30.03.2017; 18:44 Uhr
In einem kurzen Gespräch möchte AW3P einige Fragen an Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies (Kanzlei Knies Albrecht München) richten. Rechtsanwalt Dr. Knies vertrat die Beklagten im heutigen Revisionsverfahren am Bundesgerichtshof (Urt. v. 30.03.2017 – I ZR 19/16 – Loud).
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies
Rechtsanwälte Knies & Albrecht
Widenmayerstraße 34 | 80538 München
Tel.: 089 – 47 24 33 | Fax.: 089 – 470 18 11
Email: bernhard.knies@new-media-law.net | Web: www.new-media-law.net
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
AW3P: Herr Dr. Knies. Ich habe irgendwo einmal gelesen, dass nicht jeder Anwalt in einem Verfahren vor den Bundesrichtern zugelassen ist. Stimmt dies, welche Voraussetzungen gibt es und warum überhaupt?
Rechtsanwalt Dr. Knies: Ja das stimmt, beim BGH gibt es nur einen sehr kleinen Kreis zugelassener Anwälte und nur die dürfen vor dem BGH auftreten, eigentlich eine etwas altertümliche Regelung, finde ich.
-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-
AW3P: Herr Dr. Knies. Wie schätzen Sie den heutigen Verhandlungstag – allgemein – ein?
Rechtsanwalt Dr. Knies: Sehr enttäuschend um ehrlich zu sein. Nachdem die ja sehr familienfreundlichen Urteilsgründe der Afterlife Entscheidung des BGH vor kurzem veröffentlicht worden sind hatten wir schon die Hoffnung, dass unsere Chancen sehr gut sein könnten. Die Vorlageentscheidung des LG München an den EuGH zur aktuellen BGH Rechtsprechung könnte aber vielleicht den BGH darin gebremst haben, hier ein Urteil zugunsten der Abgemahnten sprechen, dass eigentlich auch auf der Linie des Gesetzgebers gelegen hätte, der ja im letzten Sommer die Störerhaftung für die WLANs abschaffen wollte. Jetzt sind wir wieder einen großen Schritt zurück, leider.
-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-
AW3P: Im Vorfeld zum heutigen Verhandlungstermin gab es Denkrichtungen, dass dieser Termin auch durchaus wegen dem Vorabentscheidungsersuchen des Landgericht München am EuGH platzen könnte. Ging der BGH auf dieses Vorabentscheidungsersuchen ein, wenn ja, was wurde gesagt?
Rechtsanwalt Dr. Knies: Nein, das Vorabentscheidungsersuchen des LG München hat nur der BGH Anwalt des Gegners thematisiert. Der BGH hat dazu selber gar nichts gesagt, aber ich fürchte, dass es einen Einfluss auf das Urteil gehabt haben könnte. Will heißen, ohne diese Vorlagefrage wären unsere Chancen sicherlich erheblich besser gewesen. So gesehen ein schlauer Schachzug von Waldorf, der diese Vorlage wohl initiiert hat.
-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-
AW3P: Nach „Afterlife“ musste der BGH erneut einen „Spagat“ zwischen den Grundrechten einer Familie und denen eines Rechteinhaber vornehmen. Wie schätzen Sie das Urteil aus ihrer Sicht ein. Lebensnah oder lebensfremd?
Rechtsanwalt Dr. Knies: Ich halte das Urteil für lebensfremd. Die von uns vertretenen Mandanten haben hier einfach ihrer prozessualen Wahrheitspflicht entsprochen indem sie das mitgeteilt haben was sie wussten. Was ist denn nun die Konsequenz? Werden jetzt künftig alle Eltern behaupten wollen, sie wüssten nicht, welches ihrer Kinder den Download verursacht hat? Lebensfremd insbesondere auch deshalb, weil ja der Gesetzgeber gerade das Gegenteil von dem will, was jetzt der BGH geurteilt hat.
-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-
AW3P: Natürlich ist man hinterher immer schlauer. Sicherlich wäre jede Filesharing Klage ins Leere gelaufen, wenn man den Täter innerhalb des Familienverbandes ermittelt und nicht benennen muss. Können Sie – trotz fehlenden Volltext – eine Prognose wagen, welche Auswirkungen hat „Afterlife“ und „Loud“ auf zu künftige Klageverfahren mit Mitbenutzern innerhalb und außerhalb des Familienverbandes?
Rechtsanwalt Dr. Knies: Ich glaube nicht, dass automatisch jede Filesharing Klage ins Leere gelaufen wäre. Denn der Anschlussinhaber muss ja immer vortragen, welche Personen als Täter in Betracht kommen. Und die könnte der Rechteinhaber dann ja auch alle verklagen. Im Prozess müssen sie sich alle äußern. Aber wie gesagt, ich denke mal, dass werden jetzt viele Eltern einfach vortragen werden, „wir wissen nicht wer das war von unserer Familie,“ und „wie sind nicht verpflichtet weitere Nachforschungen anzustellen“. Der Abmahnwahn endet hier und heute leider immer noch nicht, auch nicht innerhalb der Familie und obwohl der Gesetzgeber ihn ein für allemal beenden wollte.
-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-
AW3P: Ich bedanke mich recht herzlich bei Dr. Knies für die kurzzeitige Beantwortung der Fragen.
-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-+-