Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München): Amtsgericht Charlottenburg – Unsubstantiierte Verweise auf Dritte ohne konkreten Bezug zur Rechtsverletzung reichen nicht aus, um den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast in Tauschbörsenverfahren zu genügen

16:32 Uhr

 

Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Filmaufnahmen. Der in diesem Verfahren vor dem Amtsgericht Charlottenburg in Anspruch genommene Beklagte hatte seine eigene Verantwortlichkeit für den illegalen Upload eines Filmwerks bestritten und darauf verwiesen, dass neben ihm auch dessen Ehefrau und seine beiden Kinder (damals 16 und 18 Jahre) Zugriff auf den Internetanschluss gehabt hätten. Sämtliche Personen hätten auf Nachfrage jedoch angegeben, für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich zu sein. Zudem verwies der Beklagte darauf, dass im Tatzeitraum im Rahmen von Besuchen auch Freunde der Kinder den Internetanschluss hätten nutzen können.

 

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WALDORF FROMMER Rechtsanwälte

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Bericht

Link:
https://news.waldorf-frommer.de/waldorf-frommer-ag-charlottenburg-unsubstantiierte-verweise-auf-dritte-ohne-konkreten-bezug-zur-rechtsverletzung-reichen-nicht-aus-um-den-anforderungen-an-die-sekundaeren-darlegungslast-in/

 

Urteil als PDF:
https://news.waldorf-frommer.de/wp-content/uploads/2017/07/AG_Charlottenburg_218_C_360_16.pdf

 

Autorin:

Rechtsanwältin Anamaria Scheunemann

 

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Schließlich machte der Beklagte die Ausnutzung einer vermeintlichen Sicherheitslücke am Router für die Rechtsverletzung verantwortlich und bestritt die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Hinsichtlich der Aktivlegitimation hatte das Gericht nach Vernehmung des von der Klägerin benannten Zeugen keinerlei Zweifel.

„Die Klägerin ist aktivlegitimiert. […] Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen [Name] fest. Dessen Angaben waren in sich schlüssig und passen auch mit den sonstigen Indizien, hier vor allem den ©-Vermerken auf dem DVD-Cover und der DVD, zusammen.“

 

Auch die Ehefrau sowie die beiden Kinder wurden im Laufe des Verfahrens als Zeugen zur Rechtsverletzung vernommen, welche ihre Täterschaft abstritten. Aufgrund dieser Aussagen stand für das Gericht daher fest, dass weder die Frau noch die beiden Kinder den Rechtsverstoß begangen haben.

Soweit der Beklagte im Übrigen auf die Freunde der Kinder verwies, erachtete das Gericht diesen Vortrag für unbeachtlich. Zwar stehe nach der Beweisaufnahme fest, dass die genannten Freunde aufgrund deren Nutzungsmöglichkeit im Tatzeitraum als Täter theoretisch in Betracht kämen. Jedoch habe der Beklagte weder die in Betracht kommenden Nutzer namentlich benannt noch irgendwelche ihm zumutbaren Nachforschungen zu deren vermeintlicher Täterschaft angestellt. Vor diesem Hintergrund sei der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast nicht in erforderlichem Maße nachgekommen, weshalb er als Täter zu verurteilen sei.

„Der Beklagte und auch seine als Zeugen vernommenen Familienangehörigen haben allerdings angegeben, dass weiteren Personen Zugang zum Internet gewährt wurde, z.B. Freunden des [Name]. Wer das im Einzelnen war und ob diese Personen zum Tatzeitpunkt in der Wohnung anwesend waren, wurde vom Beklagten nicht mitgeteilt. Dabei mag es sein, dass der Beklagte das nach so langer Zeit nicht mehr rekonstruieren kann. Es wäre aber seine Obliegenheit gewesen, unverzüglich nach Erhalt der Abmahnung, also knapp 6 Wochen nach dem eigentlichen Geschehen, zu ermitteln, wer zum Tatzeitpunkt anwesend war. Dies wäre grundsätzlich auch möglich gewesen, nämlich durch Auslesen des Routerprotokolls. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dem Beklagten solche technischen Möglichkeiten fern liegen. Denn er hätte jemanden beauftragen können, der dazu in der Lage wäre.

