.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR: Landgericht Hannover – Haftung des Anschlussinhabers bei Mehrfachabmahnungen. Haftung besteht selbst dann, wenn der Wohnort des Anschlussinhabers und der Ort, an dem der Internetanschluss angemeldet ist und betrieben wird, auseinander fallen.

10:08 Uhr

Hannover/ Hamburg, 19.06.2016 (eig.). Der Anschlussinhaber eines Internetanschlusses haftet jedenfalls als Störer, wenn er nach mehrfach vorangegangenen Abmahnungen wegen einer Verletzung am Werk eines Rechteinhabers mittels Tauschbörse im Internet in Anspruch genommen wird. Dies hat das Landgericht Hannover geurteilt.

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Bericht

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Urteil als PDF:
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Die Haftung besteht selbst dann, wenn der Wohnort des Anschlussinhabers und der Ort, an dem der Internetanschluss angemeldet ist und betrieben wird, auseinander fallen. Dies hat das Landgericht Hannover entschieden (LG Hannover, Urt. v. 06.06.2016, Az. 18 O 44/16).

Zwar ergibt sich eine Haftung als Störer nicht einschränkungslos sondern nur bei der Verletzung von Prüfpflichten; indes sei dies gegeben, denn „vorangegangene Vorwürfe illegaler Nutzung des von der Beklagten für den Enkel finanzierten Internetzugangs gab es bereits zuvor. So bezieht sich auch die Beklagte bspw. auf den vor dem Amtsgericht Hannover wegen vorangegangener Anlässe zu Abmahnungen von der Klägerin geführten Rechtsstreit (…) . Des weiteren ist unstreitig, dass die Beklagte von der Klägerin eine Mehrzahl von Abmahnschreiben erhielt.„, so die Hannoveraner Richter.

Demgemäß verurteilten sie die Anschlussinhaberin zur Unterlassung und zur Übernahme der Anwaltskosten nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR.

All dies hätte vermieden können, wenn sich namentlich der Nutzer des Internetanschlusses – wohl der Enkel der Beklagten – mindestens nach der ersten Abmahnung rechtstreu verhalten und eine außergerichtliche Lösung versucht hätte„, so Rechtsanwalt Nikolai Klute von .rka Rechtsanwälte. So aber hat allein der Rechtsstreit bei der Dame mehr als 5.000,00 EUR an Prozesskosten verursacht. Der Enkel wird’s ihr danken.

 

LG Hannover, Urteil vom 06.06.2016, Az. 18 O 44/16

 

(…)
– Abschrift –

 

Landgericht Hannover

 

Verkündet am: 06. Juni 2016
Geschäfts-Nr.: 18 0 44/16

[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin/beamter der Geschäftsstelle

 

Im Namen des Volkes!

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

[Name]
Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute, Johannes Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg, Geschäftszeichen: [Gz.]

gegen

Frau [Name]
Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: [Name]

hat die 18. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name], den Richter am Landgericht [Name] und die Richterin am Landgericht Dr. [Name]

 

für Recht erkannt:

 

1. Die Beklagte wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, eine Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens 250.000,00 EUR, Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verurteilt, es zu unterlassen,

Dritten zu ermöglichen, das Computerspiel „[Name]“ ohne Einwilligung der Klägerin über den eigenen Internetanschluss in Peer-to-Peer-Netzwerken zum Herunterladen bereitzuhalten.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 859,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.08.2013 zu zahlen.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

 

Tatbestand

 

Die Klägerin macht urheberrechtliche Ansprüche geltend.

Sie wirft der Beklagten vor, Ende 2012 über den Internetanschluss der Beklagten das im Jahr 2011 erstveröffentlichte Computerspiel „[Name]“ gemäß der Auflistung auf Seiten 11-12 der Klageschrift mehrmals zum Download bereitgehalten zu haben unter Verwendung eines (kostenlosen) BitTorrent-Clients, mithin der Nutzer bei laufendem Download der Daten des Spiels selbst zu einer Download-Quelle für andere wurde.

Die Beklagte war Vertragspartnerin des Serviceproviders und stellte den Anschluss ihrem Enkel zu Verfügung.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin eines exklusiven Entwicklungs- und Vertriebsvertrags zu sein. Wegen der Einzelheiten ihres Vortrags wird auf Seite 1 der Klageschrift sowie auf Seiten 2-11 der Replik nebst Anlagen verwiesen.

Die Klägerin bezieht sich auf von der Fa. [Name] im Peer-to-Peer-Netzwerk ermittelte IP-Adressen und die Feststellung der Beklagten als Inhaberin der IP-Adressen über ein Auskunftsverfahren gern. § 101 Abs. 9 UrhG bei dem Internetdiensteanbieter. Wegen der Zuordnung verweist die Klägerin auf das Anlagenkonvolut K 6. Wegen der Einzelheiten dieser Feststellungen wird auf das Vorbringen der Klägerin auf Seiten 13-22 des Schriftsatzes vom 31.03.2016 Bezug genommen.

Die Beklagte wurde mit vorgerichtlichem Anwaltsschreiben vom 05.08.2013 abgemahnt und erfolglos aufgefordert, eine klaglosstellende Unterlassungserklärung abzugeben. Des Weiteren macht sie Erstattung von Abmahngebühren in Höhe von 859,80 EUR, ausgehend von einem Streitwert von 20.000,00 EUR geltend.

Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen wie erkannt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, [Name Beklagte] unter der Anschrift L[…] 1 in [Ort] zu wohnen, demgegenüber ist – unstreitig – die Abmahnung an die Adresse G[…] in S[…] erfolgt; diese habe sie „über ihr bekannte Dritte“ erhalten. Sie habe noch nie einen Computer, einen Internetanschluss oder dergleichen in ihrer Wohnung für Dritte vorgehalten, auch nicht über die Adresse G[…]. Sie habe keine genauere Vorstellung davon, was Internet bedeute. Sie habe den Anschluss lediglich einem Dritten finanziert. Im Verlauf des Rechtsstreits teilte die Beklagte mit, dass es sich bei dem Dritten um ihren Enkel handelt.

Wegen des weiteren Parteivorbringens im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Klage ist begründet.

Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung und auf Zahlung von Abmahnkosten gern. §§ 97, 97a UrhG wegen der Angebote vom
13.12.2012,
14.12.2012,
15.12.2012,
17.12.2012,
18.12.2012 und
21.12.2012 zum Download des Computerspiels „[Name]“.

Die Beklagte haftet nicht unmittelbar als Täterin oder Teilnehmerin.

Zwar spricht, wenn ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (BGH BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“ -), und dies trifft nach den substantiiert dargelegten Ermittlungen der Klägerin auf die Beklagte als die auch nach ihrem eigenen Vorbringen – Vertragspartnerin des Internetproviders zu.

Im Übrigen hat die Beklagte keinen konkreten Anhaltspunkt für eine Fehlzuordnung oder mangelnde Funktionsfähigkeit aufgezweigt, sodass mangels vernünftiger Zweifel die Richtigkeit der IP-Adressenermittlung anzunehmen ist (vgl. bspw. BGH NJW 2016, 942 ff. – „Tauschbörse I“ -).

Diese tatsächliche Vermutung ist jedoch im Streitfall entkräftet, da die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass allein ein Dritter – der Enkel der Beklagten – und nicht auch die Beklagte als Anschlussinhaberin den Internetzugang für die behaupteten Rechtsverletzungen genutzt hat.

Auch ist die Beklagte nicht als Inhaberin des Internetanschlusses unter dem Gesichtspunkt der Eröffnung einer Gefahrenquelle zur Abgabe einer Unterlassungserklärung und zur Erstattung von Abmahnkosten verpflichtet. Der Betrieb eines Internetanschlusses allein genügt nicht; für eine täterschaftlich begangene Urheberrechtsverletzung müssen die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts erfüllt sein (BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“ -). In Betracht kämen hierfür die § 19a UrhG, § 85 Abs. 1 Satz 1 Var. 3 UrhG und § 78 Abs. 1 Nr. 1 UrhG, deren Voraussetzungen im Streitfall nicht erfüllt sind.

Soweit eine Haftung der Beklagten als Teilnehmerin von möglicherweise von ihrem Enkel begangenen Urheberrechtsverletzungen in Betracht kommen könnte, hat die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Klägerin nicht Umstände vorgetragen, die auf einen Vorsatz der Beklagten schließen lassen.

Die Beklagte haftet jedoch als Störerin.

Als Störerin kann gem. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog bei der Verletzung absoluter Rechte derjenige auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, der, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt (BGH GRUR 2011, 152). Für eine Haftung des Störers gilt allerdings einschränkend die Voraussetzung, dass er zumutbare Verhaltenspflichten, insbesondere Prüfpflichten verletzt hat. Dabei richtet sich das Vorliegen einer Prüfpflicht nach den Umständen des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung des in Anspruch Genommenen mit Blick auf die Eigenverantwortung desjenigen, die die Rechtsgutverletzung selbst unmittelbar vorgenommen hat (BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“ -; BGH GRUR 2011, 1038).

Des Weiteren gilt nach der Rechtsprechung einschränkend, dass Prüfpflichten nicht bestehen, wenn es nicht einen besonderen Anlass gibt, die Internetnutzung volljähriger Mitnutzer auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überwachen (BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“ -; BGH NJW 2013, 1441 – „Morpheus“ -). Genau einen solchen Anlass gab es für die Beklagte vorliegend. Vorangegangene Vorwürfe illegaler Nutzung des von der Beklagten für ihren Enkel finanzierten Internetzugangs gab es bereits zuvor. So bezieht sich auch die Beklagte bspw. auf den vor dem Amtsgericht Hannover wegen vorangegangener Anlässe zu Abmahnungen von der Klägerin geführten Rechtsstreit 524 C 9788/14. Des Weiteren ist zwischen den Parteien unstreitig, dass die Beklagte von der Klägerin eine Mehrzahl von Abmahnschreiben erhielt. Streitig ist insoweit zwischen den Parteien lediglich, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin eine Aufklärungspflicht dergestalt hatte, dass sie nicht unter der Adresse „7[…]“ oder „G[…]“ gewohnt habe und keinen eigenen Internetanschluss in der von ihr bewohnten Wohnung unterhielt; dieser Streit ist nicht entscheidungserheblich.

Die für eine Verurteilung zu einer Unterlassung vorausgesetzte Wiederholungsgefahr ist aufgrund der Rechtsverletzungen indiziert, und sie ist mangels Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht weggefallen.

Die Berechnung der aus § 97a UrhG begründeten Kosten für die Abmahnung aus dem Jahr 2013 mit einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach § 13 RVG, W 2003 nach einem Gegenstandswert von 20.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden.

Der Anspruch der Klägerin auf Verzinsung beruht auf §§ 280, 284, 286 BGB. Der Zinsbeginn folgt aus der mit der Zahlungsaufforderung vom 05.08.2013 verbundenen Fristsetzung zum 16.08.2013.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 709 ZPO. (…)

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LG Hannover, Urteil vom 06.06.2016, Az. 18 O 44/16

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