.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR: Weckrufe aus Bielefeld und Berlin – Entkräftung der Täterschaftsvermutung im Filesharing erfordert nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs harte Fakten

00:20 Uhr

Hamburg, 27. August 2016. (eig).: In den sogenannten Filesharing Fällen spricht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber dafür verantwortlich ist (vgl. schon BGH Urt. v. 12.05.2010 – I ZR 121/08 – „Sommer unseres Lebens“). Diese Täterschaftsvermutung kann der Anschlussinhaber dadurch entkräften, dass er (mindestens) darlegt, wer sonst ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt (BGH, Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12 – „BearShare“). Abstrakte Angaben hierzu reichen allerdings nicht aus. Dies hat das Amtsgericht Bielefeld in einem jüngst ergangenen Urteil erneut festgestellt (AG Bielefeld, Urt. v. 04.08.2016, Az. 42 C 51/16).

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

 

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Bericht

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Urteile als PDF:

1. AG Bielefeld, Urteil vom 04.08.2016, Az. 42 C 51/16

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2. AG Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2016, Az. 217 C 58/16

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3. AG Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2016, Az. 217 C 87/16

Link:
http://rka-law.de/wp-content/uploads/2016/08/AG-Charlottenburg-Urt.-v.-22.08.2016-217-C-87-16.pdf

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In dem vom Amtsgericht Bielefeld entschiedenen Fall hatte der Familienvater als Anschlussinhaber angegeben, dass neben ihm seine Ehefrau und seine beiden Söhne Zugriff zum Internet gehabt hätten, er selbst sich zum Zeitpunkt der Verletzungshandlungen mit seiner Gattin auf dem Hundeplatz befunden hätte und ob seine Söhne zu den fraglichen Zeiten zu Hause gewesen seien, lasse sich nicht mehr ermitteln. Dieser Vortrag führte – zu Recht – zur vollständigen Verurteilung des Anschlussinhabers aufgrund der gegen ihn streitenden Täterschaftsvermutung.

Nachdem der Beklagte vorgetragen hatte, dass weder seine Ehefrau noch seine Söhne mit der Abmahnung etwas hätten anfangen können, „hat der Beklagte gerade keine ernsthafte Möglichkeit dafür vorgetragen, dass ein Dritter die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte. (…) Aufgrund des Vorbringens des Beklagten kommt auch eine Tatbegehung durch seine Söhne (…) ernsthaft nicht in Betracht (…) der Beklagte (konnte) hinsichtlich der Anwesenheit und Nutzung des Internet-Anschlusses durch seine Söhne (…) zum fraglichen Zeitpunkt keine näheren Angaben machen. Der Beklagte hat daher die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt und haftet dementsprechend auf Grund der begangenen Urheberrechtsverletzung„, so dass Bielefelder Urteil. Im Ergebnis führte das Prozessverhalten des Beklagten zur vollständigen Verurteilung in die geltend gemachten Anwaltskosten und zum Schadensersatz.

Nicht anders erging es der Beklagten in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg (AG Charlottenburg, Urt. v. 22.08.2016, Az. 217 C 58/16), die behauptete, zur Tatzeit gar nicht im Haus gewesen zu sein, abstrakt auf die Nutzungsmöglichkeit ihres Mitbewohners und eines Freundes hinwies (die die Tat verneint hätten), ansonsten aber keine substantiellen Angaben zu deren Nutzungsverhalten insbesondere zur Tatzeit machte. In dem Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg heißt es hierzu: „Die Beklagte muss (…) zur Erfüllung der sekundären Darlegungslast für ihre Person die Rechtsverletzung unter Verweis auf andere Familienmitglieder oder Wohnungsinhaber etc. und unter Darlegung getätigter Kontrollmaßnahmen bestreite(n) oder aber insgesamt eine Täterschaft der Familie bestreite(n) und auf einen Dritten verweise(n), was indes Darlegungen zu den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen erfordert (…). An einem solchem Vortrag fehlt es hier, so dass die tatsächliche Vermutung gegen die Beklagte streitet. Die Beklagte ist mithin als aktive Täterin anzusehen.“ Dass die Täterschaftsvermutung in Ermangelung vollständiger Angaben zum Nutzungsverhalten Dritter nicht widerlegt ist, sieht das Amtsgericht auch dadurch bekräftigt, dass im Vorfeld eine Unterlassungserklärung abgegeben wurde. „Das Amtsgericht ist der Auffassung das die Abgabe der Unterlassungserklärung zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Frage der Täterschaft oder Störerhaftung des Beklagten führt„, so Rechtsanwalt Nikolai Klute von .rka Rechtsanwälte. Auch der Verjährungseinwand drang in dem fraglichen Verfahren nicht durch, sodass die Beklagte schließlich zum Ausgleich der Anwaltskosten und zum Schadensersatz verurteilt wurde.

Dasselbe Schicksal ereilte den Beklagten in einem weiteren Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg (AG Charlottenburg Urt. v. 22.08.2016, Az. 217 C 87/16). Auch dort sah das Gericht die sekundäre Darlegungslast als nicht erfüllt an. Abstrakter Vortrag reicht demnach nicht aus und der Beklagte genügt seiner Erklärungslast nicht, wenn er behauptet, dass nur ein Dritter – einer seiner vier Söhne – als Täter in Betracht käme, ohne dies mit konkretem Vortrag zu unterlegen. Am Rande hat das Amtsgericht Charlottenburg in diesem Verfahren überdies klargestellt, dass der Vater als Anschlussinhaber auch für das Verhalten seiner minderjährigen Söhne gem. § 832 BGB hafte. Denn der Beklagte habe die erforderlichen und ihm zumutbaren Sicherungsmaßnahmen nach seinem eigenen Vortrag nicht vorgenommen, so dass Gericht. „Für das Amtsgericht war insoweit entscheidend, dass es im Vorfeld zum hier streitgegenständlichen Verstoß bereits eine vorangegangene Abmahnung wegen der Nutzung einer Filesharingbörse gegeben hat„, so Rechtsanwalt Nikolai Klute von .rka Rechtsanwälte. Dem Beklagten war also bewusst, dass seine Kinder – wenn sie es denn gewesen wären – Urheberrechtsverletzungen begehen. Insoweit oblag dem Beklagten neben der eindringlichen und nicht allgemein gehaltenen Belehrung auch eine Überwachung in Form stichprobenartiger Kontrollen des Internetverlaufs und der auf dem Rechner installierten Programme über die Systemsteuerung. „Das der Beklagte dieser Pflicht nachgekommen ist, trägt er nicht substantiiert vor„, so das Amtsgericht Charlottenburg in seinem Urteil, nach dem der Beklagte vollumfänglich verurteilt wurde.

Die amtsgerichtlichen Entscheidungen folgen damit einer Linie, die bereits mit der „BearShare“-Entscheidung vorgezeichnet war und die sich infolge der weiteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verfestigt hat. Im amtlichen Leitsatz c) der „BearShare“-Entscheidung (BGH, Urt. v. 08.01.2014, I ZR 169/12) heißt es: „Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (Fortführung von BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“; Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 = WRP 2013, 799 – „Morpheus“).

Auf Seite der Abgemahnten ist dieses Urteil damals gefeiert worden, weil hierin ein Ausweg aus der möglichen Haftung gesehen wurde: Man müsse nur dritte Nutzungsberechtigte benennen und schon ist es mit der Haftung des Anschlussinhabers vorbei.

Wie grundlegend falsch dieses Sicht der Dinge ist, deutete sich schon an, als der Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Tauschbörse III“ seine Rechtsprechung fortschrieb. In der Entscheidung BGH, Urt. v. 11. Juni 2015, I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“ hat er ebenfalls an prominenter Stelle im Leitsatz klargestellt: „Der Inhaber eines Internetanschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss behauptet (Fortführung von BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 – „BearShare“).

Insoweit zeigt sich, dass die Urteile aus Bielefeld und Charlottenburg genau auf der Linie liegen, wie sie der Bundesgerichtshof vorgezeichnet hat. Deutlich wird dies auch anhand des Urteils, das der Bundesgerichtshof am 12.05.2016 gefällt hat (BGH, Urt. v. 12.05.2016, I ZR 48/15, n.n.V.). In jenem Verfahren ist der Anschlussinhaber in der Vorinstanz aufgrund der gegen ihn streitenden Täterschaftsvermutung vom Oberlandesgericht Köln verurteilt worden. Dieser hatte im Verfahren vor dem OLG Köln (Urt. v. 06.02.2015, Az. 6 U 209/13) darauf verwiesen, dass seine Ehefrau und seine beiden damals 15 und 17 Jahre alten Söhne Zugriff gehabt hätten. Die Ehefrau schied als Täterin aus und gem. der Pressemeldung des BGH (vom 12.05.2016, Nr. 87/2016) hat der Beklagte nicht hinreichend konkret dazu vorgetragen, dass seine Kinder ernsthaft als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Der Bundesgerichtshof hat mit seiner Entscheidung die strenge Sicht des Oberlandesgerichts Köln bestätigt und die in der „BearShare“-Entscheidung aufgestellten und der „Tauschbörse III“-Entscheidung vertieften Grundsätze kommen in dieser Entscheidung des BGH unmittelbar zur Anwendung: Pauschaler Vortrag zur Entlastung des Anschlussinhabers reicht nicht aus.

