10:37 Uhr
Eltern können sich gegen eine Filesharing Abmahnung auch dann erfolgreich wehren, wenn ihre Kinder nicht mehr zu Hause wohnen. Dies ergibt sich aus einer aktuellen Entscheidung des Amtsgerichtes Hannover, die wir für unseren Mandanten errungen haben.
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Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.
WILDE BEUGER SOLMECKE Rechtsanwälte GbR
Kaiser-Wilhelm-Ring 27-29 | 50672 Köln
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Unser Mandant – ein Familienvater – fand eine Filesharing Abmahnung der Kanzlei Rasch in seinem Briefkasten vor. Rasch warf ihm vor, dass er das Musikalbum „The Beginning“ der Gruppe „Black Eyed Peas“ illegal verbreitet haben soll. Die Abmahnung erfolgte im Auftrag der Universal Music GmbH. Nachdem unser Mandant nicht mit der Zahlung von 1.800,00 Euro einverstanden war, verklagte ihn Rasch. Die Abmahnkanzlei forderte von ihm Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 1.192,60 EUR. Darüber hinaus machte sie Schadensersatz in Höhe von 2.500 Euro geltend.
Filesharing: Vater muss seinen Sohn nicht überführen
Das Amtsgericht Hannover wies jedoch die Klage von Rasch mit Urteil vom 06.09.2016 (Az. 524 C 3013/15). Der Grund hierfür lag darin, dass unser Mandant zum Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung in Urlaub gewesen war. An dem betreffenden Wochenende hielt sich sein erwachsener Sohn alleine im Haus der Eltern aus. Das kam dadurch, weil er am darauffolgenden Montag ein Vorstellungsgespräch hatte. Weil sich dieses Haus auf dem Weg zum Ort des Vorstellungsgespräches befand, nutzte er es zum Übernachten. Dabei hatte er auch Zugriff auf den Internetanschluss seines Vaters.
Weil wir im Rahmen der Verteidigung auf all diese Umstände hingewiesen haben, verneinte das Gericht eine Heranziehung im Wege der Täterhaftung. Es verwies darauf, dass wir durch diesen Vortrag der sekundären Darlegungslast ausreichend nachgekommen sind. Hierzu führte das Gericht aus, dass der abgemahnte Familienvater nicht zu der Überführung von nahen Angehörigen beitragen muss. Denn hier handelt es sich um einen Bereich, der durch Art. 6 GG geschützt ist.
Keine Störerhaftung gegenüber erwachsenen Kindern
Eine Filesharing Haftung im Wege der Störerhaftung kam ebenfalls nicht infrage. Denn gegenüber volljährigen Angehörigen besteht normalerweise weder eine Belehrungspflicht noch eine Überwachungspflicht.
Fazit:
Aus dieser Entscheidung des Amtsgerichtes Hannovers ergibt sich, dass an die Verteidigung des Abgemahnten keine zu strengen Anforderungen gestellt werden dürfen. Das gilt vor allem bei einem Familienanschluss. Insbesondere darf nicht erwartet werden, dass der Abmahnindustrie der Täter präsentiert wird. Diese Auffassung vertreten immer mehr Gerichte. Die Richter berufen sich dabei zu Recht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, z.B. „BearShare“ (BGH, Urteil vom 08.01.2014 Az. I ZR 169/12 sowie „Tauschbörse III“ (BGH, Urteil vom 11.06.2015 Az. I ZR 7/14). Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 12.05.2016 (Az. I ZR 86/15) klargestellt, dass dies nicht nur gegenüber nahen Angehörigen gilt. Vielmehr dürfen die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast auch nicht bei einer Wohngemeinschaft überspannt werden. (HAB)
AG Hannover, Urteil vom 06.09.2016, Az. 524 C 3013/15
(…) – Abschrift –
Amtsgericht
HannoverVerkündet am 06.09.2016
524 C 3013/15Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
[Name],
KlägerinProzessbevollmächtigter: [Name],
gegen
[Name],
BeklagterProzessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Wilde und Beuger, Kaiser-Wilhelm-Ring 27 – 29, 50672 Köln,
hat das Amtsgericht Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 04.07.2016 durch die Richterin [Name] für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.Tatbestand
Die Klägerin macht mit der Klage Schadensersatz und Abmahnkosten auf Grund der öffentlichen Zugänglichmachung des Albums „[Name]“ der Musikgruppe “ [Name]“ geltend.
