Aufreger der Woche: Abmahnbeantworter CCC + Freifunker + RAin Hubrig

01:15 Uhr

Diese Woche ging bundesweit die Meldung durch die Online-Magazine, Webseiten und Blogs (z.B.: CHIP, PC-Welt, Zeit Online, Golem, Spiegel Online usw.), dass der „Chaos Computer Club“ in Zusammenarbeit mit dem „Förderverein freie Netze“ ein wirksames Mittel zur Selbstverteidigung eines Opfers der fiesen Massenabmahner – ohne kostspielige Einschaltung eines Anwaltes – konzipierte und zur freien Verfügung stellt.

Wenn man sich den vorgestellten „Abmahnbeantworter“, das dazugehörige F.A.Q. und die feurig geschriebene Pressemitteilung des CCC ansah (erdgeist (Konzept + Umsetzung); Rechtsanwältin Beata Hubrig (Kanzlei Hubrig – Berlin, Rechtliches); Malik Aziz (Design)), merkte man sofort, hier wurde Geld, Zeit und Arbeit in eine – erst einmal – gute Idee investiert, dessen Umsetzung aber am Ziel so etwas vorbeischrammt, wie Thomas Müller an einem Tor zu einer EM.

Am Freitag – in den frühen Stunden – die vermeintliche Auflösung durch Markus Kompa (selbst Mitglied CCC) auf „Telepolis„. Stimmte alles nicht, alles nur ein Fake, es war nur ein intellektueller Pressegag des CCC. Man wollte die Medienkompetenz mit Hoax-Website testen.

Der CCC kontert nur Stunden später bzw. twitterte. Erdgeist (Konzept + Umsetzung): Abmahnbeantworter kein Hoax! Antwort folgt.

Ob Hoax oder nicht, ob Fake oder nicht, ob Pressegag oder nicht, zum „Abmahnbeantworter“ resultieren einige Fragen. Diese habe ich kurzfristig Herrn Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs gestellt.

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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs

 

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AW3P: Herr Dr. Wachs. Wenn ein unbedarfter Anwender diesen „Abmahnbeantworter“ nutzt und das automatisch generierte Schreiben dem Abmahner versendet. Kann er jetzt sagen: „Lieber Abmahner, dass war nur ein Pressegag des CCC + Freifunker + RAin Hubrig, dieses Schreiben gilt nicht, ich muss es anwaltlich prüfen lassen“ bzw. später in einer Leistungsklage als – das – Verteidigungsargument anbringen? Welche rechtliche Relevanz hat dieses Schreiben mit eigenhändiger Unterschrift.

Dr. Wachs: Nun, der Abgemahnte muss befürchten an seinen eigenen Worten festgehalten zu werden. Wenn der Vortrag außergerichtlich und gerichtlich nicht übereinstimmt, muss der Beklagte dies erklären. Wobei er damit rechnen muss, dass neuer oder anderer Vortrag als Schutzbehauptung vom Gericht gewertet wird.

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AW3P: Hat jemand dieses Schreiben versendet und keine geforderte Unterlassungserklärung abgegeben – wie von den Protagonisten des „Abmahnbeantworters“ empfohlen -, erhält er eine Einstweilige Verfügung, hat das Gericht oder der Abmahner Einsehen, dass man auf den Gag bzw. fehlende Sachkenntnis hereinflog?

Dr. Wachs: Ob es sich wirklich um einen Gag des CCC handelt ist nicht sicher, ich glaube persönlich eher, dass nach dem überwiegend negativen Medien Echo eingesehen wurde, dass der Abmahnbeantworter nichts taugt und nun wird das Ganze als ironischer Kommentar etc. verkauft. Es fehlt eigentlich nur noch, dass Jan Böhmermann ein Video veröffentlicht, das zeigt wie er den Abmahnbeantworter programmiert hat. Interessant ist die Frage, ob der CCC für seine Falschberatung danach haftet, dass würde ich durchaus bejahen. Der entgegenstehende Disclaimer ist kein wirksamer Haftungsausschluss. Man sollte das Ganze aber auch nicht überbewerten, als ich nicht glaube dass der Abmahnbeantworter tatsächlich viel genutzt wurde und ich rechne damit dass er ohnehin in wenigen Tagen einfach abgestellt wird. Kein Anschluss unter dieser Nummer.