„Insoweit setzt sich auf Ebene der Instanzgerichte mit Blick auf die Entscheidungen aus Berlin und Bielefeld nun langsam durch, was der Bundesgerichtshof seit Jahren vorgibt“, erläutert Rechtsanwalt Nikolai Klute von .rka Rechtsanwälte aus Hamburg, „Die Verteidigung eines Anschlussinhabers, der nicht selbst die Rechtsverletzung begangen hat, führt, soweit er seiner sekundären Darlegungslast erschöpfend nachkommt, unweigerlich zu einem hohen Risiko der Inanspruchnahme desjenigen, der die Rechtsverletzung begangen hat. Bleibt er hinter den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast zurück, haftet er wie ein Täter. Abgemahnte Anschlussinhaber tun also gut daran, sich nicht hinter Halbwahrheiten oder gar schlicht falschem Vortrag zu verstecken, sondern frühzeitig mit den Rechteinhabern nach Lösungen zu suchen, bevor die Kosten im Verfahren explodieren. „

 

AG Bielefeld, Urteil vom 04.08.2016, Az. 42 C 51/16

 

(…) Abschrift

42 C 51/16

Verkündet am 04.08.2016
[Name],
als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

Amtsgericht Bielefeld

IM NAMEN DES VOLKES

Urteil

In dem Rechtsstreit

der [Name]
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

Herrn [Name]
Beklagten,

Prozessbevollmächtigte: [Name],

hat das Amtsgericht Bielefeld durch den Richter am Amtsgericht [Name] auf die mündliche Verhandlung vom 04.08.2016 für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 zu zahlen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten Schadensersatzansprüche wegen des Zurverfügungstellens des Computerspiels „[Name]“ im Rahmen einer P2P-Tauschbörse geltend.

Der Beklagte wurde von der Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 15.12.2012 wegen des behaupteten Anbietens des Computerspiels „[Name]“ im Rahmen einer Internet-Tauschbörse abgemahnt.

Die Klägerin behauptet, ihr stünden an dem Computerspiel „[Name]“ sämtliche Vertriebs- und Nutzungsrechte zu. Das Computerspiel „[Name]“ sei am 15.11.2012 um 09:xx:xx Uhr und 10:xx:xx Uhr von der IP-Adresse 109.xxx.xxx.54 im Rahmen einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten worden. Der Internet-Anschluss sei zu den fraglichen Zeitpunkten dem Beklagten zugewiesen. Der Beklagte hafte auf Grund der begangenen Urheberrechtsverletzung auf Erstattung der rechtsanwaltlichen Abmahnkosten nach einem Gegenstandswert in Höhe von 20.000,00 EUR in Höhe von 895,80 EUR und auf Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von 640,20 EUR. Es werde unstreitig gestellt, dass die Ehefrau des Beklagten die Rechtsverletzung nicht begangen habe. Darüber hinaus hätten die Söhne [Name]und M [Name] im Zeitpunkt der Verletzungshandlung keinen Zugriff auf den Internet-Anschluss gehabt. Auch habe es die vom Beklagten vorgetragene Sicherheitslücke Dritten nicht erlaubt, den Internet-Zugang zu nutzen. Der Beklagte habe insgesamt die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozehntpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.11.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte trägt vor, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Es liege eine fehlerhafte Ermittlung und Auskunftserteilung vor. Ferner sei die Klägerin nicht aktivlegitimiert. Neben ihm – dem Beklagten – hätten noch seine Ehefrau [Name] und seine Söhne [Name], geboren am xx.xx.1991 und [Name] geboren am xx.xx.1993 Zugriff auf den Internet-Anschluss des Beklagten gehabt. Er – der Beklagte – habe sich zu den ermittelten Zeitpunkten mit seiner Ehefrau auf einem Hundeplatz befunden. Die Anwesenheit seiner Söhne [Name] und [Name] habe sich nicht mehr ermitteln lassen. Die Familie des Beklagten verfüge über 4 Computer, wobei der Internet-Anschluss WPA2 verschlüsselt sei. Die Söhne [Name] und [Name] seien ordnungsgemäß belehrt worden. Auf Fragen des Beklagten hätten die Ehefrau und die Söhne angegeben, nichts mit der Abmahnung anfangen zu können und sich mit Tauschbörsen nicht auszukennen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung vom 15.11.2012 in Höhe von 859,80 EUR und auf Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von 640,20 EUR aus §§ 97, 97 a Abs. 1 S. 2 UrhG.

Der Beklagte haftet für die begangene Urheberrechtsverletzung durch das Anbieten des Computerspiels „[Name]“ im Rahmen einer Internet-Tauschbörse am 15.11.2012.

Die Klägerin hat unter Einsatz entsprechender Ermittlungs-Software festgestellt, dass das Computerspiel „[Name]“ am 15.9.2012 zu zwei Zeitpunkten vom Internet-Anschluss des Beklagten im Rahmen einer Filesharing Tauschbörse angeboten wurde. Der Beklagte hat insgesamt keine substantiierten Einwendungen gegen die ordnungsgemäße Feststellung und Ermittlung der IP-Adresse erhoben. Die Klägerin hat umfangreich und ausführlich die einzelnen Ermittlungsschritte und Feststellungsmaßnahmen dargelegt und durch entsprechende Schriftstücke belegt. Angesichts der Feststellung von zwei Erfassungszeitpunkten ist daher ein Ermittlungsfehler auszuschließen, so dass feststeht, dass das Computerspiel „[Name]“ am 15.09.2012 um 09:xx:xx Uhr und 10:xx:xx Uhr vom Internet-Anschluss des Beklagten zum Download im Rahmen einer Internet-Tauschbörse zur Verfügung gestellt wurde.

Der Klägerin stehen auch die Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Computerspiel „[Name]“ zu. Die Klägerin hat im Rahmen der Klagebegründung die Rechtekette, auf Grund derer sie die Nutzungs- und Auswertungsrechte erworben hat im Einzelnen dargelegt. Daran, dass der Klägerin die Nutzungsrechte an dem Computerspiel „[Name]“ zustehen, bestehen daher keinerlei Zweifel mehr.

Der Beklagte haftet für die über seinen Internet-Anschluss begangene Rechtsverletzung, die darin zu sehen ist, dass das urheberrechtlich geschützte Computerspiel „[Name]“ ohne Gestattung der Klägerin im Rahmen einer Internet-Tauschbörse zum Download angeboten wurde.

Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, „Sommer unseres Lebens“) besteht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass dann, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Nach den im „BearShare“-Urteil aufgestellten Grundsätzen (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12) ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschluss-Inhabers dann nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Den Anschluss-Inhaber trifft eine sekundäre Darlegungslast, sofern über seinen Internet-Anschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde. Der Inhaber eines Internet-Anschlusses, über den eine Rechtsverletzung begangen wird, genügt seiner sekundären Darlegungslast im Hinblick darauf, ob andere Personen selbständigen Zugang zu seinem Internet-Anschluss hatten, nicht dadurch, dass er lediglich pauschal die theoretische Möglichkeit des Zugriffs von in seinem Haushalt lebenden Dritten auf seinen Internet-Anschluss behauptet (BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75/14). Darüber hinaus ist der Anschluss-Inhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet. Der Anschluss-Inhaber hat die Person, die selbständig Zugriff auf den Internet-Anschluss hatte, unter Angabe einer ladungsfähigen Anschrift namentlich zu benennen. Ferner sind nähere Angaben zum generellen Nutzungsverhalten der Personen, denen die Nutzung des Internet-Anschlusses gestattet wurde, zu machen. Hierzu gehören Angaben, wie die Personen Zugang zum Internet-Anschluss erhalten, wie häufig diese Personen das Internet nutzen, wozu das Internet genutzt wird und wie das Nutzungsverhalten im Einzelfall kontrolliert wurde.