Die Klägerin zählt zu den führenden deutschen Tonträgerherstellern. Sie ist Inhaberin ausschließlicher zahlreichen Verwertungsrechte an zahlreichen Musikstücken. In sog. Online-Tauschbörsen werden Musikstücke als MP3-Dateien von den jeweiligen Beteiligten zum Download angeboten. Auf diesem Weg kann jeder Nutzer der Tauschbörse Musikstücke von den Computern des Anbietenden herunterladen. Der Klägerin entstehen dadurch jährlich erhebliche Schäden.
Die Klägerin beauftragte daher die Firma [Name] ([Kurzname]) mit der Ermittlung solcher Urheberrechtsverletzungen. Diese ermittelte, dass am 05.02.2011 um 04:59:00 (MEZ) über einen Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse [IP] zugewiesen war, mittels einer auf dem „eDonkey2000“-Protokoll basierenden Filesharing-Software das Musikalbum „[Name]“ der Gruppe „[Name]“ in Form von Audiodateien ohne entsprechende Zustimmung der Klägerin zum Download verfügbar gemacht wurde. Zum anderen wurde ermittelt, dass am selben Tag um 21:12:00 (MEZ) über einen Internetanschluss, dem zu diesem Zeitpunkt die IP-Adresse [IP] zugewiesen war, das Musikalbum „[Name2]“ der Gruppe „[Name2]“ auf gleiche Weise verfügbar gemacht wurde.
Nach entsprechendem Beschluss des Landgerichts Kölns erteilte der Internetprovider [Name], der die betreffenden IP-Adressen vergeben hatte, der Klägerin die Auskunft, dass die für die Rechtsverletzungen genutzten IP-Adressen zu den verfahrensgegenständlichen Zeitpunkten jeweils dem Internetzugang des Beklagten zugeordnet waren.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 20.05.2011 forderte die Klägerin den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Mit anwaltlichem Schreiben vom 24.05.2011 gab der Beklagte eine solche ohne Anerkennung einer Rechtspflicht ab. Einen zugleich übersandten Vergleichsvorschlag der Klägerin (Zahlung von 1.800,00 EUR zur Abgeltung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung sowie jener an dem Musikalbum „[Name2]“) wies der Beklagte zurück; auch eine Kostenerstattung lehnte er ab.
Im Vorfeld der gerichtlichen Inanspruchnahme des Beklagten sind der Klägerin am 10.12.2014 durch Verifizierung der ladungsfähigen Anschrift Adressermittlungskosten in Höhe von 1,35 EUR entstanden, die ihr von der Schufa in Rechnung gestellt wurden.
Die Klägerin behauptet, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Musikalbum „[Name]“ zu sein. Dass die Musiktitel des bezeichneten Albums angeboten wurden, sei dadurch belegt, dass Mitarbeiter der Ermittlungsfirma Probedownloads durchgeführt hätten. Weiterhin ist sie der Auffassung, dass durch die Auskunft der [Providername] belegt sei, dass die Rechtsverletzungen über den Internetanschluss des Beklagten erfolgt seien, gegen den deshalb die Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers streite. Die zur Ermittlung der streitgegenständlichen Downloads verwendete Software funktioniere zuverlässig und fehlerfrei.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin Wertersatz in Höhe von 2.500,00 EUR;
2. 1.192,60 EUR Kostenersatz nebst jeweils Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit sowie weitere vorgerichtliche Kosten (Auslagen) in Höhe von 1,35 EUR zu zahlen.Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet, dass die Urheberrechtsverletzungen von seinem Internetanschluss ausgeführt wurden. Am vermeintlichen Tattag sei er nicht zu Hause gewesen, da er sich mit seiner Frau vom [Datum] bis zum [Datum] im Urlaub auf [Name] befunden habe. Sein erwachsener Sohn, der Zeuge [Name], sei jedoch an dem Wochenende im Elternhaus gewesen, da er ihn und seine Ehefrau zum Reiseantritt zum [Name] gefahren haben.
Weiterhin bestreitet er mit Nichtwissen, dass die IP-Adresse ordnungsgemäß ermittelt worden sei, die streitgegenständlichen Dateien von dieser IP-Adresse übertragen worden und ein vollständiges Herunterladen von Dateien nebst Hörabgleich erfolgt sei. Eine hinreichende Dokumentation dahingehend, dass ein bestimmtes Werk überhaupt und vollständig zum Download angeboten worden sei, könne nicht allein anhand eines Abgleichs des Hashwertes erfolgen. Weiterhin bestreitet er die Aktivlegitimation der Klägerin mit Nichtwissen. Zudem sei der von den Klägerinnen geltend gemachte Schadensersatzanspruch auch der Höhe nach unangemessen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen [Name] und [Name].
