.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg): Aktivlegitimation des Computerspiels „Dead Island“ – eine Übersicht und Neues vom Amtsgericht Saarbrücken

22:46 Uhr

Hamburg / Saarbrücken, 02.04.2018 (eig.). Eine Ausreißerentscheidung des Amtsgerichts Saarbrücken in einer früheren Angelegenheit (Urt. v. 18.01.2017, Az. 121 C 316/16) ist von dort nun mit einem neuen Urteil in anderer Sache korrigiert worden. Auch das Amtsgericht Saarbrücken geht – wie bislang alle mit der Sache bisher befassten Instanz- und Obergerichte – nun von der Aktivlegitimation und Rechteinhaberschaft der von der Kanzlei .rka Rechtsanwälte vertretenen Klägerin hinsichtlich des Computerspiels „Dead Island“ aus.

 

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Das Amtsgericht Saarbrücken (Urt. v. 02.03.2018, Az. 5 C 41/18 (03)) verweist zunächst zutreffend darauf, dass schon in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt ist, dass mit Blick auf nicht selten bestehende Schwierigkeiten des Nachweises der Urheberschaft und der Inhaberschaft von ausschließlichen Nutzungsrechten eine effektive Durchsetzung des Rechtsschutzes nicht nur durch die gesetzliche Vermutungsregelung des § 10 UrhG gewährleistet werden muss, sondern auch ein Indizienbeweis möglich sei, bei dem von mittelbaren Tatsachen auf die Annahme der Rechteinhaberschaft geschlossen werden darf (BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 19/14 – Tauschbörse I, BGHZ 153,69, 79, 80 – P-Vermerk). Im vorliegenden Fall hatte die Klägerin eine Fotokopie der DVD des Computerspiels „Dead Island“ als auch den Vertriebsvertrag in englischer Sprache und beglaubigter Übersetzung vorgelegt. Der Copyrightvermerk weist die Klägerin als Nutzungsberechtigte aus. Hieraus ergebe sich, so das Amtsgericht, zwar keine gesetzliche Vermutung nach § 10 Abs. 3 UrhG, weil die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend macht. Indes begründet dieser Vermerk eine tatsächliche Vermutung zugunsten der Klägerin, die durch die Vorlage des Vertrages gestützt wird. Demgemäß sah es die Aktivlegitimation der Klägerin hinsichtlich des Computerspieles „Dead Island“ als gegeben an.

Das Amtsgericht folgt damit landgerichtlicher Rechtsprechung etwa aus Hannover, Flensburg und Frankfurt.

Das Landgericht Hannover hat unterstrichen (Urt. v. 26.02.2018, Az. 18 S 57/17), dass zwar die Vermutungswirkung des § 10 Abs. 3 UrhG nicht eingreife, da es um Schadensersatzansprüche geht, in jedem Fall aber sei ein Indizienbeweis zulässig, der hinsichtlich des Computerspiels „Dead Island“ die Feststellung gemäß § 286 ZPO rechtfertigt, dass die Klägerin Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts und damit auch Inhaberin des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung im Sinne von § 19a Urheberrechtsgesetz ist.

Auch das Landgericht Flensburg (Urt. v. 31.08.2017, Az. 8 O 9/16) erkannte auf die ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberschaft der Klägerin hinsichtlich des Computerspiels „Dead Island“. Zur Überzeugung des Gerichts ergebe sich dies aus dem im Original wie auch in deutscher Sprache vorgelegten Vertrag mit dem Entwickler des Spieles sowie weiterer Ergänzungsvereinbarung dieses Vertrages in Verbindung mit dem Copyrightvermerk auf der DVD und deren Hülle, die für das Spiel „Dead Island“ den Entwickler und die Klägerin ausweise. Zwar finde § 10 UrhG keine Anwendung, gleichwohl begründe der Copyrightvermerk eine tatsächliche Vermutung zugunsten der Klägerin und jedenfalls in Verbindung mit den vorgelegten Verträgen bestanden für das Landgericht Flensburg keine Zweifel daran, dass die Klägerin ausschließliche Nutzungsrechtsinhaberin ist.