Ausgehend von den vorstehenden Erwägungen ist der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass von einer täterschaftlichen Begehung auszugehen ist. Der Beklagte bestreitet lediglich pauschal, selbst die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben. Insoweit trägt er vor, er habe sich gemeinsam mit seiner Ehefrau [Name] zu den ermittelten Zeitpunkten auf einem Hundeplatz befunden. Die Anwesenheit seiner bei ihm lebenden Söhne [Name] und [Name] zu den fraglichen Ermittlungszeitpunkten habe sich nicht mehr ermitteln lassen. Auf Nachfrage hätten seine Ehefrau und die beiden Söhne angegeben, nichts mit der Abmahnung anfangen zu können und sich mit Tauschbörsen nicht auszukennen. Damit hat der Beklagte gerade keine ernsthafte Möglichkeit dafür vorgetragen, dass ein Dritter die Urheberrechtsverletzung begangen haben könnte. Der Beklagte schließt selbst eine Tatbegehung durch seine Ehefrau aus, da sie sich nur rudimentär im Umgang mit dem Computer auskennt und daher den Computer vorwiegend zur Informationsbeschaffung, Korrespondenz via E-Mail sowie Facebook nutzt. Auf Grund des Vorbringens des Beklagten kommt auch eine Tatbegehung durch seine Söhne [Name] und [Name] ernsthaft nicht in Betracht, da beide Söhne auf Nachfrage des Beklagten angegeben haben, nichts mit der Abmahnung anfangen zu können und sich mit Tauschbörsen nicht auszukennen. Zudem konnte der Beklagte hinsichtlich der Anwesenheit und Nutzung des Internet-Anschlusses durch seine Söhne [Name] und [Name] zum fraglichen Zeitpunkt keine näheren Angaben machen. Der Beklagte hat daher die ihm obliegende sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt und haftet dementsprechend auf Grund der begangenen Urheberrechtsverletzung.

Auf Grund der begangenen Rechtsverletzung steht der Klägerin gegenüber dem Beklagten ein Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren für die Abmahnung mit Schreiben vom 15.11.2012 in Höhe von 859,80 EUR nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR zu. Der Gegenstandswert für die Abmahnung ist zutreffend mit 20.000,00 EUR angesetzt worden. Der Gegenstandswert für das Unterlassungsbegehren ist mit 20.000,00 EUR zu bewerten. Ausgangspunkt für die Bemessung des Gegenstandswertes für die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Klägerin ist das Interesse an einer wirkungsvollen Abwehr nachhaltiger und eklatanter Verstöße gegen ihre Schutzrechte und ihre daraus resultierende Vermögensposition. Unter Berücksichtigung der im Beschluss vom 16.06.2016 zitierten Urteile des Bundesgerichtshofes ist der Gegenstandswert für das Unterlassungsbegehren mit 20.000,00 EUR zu bemessen.

Der Klägerin steht gegenüber dem Beklagten auf Grund der begangenen Urheberrechtsverletzung des weiteren ein Anspruch auf Zahlung einer Lizenzgebühr in Höhe von 640,20 EUR zu. Bei der Verletzung von Immaterialrechtsgütern ermöglicht die Rechtsprechung dem Verletzten wegen der besonderen Schwierigkeiten neben dem Ersatz des konkreten Schadens weitere Wege der Schadensermittlung. Danach kann der Schaden auch in Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr berechnet werden. Bei der Berechnung der angemessenen Lizenzgebühr ist rein objektiv darauf abzustellen, was bei vertraglicher Einräumung der Rechte ein vernünftiger Lizenzgeber fordert und ein vernünftiger Lizenzgeber gewährt hätte, wenn beide im Zeitpunkt der Entscheidung die angegebene Sachlage erkannt hätten. Unter Berücksichtigung der im Beschluss vom 16.06.2016 zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes ist der Ansatz einer Lizenzgebühr in Höhe von 640,20 EUR für das Computerspiel „[Name]“ angemessen.

Daneben hat die Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen aus § 286 Abs. 1 BGB.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Gegenstandswert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

A) Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist,
1. wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder
2. wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht zugelassen worden ist.

Die Berufung muss innerhalb einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich bei dem

Landgericht Bielefeld,
Niederwall 71,
33602 Bielefeld,

eingegangen sein. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Bielefeld zu begründen.

Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Bielefeld durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein.

Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

B) Gegen die Streitwertfestsetzung ist die Beschwerde an das Amtsgericht Bielefeld statthaft, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder das Amtsgericht die Beschwerde zugelassen hat. Die Beschwerde ist spätestens innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem

Amtsgericht Bielefeld,
Gerichtstraße 06,
33602 Bielefeld,

schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. (…)

 

AG Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2016, Az. 217 C 58/16

 

(…) Abschrift

Amtsgericht Charlottenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 217 C 58/16

verkündet am: 22.08.2016
[Name], Justizbeschäftigte

In dem Rechtsstreit

der [Name],
vertreten d.d. Geschäftsführer, [Name],

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte rka Reichelt Klute Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,-

gegen

die Frau [Name],
Beklagte,

– Prozessbevollmächtigter: [Name], –

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 217, auf die mündliche Verhandlung vom 22.08.2016 durch den Richter am Amtsgericht [Name] für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.01.2013 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen die Beklagte einen Schadensersatzanspruch sowie die Anwaltskosten der vorgerichtlichen Abmahnung wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung durch Ermöglichung des Downloads des Computerspiels „[Name]“ geltend.

Die vorbezeichnete Software ist im September 2011 erschienen und ist neu im Handel nicht mehr erhältlich. Entwicklerin ist die Firma [Name] Polen.

Die Klägerin hat die Firma Excipio GmbH unter anderem mit der Überwachung sogenannter P2P-Tauschbörsen beauftragt. Diese ermittelte, dass die vorbezeichnete Software an folgendem Tag in einer Tauschbörse zum Download bereitgestellt worden ist:

18.12.2012 um 19:xx:xx Uhr und 19:xx:xx Uhr (jeweils IP-Adresse: 92.xxx.xxx.32).

Nach der aufgrund des vor dem Landgericht angestrengten Auskunftsverfahrens eingeholten Auskunft des Providers ist diese IP-Adresse dem Anschluss der Beklagten zuzuordnen. Mit Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 03.012013 wurde die Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung einer Schadensersatzpauschale aufgefordert. Hierauf reagierte die Beklagte lediglich durch Abgabe der Unterlassungserklärung; Zahlungen leistete sie nicht.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zu den benannten Zeiten am 18.12.2012 um 19:xx:xx Uhr und 19:xx:xx Uhr (jeweils IP-Adresse: 92.xxx.xxx.32) das Computerspiel „[Name]“, dessen ausschließliche Rechteinhaberin sie sei, zum Download in einer P2P-Tauschbörse angeboten habe. Dies sei durch die Firma Excipio GmbH sicher ermittelt worden. Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagte als Täterin oder Störerin hafte; der Lizenzschaden betrage 640,20 EUR; zudem könne sie die anwaltlichen Abmahnkosten von 859,80 EUR (Gegenstandswert 20.000,00 EUR bei einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG) beanspruchen.

Die Klägerin hat am 30.12.2015 beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheides über eine Hauptforderung in Höhe von 1.500,00 EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 04.03.2013 („Unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Repertoire des Antragsstellers gern, EU 859,80 Anwalt, EU 640,20 SchadenSchreiben vom 03.01.13 vom 03.01.13“) beantragt. Der Mahnbescheid vom 04.012016 – [Geschäftsnummer]- wurde der Beklagten am 7. Januar 2016 zugestellt; hiergegen wendete sie sich mit dem am 12. Januar 2016 beim Mahngericht eingegangenen Widerspruch.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2013 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagte wendet ein, dass sie nicht Täterin oder Störerin sein könne, da sie sich im fraglichen Zeitraum in Luxemburg aufgehalten und das WLAN-Netz ausreichend verschlüsselt habe, der Lebensgefährte und ein Freund hätten zu dem Zeitpunkt Zugang zum Anschluss besessen.

Hinsichtlich des weitergehenden Vortrags wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 22.08.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des Lizenzschadens von 640,20 EUR und auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR aus §§ 97 Abs. 2, 97a Abs. 1 S. 2 UrhG (a.F., in der bis 08.10.2013 geltenden Fassung), §§ 823, 812 BGB bzw. aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag.

Die Klägerin hat zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses die ausschließliche Nutzungsberechtigung besessen. Zwar kann die Klägerin als juristische Person nicht Urheberin (d.h. Schöpferin i.S.d. § 7 UrhG) sein. Jedoch erfolgte der Erwerb der ausschließlichen Nutzungsrechte (von den „eigentlichen Schöpfern“) zweifellos vertraglich, wobei dahinstehen kann, ob eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde oder lediglich eine stillschweigende Vereinbarung (im Arbeits- oder Werkvertrag) erfolgt ist, noch dazu die Aktivlegitimation dann ohnehin aus § 69b UrhG folgen dürfte (vgl. zu dieser Frage nur Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 7 Rdn. 9 und § 69b Rdn. 2 ff. mwN). Dass die Klägerin tatsächlich Rechtsinhaberin ist, hat sie substantiiert vorgetragen und die Beklagte nicht bestritten. Im Übrigen hat die Beklagte eine Unterlassungserklärung abgegeben.