[…]

Wenn aber die Beklagtenseite nicht darlegt, dass andere Personen im Tatzeitraum selbständig Zugang zum Internetzugang hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, dann greift wieder die tatsächliche Vermutung der Täterschaft (BGH Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“ – zitiert nach juris, dort Rdnr. 42).“

 

Aufgrund des unsubstantiierten Vortrags des Beklagten könne überdies nicht davon ausgegangen werden, dass ein unbefugter Dritter als Täter der Rechtsverletzung in Betracht komme.

Das Amtsgericht Charlottenburg verurteilte daher den Beklagten antragsgemäß zur Leistung von Schadensersatz, Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten sowie zur Übernahme sämtlicher Kosten des Rechtsstreits.

 

 

 

AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06. 2017, Az. 218 C 360/16

 

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

 

Amtsgericht Charlottenburg

Im Namen des Volkes

Urteil

 

Geschäftsnummer: 218 C 360/16
verkündet am : 08.06.2017

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin,

– Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Waldorf Frommer, Beethovenstraße 12, 80336 München, –

gegen

den Herrn [Name], 13589 Berlin,
Beklagten,

– Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name], 10789 Berlin, –

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Zivilprozessabteilung 218, auf die mündliche Verhandlung vom 27.04.2017 durch die Richterin am Amtsgericht [Name]

für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 600,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2015 zu zahlen.
2. Der Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 506,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2015 zu zahlen.
3. Der Beklagte trägt die Kosten des ‚Rechtsstreits.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die vorläufige Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Schadens- und Aufwendungsersatz wegen eines Urheberrechtsverstoßes in Anspruch.

Die Fa. Digital Forensics ermittelte, dass am [Datum] zwischen [Uhrzeit] und [Uhrzeit] Uhr MESZ über den Internetanschluss mit der IP-Adresse [IP] der Film [Name] zum Download angeboten wurde. Aufgrund Beschlusses des LG Köln zum Az. 223 0 47/13 erteilte die Telekom die Auskunft, dass zum streitgegenständlichen Zeitpunkt der Beklagte Inhaber des zur IP-Adresse gehörigen Anschlusses gewesen sei (Anlage K2 = Bl. 34 – 36).

Auf die Abmahnung vom [Datum] (Anlage K4-1 = Bl. 38 – 42) gab der Beklagte am [Datum] eine Unterlassungserklärung ab (Anlage K4-2 = Bl. 49, 50) und erläuterte zugleich, er habe den Verstoß nicht begangen, ebenso wenig seine Familienangehörigen. Den geforderten Schadensersatz könne er aufgrund seiner finanziellen Verhältnisse nicht leisten.

Die Klägerin verlangt Schadensersatz in Höhe von mindestens 600,00 EUR, die sie im Wege der Lizenzanalogie berechnet, sowie Aufwendungsersatz in Höhe von 506,00 EUR.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der Leistungsschutzrechte an dem Film [Name] zu sein. Sie legt dazu Fotokopien des DVD-Covers und der DVD (Anlage K1 = Bl. 31 – 33) vor.

Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2015 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.10.2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen.

Er behauptet, er habe den Rechtsverstoß nicht begangen. Der Anschluss sei auch von seiner Frau und den damals 16 und 18 Jahre alten Kindern genutzt worden. Alle hätten angegeben, sie seien es ebenfalls nicht gewesen.

Es ist Beweis erhoben worden durch Vernehmung der Zeugen [Namen der 3 Zeugen].

Wegen der Beweisfragen wird Bezug genommen auf den Beschluss vom 27.02.2017 (Bl. 123, 124) und wegen des Beweisergebnisses auf das Protokoll vom 27.04.2017 (Bl. 165 – 172).

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist in der Sache auch begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche zu, da der Beklagte als Täter haftet.

1.

Der Beklagte haftet als Täter gemäß § 97 Abs. 2 UrhG auf Schadensersatz.

a)

Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Sie hat sämtliche exklusiven Nutzungs- und Verwertungsrechte (§§ 16, 17, 19a UrhG) von der Produzentin, den [Name] für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erworben und nur die Rechte nach §§ 16 und 17 UrhG an ihre Töchter, die [Name] weitergereicht. Die Klägerin ist nach wie vor Inhaberin der exklusiven Online-Rechte. Dies steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der glaubhaften Angaben des Zeugen [Name] fest. Dessen Angaben waren in sich schlüssig und passen auch mit den sonstigen Indizien, hier vor allem den ©-Vermerken auf dem DVD-Cover und der DVD zusammen. Dort sind nämlich einerseits von denen die Klägerin ihre Rechte ableitet, und andererseits die als Berechtigte aufgeführt.

