WALDORF FROMMER: Das Landgericht München I weist Berufung der Anschlussinhaberin zurück – Sachverständigengutachten belegt erneut die Fehlerfreiheit des „Peer-to-peer Forensic System“

09:47 Uhr

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Bericht

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Urteil als PDF:
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Autorin: Rechtsanwältin Anna Zimmermann

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In der ersten Instanz vor dem Amtsgericht München hatte sich die beklagte Anschlussinhaberin insbesondere damit verteidigt, dass sie für die öffentliche Zugänglichmachung zweier Hörbücher in einer Internettauschbörse über ihren Internetanschluss nicht verantwortlich sei und zum Tatzeitpunkt auch keine weitere Person Zugang zu ihrem gesicherten Internetanschluss gehabt hätte. Zudem bestritt die Beklagte die Zuverlässigkeit der Ermittlung der Rechtsverletzung sowie die ordnungsgemäße Zuordnung der ermittelten IP-Adresse zu ihrem Anschluss.

Das Amtsgericht München hat daraufhin ein Sachverständigengutachten zur der Fehlerfreiheit der Ermittlung der Rechtsverletzung eingeholt. Hinsichtlich der Zuordnung der IP-Adresse zum Internetanschluss der Beklagten wurde ein Sachverständigengutachten aus einem Parallelverfahren beigezogen.

Beide Sachverständigengutachten kamen zu dem Ergebnis, dass die Ermittlung der Rechtsverletzung fehlerfrei erfolgt ist, respektive dass auch keine Fehlzuordnung der auf diese Weise ermittelten IP-Adresse zum Internetanschluss der Beklagten stattgefunden hat.

Nach Einholung der beiden Gutachten hat die Beklagte ihren Vortrag überraschend umgestellt und behauptet, der in Rede stehende Internetanschluss werde ausschließlich von ihrem Sohn genutzt, für den sie lediglich den Vertrag mit dem Internetprovider geschlossen habe. Sie selbst habe unter der beauskunfteten Anschrift zu keinem Zeitpunkt gewohnt. Der Beklagten sei vielmehr erst im weiteren Verlauf des Rechtsstreits bewusst geworden, welcher Internetanschluss Gegenstand des Verfahrens sei.

Das erstinstanzliche Gericht hat daraufhin Beweis auf Antrag der Beklagten durch Einvernahme des Sohnes als Zeugen erhoben. Dieser hat im Rahmen seiner Zeugenvernehmung angegeben, die streitgegenständlichen Werke nicht zu kennen.

Das Amtsgericht München hat der Klage stattgegeben. So hat es das Amtsgericht aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens sowie des beigezogenen weiteren Gutachtens als erwiesen angesehen, dass die streitgegenständliche Rechtsverletzung über den Internetanschluss der Beklagten begangen wurde.

Zudem hat das Amtsgericht München die persönliche Haftung der Beklagten bejaht, da diese ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen sei. Zum einen sei der Vortrag der Beklagten widersprüchlich und damit unplausibel gewesen. Zum anderen habe der – nach Umstellung des Vortrages – einzige (weitere) Nutzer des Internetanschlusses im Rahmen seiner Zeugenaussage angegeben, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben.

Die von der Beklagten daraufhin eingelegte Berufung beim Landgericht München I hat das erstinstanzliche Urteil bestätigt.

Die Einwände der Beklagten gegen das Ermittlungsgutachten sowie die Beauskunftung der IP-Adresse gegenüber dem Provider hat das Landgericht München I vollumfänglich zurückgewiesen.

Zudem ist auch das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist, da nach ihrem Vortrag und dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Endeffekt niemand die Rechtsverletzung begangen haben könnte. Dies sei insgesamt unplausibel und nicht mit dem gebotenen Maßstab an Detailgrad und Plausibilität des Sachvortrages im Rahmen der sekundären Darlegungslast vereinbar.

Landgericht München I, Urteil vom 17.02.2016, Az. 21 S 5929/15 (Volltext)

 

Vorinstanz: AG München – Az. 158 C 20882/12

 

(…) erlässt das Landgericht München I – 21. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], den Richter am Landgericht [Name]und den Richter am Landgericht [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2016 folgendes

Endurteil

 

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 02.03.2015, berichtigt mit Beschluss vom 07.04.2015, Az. [Aktenzeichen] wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts München ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Gründe

 

I.

Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil des Amtsgerichts München vom 02.03.2015, berichtigt mit Beschluss vom 07.04.2015, Az : 158 C 20882/12 (BI. 285/293 und 296/298 d. A ), Bezug genommen.

Die Beklagte und Berufungsklägerin greift mit ihrer Berufung das erstinstanzliche Urteil vollumfänglich an und verfolgt dessen Abänderung.

Die Beklagte beantragt:

1. Das Urteil des Amtsgerichts München vom 02 03.2015, zu Aktenzeichen 158 C 20882/12, wird aufgehoben.

2. Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im übrigen wird von einem Tatbestand gemäß §§ 540 Abs 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.

II.

Die Berufung ist zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, weil das Erstgericht der Klägerin zu Recht einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 900,00 EUR und außergerichtliche Abmahngebühren zugesprochen hat.

Auf die Entscheidungsgründe des Ersturteils wird mit folgenden Erwägungen Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO).

1.

Das Erstgericht hat es aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen Prof Dr. [Name] zu Recht als erwiesen angesehen, dass die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen über den Internetanschluss erfolgt sind, dem zu den Tatzeiten die IP-Adresse zugeordnet war. Soweit die Beklagte mit der Berufung das Sachverständigengutachten angreift, hat sie keinen Erfolg.

a.

Soweit die Beklagte rügt, der Sachverständige habe ausdrücklich erklärt, dass er, zur Frage, ob die von der Klägerin bzw. in deren Auftrag ermittelte IP-Adresse, zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung dem Anschluss der Beklagten zugeordnet war; keine Angaben machen könne, verkennt sie bereits, dass diese Frage nicht Gegenstand des Beweisbeschlusses vom [Aktenzeichen] war. Der Sachverständige sollte hierzu keine Aussage treffen. Zum anderen verkennt die Beklagte, dass sich das Erstgericht für die Frage, ob die streitgegenständliche IP-Adresse zu den Tatzeitpunkten dem Anschluss der Beklagten zugeordnet war, nicht auf das Sachverständigengutachten des Prof. Dr. [Name] stützt Die insoweit erhobene Berufungsrüge geht somit ins Leere.

b.

Soweit die Beklagte rügt, dass auf den ERF-Dateien, in denen die Daten aus dem Netzwerkverkehr der Tauschbörse gespeichert wurden, keine Zeitsynchronisation verzeichnet sei und es daher keinesfalls erwiesen sei, dass die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen zu den angegebenen Zeitpunkten über die von der Klägerin genannten IP-Adressen begangen worden seien, verhilft ihr dies ebenfalls nicht zum Erfolg. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten – insoweit von der Beklagten auch nicht angegriffen – ausgeführt, dass die ERF-Dateien stets den Netzwerkverkehr einer Stunde speichern. Der Startzeitpunkt der Netzwerkaufzeichnung werde dabei im Dateinamen kodiert. Dabei bestehe der Dateiname u.a. aus der so genannten Unixzeit, d.h. der Anzahl der vergangenen Sekunden seit dem 01. Januar 1970. Anhand der Unixzeit könne somit die Netzwerkaufzeichnungszeit nach Datum und Uhrzeit berechnet werden. Insoweit trägt die Beklagte jedoch gerade keine konkreten Anhaltspunkte für eine Manipulation bzw. eine nicht korrekte Wiedergabe des Zeitstempels vor, sondern stellt lediglich darauf ab, dass auf den ERF-Dateien keine Zeitsynchronisation verzeichnet gewesen sei. Dabei verkennt die Beklagte jedoch, dass der Sachverständige in seiner mündlichen Anhörung zum einen ausdrücklich ausgesagt hat, dass er keine Anhaltspunkte für eine Manipulation des Zeitstempels gefunden habe und zum anderen bestätigt hat, dass auch mit der 2009 vorhandenen Technik eine zutreffende Datenerhebung möglich gewesen wäre und auch Ungenauigkeiten im Hinblick auf die Zeitsynchronisation nicht aufgetreten wären.

c.

Soweit die Beklagte rügt, sowohl die Soft- als auch die Hardware der Testumgebung [Name] entspreche nicht den Bedingungen der Aufzeichnung im Jahre [Jahreszahl], ist dies vorliegend unerheblich, da es vorliegend nicht darauf ankommt wie die Daten [Name] gespeichert wurden, sondern dass dem Sachverständigen die gespeicherten Daten zur Auswertung vollständig zur Verfügung standen.