Gestützt wird dies auch durch die Entscheidung des Landgerichts Flensburg (Urt. v. 02.06.2017, Az. 8 S 14/16), wonach sich die Rechteinhaberschaft der Klägerin bereits aus dem Copyrightvermerk und dem schlüssigen Vortrag der Klägerin zu den Vertragsinhalten mit dem Entwickler im einzelnen ergebe. Einer Vorlage von Verträgen bedurfte es in jener Sache vor dem Hintergrund des ausführlichen Vortrags zur Substantiierung und Schlüssigkeit der Aktivlegitimation nicht.

Schlussendlich stützt auch das Landgericht Frankfurt diese Rechtsprechung und weist ein unsubstantiiertes Bestreiten der Beklagten angesichts des detaillierten Vortrags der Klägerin zurück (Urt. v. 15.11.2017, Az. 2-06 O 120/17). Die Klägerin habe ihre ausschließliche Nutzungsrechte substantiiert durch Vorlage der entsprechenden Verträge dargetan. Hinzu komme, dass der Vermerk auf dem Spiel die Klägerin als Inhaberin der Nutzungsrechte (Publisher) ausweist. Zwar wirke die Vermutung nach § 10 Abs. 3 UrhG nur hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs; als Indiz kann der Urheberrechtsvermerk jedoch auch hier verwendet werden.

Das Oberlandesgericht Celle (Urt. v. 26.01.2017, Az. 13 U 113/16) schließlich, auf das auch das hier referierte Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken Bezug nimmt, sieht die Aktivlegitimation der Klägerin bereits aus der Vermutung des § 10 Abs. 3 UrhG für den dort geltend gemachten Unterlassungsanspruch für das Spiel „Dead Island“ gegeben, denn die Klägerin ist sowohl auf der DVD, als auch auf deren Umschlag durch einen Copyright-Vermerk als Inhaberin ausschließlicher Rechte ausgewiesen, so dass von Rechts wegen die Rechteinhaberschaft zu ihren Gunsten vermutet wird.

 

 

AG Saarbrücken, Urteil vom 02.03.2018, Az. 5 C 41/18 (03)

 

(…) – Ausfertigung –

5 C 41/18 (03)

Verkündet am 02.03.2018
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

 

Amtsgericht Saarbrücken

Urteil

Im Namen des Volkes

 

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,

gegen

[Name],
Beklagter

Prozessbevollmächtigte: [Name],

wegen Urheberrechtsverletzung

 

hat das Amtsgericht Saarbrücken auf die mündliche Verhandlung am 20.02.2018 durch den Richter am Amtsgericht Prof. Dr. [Name]

für Recht erkannt:

I.

Die Hauptsache ist erledigt.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Beklagten wird gestattet die Vollstreckung (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 10 % über dem beizutreibenden Betrag vorläufig abzuwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Klägerin hat den Beklagten ursprünglich auf Zahlung von Abmahnkosten und teilweisen Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch genommen, er sei mit seinem Computer an einem Filesharing-Netzwerk beteiligt gewesen und habe hierbei ein Spiel der Klägerin zum Download angeboten.

Die Klägerin behauptet, sie sei ausschließliche Nutzungsrechtsinhaber des Computerspiels „Dead Island“. Sie werde durch massenhaft illegale Angebote des geschützten Werkes durch sogenannte Tauschbörsen (P2P- bzw. Filesharing-Netzwerke) massiv und nachhaltig geschädigt. Sie habe daher ständig ein externes Unternehmen beauftragt, das mithilfe einer hierfür geeigneten EDV-Software NARS („Network Activity Recording and Supervision“) die IP-Adresse Adressen von Internetanschlüssen überwache, ermittle und dokumentiere, von denen aus öffentlich zum Download zugänglich gemacht würden.

Sie behauptet, dazu würden nur Daten ermittelt, wenn von einem bestimmten – über die IP-Adresse identifizierbaren Internetanschluss aus – auf Anfrage der Ermittlungssoftware tatsächlich ein Bestandteil der gesuchten und durch einen bestimmten Hashwert eindeutig identifizierten Datei an die Ermittlungssoftware übertragen worden sei. Diese würden gespeichert und seien nachträglich nicht manipulierbar.