Das Gericht ist aufgrund des im Termin gewonnenen persönlichen Eindrucks auch von der Glaubwürdigkeit des Zeugen überzeugt. Dabei verkennt es nicht, dass der Zeuge als Angestellter der Klägerin der Angelegenheit nicht völlig unbefangen gegenüber steht. Andererseits hat das Gericht keine Anhaltspunkte dafür gefunden, dass der Zeuge etwa unwahre. Angaben gemacht haben könnte. Er machte seine Angaben sachlich und gelassen, auf Nachfragen reagierte er spontan und ersichtlich offen.

Das Gericht verkennt nicht, dass nicht auszuschließen ist, dass der Zeuge hinsichtlich der Rechtsinhaberschaft der Klägerin schlicht irrt. Aber wenn die Klägerin eben nicht Inhaberin der Rechte wäre, hätten dafür längst Anhaltspunkte den Zeugen als den entsprechenden Justiziar der Klägerin erreichen müssen. Und schließlich ist insoweit zu berücksichtigen, dass auch der Beklagte keine Anhaltspunkte dafür liefert, dass die Rechte an dem Film etwa Dritten zustehen könnten.

b)

Unstreitig waren die Ermittlungen der durch die Klägerin beauftragten Firma richtig und die ermittelte IP-Adresse zum maßgeblichen Zeitpunkt dem Anschluss des Klägers zugeordnet.

Soweit der Beklagte behauptet, sein Router [Name] sei unsicher gewesen, fehlt es bereits an hinreichend substantiiertem Sachvortrag. Es wäre schon erforderlich, eine eventuelle Sicherheitslücke nach ihrer Art vorzutragen, beispielsweise durch Vorlage entsprechender Artikel aus Fachzeitschriften. Darüber hinaus müsste aber auch zum genauen Zeitraum der Lücke vorgetragen werden. Üblicherweise werden Sicherheitslücken bei Routern vom entsprechenden Internetprovider, hier also der Telekom, unverzüglich nach Bekanntwerden geschlossen, ohne dass die Nutzer davon unbedingt erfahren müssen: Das heißt, eine Sicherheitslücke besteht üblicherweise einige Zeit vor dem Erscheinen entsprechender Fachinformationen, wird dann aber kurz danach durch entsprechende Updates auch wieder geschlossen. Ob für den bezeichneten Speedport in der fraglichen Zeit eine Sicherheitslücke bestand, hat der Beklagte nicht vorgetragen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den grundsätzlichen Problemen mit der Telekom, wie vor allem die Zeugin [Name] sie geschildert hat. Denn dass die Verknüpfung zwischen Laptop und Router nicht funktioniert, kann verschiedene Ursachen haben. Ein Sicherheitsproblem wird dadurch nicht wahrscheinlicher.

c)

Der Beklagte ist auch passivlegitimiert, d.h. der richtige Anspruchsgegner. Er haftet als Täter, auch wenn das Gericht davon überzeugt ist, dass er den Rechtsverstoß nicht selbst begangen hat.

Die Klägerin trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – „Morpheus „; Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – „BearShare „). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerseite als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – „BearShare „, m.w.N.; BGH, Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14 -, Rn. 37, juris).

Der Beklagte hat die Täterschaftsvermutung durchaus erschüttert. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass er den Rechtsverstoß nicht begangen hat, ebenso wenig seine Frau oder die beiden damals fast erwachsenen Kinder.

Der Beklagte ist jedoch seiner sekundären Darlegungslast (vgl. BGHZ 185, 330 Rdnr. 12 – „Sommer unseres Lebens „) nicht nachgekommen. Denn nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts auch fest, dass weitere Nutzer im Tatzeitraum in Betracht kommen.

Es war beim Beklagten durchaus üblich, weiteren Personen, insbesondere Freunden seiner Kinder und sonstigen Gästen, das WLAN-Passwort zu überlassen, wie es allgemein üblich ist. Dabei kommt es in der Regel nicht darauf an, dass der Beklagte Freunde oder Gäste extra über deren Pflichten belehren müsste (vgl. BGH 1 ZR 86/15 Urteil vom 12.05.2016 – „Silver Linings Playbook“, zitiert nach juris, dort Rdnr. 20). Allerdings muss-er in solchen Fällen seiner sekundären Darlegungslast genügen, d.h. mitteilen, ob und ggf. welchen anderen Personen selbständiger Zugang zum Internet ermöglicht wurde. Ein Anschlussinhaber, der dieser Darlegungslast nicht nachkommt, haftet als Täter (BGH a.a.O. Rdnr. 28).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die als Zeugen vernommenen Familienangehörigen des Beklagten als Täter nicht in Betracht kommen. Sie haben glaubhaft bekundet, den Rechtsverstoß nicht begangen zu haben.