An dem hier maßgeblichen Tag, den 18.12.2012, ist das Computerspiel „[Name]“ zum Herunterladen zur Verfügung gesteift worden. Die Beklagte bestreitet in diesem Zusammenhang, dass die insoweit ermittelte IP-Adresse einen Rückschluss auf sie zulassen würde. Dieses Bestreiten ist nicht schon von vornherein unerheblich, weil etwa bereits allein durch die Anzahl der festgestellten Zuordnungen von unterschiedlichen IP-Adressen, die zu unterschiedlichen Zeiten ermittelt wurden, eine von der Beklagten ausgehende Verletzungshandlung glaubhaft gemacht wurde, da es außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit liegt, dass mehrere IP-Adressen mehrere Mal genau demselben – falschen – Internetanschluss zugeordnet werden (vgl. zu dieser Frage nur OLG Hamburg, MMR 2011, 281 und LG Hamburg, ZUM-RD 2010, 416). Jedoch hat die Klägerin substantiiert zur Ermittlung der Firma Excipio GmbH vorgetragen, ohne dass die Beklagte diesem Vortrag in qualifizierter Weise entgegengetreten ist.

Die Beklagte genügt ihrer (weiteren) sekundären Darlegungslast nicht, wenn sie lediglich behauptet, dass nur ein Dritter als Verletzer in Betracht käme. Es besteht eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass diejenige Person, der die IP-Adresse zugeordnet ist, von welcher die Rechtsverletzungen begangen wurden, auch für die Rechtsverletzungen verantwortlich ist. Der Anschlussinhaber kann diese Vermutung nur entkräften, indem er im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast Umstände vorträgt, die einen abweichenden Geschehensablauf nahe legen (vgl. hierzu BGH, GRUR 2010, 633). Die Beklagte muss sich deshalb zur Erfüllung ihrer sekundären Darlegungslast entscheiden, ob sie in einem ersten Schritt in Zweifel zieht, dass die Rechtsverletzung überhaupt über ihren Internetanschluss erfolgte und dann in einem zweiten Schritt entweder für ihre Person die Rechtsverletzung unter Verweis auf andere Familienmitglieder oder Wohnungsinhaber etc. und unter Darlegung der getätigten Kontrollmaßnahmen bestreitet oder aber insgesamt eine Täterschaft in der Familie bestreitet und auf einen Dritten verweist, was indes Darlegungen zu den getroffenen Sicherheitsvorkehrungen erfordert (vgl. zur Darlegungslast: BGH, Urt. v. 11.06.2015 – 1 ZR 75/14 in NJW 2016, 953; insgesamt zu dieser Frage: LG Köln, Urt. v. 11.05.2011 – Az. 28 0 763/10). An einem solchen Vortrag fehlt es hier, so dass die tatsächliche Vermutung gegen die Beklagte streitet. Die Beklagte ist mithin als aktive Täterin anzusehen. Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen auch Fehler vorkommen können, spricht zunächst einmal nicht gegen die Beweiskraft des Ermittlungsergebnisses, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Die Beklagte vermochte nicht substantiiert darzulegen, welche Sicherheitsvorkehrungen sie getroffen hat. Die tatsächliche Anwesenheit ist für eine Rechtsverletzung nicht erforderlich. Ob andere Personen zum Tatzeitpunkt tatsächlich selbständigen Zugang zu ihrem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, trägt die Beklagte ebenfalls nicht substantiiert vor, noch dazu die weiteren Personen den Zugang offenbar ohnehin bestreiten.

Damit greift die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ein (vgl. BGH a.a.O.).

Darüber hinaus führt die Abgabe der Unterlassungserklärung ohnehin zu einer Beweislastumkehr hinsichtlich der Frage der Täterschaft oder Störerhaftung der Beklagten (vgl. KG, WRP 1977, 793; OLG Gelle, WRP 2013, 208; OLG Düsseldorf, ZUM 2007, 386; Hess, WRP 2003, 353). Selbst wenn man dieses Ergebnis ablehnen würde, so würde die Abgabe der Unterlassungserklärung doch zumindest zu einer gesteigerten Darlegungslast der Beklagten führen, der sie letztlich nicht nachgekommen ist.

Die Beklagte handelte schuldhaft. Im Urheberrecht ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen. Sie handelte zumindest fahrlässig.

Sie schuldet daher Schadensersatz. Soweit man diesen im Wege der Lizenzanalogie ermittelt, ist dieser der Höhe nach nicht zu beanstanden. In diesem Rahmen ist der (damalige) Kaufpreis des Spieles zu berücksichtigen. Als Faustregel nimmt das Gericht allerdings als Lizenzschaden den hundertfachen Wert des Kaufpreises an, wobei unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalles – Wie ist der Bekanntheitsgrad? Wie waren die Kosten? Wann wurde das Programm erstmals veröffentlicht? etc. – eine Anpassung nach oben oder unten erfolgen kann. Angesichts der durchaus noch zu bejahenden Aktualität des Spieles zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung, der Höhe des Verkaufspreises und des Bekanntheitsgrades schätzt das Gericht den Lizenzschaden der Höhe nach auf 640,20 EUR, § 287 ZPO.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Zudem besteht ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG (a.F.), d.h. als Teil des Schadensersatzes; ferner aber auch aus § 97a UrhG (a.F.) und den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag.

Aus den vorbezeichneten Gründen haftet die Beklagte der Klägerin dem Grunde nach. Die Klägerin durfte sich der Durchsetzung ihres Schadensersatzanspruchs auch eines Rechtsanwalts bedienen. Auszugehen ist dabei von einem Gegenstandswert von bis zu 20.000,00 EUR bei einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG.

Den Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch schätzt das Gericht (nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO) auf (zumindest) 20.000,- Euro. Ausgangspunkt für die Bemessung des Wertes einer Unterlassungsklage ist das Interesse der Klägerin an der Rechtsdurchsetzung bei einer „ex ante“ Betrachtung, wobei dieses Interesse vom Gericht nach freiem Ermessen geschätzt werden muss, § 3 ZPO. Zu berücksichtigen ist im Urheberrecht deshalb, wie und in welchem Umfang das geschützte Recht verletzt wird und inwieweit dadurch das wirtschaftliche Interesse des Urheberrechtsinhabers betroffen ist. Maßgeblich sind dabei der wirtschaftliche Wert des Urheberrechts und der Angriffsfaktor der Rechtsverletzung. Bereits dieser Ansatz macht deutlich, dass diese Bewertungsfaktoren nicht für alle Urheberrechtsverletzungen zu einem mehr oder weniger einheitlichen Streitwert führen. Zu beachten ist nämlich, dass das Interesse des Urhebers an der Unterlassung unterschiedlich geprägt sein kann. Handelt es sich um ein Urheberrecht an einem Werk, das der Urheber vermarktet, zielt sein Unterlassungsanspruch gegen nicht genehmigte Nutzungen im Wesentlichen darauf ab, dieses Lizenzinteresse zu sichern. Bei einer solchen Interessenlage vermag es durchaus sachgerecht erscheinen, für die Streitwertbemessung auf den vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden abzustellen (vgl. etwa OLG Braunschweig, GRURPrax 2011, 516). Ein solcher war hier allerdings noch gar nicht bekannt, der Umfang (Art, Anzahl, Dauer der Nutzung etc.) nicht abzusehen. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, den drohenden Schaden, bemisst das Gericht unter Ansehung der Verletzungsintensität und der weiteren Umstände, wie Aktualität und Bekanntheit des Programms auf (zumindest) 20.000,00 EUR.

Eine 1,3 Gebühr nach Nr. 2300 VVRVG ist nicht zu beanstanden. Diese liegt unterhalb des (rechnerischen) Mittelwertes von 1,5. Der Beklagte trägt keine Umstände vor, die gegen die Gewährung der gekappten Mittelgebühr liegenden 1,3 Gebühr sprechen würden. Allein der Umstand, dass es sich um Massenverfahren handelt, ist insoweit nicht ausreichend. Darüber hinaus steht dem Rechtsanwalt in einem begrenzten Umfang ein Ermessensspielraum zu. Eine Deckelung nach § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG nF hat nicht zu erfolgen; maßgeblich kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Abmahnung an, weshalb dahinstehen kann, ob in Fällen wie dem vorliegenden nicht ohnehin die Öffnungsklausel nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG nF anzuwenden ist. Hinzu kommt die Pauschale nach Nr. 7002 WRVG.