2.

Soweit die Beklagte weiter rügt, dass das Gutachten des Sachverständigen [Name] unzutreffend sei, und daher die Zuordnung der streitgegenständlichen IP-Adresse zum Internetanschluss der Beklagten zu den Tatzeitpunkten nicht feststehe, übersieht sie wiederum, dass sich das Erstgericht hierauf nicht stützt. Das Erstgericht stützt sich bei seiner Argumentation vielmehr darauf, dass die streitgegenständliche IP-Adresse zu zwei unterschiedlichen Zeitpunkten beauskunftet wurde und jeweils dem Anschluss der Beklagten zugeordnet worden sei. Zutreffend geht es insoweit davon aus, dass eine zweimalige fehlerhafte Erfassung und Zuordnung fernliegend sei (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.05.2012 6 U 239/11; OLG München, Beschluss vom 01 10.2012 – 6 W 1705/12).

3.

Entgegen der Ansicht der Beklagten haftet die Beklagte auch als Täterin, da sie – wovon das Erstgericht zutreffend ausgegangen ist – ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen ist.

Zwar trägt die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist (vgl. BGH GRUR 2013, 511 Rn. 32 – Morpheus; BGH GRUR 2014, 657 Rn. 14 – BearShare).

Wird jedoch – wie vorliegend – ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht grundsätzlich eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH, 12.05.2010, I ZR 121/08, Rn. 12 – Sommer unseres Lebens).

Diese tatsächliche Vermutung greift jedoch dann nicht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, entweder weil der Anschluss nicht hinreichend gesichert war oder weil er bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, Rn. 14 – BearShare). In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die Frage, ob zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere Personen den Anschluss nutzen konnten (BGH, 12.05.2010, I ZR 121/08, Rn. 12 – Sommer unseres Lebens, BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, Rn. 16 – BearShare; BGH, 11.06.2015 – I ZR 75/14, Rn. 42 – Tauschbörse III).

Steht der Beweisführer – wie regelmäßig der Rechteinhaber in Bezug auf Vorgange in der Sphäre des Anschlussinhabers – außerhalb des für seinen Anspruch erheblichen Geschehensablaufs, kann vom Prozessgegner im Rahmen des Zumutbaren das substantiierte Bestreiten der behaupteten Tatsache und die Darlegung der für das Gegenteil sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast, wenn er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständig Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, Rn. 18 – BearShare; BGH, 11.06.2015, I ZR 75/14, Rn. 37 Tauschbörse III).

In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat (BGH, 11.06.2015, I ZR 75/14, Rn. 42 – Tauschbörse III). Eine Umkehr der Beweislast ist mit der sekundären Darlegungslast ebenso wenig verbunden wie eine über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast gemäß § 138 Abs. 1 und 2 ZPO hinausgehende Verpflichtung des Anschlussinhabers, der Klägerin alle für ihren Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen (BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, Rn. 18 – BearShare; BGH, 11.06.2015, I ZR 75/14, Rn. 37 – Tauschbörse III).

Die Beklagte hat vorliegend ausgeführt, dass sie die Wohnung in [Adresse1], zu der der ermittelte Internetanschluss gehört, nie bewohnt habe, da sie seit 1954 ununterbrochen im 170 km entfernten [Adresse2]wohne. Die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen habe sie daher auch nicht begangen Unter der Adresse [Adresse1] wohne vielmehr ihr Sohn. Sie habe lediglich den Vertrag mit dem Internetdienstanbieter für ihren Sohn abgeschlossen, da dieser aufgrund eines Privatinsolvenzverfahrens hierzu nicht in der Lage gewesen sei. Der Internetzugang sei zudem WPA2 verschlüsselt gewesen.

Der erstinstanzlich vernommene Zeuge [Name] der Sohn der Beklagten, hat in seiner Zeugeneinvernahme ausgesagt, dass er zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung alleine in der Wohnung [Adresse1] gewohnt habe und sich sicher sei, die beiden streitgegenständlichen Hörbücher nicht in einer Internettauschbörse zum Download angeboten zu haben. Er kenne die streitgegenständlichen Werke nicht.

