10:56 Uhr
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LG Köln, Urteil vom 17.05.2918 – 14 S 4/17
(…) Vorinstanz:
Amtsgericht Köln – 137 C 170/16Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Köln vom 15.12.2016 – 137 C 170/16 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin macht Ansprüche gegen die Beklagte wegen unberechtigter öffentlicher Zugänglichmachung eines Pornofilmes im Rahmen eines Filesharing-Netzwerkes im Internet geltend. Sie begehrt Zahlung von Lizenzschadensersatz i.H.v. 600,00 EUR sowie Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 215,00 EUR, jeweils zuzüglich Zinsen. Zum Beleg ihrer Aktivlegitimation, der Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses, sowie zur Täterschaft des Beklagten hat die Klägerin jeweils Beweis durch Benennung von Zeugen angetreten.
Wegen der erstinstanzlichen tatsächlichen Feststellungen und der Einzelheiten der erstinstanzlichen Entscheidung wird auf das angefochtene Urteil vom 15.12.2016 Bl. 114 ff. GA, Bezug genommen, § 540 ZPO.
Das Amtsgericht Köln hat die Klage ohne Beweiserhebung abgewiesen. Das AG Köln hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klage sei unbegründet, weil der darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin der Nachweis einer Urheberverletzung nicht gelungen sei. Im Hinblick darauf, dass nur ein einziger angeblicher Verletzungszeitpunkt ermittelt worden sei, komme ein Ermittlungsfehler von vornherein ernsthaft in Betracht. Die angebotene Vernehmung der Zeugen sei nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlungen der Rechtsverletzung durch die eingesetzte Software „Y“ festzustellen, da sich dies nicht auf Grundlage der Wahrnehmung von Zeugen beurteilen lasse. Auch sei die Beauftragung eines Sachverständigen nicht geboten, da bei der Ermittlung eines einzigen Verletzungszeitpunkts Fehler auch bei einer grundsätzlich zuverlässigen Software nicht ohne weiteres mit erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könnten.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 02.01.2017 zugestellte Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen und vertritt insbesondere die Auffassung, dass das Amtsgericht verfahrensfehlerhaft die angebotenen Beweise nicht erhoben habe. Die Ansicht des Amtsgerichts, die Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen T sei nicht geeignet, die Zuverlässigkeit der Ermittlungen festzustellen, sei falsch und nicht in Einklang zu bringen mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 11.06.2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I. Der BGH habe klargestellt, dass der Beweis der korrekten Ermittlung durch Erläuterung des Ermittlungsvorgangs durch einen Mitarbeiter des Unternehmens geführt werden könne.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des am 15.12.2016 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Köln (Az. 137 C 170/16) die Beklagte zu verurteilen, an sie ein Schadenersatzbetrag i.H.v. 600,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (02.04.2016) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 215,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.Die Beklagte wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Hinsichtlich des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 19.10.2017 (Bl. 216 GA) durch Einvernahme des Zeugen T. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.03.2018 (Bl. 228 – 232 GA) verwiesen.
II.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Klägerin hat nicht zur Überzeugung des Gerichts zu beweisen vermocht, dass dem Beklagten die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung zur Last fällt, weshalb der Klägerin gegen den Beklagten weder ein Anspruch auf Zahlung von Lizenzschadensersatz gemäß §§ 97 Abs. 2 S. 3, 19a, 94, 95 UrhG noch ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren (§ 97 a Abs. 3 UrhG) zusteht.
1.
Zunächst zu Recht hat die Klägerin ihre Berufung darauf gestützt, dass das Verfahren des ersten Rechtszugs an wesentlichen Verfahrensmängeln litt, § 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO. Der von der Klägerin zur Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses angebotene Zeugenbeweis war zu erheben.
Soweit sich das Amtsgericht die Überzeugung gebildet hatte, dass der Klägerin der Nachweis einer Urheberverletzung des Beklagten nicht gelungen sei, beruhte diese Überzeugungsbildung auf einem wesentlichen Verfahrensfehler (§ 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO). Das Amtsgericht war zu Unrecht dem entscheidungserheblichen Beweisantritt der Klägerin für die Richtigkeit des von ihr behaupteten Ermittlungsergebnisses nicht nachgegangen.