Wegen des Inhalt und Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2016 sowie vom 04.07.2016 Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
I.
Die Klägerin hat gegen den Beklagten weder einen Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzes nach § 97UrhG noch auf Erstattung von Abmahnkosten nach § 97 II a.F. wegen des behaupteten Angebots des Musikalbums „[Name]“ der Musikgruppe „[Name]“ am 05.02.2011 zum Download.
1.
Die Klägerin ist aktivlegitimiert. Der Klägerin ist ausweislich des Ausdrucks aus der Katalogdatenbank ,“Media-Cat“ der Phononet GmbH (Anlage K9) als Lieferantin und damit als Inhaberin der Verwertungsrechte der Musiktitel des streitgegenständlichen Musikalbums. Die Phononet-Einträge lassen mit hinreichender Sicherheit darauf schließen, dass die Klägerin Inhaberin von urheberrechtlichen Leistungsschutzrechten ist. Der Phononet-Mediakatalog ist die zentrale Datenbank für Distribution und Vermarktung von Tonaufnahmen, an dem sich der Vertreib und die Vermarktung orientieren. Dieser Umstand belegt indiziell, dass die Einträge in die Datenbank sorgfältig geprüft und erfasst worden sind und die darin aufgeführten Lieferanten tatsächlich Inhaber der entsprechenden Verwertungsrechte sind. Der Beklagte hätte sich daher nicht darauf beschränken dürfen, die Rechteinhaberschaft der Klägerin mit Nichtwissen zu bestreiten, sondern hätte zur Entkräftung des Indizbeweises Anhaltspunkte dafür vortragen müsse, aus denen sich Zweifel an der Richtigkeit des Eintrags ergeben könnten (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14).
2.
Der Beklagte ist ferner Inhaber des Internetanschluss, über den die Rechtsverletzungen begangen worden ist. Der Beweis, dass unter einer IP-Adresse während eines bestimmten Zeitraum Musiktitel öffentlich zugänglich gemacht worden sind, kann dadurch geführt werden, dass ein durch Screenshots dokumentierter Ermittlungsvorgang des vom klagenden Rechteinhabers beauftragten Unternehmens vorgelegt und der regelmäßige Ablauf des Ermittlungsvorgangs durch einen Mitarbeiter des Unternehmens erläutert wird. Die Klägerin hat Screenshots der Tauschbörsenansicht vorgelegt, der von der Firma proMedia GmbH im Rahmen der Ermittlungen angefertigt worden ist (BI. 193-195 d.A.). Aus diesen ist ersichtlich, dass das streitgegenständliche Musikalbum am 05.02.2011 über die IP-Adresse [IP], die gemäß der Auskunft der [Providername] zum Tatzeitpunkt dem Beklagten zugeordnet war, zum Download angeboten worden ist.
Der Mitarbeiter der [Name], der die Ermittlungen geführt hat, namentlich der Zeuge [Name], hat zu den Ausdrucken plausibel und nachvollziehbar ausgeführt, dass die erste Seite (Bl. 193 d.A.) die ersten Ermittlungen im Netz durch Herunterladen der betreffenden urheberrechtlich geschützten Werke dokumentiert, vorliegend das Album „[Name]“ von den „[Name]“. Dabei werde jeweils der sogenannte eDonkey Hashwert mitdokumentiert, eine Ziffernfolge, die als Signatur fungiert. Über diese Signatur lassen sich Anbieter des betreffenden Werkes finden. Auf der 2. Seite (Bl. 194 d.A.) ist ein Bildschirmausdruck sichtbar, auf dem in der zweitletzten Zeile von unten das streitgegenständliche Album der „[Name]“ wiederum genannt wird und in diesem Zeitpunkt von der ermittelnden Station downgeloadet wird. Dabei wird in der Zeile darunter angezeigt, dass der Transfer von der IP-Adresse [IP] erfolgt, so dass diese IP-Adresse den Anbieter des Albums identifiziert. Der Anbieter selber hat auch noch einen eigenen Hashwert zugeordnet bekommen. Hinter diesem weist der Bildschirmausdruck zudem den jeweiligen Provider der IP-Adresse aus, in diesem Fall die [Name]. Die im Rahmen des Ermittlungsverfahrens downgeloadeten Daten werden automatisch abgespeichert in einer bestimmten Form. Diese werden dann im Nachhinein visualisiert, was auf der 3. Seite (Bl. 195 d.A.) der eingereichten Ausdrucke sichtbar ist. Auf diesem Auszug ist unter der Nr. 24696 gegen 04.59.26 Uhr unter der IP-Adresse des Beklagten das streitgegenständliche Album der „[Name]“, das wiederum im unteren Part über den Hashwert identifiziert werden kann.