Unerheblich wäre der Einwand, die Klägerin habe den Betrag nicht erstattet. Denn bei einem ernsthaften Bestreiten wandelt sich ein Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um.

Unerheblich wäre, dass die vorgerichtliche Abmahnung zu weit ginge. Dies würde – anders die Rechtslage nach § 97a UrhG n.F. – nicht die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten berühren. Bei Bemessung der Höhe des Gegenstandswertes hätte das Gericht von dem zulässigen Maß auszugehen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 Abs. 1 S. 1 288 Abs. 1 BGB.

Der Einwand der Verjährung steht den Ansprüchen nicht entgegen:

Die Beklagte könnte sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB berufen. Die Verjährung derartiger Ansprüche unterliegt keiner besonderen Regel, daher ist die regelmäßige Verjährungsfrist einschlägig, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt – hinsichtlich des Lizenzschadens gilt allerdings ohnehin § 852 BGB (vgl. BGH, NJW 2015, 3165).

Nach § 199 Abs. 1 BGB begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem die geltend gemachten Ansprüche entstanden waren. Entstanden im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dies ist der Zeitpunkt, in dem er fällig wird (vgl. nur BGHZ 55, 340, 341; 79, 176, 177). Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis des Schädigers.

Der Anspruch, der entstanden sein muss, ist der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F., nicht jedoch der Unterlassungsanspruch, der lediglich Inhalt und Grund der Abmahnung ist. Entstanden ist der Ersatzanspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, was regelmäßig spätestens bei Eintritt der Fälligkeit der Fall ist. Die Fälligkeit tritt aber nicht bereits im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bzw. Kenntnis des Schädigers ein, so dass der Abmahnkosten-Ersatzanspruch nicht zeitgleich mit dem Unterlassungsanspruch entsteht. Fälligkeit des Erstattungsanspruchs tritt auch noch nicht mit Beauftragung des Rechtsanwalts ein und auch dann noch nicht, wenn dieser die Abmahnung verfasst oder versendet (so aber wohl LG Köln, Urt. v. 25.04.2013, – Az. 14 0 500/12). Vielmehr wird der Anspruch gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. bzw. § 97a Abs. 3 UrhG 2013 frühestens mit Zugang der Abmahnung beim Abgemahnten fällig, denn die Abmahnung bzw. genau genommen deren Zugang ist notwendige Voraussetzung des § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. (vgl. AG Hamburg, GRUR-RR 2015, 100; Hewicker / Marquardt / Neurauter, NJW 2014, 2753, 2754 ff. m.w.N.).

Daher begann der Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist für die Abmahnkosten frühestens mit dem Schluss des Jahres 2012 und endete in diesem Fall mit Ablauf des Jahres 2015. Hinsichtlich des Lizenzschadens beginnt der Lauf der 10-jährigen Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf des Jahres 2012 – die Frist läuft daher noch und ist spätestens mit Eingang bzw. Zustellung der Anspruchsbegründung unterbrochen.
Der Lauf der Verjährung wurde nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich der Abmahnkosten durch die Zustellung des Mahnbescheides am 04.01.2016 (bzw. rückwirkend nach § 167 ZPO bereits Antragseingang) gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB.

Denn die im Mahnbescheid geltend gemachten Ansprüche sind ausreichend bezeichnet.

Zur Verjährungshemmung führt die Zustellung des Mahnbescheides – beziehungsweise unter den Voraussetzungen des § 167 ZPO der Eingang des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides nur unter der Voraussetzung, dass der geltend gemachte Anspruch ausreichend individualisiert ist, § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. nur BGH, NJW 1991, 43; NJW 1992, 1111 und WM 2000, 686; KG, GE 2001, 989 jeweils m.w.N.). Dies ergibt sich daraus, dass der Mahnbescheid als Grundlage eines Vollstreckungsbescheides dienen soll und dem Schuldner die Beurteilung ermöglichen muss, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Wird – wie vorliegend – eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht, muss deren Bezeichnung im Mahnbescheid der Beklagten ermöglichen, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrages aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen (vgl. nur BGH, NJW 2001, 305). Demnach muss der Schuldner erkennen können, welche Forderung gegen ihn geltend gemacht wird (vgl. nur BGH, NJW 1992, 1111 und NJW-RR 2006, 275). Ein Mahnbescheid hemmt die Verjährung auch dann nicht, wenn der Antrag die hinreichende Individualisierung des Anspruchs vermissen lässt, die Individualisierung jedoch im anschließenden Streitverfahren nach Ablauf der Verjährungsfrist nachgeholt wird (vgl. BGH, NJW 2001, 305). Lediglich eine Substantiierung des Anspruchs, namentlich die Angabe seiner Berechnungsgrundlagen, ist im Mahnverfahren für die Verjährungshemmung entbehrlich.
Eine ausreichende Individualisierung kann vorliegend bejaht werden. Die Beklagte konnte dem Mahnbescheid entnehmen, dass die Klägerin die Abmahnkosten und den Lizenzschaden geltend macht.

Erklärungsfrist auf die Rechtsausführungen war der Beklagten schon mangels neuen Vortrags nicht zu gewähren.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht Charlottenburg zugelassen worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen; eine Versicherung an Eides statt ist nicht zulässig. Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim

Landgericht Berlin
Littenstraße 12-17
10179 Berlin

Landgericht Berlin
Tegeler Weg 17-21
10589 Berlin

Landgericht Berlin
Turmstraße 91
10559 Berlin

eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung der Entscheidung, wenn die Entscheidung nicht zugestellt werden konnte. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch. Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Berlin zu begründen. Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Berlin durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, ist die Beschwerde zulässig, wenn entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde von dem Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist beim

Amtsgericht Charlottenburg
Amtsgerichtsplatz 1
14057 Berlin

einzulegen, entweder mündlich, durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem oben genannten Amtsgericht oder bei jedem anderen Amtsgericht oder schriftlich, durch Übersendung eines Schriftsatzes in deutscher Sprache. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. Bei der mündlicher Einlegung der Beschwerde bei einem anderen Amtsgericht als dem oben genannten ist die Frist nur gewahrt ist, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. (…)

 

AG Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2016, Az. 217 C 87/16

 

(…) Abschrift

Amtsgericht Charlottenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

Geschäftsnummer: 217 C 87/16

verkündet am : 22.08.2016
[Name], Justizbeschäftigte

In dem Rechtsstreit

der [Name],
Klägerin,

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte rka Reichelt Klute, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,-

gegen

den Herrn [Name],
Beklagten,

– Prozessbevollmächtigter: [Name], –

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 217, auf die mündliche Verhandlung vom 22. August 2016 durch den Richter am Amtsgericht [Name]für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2012 zu zahlen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht gegen den Beklagten einen Schadensersatzanspruch sowie die Anwaltskosten der vorgerichtlichen Abmahnung wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung durch Ermöglichung des Downloads des Computerspiels „[Name]“ geltend.

Die vorbezeichnete Software ist im September 2011 erschienen und ist neu im Handel nicht mehr erhältlich. Entwicklerin ist die Firma [Name] Polen.

Im Haushalt des Beklagten leben neben der Ehefrau die vier gemeinsamen Söhne im Alter von derzeit 11, 16, 19 und 23 Jahren. Diese haben Zugang zum Internet. Dem Sohn des Beklagten, Herr [Name], wurde Ende 2012 das Spiel als kostenloser Download angeboten. Zumindest einmal wurde der Beklagte in der Vergangenheit bereits wegen einer Urheberrechtsverletzung abgemahnt, und zwar im Jahr 2010.

Die Klägerin hat die Firma Excipio GmbH unter anderem mit der Überwachung sogenannter P2P-Tauschbörsen beauftragt. Diese ermittelte, dass die vorbezeichnete Software an folgendem Tag in einer Tauschbörse zum Download bereitgestellt worden ist:

09.10.2012 um 17: xx:xx Uhr (IP-Adresse: 79.xxx.xxx.48);
16.10.2012 um 22: xx:xx Uhr (IP-Adresse: 87.xxx.xxx.147);
18.10.2012 um 12: xx:xx Uhr (IP-Adresse: 87.xxx.xxx.147);
23.10.2012 um 21:3x:xx Uhr (IP-Adresse: 87.xxx.xxx.147) und
23.10.2012 um 21:5x:xx Uhr (IP-Adresse: 87.xxx.xxx.147).