Es sei festgestellt worden, dass am 24.01.2013 um 10:21:05 Uhr von der IP-Adresse [IP] eine Raubkopie der urheberrechtlich geschützten Software der Klägerin enthalten gewesen sei.

Aufgrund dieser ermittelten Daten wurde vor dem Landgericht Köln (Az. 204 O 50/13) ein zivilrechtliches Gestattungsverfahren nach § 101 Abs. 9 UrhG durchgeführt worden. Auf der Grundlage des Gestattungsbeschlusses habe der zuständige Internet-Provider Auskunft über die Identität des verantwortlichen Anschlussinhabers erteilt. Anschlussinhaber war der Beklagte.

Mit Schreiben vom 21.03.2013 sei der Beklagte zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, zur Zahlung von Schadensersatz sowie zur Erstattung der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten aufgefordert worden.

Die Klägerin hat daraufhin ursprünglich Klage auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 859,80 EUR wegen der Inanspruchnahme von Rechtsanwälten und Zahlung eines Teilbetrages in Höhe von 640,20 EUR jeweils nebst Zinsen geltend gemacht.

Der Beklagte hat ausgeführt, zum Zeitpunkt der angeblichen Urheberrechtsverletzung sei der Internetanschluss durch den Sohn des Beklagten und die Ehefrau des Beklagten in geringem Umfang genutzt worden. Eine Nutzung sei hauptsächlich durch den Sohn des Beklagten, den Zeugen [Name] (Künftig: Sohn) erfolgt. Beide hätten um das Verbot der illegalen Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte gewusst. Der Beklagte habe auch keine Veranlassung gehabt daran zu zweifeln, dass sich Sohn und Ehefrau an diese Verbote halten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat das Gericht den Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört.

Weiterhin wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Ehefrau und des Sohnes. Die Ehefrau hat die Aussage berechtigt verweigert. Der Sohn hat angegeben, dass er das Spiel heruntergeladen und seine Eltern nach Eingang des Abmahnschreibens hiervon unterrichtet habe.

Diese Aussage hat sich die Klägerin zu eigen gemacht und nunmehr beantragt,
die Hauptsache ist erledigt.

Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat die Urheberrechtsverletzung bestritten.

Das Gericht hat den Beklagten gemäß § 141 ZPO angehört und Beweis erhoben durch Zeugenvernehmung. Wegen des Ergebnis wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klageänderung von der ursprünglichen Klage wegen Zahlung von Schadensersatz und Abmahnkosten dahin, dass die Hauptsache erledigt ist, ist zulässig.

Der Antrag ist darauf gerichtet „festzustellen“, dass die ursprünglich zulässige und begründete Klage durch ein Ereignis nach Rechtshängigkeit unzulässig bzw. unbegründet wurde.

Diese Änderung wird nach herrschender Meinung als ein Fall von § 264 Nr. 2 ZPO behandelt und ist daher zulässig.

Der Antrag ist weiterhin auch begründet.

Die Klage war ursprünglich zulässig und zum Zeitpunkt der Klageerhebung auch begründet.

Der Klägerin hätte nach Maßgabe des Antwortschreibens des Beklagten auf das Mahnschreiben der Klägerin und die Darlegungen im Rechtsstreit gegen den Beklagten einen Anspruch sowohl auf Zahlung von Lizenzschadensersatz gemäß §§ 97 Abs. 2 Satz 1, 94 Abs. 2 UrhG sowie auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gemäß § 97a Abs. 1 UrhG.

Die Klägerin ist aktivlegitimiert.

Bei der Verletzung urheberrechtlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte ist zunächst der Urheber bzw. der Inhaber des verwandten Schutzrechts allein aktivlegitimiert. Nach § 2 Abs.1, 7 UrhG steht der Urheberschutz originär demjenigen zu, der persönlich das Werk herstellt.