3.
Der Beklagte ist jedoch nicht Täter der Rechtsverletzung.
Wird ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. BGH GRUR 2010, 633; BGH GRUR 2013, 511). Denn es entspricht der Lebenserfahrung, dass in erster Linie der Anschlussinhaber seinen Internetzugang nutzt, jedenfalls über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese mit Tatherrschaft bewusst kontrolliert. Der Anschlussinhaber muss seine Verantwortlichkeit deshalb i.R.d. ihm Zumutbaren substantiiert bestreiten sowie Tatsachen darlegen und ggf. beweisen, aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs – nämlich der Alleintäterschaft eines anderen Nutzers des Internetanschlusses – ergibt (vgl. BGH, a.a.O.).
Hierfür sind konkrete Anhaltspunkte aufzuzeigen, die einen abweichenden Geschehensablauf in Form der Alleintäterschaft eines Dritten jedenfalls nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. BGH, a.a.O.). Da die Klägerin nicht weiß oder wissen kann, ob es sich um einen Ein- oder Mehrpersonenhaushalt handelt oder nicht im Haushalt lebende Personen zur Nutzung des Anschlusses in der Lage waren, trifft den Beklagten bei der Frage, ob die Voraussetzungen für die tatsächliche Vermutung vorliegen, eine sekundäre Darlegungslast (BGH a.a.O.). Dieser genügt er, wenn er darlegt, dass zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere Personen und ggf. welche selbstständigen Zugang zum Internetanschluss hatten und daher als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber sowohl zu Nachforschungen als auch zur Mitteilung gewonnener Erkenntnisse hinsichtlich der Umstände der Verletzungshandlung verpflichtet. Die Nachforschungspflichten werden jedoch durch das Maß des Zumutbaren begrenzt (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 75/14 – BearShare). Wie weit die Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers sich im Konkreten erstreckt und wie substantiiert der Vortrag des Beklagten hierzu sein muss, lässt sich weder der BearShare-Entscheidung noch anderer veröffentlichten Entscheidungen des BGH entnehmen.
Im Rahmen der Nachforschungspflicht ist nach Ansicht des Gerichts von dem Beklagten nicht zu fordern, dass er die in Betracht kommenden Personen ermittelt und auch namentlich benennt. Das Maß des Zumutbaren wäre jedoch überschritten, wollte man dem Beklagten auferlegen, den Computer hinsichtlich Filesharing-Software zu überprüfen oder konkret zu den An-und Abwesenheitszeiten der von ihm benannten Person vorzutragen (so auch LG Braunschweig, GRUR-RE 2015, 522). Insbesondere ist es dem Beklagten vorliegend nicht zuzumuten, den Täter im von Art. GG Artikel 6 GG geschützten Bereich zu ermitteln.
Der Beklagte hat die Behauptung, er habe den Urheberrechtsverstoß begangen, hinreichend bestritten und ist seiner sekundären Darlegungslast ausreichend nachgekommen. Denn er hat vorgetragen, sein erwachsener Sohn, der Zeuge [Name], sei an dem Wochenende zu Besuch gewesen und habe die Möglichkeit gehabt, den Internetanschluss selbständig zu nutzen, Der Beklagte hingegen habe sich mit seiner Ehefrau im Urlaub befunden. Dieser Vortrag des Beklagten ist zur Überzeugung des Gerichts durch die glaubhafte Aussage des Zeugen [Name] bestätigt worden. Danach lässt es sich nicht ausschließen, dass der Zeuge [Name] als Täter der Rechtsgutverletzung in Betracht kommt. Der Zeuge [Name] hat bekundet, er sei an dem Wochenende im Haus seiner Eltern gewesen. Er habe damals zwar in [Name] gewohnt, habe jedoch an dem auf das Wochenende folgenden Montag ein Vorstellungsgespräch in [Name] gehabt. Daher habe er die Möglichkeit genutzt, auf halber Strecke bei seinen Eltern zu übernachten. Er sei bereits am Freitag angereist und habe seine Eltern, die in den Urlaub wollten, zum Busbahnhof gebracht. Ob er sie am Samstag oder Sonntag zum Busbahnhof gebracht habe, wisse er jedoch nicht mehr. Dies sei jedenfalls am Tag der Abreise gewesen. Neben ihm seien an dem Wochenende keine weiteren Personen in dem Haus gewesen. Die Aussage des Zeugen [Name] ist glaubhaft.