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AW3P: Herr Dr. Wachs. Als rechtliche Beraterin dieses angeblichen Spaß oder Ernst, wurde Frau Rechtsanwältin Beata Hubrig angegeben. Wenn jetzt durch die unbedarfte Anwendung des Abmahnbeantworters ein Schaden entsteht, muss der „CCC“ oder der „Förderverein Freie Netze“ oder Frau Rechtsanwältin dafür haften, kann man sie verklagen oder schützt dann der im Antwortschreiben integrierte Haftungsausschluss?

Dr. Wachs: Wie oben geschrieben glaube ich nicht, dass hier ein Haftungsfall entstanden ist. Dafür wurde der Abmahnbeantworter zu kurz genutzt und es wurde in den letzten Jahren nur sehr selten einstweilige Verfügungen im Filesharing beantragt. Nach meiner Meinung haftet der CCC, der wahrscheinlich seine Berater in Regress nehmen könnte. Der Haftungsausschluss ist jedenfalls nicht viel wert.

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AW3P: Die Idee und Umsetzung ist ja nicht schlecht. Theoretisch, wenn man die Auswahl erhöht, kann man sich einen teuren Anwalt sparen. Was halten Sie generell von so einem „Abmahnbeantworter“?

Dr. Wachs: Von der Sache her ist die Idee gar nicht so schlecht. Das Problem ist, dass man um das Programm funktionstüchtig zu machen über 50 Varianten braucht. Das wiederum ist für die meisten Nutzer zu stressig. Außerdem ist das Thema Filesharing mittlerweile ohnehin weniger bedeutsam für Haushalte. Bis auf die Kanzlei Waldorf Frommer Rechtsanwälte (München) versenden kaum noch Kanzleien neue Abmahnungen, weil auch die Piraterie extrem stark zurückgegangen ist. Nutzer greifen auf YouTube, Netflix und Spotify zurück. Die meisten Menschen sind damit mehr als zufrieden.

Dass hat der CCC aber alles noch nicht so richtig eingeordnet. Die Statements und die Ideen etc. wären 2011 interessant gewesen, heute ist das überholt:

In einer Stellungnahme des CCC (https://ccc.de/de/updates/2016/der-abmahnbeantworter) heißt es unter vorherigem Bezug auf Klage und negative Feststellungsklagen:

„Wenn sich auch nur ein Prozent der unberechtigt Abgemahnten auf diese Art wehren, besteht endlich wieder ein ernsthaftes Risiko für den Abmahner, wenn er nicht sorgfältig arbeitet. Das Externalisieren der Kosten auf Unschuldige, um ein Geschäftsmodell so profitabel wie möglich zu gestalten, sollte endlich unterbunden werden.“

Das ist offen gestanden totaler Blödsinn. Es wehren sich aktuell (notgedrungen) deutlich mehr als 1 % der Abgemahnten vor Gericht. Rechtsanwalt Sarwari verklagt geschätzt 95 % seiner Abgemahnten. Waldorf Frommer wird eine hohe zweistellige Anzahl der Abgemahnten jedes Jahr verklagen. Die Verfahren werden gerichtlich geführt.

Was der CCC stattdessen machen sollte, ist einen „Abmahnbeantworter für Freifunker“ und gegebenenfalls offenes WLAN erstellen. Da muss das Ganze zwar auch komplett neu gemacht werden, teilweise muss auch eine Unterlassungserklärung erstellt werden können, aber das scheint alles möglich. Also: „Abmahnbeantworter“ ja, wenn komplett überarbeitet und auf eine klare Zielgruppe, die den „Abmahnbeantworter“ auch braucht, beschränkt.

AW3P: Herr Dr. Wachs, danke für diese schnelle Beantwortung der Fragen.

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Mit diesen Abmahnbeantworter“ wird aber deutlich was passiert, wenn sich theoretische Naturwissenschaftler, Freifunker und Juristen mit offensichtlicher fehlender Sachkenntnis hinsichtlich Filesharing Abmahnungen (Gesetzeslage, Rechtsprechung BGH, Grundprinzipien Zivilrecht sowie der Störerhaftung) paaren. Und weiter muss sich der CCC die berechtigte Kritik gefallen lassen, dass man zu den Hochzeiten des Abmahnwahns (2008 – 2011) – keinerlei – Interesse an dem Thema „Massenabmahnungen“ zeigte, sondern sich wichtigeren (die Welt rettenden) Themen widmete.

Sei es wie es sei, als Betreiber der „Initiative AW3P“ muss ich mich – im Interesse und Schutz von Hilfesuchenden und Abgemahnten – positionieren und den „Abmahnbeantworter“ als „Nicht empfehlenswert!“ brandmarken.

 

abmbeantw

 

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Steffen Heintsch für AW3P

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