Zur Geltendmachung von Ansprüchen nach den §§ 97 ff. UrhG ist aber auch der Inhaber eines ausschließlichen Nutzungsrechts an dem jeweiligen Werk berechtigt. Sind Rechte einem Anderen als dem Nutzungsberechtigten eingeräumt worden, kommt es für die Aktivlegitimation darauf an, in welchem Umfang diese Rechte übertragen worden sind. Dabei reicht die Aktivlegitimation so weit, wie die räumlichen, sachlichen und zeitlichen ausschließlichen Nutzungsrechte reichen (Dreier / Schulze / Specht UrhG 5. Aufl., § 97 Rdnr. 19).

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass die in der Praxis nicht selten bestehenden Schwierigkeiten des Nachweises der Urheberschaft und der Inhaberschaft von ausschließlichen Nutzungsrechten eine effektive Durchsetzung des Rechtschutzes nicht nur durch die gesetzliche Vermutungsregel des § 10 UrhG gewährleistet werden muss, sondern auch einen Indizienbeweis ermöglicht, bei dem von mittelbaren Tatsachen auf die Annahme der Rechteinhaberschaft geschlossen werden darf (BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 19/15 – Tauschbörse I, zit. n. juris; BGHZ 153, 69, 79, 80 – P-Vermerk).

Vorliegend hat die Klägerin eine Fotokopie der DVD des hier interessierenden Spieles „Dead Island“ als auch den Vertriebsvertrag in englischer Sprache und beglaubigter Übersetzung vorgelegt.

Der Copyrightvermerk weist die Klägerin als Nutzungsberechtigten aus.

Hieraus ergibt sich zwar keine gesetzliche Vermutung nach § 10 Abs. 3 UrhG, weil die Klägerin Schadensersatzansprüche geltend macht. Gleichwohl begründet bereits dieser Vermerk eine tatsächliche Vermutung zugunsten der Klägerin. Diese tatsächliche Vermutung wird gestützt durch die Vorlage des Vertrages (vgl. OLG Köln Urt. v. 24.02.12, Az. 1-6 176/11; BGH Urt. v. 11.06.2015 – I ZR 19114 Rz. 19; OLG Celle wegen des hier interessierenden Spieles Urt. v. 26.01.2017, Az. 13 U 113/16 alle zitiert nach Juris).

Der Beklagte war auch passivlegitimiert. was sich bereits daraus ergibt, dass der Sohn, bei der Zeugenvernehmung zugestanden hat, dass er die Software illegal heruntergeladen hat und sie der Tauschbörse zur Verfügung stand.

Damit ist die eingesetzte Überwachungssoftware und das Erkenntnisverfahren wegen der Zuordnung des Telefonanschlusses des Beklagten zur ermittelten IP-Adresse nicht mehr zweifelhaft.

Der Beklagte war danach auch Täter der am 12.12.2009 begangenen Urheberrechtsverletzung. Täter ist, wer die Tathandlung selbst begeht. Der BGH führt zuletzt im Urteil vom 11.06.2015 (I ZR 75/14 -Tauschbörse III) aus:

„Die Klägerinnen tragen nach den allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte für die von ihnen behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist (BGH, Urt. v. 15.11.2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 =, WRP 2013, 799 – Morpheus; Urt. v. 08.01.2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – BearShare). Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteiler alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerinnen als Anspruchsteller, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15 ff. – BearShare, m.w.N.) (BGH, Urt. v. 11.06.2015 -I ZR 75/14 -, Rn. 37, juris).“

Nach diesen Grundsätzen war ursprünglich von einer Täterschaft des Beklagten auszugehen.

Der Beklagte hat noch in der Klageerwiderung ausführen lassen, dass der Internetanschluss vom Sohn und der Ehefrau nur im geringen Umfang genutzt worden sei. Die Nutzung sei hauptsächlich durch den Sohn erfolgt. Sowohl der Sohn als auch die Ehefrau hätten gewusst um das Verbot der illegalen Nutzung urheberrechtlich geschützter Inhalte und er habe keine Veranlassung gehabt daran zu zweifeln, dass sie sich an die entsprechenden Verbote gehalten haben.

Damit verblieb allein der Beklagte als fraglicher Täter.

Nach Maßgabe der Zeugenvernehmung hat das Gericht aber davon auszugehen, dass diese Angaben nicht zutreffen.