Nach den aufgrund des vor dem Landgericht Köln angestrengten Auskunftsverfahren (Az. 225 0 166/12, Az. 229 0 206/12, Az. 232 0 171/12, Az. 230 0 205/12) eingeholten Auskünften des Providers sind diese IP-Adressen dem Anschluss des Beklagten zuzuordnen. Mit Schriftsatz der jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 06.12.2012 wurde der Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Zahlung einer Schadensersatzpauschale aufgefordert. Hierauf reagierte der Beklagte nicht.

Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte zu den benannten Zeiten am 09.102012 um 17:xx:xx Uhr (IP-Adresse: 79.xxx.xxx.48), am 16.10.2012 um 22:xx:xx Uhr, am 18.10.2012 um 12:xx:xx Uhr, am 23.10.2012 um 21:3x:xx Uhr und am 23.10.2012 um 21:5x:xx Uhr (jeweils IP-Adresse: 87.xxx.xxx.147) das Computerspiel „[Name]“ dessen ausschließliche Rechteinhaberin sie sei, zum Download in einer P2P-Tauschbörse angeboten habe.

Selbst wenn dies durch den Sohn erfolgt sei, habe der Beklagte zumindest hiervon gewusst. Dies sei durch die Firma Excipio GmbH sicher ermittelt worden. Die Klägerin ist der Ansicht, dass der Beklagte als Täter oder Störer hafte, und zwar zumindest auch nach §§ 832 BGB, 97 UrhG; der Lizenzschaden betrage 640,20 EUR; zudem könne sie die anwaltlichen Abmahnkosten von 859,80 EUR (Gegenstandswert 20.000,00 EUR bei einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG) beanspruchen.

Die Klägerin hat am 30.12.2015 beim Amtsgericht Wedding den Erlass eines Mahnbescheides über eine Hauptforderung in Höhe von 1.500,00 EUR nebst gesetzlicher Zinsen seit dem 04.02.2013 („Unerlaubte Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke aus dem Repertoire des Antragsstellers gern. EU 859,80 Anwalt, EU 640,20 SchadenSchreiben vom 06.12.12 vom 06.12.12“) beantragt. Der Mahnbescheid vom 04.01.2016 – [Geschäftsnummer] – wurde dem Beklagten am 08.01.2016 zugestellt; hiergegen wendete er sich mit dem am 13.01.2016 beim Mahngericht eingegangenen Widerspruch. Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beklagten zu verurteilen, an sie 1.500,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 18.12.2012 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich des weitergehenden Vortrags wird auf die ausgetauschten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 22.08.2016 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Erstattung des Lizenzschadens von 640,20 EUR und auf die geltend gemachten Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR aus §§ 97 Abs. 2, 97a Abs. 1 S. 2 UrhG (a.F., in der bis 08.10.2013 geltenden Fassung), §§ 823, 812 BGB bzw. aus den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag oder aus § 832 BGB i.V.m. den vorbezeichneten Normen.

Die Klägerin hat zum Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses die ausschließliche Nutzungsberechtigung besessen. Zwar kann die Klägerin als juristische Person nicht Urheberin (d.h. Schöpferin i.S.d. § 7 UrhG) sein. Jedoch erfolgte der Erwerb der ausschließlichen Nutzungsrechte (von den „eigentlichen Schöpfern“) zweifellos vertraglich, wobei dahinstehen kann, ob eine ausdrückliche Vereinbarung getroffen wurde oder lediglich eine stillschweigende Vereinbarung (im Arbeits- oder Werkvertrag) erfolgt ist, noch dazu die Aktivlegitimation dann ohnehin aus § 69b UrhG folgen dürfte (vgl. zu dieser Frage nur Wandtke / Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 7 Rdn. 9 und § 69b Rdn. 2 ff. mwN). Dass die Klägerin tatsächlich Rechtsinhaberin ist, hat sie substantiiert vorgetragen und die Beklagte nicht qualifiziert bestritten. Im Übrigen ist die Rechteinhaberschaft dem Gericht aus anderen Verfahren bekannt.

An den hier maßgeblichen Tagen, den 09., 16., 18. und 23.10.2012, ist das Computerspiel „[Name]“ zum Herunterladen zur Verfügung gestellt worden. Der Beklagte bestreitet in diesem Zusammenhang offenbar zunächst, dass die insoweit ermittelte IP-Adressen einen Rückschluss auf ihn zulassen würde. Dieses Bestreiten ist allerdings schon von vornherein unerheblich, weil bereits allein durch die Anzahl der festgestellten Zuordnungen von unterschiedlichen IP-Adressen, die zu unterschiedlichen Zeiten ermittelt wurden, eine von dem Beklagten ausgehende Verletzungshandlung glaubhaft gemacht wurde, da es außerhalb der Lebenswahrscheinlichkeit liegt, dass mehrere IP-Adressen mehrere Mal genau demselben – falschen – Internetanschluss zugeordnet werden (vgl. zu dieser Frage nur OLG Hamburg, MMR 2011, 281 und LG Hamburg, ZUM-RD 2010, 416). Darüber hinaus hat die Klägerin substantiiert zur Ermittlung der Firma Excipio GmbH vorgetragen, ohne dass der Beklagte diesem Vortrag in qualifizierter Weise entgegengetreten ist.

Der Beklagte genügt nach Auffassung des Gerichts bereits seiner (weiteren) sekundären Darlegungslast nicht, wenn er lediglich behauptet, dass nur ein Dritter – einer der Söhne – als Verletzer in Betracht käme. Es besteht eine tatsächliche Vermutung dahingehend, dass diejenige Person, der die IP-Adresse zugeordnet ist, von welcher die Rechtsverletzungen begangen wurden, auch für die Rechtsverletzungen verantwortlich ist. ‚per Anschlussinhaber kann diese Vermutung nur entkräften, indem er im Rahmen der ihn treffenden sekundären Darlegungslast Umstände vorträgt, die einen abweichenden Geschehensablauf nahe legen (vgl. hierzu BGH, GRUR 2010, 633). Der Beklagte muss sich deshalb zur Erfüllung seiner sekundären Darlegungslast entscheiden, ob er in einem ersten Schritt in Zweifel zieht, dass die Rechtsverletzung überhaupt über seinen Internetanschluss erfolgte und dann in einem zweiten Schritt entweder für seine Person die Rechtsverletzung unter Verweis auf andere Familienmitglieder oder Wohnungsinhaber etc. und unter Darlegung der getätigten Kontrollmaßnahmen bestreitet oder aber insgesamt eine Täterschaft in der Familie bestreitet und auf einen Dritten verweist, was indes Darlegungen zu den getroffenen

Sicherheitsvorkehrungen erfordert (vgl. zur Darlegungslast: BGH, Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 75/14 in NJW 2016, 953; insgesamt zu dieser Frage: LG Köln, Urt. v. 11.05,2011 – Az. 28 0 763/10). An einem solchen nachvollziehbaren Vortrag fehlt es hier, so dass die tatsächliche Vermutung gegen den Beklagten streitet. Der Beklagte ist mithin schon aus diesem Grund als aktiver Täter anzusehen. Die theoretische Möglichkeit, dass bei den Ermittlungen auch Fehler vorkommen können, spricht zunächst einmal nicht gegen die Beweiskraft des Ermittlungsergebnisses, wenn im Einzelfall keine konkreten Fehler dargelegt werden, die gegen deren Richtigkeit sprechen. Der Beklagte vermochte nicht substantiiert darzulegen, welche Sicherheitsvorkehrungen sie getroffen hat. Die tatsächliche Anwesenheit ist für eine Rechtsverletzung nicht erforderlich. Ob andere Personen – die Söhne etc. – zum Tatzeitpunkt tatsächlich selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, trägt der Beklagte ebenfalls nicht substantiiert vor, näher befragt wurden diese offenbar nicht. Damit greift die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Inhabers eines Internetanschlusses ein (vgl. BGH a.a.0.).

Der Beklagte handelte schuldhaft. Im Urheberrecht ist dabei ein strenger Maßstab anzulegen. Er handelte zumindest fahrlässig.