Gegen die Glaubhaftigkeit spricht auch nicht, dass der Beklagte die Urlaubsreise ausweislich seines Vortrags bereits am Freitag angetreten hat. Denn der Zeuge [Name] hat eingeräumt, er wisse nicht mehr, an welchem Tag er den Beklagten zum Busbahnhof gefahren hat. Soweit er hierbei den Samstag oder Sonntag als möglichen Tag benannt hat, ist dies angesichts des Zeitablaufes von mehr als fünf Jahren nachvollziehbar. Mit einer Detailkenntnis im Randgeschehen konnte daher nicht mehr gerechnet werden. Der Zeuge ist auch glaubwürdig. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es sich bei dem Zeugen um den Sohn des Beklagten handelt. Eine Entlastungstendenz war der Aussage des Zeugen dennoch nicht zu entnehmen. Denn der Zeuge hat sich durch seine Aussage, insbesondere durch seine Einlassung, neben ihm seien keine weiteren Personen an dem Wochenende im Haus gewesen, als möglichen Täter der Rechtsverletzung präsentiert.
Soweit die Beklagte beantragt hat, durch Vernehmung des Zeugen [Name] Beweis darüber zu erheben, dass der Zeugen die streitgegenständliche Rechtsverletzung nicht begangen, war diesem Beweisantrag als unzulässig zurückzuweisen. Denn dieser Negativbeweis stellt einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Nachdem der Zeuge [Name] ausgesagt hat, er sei das gesamte Wochenende im Haus des Beklagten gewesen, weitere Personen seien nicht zugegen gewesen, stellte die Behauptung der Klägerin, der Zeuge [Name] habe die Rechtsgutverletzung nicht begangen, eine ohne greifbare Anhaltspunkte vorgetragene Behauptung „ins Blaue hinein“ dar. Es bleibt einer Partei im Zivilprozess zwar nicht erspart, Tatsachen zu behaupten, über die sie keine Kenntnis haben kann, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält. Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen jedoch dort, wo die Partei ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstellt (BGH NJW-RR 91, 888; NJW 91, 2707: NJW-RR 99, 361).
II.
Der Beklagte haftet auch ich nicht als Störer. Störer einer Schutzrechtsverletzung ist in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB jeder, der ohne selbst Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal an der rechtswidrigen Beeinträchtigung mitgewirkt hat. Um die Störerhaltung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die die Rechtsgutverletzung weder als Täter oder Teilnehmer begangen haben, setzte die Haftung des Störers die Verletzung von zumutbaren Prüfungspflichten voraus (BGH, Urteil vom 11.6.2015 – 1 ZR 7/14). Privaten Anschlussinhaber obliegen insoweit Prüfungspflichten hinsichtlich der ausreichenden Sicherung des WLAN-Anschlusses gegenüber dem unbefugten Zugriff durch Dritte, Da vorliegen jedoch nicht feststeht, dass die Rechtsgutverletzung durch einen Dritten über den WLAN-Anschluss des Beklagten begangen wurden ist, scheitert hieran bereits eine Haftung des Beklagten. Denn auch der Sohn des Beklagten kommt als möglicher Täter in Betracht. Der Beklagte war auch nicht verpflichtet, den WLAN-Anschluss gegenüber seinem volljährigen Sohn zu sichern.
Der Inhaber eines Internetanschlusses ist ferner grundsätzlich auch nicht verpflichtet, volljährige Familienangehörige über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen oder von sonnigen Rechtsgutverletzungen im Internet zu belehren noch deren Internetnutzungsverhalten zu überwachen oder dem volljährigen Familienangehörigen eine bestimmte Nutzungsrat zu verbieten, wenn wir vorliegend keine konkreten Anhaltspunkte für eine solche Nutzung bestehen (BGH – BearShare). Denn bei der Überlassung eines Internetanschlusses an volljährige Familienmitglieder erfolgt die Überlassung zum einen auf Grund familiärer Verbundenheit und zum anderen unter der Prämisse, dass der Volljährige für seine Handlungen selbst verantwortlich ist und über die Rechtswidrigkeit bestimmter Nutzungsarten auch ohne ausdrücklichen Hinweis informiert ist.
III.
Da der Beklagte nicht für die Rechtsgutverletzung haftet, steht der Klägerin ferner auch kein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung.
IV.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 1, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung
Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Hannover,
Volgersweg 65,
30175 Hannover.Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt.
Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
[Name]m
Richterin (…)
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AG Hannover, Urteil vom 06.09.2016, Az. 524 C 3013/15
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