Der Beklagte und auch seine als Zeugen vernommenen Familienangehörigen haben allerdings angegeben, dass weiteren Personen Zugang zu Internet gewährt wurde, z.B. Freunden des Zeugen [Name]. Wer das im Einzelnen war und ob diese Personen zum Tatzeitpunkt in der Wohnung anwesend waren, wurde vom Beklagten nicht mitgeteilt. Dabei mag es sein, dass der Beklagte das nach so langer Zeit nicht mehr rekonstruieren kann. Es wäre aber seine Obliegenheit gewesen, unverzüglich nach Erhalt der Abmahnung, also knapp 6 Wochen nach dem eigentlichen Geschehen, zu ermitteln, wer zum Tatzeitpunkt anwesend war. Dies wäre grundsätzlich auch möglich gewesen, nämlich durch Auslesen des Routerprotokolls. Dabei kommt es nicht darauf an, dass dem Beklagten solche technischen Möglichkeiten fern liegen. Denn er hätte jemanden beauftragen können, der dazu in der Lage wäre.

Das Gericht verkennt nicht, dass dem Beklagten sowohl die technischen Fähigkeiten, als auch die bloße Idee zu solchen Aktionen damals gefehlt haben und auch heute fehlen. Auffällig ist insoweit, dass der Beklagte sich ersichtlich in besonderem Maße rechtstreu verhalten will und dies auch von seinen Kindern erfolgreich einfordert. Das ändert aber nichts daran, dass er seinen Anschluss eben auch anderen Personen überlassen hat, ohne diese nun nachträglich benennen zu können.

Wenn aber die Beklagtenseite nicht darlegt, dass andere Personen im Tatzeitraum selbständig Zugang zum Internetzugang hatten und deshalb als Täter der geltend gemachten Rechtsverletzung in Betracht kommen, dann greift wieder die tatsächliche Vermutung der Täterschaft (BGH Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – „Tauschbörse III “ – zitiert nach juris, dort Rdnr. 42).

d)

Durch die Rechtsverletzung ist der Klägerin ein Schaden – berechnet nach der Lizenzanalogie – in Höhe von 600,00 EUR entständen. Die Festlegung der Höhe beruht auf einer Schätzung des Gerichts gemäß § 287 ZPO.

Der Rechteinhaber hat zunächst die Wahl, wie er den ihm entstandenen Schaden berechnet wissen möchte. An diese Wahl ist das Gericht gebunden. Die Klägerin hat sich insoweit auf die Berechnung nach der Lizenzanalogie berufen. Demnach ist der Schaden danach zu bemessen, was vernünftige Parteien bei Abschluss eines Lizenzvertrages in Kenntnis der wahren Rechtslage und der Umstände des Einzelfalls als angemessenes Lizenzentgelt vereinbart hätten (Dreier / Schulze UrhG 4. Aufl., § 97 Rdnr. 61), ohne dass es darauf ankäme, ob der Rechteinhaber überhaupt zum Abschluss eines solchen Vertrages bereit gewesen wäre.

Vorliegend ist insoweit zu berücksichtigen, dass schon wegen der fehlenden Begrenzbarkeit der Weitergabe des Films die Klägerin keinesfalls bereit gewesen wäre, die kostenlose Weitergabe im Internet zu lizenzieren. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass – theoretisch – jeder Tauschbörsenteilnehmer entdeckt und auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden könnte. Maßgeblich ist weiter, dass der Film mit einigem finanziellen Aufwand, insbesondere unter Einsatz weithin bekannter Darsteller hergestellt worden ist. Andererseits befand sich der 2009 hergestellte Film zum Zeitpunkt der Rechtsverletzungen nicht mehr in der eigentlichen Verwertungsphase. Berücksichtigt wurde schließlich, dass die Klägerin vorprozessual einen Schadensersatzanspruch von 450,00 EUR geltend gemacht hat.

2.