Der Sohn hat im Einzelnen dargestellt, dass er das Programm illegal heruntergeladen aber nicht habe installieren können. Es steht weiterhin fest, dass er das Spiel in einer Tauschbörse zur Verfügung gestellt hat.

Das Gericht geht insofern davon aus, dass der Kläger als auch die Ehefrau das Programm nicht verwendet haben. Die Angaben des Sohnes waren verlässlich und nachvollziehbar. Er hat insofern auch sofort angegeben, dass er nach Eingang der Abmahnung seinen Eltern gegenüber den Verstoß eingestanden hat. Das Gericht folgt diesen Angaben.

Dann aber war der Beklagte gehalten, im Rahmen der sekundären Darlegungslast den Sohn auch zu benennen, da er die Rechtsverletzung zugegeben hat.

Das Gericht folgt wegen dieser Verpflichtung den Ausführungen des BGH, die im Folgenden zitiert werden (vgl. BGH Urt. v. 30.03.2017; I ZR 19/16 zitiert nach Juris):

„Im Streitfall hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass die Beklagten ihrer sekundären Darlegungslast nicht genügt haben, indem sie nur darauf verwiesen haben, ihre drei volljährigen Kinder hätten Zugang zum Internetanschluss gehabt. Die Beklagten waren gehalten, im Rahmen der sekundären Darlegungslast das Kind zu benennen, welches ihnen gegenüber die Rechtsverletzung zugegeben hatte.“

Die Abwägung der im Streitfall auf Seiten der Klägerin betroffenen Grundrechte des Eigentumsschutzes (Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG) und des Rechts auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Art. 47 EU-Grundrechtecharta) mit dem zugunsten der Beklagten wirkenden Grundrecht auf Schutz der Familie (Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG) führt zu einem Vorrang des Informationsinteresses der Klägerin.

Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Mitteilung des Namens des für das Filesharing verantwortlichen Kindes durch die Eltern mit Blick auf die möglichen Folgen – der zivilrechtlichen oder gar strafrechtlichen Inanspruchnahme des Kindes – eine erhebliche Beeinträchtigung des Familienfriedens nach sich ziehen kann. Die Eltern unterliegen jedoch keinem Zwang zur Auskunft. Sie haben vielmehr die Wahl, ob sie die Auskunft erteilen oder ob sie davon absehen, das Kind anzugeben, das die Rechtsverletzung begangen hat, und insoweit auf eine Rechtsverteidigung zu verzichten. Dass sie infolge eines solchen Verteidigungsverzichts selbst für die Rechtsverletzung haften, weil ohne Erfüllung der sekundären Darlegungslast die tatsächliche Vermutung ihrer Haftung als Anschlussinhaber eingreift, erlangt im Rahmen der Grundrechtsabwägung kein entscheidendes Gewicht. Hierbei handelt es sich um einen aus der gesetzlichen Wertung des § 138 Abs. 3 ZPO folgenden Nachteil, der jede prozessual ungenügend vortragende Partei trifft.

