az 8 S 34/15).

III.

Der Zinsanspruch der Klägerin ergibt sich aus §§ 286, 288,291 BGB. Der Zinsbeginn wurde von der Beklagtenseite nicht in Abrede gestellt.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

 

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Nürnberg-Furth
Further Str. 110
90429 Nürnberg

einzulegen. (…)

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AG Nürnberg, Urteil vom 29.04.2016, Az. 238 C 9282/15

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