Der Beklagte haftet als Täter auch auf Aufwendungsersatz in Höhe von 506,00 EUR nach § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG.

Grundsätzlich kann der Aufwendungsersatz für eine anwaltliche Abmahnung anhand RVG berechnet werden (BGH Urteil vom 11.06.2015 AZ I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“ – zitiert nach der Mitteilung der Pressestelle des BGH Nr. 92/2015).

Die Berechnung ist auch nicht zu beanstanden. Der Gegenstandswert für den Anspruch auf Unterlassung bzgl. des streitgegenständlichen Films ist mit 10.000,00 EUR anzusetzen. Maßgeblich ist das Interesse der Klägerin an der Unterlassung. Und dieses schätzt das Gericht auf den angegebenen Betrag.

Die in Ansatz gebrachte 1,0fache Gebühr ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat die Berechnung überprüft, sie ist ordnungsgemäß erfolgt.

3.

Nach alle dem besteht Anspruch auf Schadens- der Aufwendungsersatz, beide Forderungen sind gemäß § 286, 288 BGB zu verzinsen.

4.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Streitwert: 1.151,80 EUR

 

Rechtsbehelfsbelehrung

I.

Gegen die Entscheidung können Sie unter bestimmten Voraussetzungen Berufung einlegen, wenn Sie durch die Entscheidung in Ihren Rechten beeinträchtigt sind.

1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Berufung einlegen können?

Der Wert des Beschwerdegegenstandes muss 600,00 EUR übersteigen oder
Die Berufung ist vom Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, zugelassen worden.

2. Müssen Sie sich anwaltlich vertreten lassen?

Im Berufungsverfahren müssen Sie sich von einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt vertreten lassen.

Dies gilt für das Einlegen der Berufung und die Begründung.

3. In welcher Form und bei welchem Gericht können Sie Berufung einlegen?

Die Berufung muss schriftlich durch Ihre Rechtsanwältin oder Ihren Rechtsanwalt beim

Landgericht Berlin
Littenstraße 12-17
10179 Berlin

oder

Landgericht Berlin
Tegeler Weg 17-21
10589 Berlin

oder

Landgericht Berlin,
Turmstraße 91,
10559 Berlin

eingelegt werden.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt wird.

Die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift müssen von Ihrer Rechtsanwältin / Ihrem Rechtsanwalt unterschrieben sein.

Der Schriftsatz ist in deutscher Sprache zu verfassen.

4. Welche Fristen sind zu beachten?

Die Berufung ist innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem oben genannten Gericht einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Verkündung der Entscheidung, wenn die Entscheidung nicht zugestellt werden konnte.

Die Berufungsschrift muss innerhalb der Frist beim Gericht eingegangen sein.

Die Berufung ist, sofern nicht bereits in der Berufungsschrift erfolgt, innerhalb von zwei Monaten schriftlich zu begründen.

Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

II.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen Beschwerde einlegen.

1. Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Beschwerde einlegen können?

Der Wert des Beschwerdegegenstandes muss 200,00 Euro übersteigen oder
Die Beschwerde muss vom Gericht, das die Entscheidung getroffen hat, zugelassen worden sein.

2. In welcher Form und bei welchem Gericht können Sie Beschwerde einlegen?

Die Beschwerde ist beim

Amtsgericht Charlottenburg
Amtsgerichtsplatz 1
14057 Berlin

einzulegen, entweder

a) mündlich, durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle bei dem oben genannten Gericht oder bei jedem anderen Amtsgericht oder
b) schriftlich, durch Übersendung eines Schriftsatzes. Ihren Schriftsatz müssen Sie in deutscher Sprache verfassen.

3. Welche Fristen müssen Sie einhalten?

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten einzulegen.

Die Frist beginnt mit dem Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Bitte beachten Sie bei mündlicher Einlegung der Beschwerde bei einem anderen Amtsgericht als dem oben genannten, dass die Frist nur gewahrt ist, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht.

4. Müssen Sie sich anwaltlich vertreten lassen?

Sie müssen sich nicht anwaltlich vertreten lassen.

[Name],
Richterin am Amtsgericht

Für die Richtigkeit der Abschrift
Berlin, den 08.06.2017
[Name], Justizbeschäftigte
Durch maschinelle Bearbeitung beglaubigt – ohne Unterschrift gültig. (…)

 

 

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AG Charlottenburg, Urteil vom 08.06. 2017, Az. 218 C 360/16

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