Für die Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses hatte die Klägerin bereits in der Anspruchsbegründung die Einvernahme des Zeugen T zum Beweis der Behauptung angeboten, dass der streitgegenständliche Pornofilm von dem Anschluss des Beklagten im Rahmen einer Filesharing-Tauschbörse zum Download angeboten worden sei (Bl. 12 GA). Zur Zuverlässigkeit der zum Zweck der Ermittlung eingesetzten Software Y Version 1.0.0.0. hatte die Klägerin ein Gutachten des Dipl.-Ing. H vom 28.02.2013 vorgelegt (Anlage zum Schriftsatz der Klägerin vom 01.09.2016, Bl. 90 ff GA).
Der angebotene Zeugenbeweis zur Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses war zu erheben. Es stellt eine unzulässige Beweisantizipation dar, wenn ein angebotener Zeugenbeweis deshalb nicht erhoben wird, weil das Gericht dessen Bekundungen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst. Art. 103 Abs. 1 GG i.V.m. den Grundsätzen der Zivilprozessordnung gebietet die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge (BVerfG, NJW-RR 2001, 1006). Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots, die im Prozessrecht keine Stütze hat, verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG und stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar (vgl. BGH, Urteil vom 22.01.2016 – V ZR 196/14, juris).
Das Amtsgericht hat für den konkreten Fall nicht nachvollziehbar begründet, worauf es seine Überzeugung stützt, dass, unabhängig von dem Ergebnis einer Beweiserhebung durch Einvernahme des Zeugen T sowie gegebenenfalls Einholung eines Sachverständigengutachtens, die Richtigkeit des streitgegenständlichen Ermittlungsergebnisses nicht zu beweisen sei.
Konkrete Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit der Ermittlungen sind von dem Beklagten nicht vorgetragen und von dem Amtsgericht nicht aufgeführt worden, über die generelle Möglichkeit hinaus, dass Ermittlungsfehler auftreten könnten.
Entgegen der Ansicht des Amtsgerichts war der von der Klägerin angebotene Zeugenbeweis auch nicht von vornherein ungeeignet, zum Beweis der von der Klägerin vorgetragenen Tatsachen einer zutreffenden Ermittlung zu dienen. Zu Recht weist die Klägerin darauf hin, dass nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom11.06.2015 – I ZR 19/14 – Tauschbörse I) der Beweis der korrekten Ermittlung durch Erläuterung des Ermittlungsvorgangs durch einen Mitarbeiter des Unternehmens geführt werden kann. Dies entspricht der Erfahrung der erkennenden Kammer in einer Reihe gleich gelagerter Verfahren, in welchen die Kammer Beweis zur Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses durch Einvernahme von mit den Ermittlungsvorgängen betrauten Zeugen erhoben hat. In einer Reihe von Fällen haben die Zeugen, gestützt auf von ihnen anlässlich der Ermittlung gefertigte Unterlagen, zur Überzeugung der Kammer glaubhaft die Richtigkeit des jeweiligen Ermittlungsergebnisses bekundet (vgl. Urteile der erkennenden Kammer vom 08.06.2017 – 14 S 16/16 und vom 13.07.2017 – 14 S 101/15).
Die erkennende Kammer war gemäß § 538 Abs. 1 ZPO gehalten, selbst die notwendigen Beweise zu erheben und in der Sache zu entscheiden (vgl. BGH Urteil vom 02.03.2017 – VII ZR 154/15, juris).
2.
Die Berufung der Klägerin war zurückzuweisen, weil die Klägerin den ihr obliegenden Beweis einer Verletzung des ihr gemäß §§ 95, 94 Abs. 1, 19a UrhG zustehenden Rechts zur öffentlichen Zugänglichmachung des streitgegenständlichen Pornofilms von Seiten des Beklagten nicht erbracht hat.
Eine Behauptung ist bewiesen, wenn das Gericht von ihrer Wahrheit überzeugt ist, ohne dabei unerfüllbare Anforderungen zu stellen (BGH NJW 1998, 2969, zitiert nach juris Rn. 28). Hierfür genügt, da eine absolute Gewissheit nicht zu erreichen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, ein für das praktische Leben brauchbarer Grad von Gewissheit, der Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen (BGH, Urteil vom 16.04.2013 – VI ZR 44/12, juris Rn. 8 m.w.N.).
Welchen vorgetragenen Sachverhalt es als wahr oder nicht wahr erachtet, hat das Gericht auch ohne förmliche Beweisaufnahme unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen nach freier Überzeugung zu entscheiden (§ 286 ZPO). Ermittlungsvorgängen, die im Einzelnen schriftlich oder bildlich dokumentiert wurden, kommt dabei eine nicht unbeträchtliche Indizwirkung zu. Solche Berichte sind nicht allein deshalb, weil sie von einer Prozesspartei vorgelegt werden, als manipuliert und fehlerhaft anzusehen (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.04.2013, 6 U 93/13, juris Rn. 8).