Das Recht, im Zivilprozess wegen der familiären Beziehung zu einer Partei Angaben zu verweigern, steht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 und § 384 Nr. 1 und 2 ZPO allein dem Zeugen, nicht aber einer Prozesspartei zu. Die Partei eines Zivilprozesses unterliegt der Wahrheitspflicht des § 138 Abs. 1 ZPO, die allenfalls insofern Einschränkungen erfährt, als die Partei sich selbst oder einen Angehörigen einer Straftat oder Unehrenhaftigkeit bezichtigen müsste (vgl. MünchKomm.ZPO / Fritsche, 5. Aufl., § 138 Rn. 14; Kern in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl., § 138 Rn. 13; Zöller/Greger, ZPO, 16. Aufl., § 138 Rn. 3; Gerken in Wieczorek / Schütze, ZPO, 4. Aufl., § 138 Rn. 15; Seiler in Thomas / Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 138 Rn. 7; Stadler in Musielak / Voit, ZPO, 14. Aufl., § 138 Rn. 3). Hat die Partei in dieser Konstellation die Möglichkeit, von (wahrheitsgemäßen) Angaben abzusehen, so hat sie die mit dem Verzicht auf den entsprechenden Vortrag verbundenen prozessualen Folgen – etwa das Risiko einer für sie ungünstigen Tatsachenwürdigung – in Kauf zu nehmen (vgl. BVerfGE 56, 37, 44; MünchKomm.ZPO / Fritsche a.a.O. § 138 Rn. 14; Gerken in Wieczorek / Schütze a.a.O. § 138 Rn. 15; Zöller / Greger a.a.O. § 138 Rn. 3). So verhält es sich im Falle der Nichterfüllung der sekundären Darlegungslast; die betroffene Partei hat die nachteiligen Folgen ihres unzureichenden Vortrags zu tragen, weil ihr einfaches Bestreiten unwirksam ist und die Geständniswirkung des § 138 Abs. 3 ZPO eintritt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urt. v. 19.02.2014 – I ZR 230/12, GRUR 2014, 578 Rn. 14 = WRP 2014, 697 – Umweltengel für Tragetasche; Urt. v. 12.11.2015 – I ZR 167/14, GRUR 2016, 836 Rn. 111 = WRP 2016, 985 – Abschlagspflicht II).

Demgegenüber ist dem Rechtsinhaber im Falle der Weigerung der Eltern, die Anschlussinhaber sind, Auskunft über den Namen des für das Filesharing verantwortlichen Kindes zu erteilen, eine effektive Verfolgung des Rechtsverstoßes regelmäßig praktisch unmöglich, weil die Identität des Verletzers ungeklärt bleibt. Mithin wird das Eigentumsrecht des Urheberrechtsinhabers gemäß Art. 17 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta und Art. 14 Abs. 1 GG und sein Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf gemäß Art. 47 EU-Grundrechtecharta im Falle der unterbliebenen Auskunft im Regelfall vereitelt, wohingegen die Eltern durch die Auskunftsverweigerung unter Inkaufnahme prozessualer Nachteile eine jedenfalls erhebliche – Beeinträchtigung ihres Grundrechts auf Schutz der Familie gemäß Art. 7 EU-Grundrechtecharta und Art. 6 Abs. 1 GG abwenden können. In dieser Konstellation überwiegen die auf Seiten des Urhebers oder des Inhabers eines verwandten Schutzrechts – hier des Tonträgerherstellers – in Rede stehenden Grundrechte das Grundrecht der Eltern auf Schutz der Familie.

Haben die Beklagten die ihnen im Streitfall obliegenden sekundären Darlegungslast zur Nutzung ihres Internetanschlusses durch einen Familienangehörigen im Tatzeitpunkt nicht erfüllt, greift die tatsächliche Vermutung, sie hafteten als Anschlussinhaber täterschaftlich für die begangene Rechtsverletzung“.

Nach den dargestellten Grundsätzen hat der Beklagte folglich seine sekundäre Darlegungslast verletzt. Die Abmahnung und die Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz setzt jedoch bei der tatsächlichen Verantwortung der Tathandlung an.

Die tatsächliche Täterschaft hat sich jedoch erst im Rahmen der Zeugenvernehmung dargestellt. Danach entfiel ein Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten; die Klage war nicht mehr begründet und damit hatte sie sich im Rechtssinne „erledigt“.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

 

Rechtsbehelfsbelehrung

Diese Entscheidung kann mit der Berufung angefochten werden. Sie ist einzulegen innerhalb einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Saarbrücken,
Franz-Josef-Räder-Straße 15,
66119 Saarbrücken.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der in vollständiger Form abgefassten Entscheidung. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Beschwerdegegenstand 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Berufung in diesem Urteil zugelassen hat. Zur Einlegung der Berufung ist berechtigt, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Berufung wird durch Einreichung einer Berufungsschrift eingelegt. Die Berufung kann nur durch einen Rechtsanwalt eingelegt werden.

 

Prof. Dr. [Name],
Richter am Amtsgericht

 

Ausgefertigt
Saarbrücken, 02.03.2018
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin/Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle des Amtsgerichts (…)

 

 

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AG Saarbrücken, Urteil vom 02.03.2018, Az. 5 C 41/18 (03)

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