23:28 Uhr
Der Bundesgerichtshof hat in einem heute veröffentlichten Urteil entschieden, dass ein wegen Tauschbörsennutzung abgemahnter Anschlussinhaber nicht verpflichtet werden kann, den Computer seiner Familienmitglieder auf möglicherweise vorhandene Tauschbörsensoftware zu durchsuchen (BGH Az. I ZR 154/15 – Afterlife).
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Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.
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Bericht
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Falls der Anschlussinhaber keine Filme oder Musik getauscht hat, muss er nur nachweisen, wer sonst als potenzieller Täter in Betracht kommt. „Das ist ein weiterer Sieg und Meilenstein im Kampf gegen die Massenabmahnungen in Filesharing-Verfahren“, sagt der Kölner Medienanwalt Christian Solmecke, der das Verfahren für den Abgemahnten bis vor den BGH gebracht hat.
Anschlussinhaber ist nur zu zumutbaren Nachforschungen verpflichtet
Bis zu dieser Entscheidung war noch unklar, inwieweit der abgemahnte Internet-Anschlussinhaber zu Nachforschungen bezüglich der potenziellen Nutzung seines Anschlusses durch Dritte verpflichtet ist, um sich selbst zu entlasten. „Der BGH hat nun in seiner Entscheidung erfreulicherweise deutlich festgestellt, dass die Nachforschung lediglich auf einen möglichen Zugriff potenzieller Täter und deren Namen bezogen sind. Für Verheiratete ist es ausreichend, wenn sie dem Gericht mitteilen, dass der Ehepartner selbstständig Zugriff auf den Computer hatte. Weitergehende Nachforschungen sind dem Anschlussinhaber nicht zuzumuten“, erklärt Solmecke.
Anschlussinhaber muss nicht zu konkreter Internetnutzung des Ehegatten nachforschen
Seit dem BearShare Urteil (Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12 – BearShare) des Bundesgerichtshofs (BGH) steht fest, dass eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht besteht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere volljährige Familienmitglieder diesen Anschluss benutzen konnten. Nach Ansicht des BGH muss mitgeteilt werden, dass Dritte Zugriff hatten, wer diese Dritten sind und, dass sie als Täter in Betracht kommen. Um diese Informationen zu bekommen, seien jedoch nur zumutbare Nachforschungen anzustellen. In Fortführung der BearShare-Rechtsprechung bestätigte der 1. Zivilsenat des BGH nun also die Auffassung unserer Kanzlei, dass der Abgemahnte selbst nicht den Täter finden und diesen benennen muss.
Zwar ist der Anschlussinhaber verpflichtet, seinen eigenen Computer zu untersuchen und mitzuteilen, ob sich Filesharing-Software darauf befunden hat. Eine darüber hinausgehende Untersuchung des Ehegatten-Computers, insbesondere im Hinblick auf die Existenz von Filesharing-Software, ist dem Anschlussinhaber jedoch nicht zumutbar. Das dürfte auch dann gelten, wenn auf einem gemeinsamen Computer verschiedene passwortgeschützte Accounts existieren sollten. Auch Nachforschungen zu den Zugriffszeiten auf den Internetanschluss oder zu der Art der Internetnutzung des Ehegatten sind dem Anschlussinhaber nicht zumutbar. Fest steht nun auch, dass die vielfach von der Abmahnindustrie angeführte Transportrechtsentscheidung des BGH, die den Umfang von Nachforschungspflichten für Unternehmen feststeckt, nicht auf Privatpersonen übertragbar ist. „Der Abgemahnte muss seine Familienangehörigen also nicht wie ein Staatsanwalt verhören oder ihre Computer durchsuchen“, erklärt Solmecke. Dies ist weder mit Artikel 7 der EU-Grundrechtscharta noch mit Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar, machte das Gericht deutlich. Damit stellt der BGH die durch das Grundgesetz geschützte Familie, über die Rechte der Musikindustrie.
Ehefrau des Anschlussinhabers nutzte ebenfalls das W-LAN Netz
Im entschiedenen Fall wurde der Anschlussinhaber für den Tausch des Films „Resident Evil: Afterlife 3D“ durch den Rechteinhaber Constantin Film, vertreten durch die Münchner Kanzlei Waldorf Frommer, in Anspruch genommen. Dabei hatte auch seine Ehefrau Zugriff auf den Anschluss. Das Landgericht Braunschweig hatte die Ehefrau des Beklagten als Zeugin vernommen. Diese hatte ausgesagt, dass sie den Internetanschluss genutzt hat, allerdings den Film nicht zum Download bereitgestellt hat. Nach Ansicht des Gerichts handele es sich um eine Schutzbehauptung, da die Zeugin sich kaum selbst belasten würde. Somit hielt das Landgericht eine Täterschaft der Ehefrau nach wie vor für möglich, selbst wenn diese nicht abschließend fest stand. Der Beklagte hatte vorgetragen, dass er selbst zu den vorgetragenen Zeitpunkten des Downloads nicht zu Hause, sondern beruflich unterwegs war. Auf seinem Laptop, den er bei sich führte, befand sich keine Filesharing-Software. Weitere Nachforschungen hatte er nicht betrieben. Insbesondere hatte er den Computer der Ehefrau nicht auf Filesharing-Software hin untersucht. Das Gericht war von der Täterschaft des Beklagten nicht überzeugt und hat diesen nicht zur Zahlung verurteilt.
Die komplette Entscheidung kann hier im Volltext abgerufen werden:
Vorinstanzen:
AG Braunschweig, Urteil vom 27.08.2014, Az. 117 C 1049/14
Landgericht Braunschweig, Urteil vom 01.07.2015, Az. 117 C 1049/14
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BGH, Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15: Afterlife
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