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Klägerin den ihr obliegenden Beweis der Richtigkeit der behaupteten Ermittlungen nicht zur Überzeugung der Kammer zu führen vermocht, weil die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen zum Nachweis der Rechtsverletzung nicht ausreichend waren und die Aussage des hierzu von der Klägerin benannten Zeugen T zum konkreten Ermittlungsvorgang unergiebig war.
Zu den Ermittlungsvorgängen als solchen hat die Klägerin lediglich eine Excel-Datei, wie als Anlage Ast 1 zu dem Gestattungsverfahren LG Köln 203 O 116/15 eingereicht Anl. K3, Bl. 27f GA), vorgelegt sowie die Auskunft der Deutschen Telekom AG vom 24.11.2015 (Anl. K4f, Bl. 29f GA). Damit hat die Klägerin Unterlagen lediglich zum Ergebnis der Ermittlungen, nicht jedoch zu den einzelnen Ermittlungsschritten vorgelegt.
Zwar hat der Zeuge T die einzelnen, bei einer Ermittlung von Urheberrechtsverletzungen von dem Unternehmen cs electronic productions unter Einsatz der Ermittlungssoftware Y regelmäßig vollzogenen Schritte in sich stimmig, glaubhaft und nachvollziehbar bekundet. Jedoch konnte der Zeuge weder aus eigener Erinnerung, noch mittels Heranziehung gespeicherter bzw. archivierter Unterlagen dazu bekunden, ob diese Vorgehensweise auch im konkreten Fall beachtet worden war. Denn der Zeuge T führte, im Gegensatz zu Zeugeneinvernahmen in anderen Fällen, mit Ausnahme einer auf seinem Laptop gespeicherten Excel-Tabelle, wie sie als Anlage Ast 1 von Klägerseite in dem Gestattungsverfahren LG Köln 203 O 116/15 eingereicht wurde (Bl. 27f GA), keine Unterlagen mit sich, auf die er in zulässiger Weise seine Bekundungen hätte stützen können. Zu dem Ermittlungsvorgang als solchem konnte der Zeuge aus eigener Erinnerung keine Auskunft erteilen. Zwar sagte der Zeuge aus, die in dem Gestattungsverfahren eingereichte Excel-Datei entspreche den an seinen Auftraggeber übermittelten Daten, ob die in dieser Excel-Datei wiedergegebenen Daten tatsächlich den Ermittlungsvorgang zutreffend wiedergaben, vermochte der Zeuge mangels Abgleichs mit noch gespeicherten Daten indes nicht zu bekunden.
Da die Klägerin eine Erfassung lediglich zum Zeitpunkt einer 1/100 Sekunde vorgetragen hat und auch auf Grundlage der Bekundungen des Zeugen T keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine länger dauernde Verbindung zwischen dem Computer des Rechtsverletzers und dem des Ermittlungsunternehmens im konkreten Fall vorliegen, bestehen aufgrund der nur einmaligen Erfassung aus Sicht der Kammer vernünftige Zweifel an der Richtigkeit des vorgetragenen Ermittlungsergebnisses. Insbesondere erscheint trotz der von den Zeugen T generell zum Abgleich des Zeitstempels gemachten Angaben denkbar, dass genau im Zeitpunkt der Erfassung ein Wechsel der IP-Adresse erfolgte. Anders läge der Fall wenn, wie in vergleichbaren Beweisaufnahmen Zeugen bekundeten, mehrfache, aufeinanderfolgenden Kontakte unter derselben IP-Adresse zwischen dem Computer des Ermittlungsunternehmens und dem des Anbieters der streitgegenständlichen Datei nachweisbar erfasst worden wären. Hierzu war die Aussage des Zeugen T indes unergiebig.
Mangels nachweislicher, mehrfacher Erfassung des Anschlusses des Beklagten (unter derselben oder unterschiedlichen IP-Adressen) besteht auch keine Vermutung für die Richtigkeit des Ermittlungsergebnisses als solche.
Da die Klägerin beweisfällig geblieben ist, war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
3.
Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 541 Abs. 2 ZPO). (…)
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LG Köln, Urteil vom 17.05.2918 – 14 S 4/17
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