Ein Schadensersatzanspruch besteht indes auch unter einem anderen Gesichtspunkt. Den Beklagten traf als Vater seines minderjährigen Sohnes die aus § 832 Abs. 1 BGB resultierende Aufsichtspflicht. Die gesetzlichen Aufsichtspflichten dienen nicht nur dazu, den Minderjährigen vor Schäden zu bewahren, sondern auch dazu zu verhindern, dass er in altersbedingter Unachtsamkeit oder Unreife in Rechte Dritter eingreift, die auch ein Volljähriger nicht verletzen dürfte. Eine Ersatzpflicht würde nur ausscheiden, wenn der Beklagte seiner Aufsichtspflicht genügt hätte oder der Schaden auch bei der gebotenen Aufsichtsführung entstanden wäre. Das Maß der gebotenen Aufsicht und Kontrolle richten sich nach dem Alter und dem Charakter des betreffenden Kindes und auch danach, was dem Aufsichtspflichtigen in seiner jeweiligen Situation zugemutet werden kann (BGHZ 111, 282, 285; BGH NJW 2009, 1954). Bei der Bemessung des Umfangs der Aufsichts- und Kontrollpflichten im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass einem Jugendlichen im pubertären durchaus in einem eingeschränkten Umfang gestattet werden kann, das Internet auch ohne persönliche Anwesenheit eines Erziehungsberechtigten zu nutzen, solange für diese Nutzung hinreichende Verhaltensregeln aufgestellt waren und Kontrollen zu deren Einhaltung durchgeführt wurden (so OLG Köln, Urt. v. 23.03.2012 – Az. 6 U 67/11 in Bezug auf einen 13-Jährigen).

Der Beklagte hat die danach erforderlichen und zumutbaren Sicherungsmaßnahmen nach seinem Vortrag aber nicht vorgenommen. Dies war aber gerade deshalb erforderlich, weil bereits zwei Jahre zuvor den Beklagten eine Abmahnung erreicht hatte. Ihm musste also bewusst sein, dass seine Kinder durchaus – ob aus Unwissenheit oder bewusst – Urheberrechtsverletzungen begehen könnten. Insoweit oblag dem Beklagten neben der eindringlichen – und nicht nur allgemein gehaltenen – Belehrung auch eine Überwachung, zumindest in einem gewissen Umfange (vgl. hierzu BGH, NJW 2013, 1441 und NJW 2016, 950). Erforderlich sind zumindest stichprobenartige Kontrollen des Internetverlaufs bzw. der auf dem Rechner installierten Programme über die Systemsteuerung. Dass der Beklagte dieser Pflicht nachgekommen ist, trägt er nicht substantiiert vor. Unerheblich in dem Zusammenhang erscheint, welcher der Söhne die frühere Urheberrechtsverletzung begangen hat. Entscheidend erscheint, dass von dem Anschluss überhaupt die Rechtsverletzung begangen wurde. Zudem ist der diesbezügliche Vortrag des Beklagten unsubstantiiert, sowohl hinsichtlich der Frage der Täterschaft der ursprünglichen wie der streitgegenständlichen Verletzung als auch hinsichtlich der Frage der Belehrung (Wann? Welcher Wortlaut?).

Der Beklagte schuldet daher Schadensersatz. Soweit man diesen im Wege der Lizenzanalogie (zur Zulässigkeit im Rahmen des § 832 BGB: BGH, NJW 2016, 950) ermittelt, ist dieser der Höhe nach nicht zu beanstanden. In diesem Rahmen ist der (damalige) Kaufpreis des Spieles zu berücksichtigen. Als Faustregel nimmt das Gericht allerdings als Lizenzschaden den hundertfachen Wert des Kaufpreises an, wobei unter Berücksichtigung der weiteren Umstände des Einzelfalles Wie ist der Bekanntheitsgrad? Wie waren die Kosten? Wann wurde das Programm erstmals veröffentlicht? etc. – eine Anpassung nach oben oder unten erfolgen kann. Angesichts der durchaus noch zu bejahenden Aktualität des Spieles zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung, der Höhe des Verkaufspreises und des Bekanntheitsgrades schätzt das Gericht den Lizenzschaden der Höhe nach auf 640,20 EUR, § 287 ZPO.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Zudem besteht ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 859,80 EUR aus § 97 Abs. 2 UrhG (a.F.), d.h. als Teil des Schadensersatzes; ferner aber auch aus § 97a UrhG (a.F.) und den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag bzw. § 832 BGB.

Aus den vorbezeichneten Gründen haftet der Beklagte der Klägerin dem Grunde nach. Die Klägerin durfte sich der Durchsetzung ihres Schadensersatzanspruchs auch eines Rechtsanwalts bedienen. Auszugehen ist dabei von einem Gegenstandswert von bis zu 20.000,00 Euro bei einer 1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VVRVG zuzüglich der Pauschale nach Nr. 7002 VVRVG.

Den Gegenstandswert für den Unterlassungsanspruch schätzt das Gericht (nach §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO) auf (zumindest) 20.000,00 EUR. Ausgangspunkt für die Bemessung des Wertes einer Unterlassungsklage ist das Interesse der Klägerin an der Rechtsdurchsetzung bei einer „ex ante“ Betrachtung, wobei dieses Interesse vom Gericht nach freiem Ermessen geschätzt werden muss, § 3 ZPO. Zu berücksichtigen ist im Urheberrecht deshalb, wie und in welchem Umfang das geschützte Recht verletzt wird und inwieweit dadurch das wirtschaftliche Interesse des Urheberrechtsinhabers betroffen ist. Maßgeblich sind dabei der wirtschaftliche Wert des Urheberrechts und der Angriffsfaktor der Rechtsverletzung. Bereits dieser Ansatz macht deutlich, dass diese Bewertungsfaktoren nicht für alle Urheberrechtsverletzungen zu einem mehr oder weniger einheitlichen Streitwert führen. Zu beachten ist nämlich, dass das Interesse des Urhebers an der Unterlassung unterschiedlich geprägt sein kann. Handelt es sich um ein Urheberrecht an einem Werk, das der Urheber vermarktet, zielt sein Unterlassungsanspruch gegen nicht genehmigte Nutzungen im Wesentlichen darauf ab, dieses Lizenzinteresse zu sichern. Bei einer solchen Interessenlage vermag es durchaus sachgerecht erscheinen, für die Streitwertbemessung auf den vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden abzustellen (vgl. etwa OLG Braunschweig, GRURPrax 2011, 516). Ein solcher war hier allerdings noch gar nicht bekannt, der Umfang (Art, Anzahl, Dauer der Nutzung etc.) nicht abzusehen. Das wirtschaftliche Interesse der Klägerin, den drohenden Schaden, bemisst das Gericht unter Ansehung der Verletzungsintensität und der weiteren Umstände, wie Aktualität und Bekanntheit des Programms auf (zumindest) 20.000,00 EUR. Die Gebühren sind dem Grunde nach auch ordnungsgemäß berechnet worden. Bei Computerspielen erscheint sogar ein Gegenstandswert in Höhe von 30.000,00 Euro angemessen (vgl. LG Berlin, Beschl. v. 03.032011, Az. 16 0 86/11). Zu berücksichtigen ist hierbei neben den obigen Kriterien der hohe Aufwand der Programmierung von Computerspielen sowie ihre lange Laufzeit. Soweit der Beklagte einwendet, dass das Programm nicht lauffähig sei, ist der Vortrag unsubstantiiert insbesondere wird schon nicht vorgetragen, dass ein nicht lauffähiges Programm zum Download angeboten wurde.

Dass die Klägerin ihren Anspruch auch auf § 832 BGB und damit auf einen anderen Lebenssachverhalt stützt, steht der Erstattungsfähigkeit nicht entgegen. Einerseits wird weiterhin eine (Mit-)Täterschaft des Beklagten geltend gemacht, so dass die Abmahnung nicht zu weit ging. Andererseits haftet der Beklagte ohnehin zumindest nach § 832 BGB, wobei er allerdings ohnehin nach § 97 UrhG haftet, da sein Vortrag insoweit nicht ausreichte, um die Vermutung entkräften.

Eine 1,3 Gebühr nach Nr. 2300 WRVG ist nicht zu beanstanden. Diese liegt unterhalb des (rechnerischen) Mittelwertes von 1,5. Der Beklagte trägt keine Umstände vor, die gegen die Gewährung der gekappten Mittelgebühr liegenden 1,3 Gebühr sprechen würden. Allein der Umstand, dass es sich um Massenverfahren handelt, ist insoweit nicht ausreichend. Darüber hinaus steht dem Rechtsanwalt in einem begrenzten Umfang ein Ermessensspielraum zu. Eine Deckelung nach § 97a Abs. 3 S. 2 UrhG nF hat nicht zu erfolgen; maßgeblich kommt es insoweit auf den Zeitpunkt der Abmahnung an, weshalb dahinstehen kann, ob in Fällen wie dem vorliegenden nicht ohnehin die Öffnungsklausel nach § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG nF anzuwenden ist. Hinzu kommt die Pauschale nach Nr. 7002 WRVG.

Unerheblich wäre der Einwand, die Klägerin habe den Betrag nicht erstattet. Denn bei einem ernsthaften Bestreiten wandelt sich ein Freistellungsanspruch in einen Zahlungsanspruch um.