Mit diesem Vortrag ist die Beklagte ihrer sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen. Der Sachvortrag der Beklagten ist unplausibel, weil er darauf abzielt, dass niemand für die – feststehende – Rechtsverletzung verantwortlich ist. Denn die Beklagte trägt zum einen vor, sie selber habe die Rechtsverletzung nicht begangen. Zum anderen trägt sie vor, der streitgegenständliche Anschluss sei WPA2 verschlüsselt, so dass auch kein unbefugter Dritter die Rechtsverletzung begangen haben kann. Soweit sie in. der mündlichen Verhandlung vom 17.02.2016 vortragen lässt, diese Ausführungen hätten sich nur auf ihren Internetanschluss in [Adresse2] bezogen, war der erstmals in der Berufungsinstanz vorgebrachte Vortrag nicht zu berücksichtigen, da keine Ausnähme des § 531 Abs. 2 ZPO vorliegt. Nach dem Vortrag der Beklagten kommt somit nur der Sohn der Beklagten als Täter in Betracht. Da dieser bei seiner Zeugeneinvernahme seine Täterschaft jedoch abgestritten hat und die Beklagte daraufhin nicht vorgetragen hat, warum er dennoch als Täter für die streitgegenständliche Rechtsverletzung in Betracht komme, genügt der Sachvortrag der Beklagten den vom BGH aufgestellten Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast nicht (BGH, 08.01.2014, I ZR 169/12, Rn. 18 – BearShare; BGH, 11.06.2015, 1 ZR 75/14, Rn. 37 – Tauschbörse III). Denn die Beklagte hat im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast Tatsachen dazu vorzutragen, wer als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Nachdem jedoch der Sohn der Beklagten ausgesagt hat, er habe die Rechtsverletzung nicht begangen, ist der Sachvortrag der Beklagten nicht mehr plausibel da nach ihrem Vortrag niemand für die feststehende Rechtsverletzung als Täter in Betracht kommt. Er genügt daher dem – nach Auffassung der Kammer – gebotenen strengen Maßstab an den Detailgrad und die Plausibilität des Sachvortrags im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht.

4.

Zutreffend rügt die Berufung, dass die vom Erstgericht vorgenommene Schadensschätzung den Anforderungen des § 287 ZPO nicht genügt. Dennoch verhilft ihr dies nicht zum Erfolg, da die Klägerin ihren Schadensersatzanspruch – wie geschehen – gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnen kann. Für die konkreten Hörbücher ist die von der Klägerin im Prozess geltend gemachte Höhe des Schadensersatzes von jeweils 450,00 EUR angemessen.

Gibt es – wie vorliegend – keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu bemessen. Dabei sind an Art und Umfang der Schätzgrundlage nur geringe Anforderungen zu stellen (BGH, 11.06.2015, I ZR 75/14, Rn. 51 – Tauschbörse III). Die Kammer schätzt den Betrag gemäß § 287 Abs. 1 ZPO auf der Basis der von der Beklagten mitgeteilten Downloadpreise von 5,94 EUR bzw. 6,49 EUR je Hörbuch (Anlage B 1 und B 2). Für die Schätzung ist neben dem Downloadpreis insbesondere zu berücksichtigen, dass der Lizenzbetrag die lawinenartige Verbreitung von Daten in einem Filesharing-Netzwerk, die hieraus folgende theoretische Notwendigkeit einer umfassenden Erteilung von Unterlizenzen sowie den zeitlich und räumlich unbeschränkten Geltungsbereich der Lizenz abbilden muss.

5.

Entgegen der Ansicht der Beklagten kommt eine Deckelung der Abmahnkosten nach § 97a Abs. 2 UrhG a.F. nicht in Betracht. Zutreffend geht das Erstgericht davon aus, dass auf die streitgegenständliche Abmahnung der § 97 Abs. 3 UrhG n.F. keine Anwendung findet. Auf die Ausführungen des Erstgerichts wird insoweit verwiesen. Auf § 97a Abs. 2 UrhG a.F. kann sich die Beklagte hingegen nicht berufen, weil es sich bei dem Tauschbörsenangebot zweier Hörbücher nicht um eine geringfügige Rechtsverletzung handelt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 713 ZPO in Verbindung mit § 26 Nr 8 EGZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO hat und auch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 543 Abs 2 Nr. 2 ZPO erfordern. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung unter Anwendung der vom BGH zuletzt in der Entscheidung vom 11 06.2015 – I ZR 75/14 (Tauschbörse III) aufgestellten Grundsätze Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nach § 26 Nr 8 EGZPO nicht statthaft. (…)

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LG München I, Urteil vom 17.02.2016, Az. 21 S 5929/15