Unerheblich wäre, dass die vorgerichtliche Abmahnung zu weit ginge. Dies würde – anders die Rechtslage nach § 97a UrhG n.F. – nicht die Erstattungsfähigkeit der Anwaltskosten berühren. Bei Bemessung der Höhe des Gegenstandswertes hätte das Gericht von dem zulässigen Maß auszugehen.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280, 286 Abs. 1 S. 1, 288 Abs. 1 BGB.

Den geltend gemachten Ansprüchen steht nicht der Einwand der Verjährung entgegen. Der Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf die Einrede der Verjährung gemäß § 214 BGB berufen.

Die Verjährung derartiger Ansprüche unterliegt keiner besonderen Regel, daher ist die regelmäßige Verjährungsfrist einschlägig, die gemäß § 195 BGB drei Jahre beträgt – hinsichtlich des Lizenzschadens gilt allerdings ohnehin § 852 BGB (vgl. BGH, NJW 2015, 3165).

Nach § 199 Abs. 1 BGB begann die Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem die geltend gemachten Ansprüche entstanden waren. Entstanden im Sinne des § 199 Abs. 1 BGB ist ein Anspruch, sobald er erstmals geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann. Dies ist der Zeitpunkt, in dem er fällig wird (vgl. nur BGHZ 55, 340, 341; 79, 176, 177). Voraussetzung hierfür ist die Kenntnis des Schädigers.

Der Anspruch, der entstanden sein muss, ist der Anspruch auf Ersatz der erforderlichen Aufwendungen gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F., nicht jedoch der Unterlassungsanspruch, der lediglich Inhalt und Grund der Abmahnung ist. Entstanden ist der Ersatzanspruch, sobald er im Wege der Klage geltend gemacht werden kann, was regelmäßig spätestens bei Eintritt der Fälligkeit der Fall ist. Die Fälligkeit tritt aber nicht bereits im Zeitpunkt der Zuwiderhandlung bzw. Kenntnis des Schädigers ein, so dass der Abmahnkosten-Ersatzanspruch nicht zeitgleich mit dem Unterlassungsanspruch entsteht. Fälligkeit des Erstattungsanspruchs tritt auch noch nicht mit Beauftragung des Rechtsanwalts ein und auch dann noch nicht, wenn dieser die Abmahnung verfasst oder versendet (so aber wohl LG Köln, Urt. v. 25.04.2013, – Az. 14 0 500/12). Vielmehr wird der Anspruch gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. bzw. § 97a Abs. 3 UrhG 2013 frühestens mit Zugang der Abmahnung beim Abgemahnten fällig, denn die Abmahnung bzw. genau genommen deren Zugang ist notwendige Voraussetzung des § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. (vgl. AG Hamburg, GRUR-RR 2015, 100; Hewicker / Marquardt / Neurauter; NJW 2014, 2753, 2754 ff. m.w.N.).

Daher begann der Lauf der regelmäßigen Verjährungsfrist für die Abmahnkosten frühestens mit dem Schluss des Jahres 2012 und endete in diesem Fall mit Ablauf des Jahres 2015. Hinsichtlich des Lizenzschadens beginnt der Lauf der 10-jährigen Verjährungsfrist frühestens mit Ablauf des Jahres 2012 – die Frist läuft daher noch und ist spätestens mit Eingang bzw. Zustellung der Anspruchsbegründung unterbrochen.

Der Lauf der Verjährung wurde nach Ansicht des Gerichts hinsichtlich der Abmahnkosten durch die Zustellung des Mahnbescheides am 08.01.2016 (bzw. rückwirkend nach § 167 ZPO bereits Antragseingang) gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB. Denn die im Mahnbescheid geltend gemachten Ansprüche sind ausreichend bezeichnet. Zur Verjährungshemmung führt die Zustellung des Mahnbescheides – beziehungsweise unter den Voraussetzungen des § 167 ZPO der Eingang des Antrags auf Erlass eines Mahnbescheides nur unter der Voraussetzung, dass der geltend gemachte Anspruch ausreichend individualisiert ist, § 690 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (vgl. nur BGH, NJW 1991, 43; NJW 1992, 1111 und WM 2000, 686; KG, GE 2001, 989 jeweils m.w.N.), Dies ergibt sich daraus, dass der Mahnbescheid als Grundlage eines Vollstreckungsbescheides dienen soll und dem Schuldner die Beurteilung ermöglichen muss, ob er sich gegen den Anspruch zur Wehr setzen will oder nicht. Wird – wie vorliegend eine Mehrzahl von Einzelforderungen geltend gemacht, muss deren Bezeichnung im Mahnbescheid der Beklagten ermöglichen, die Zusammensetzung des verlangten Gesamtbetrages aus für ihn unterscheidbaren Ansprüchen zu erkennen (vgl. nur BGH, NJW 2001, 305). Demnach muss der Schuldner erkennen können, welche Forderung gegen ihn geltend gemacht wird (vgl. nur BGH, NJW 1992, 1111 und NJW-RR 2006, 275). Ein Mahnbescheid hemmt die Verjährung auch dann nicht, wenn der Antrag die hinreichende Individualisierung des Anspruchs vermissen lässt, die Individualisierung jedoch im anschließenden Streitverfahren nach Ablauf der Verjährungsfrist nachgeholt wird (vgl. BGH, NJW 2001, 305). Lediglich eine Substantlierung des Anspruchs, namentlich die Angabe seiner Berechnungsgrundlagen, ist im Mahnverfahren für die Verjährungshemmung entbehrlich.
Eine ausreichende Individualisierung kann vorliegend bejaht werden. Der Beklagte konnte dem Mahnbescheid entnehmen, dass die Klägerin die Abmahnkosten und den Lizenzschaden geltend macht.

Eine Schadensminderungspflicht vor dem Hintergrund der Verjährung eines etwaigen Anspruchs der jetzigen Prozessbevollmächtigten gegen die Klägerin auf Zahlung der Anwaltskosten steht dem Anspruch nicht entgegen. Dies zum einen nicht, weil es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch handelt. Zum anderen ist der Anspruch der Prozessbevollmächtigten ohnehin nicht verjährt, da der Lauf der Verjährung erst mit Beendigung des Auftrags beginnt. Dies ist offenbar frühestens im Jahr 2013 der Fall.
Weitere Erklärungsfrist auf den Schriftsatz vom 11.08.2016 war dem Beklagten nicht zu gewähren. Es bestand ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme, im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung. Auf die Anlagen bedurfte es keiner Gewährung einer Erklärungsfrist, diese weisen keinen weiteren entscheidungserheblichen Inhalt auf.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO. Der Streitwert wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung für jeden zulässig, der durch dieses Urteil in seinen Rechten benachteiligt ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,00 EUR übersteigt oder wenn die Berufung in dem Urteil durch das Amtsgericht Charlottenburg zugelassen worden ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes ist glaubhaft zu machen; eine Versicherung an Eides statt ist nicht zulässig. Die Berufung muss binnen einer Notfrist von einem Monat nach Zustellung dieses Urteils schriftlich beim

Landgericht Berlin
Littenstraße 12-17
10179 Berlin

Landgericht Berlin
Tegeler Weg 17-21
10589 Berlin

Landgericht Berlin
Turmstraße 91
10559 Berlin

eingegangen sein. Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung der Entscheidung, wenn die Entscheidung nicht zugestellt werden konnte. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde, enthalten. Die Gerichtssprache ist deutsch. Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, binnen zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils schriftlich gegenüber dem Landgericht Berlin zu begründen. Die Parteien müssen sich vor dem Landgericht Berlin durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, insbesondere müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem solchen unterzeichnet sein. Mit der Berufungsschrift soll eine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift des angefochtenen Urteils vorgelegt werden.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, ist die Beschwerde zulässig, wenn entweder der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 EUR übersteigt oder die Beschwerde von dem Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, zugelassen wurde.

Die Beschwerde ist beim

Amtsgericht Charlottenburg
Amtsgerichtsplatz 1
14057 Berlin

einzulegen, entweder mündlich, durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem oben genannten Amtsgericht oder bei jedem anderen Amtsgericht oder schriftlich, durch Übersendung eines Schriftsatzes in deutscher Sprache. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen. Die Frist beginnt mit dem Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. Bei der mündlicher Einlegung der Beschwerde bei einem anderen Amtsgericht als dem oben genannten ist die Frist nur gewahrt ist, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. (…)

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AG Bielefeld, Urteil vom 04.08.2016, Az. 42 C 51/16
AG Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2016, Az. 217 C 58/16
AG Charlottenburg, Urteil vom 22.08.2016, Az. 217 C 87/16

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