23:48 Uhr
Hamburg / Karlsruhe, 10.07.2018 (eig.). Kosten, die infolge der Abmahnung gegenüber einem Anschlussinhaber entstanden sind, sind von dem Täter einer Urheberrechtsverletzung in sogenannten Filesharingfällen zu ersetzen. Dies hat der Bundesgerichtshof in einem jüngst bekannt gewordenen Urteil klar gestellt (Urt. v. 22.03.2018 – I ZR 265/16). In dem Verfahren hat die Kanzlei .rka Rechtsanwälte auf Klägerseite mitgewirkt.
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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Zunächst war der Anschlussinhaber mit einer anwaltlichen Abmahnung in Anspruch genommen worden, weil über seinen Internetanschluss das streitgegenständliche Computerspiel der Rechteinhaberin Dritten zum Download bereitgehalten wurde. Der anwaltlich vertretene Anschlussinhaber gab eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab und lies im Übrigen durch seine Anwälte darauf verweisen, dass die Verletzungshandlung durch seinen Sohn begangen worden sei. Nachdem Bemühungen, die Sache außergerichtlich zu bereinigen gescheitert waren, ist der nunmehrige Beklagte – der Sohn des Anschlussinhabers – in Anspruch genommen worden, auch mit Blick auf die Kosten der Abmahnung, die gegenüber dem Anschlussinhaber ausgesprochen worden war.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Klage zunächst abgewiesen, da nach dortiger Auffassung die Abmahnung des Anschlussinhabers im Verhältnis zum Beklagten nicht erforderlich gewesen sei. Zur Ermittlung des Rechtsverletzers hätte eine Anfrage beim Anschlussinhaber genügt, die Abmahnung sei für den Beklagten weder objektiv nützlich gewesen noch habe sie seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen und demgemäß seien die Abmahnkosten auch nicht als Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 Urhebergesetz geschuldet.
Der Bundesgerichtshof vermochte dem nicht zu folgen, hat die Entscheidung aufgehoben und auf die Erstattungspflicht des Beklagten auch mit Blick auf die Kosten der gegenüber dem Anschlussinhaber ausgesprochenen Abmahnung erkannt.
Bundesgerichtshof: „Spricht der Rechtsinhaber im Falle der öffentlichen Zugänglichmachung eines urheberrechtlich geschützten Werks über eine Internet Tauschbörse gegenüber dem für die Rechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhaber eine Abmahnung aus, der daraufhin den Rechtsverletzer benennt, so umfasst der vom Rechtsverletzer zu leistende Schadensersatz die Kosten dieser Abmahnung.“
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zählen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis adäquat kausal verursachten Rechtsverfolgungskosten, die aus Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren. Dazu gehören auch die Kosten der Abmahnung gegenüber dem Anschlussinhaber aus ihrer Funktion als Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Denn dem Urheberrechtsinhaber ist die Verfolgung eines Verstoßes, der durch das Bereitstellen geschützter Werke in Internettauschbörsen über einen bestimmten Anschluss, aber von einer anderen Person als dem Anschlussinhaber begangen worden ist, nur auf der Grundlage von Informationen möglich, die er ausschließlich vom Anschlussinhaber erlangen kann. Auskunftsansprüche nach Maßgabe des § 101 Urheberrechtsgesetz stehen dem Rechtsinhaber nur gegen im gewerblichen Ausmaß tätige Personen zu. Handelt es sich wie im Streitfall um einen rein privaten Internetanschluss, liegen die Voraussetzungen dieser Auskunftsansprüche typischerweise nicht vor. Stattdessen erweist sich die gegenüber dem Anschlussinhaber ausgesprochene Abmahnung in Fällen, in denen der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist, als gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung. Eine reine Anfrage ist hingegen nicht hinreichend zur Zweckerreichung geeignet. Mangels Auskunftsanspruchs liegt es im Belieben des Anschlussinhabers, ob und wann er eine an ihn gerichtete einfache Anfrage beantwortet. Regelmäßig wird eine solche Anfrage wenig erfolgversprechend sein. Der Rechteinhaber wäre dann gleichwohl gehalten, sich vor einer etwaigen gerichtlichen Inanspruchnahme des Anschlussinhabers, der auf die Anfrage nicht reagiert hat, zur Vermeidung des aus § 93 ZPO folgenden Kostenrisikos nochmals, nun mit einer Abmahnung, an den Anschlussinhaber zu wenden. Das Erfordernis vorgeschalteter Auskunftsverlangen verkompliziert und verzögert damit die Rechtsdurchsetzung, ohne dass berechtigte Interessen des Rechtsverletzers berührt wären. Hingegen ist die Ermittlung der tatsächlichen Umstände für den Rechteinhaber eilbedürftig, weil er nur bei zeitnaher Sachverhaltsaufklärung in der Lage ist, einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Verletzer etwa im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen. Insoweit kommt der Abmahnung die Funktion eines nachdrücklichen Auskunftsverlangens zu. Dieses Verständnis entspricht auch dem Gebot effektiver Rechtsverfolgung und steht im Einklang mit dem durch Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgegebenen Ziel, dass der Rechteinhaber zum Ausgleich des wegen der Rechtsverletzung entstandenen Schadens angemessen Schadensersatz erlangen muss.
Die Abmahnung des Anschlussinhabers, deren Kosten die Klägerin als Schadensersatz geltend macht, stellt sich mit Blick auf den Beklagten daher als für die Rechtsverfolgung erforderliches und zweckmäßiges Ziel der Sachverhaltsaufklärung dar. Nicht anders als die Kosten der Schadensfeststellung insgesamt unterfallen die durch sie verursachten Kosten damit ohne weiteres dem Schutzzweck der schadensersatzrechtlichen Normen.
Der Bundesgerichtshof hat das angegriffene Urteil aufgehoben und mit Blick auf die fehlenden Feststellungen des Berufungsgerichts zur angemessenen Höhe der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten dorthin zurück verwiesen.
BGH, Urteil vom 22.03.2018 – I ZR 265/16
(…)
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
Verkündet am:
22. März 2018
[Name], Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstellein dem Rechtsstreit
[Name],
Klägerin und Revisionsklägerin,– Prozessbevollmächtigte: [Name],
gegen
[Name],
Beklagter und Revisionsbeklagter,– Prozessbevollmächtigte II. Instanz: [Name],
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2018 durch die Richter Prof. Dr. [Name], Dr. [Name], die Richterin Dr. [Name], den Richter [Name] und die Richterin Dr. [Name]
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 8. Dezember 2016 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin macht geltend, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel „[Name]“ zu sein, das seit April 2013 auf dem Markt erhältlich ist. Der 15 Jahre alte Beklagte stellte dieses Computerspiel am 23. Mai 2013 zu verschiedenen Uhrzeiten zweimal über den Internetanschluss seines Vaters in einer Tauschbörse im Internet zum Herunterladen bereit.
Die Klägerin mahnte den Vater des Beklagten mit anwaltlichem Schreiben vom 15. August 2013 ab und verlangte die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung. Der Vater des Beklagten gab eine solche Unterlassungserklärung ab und erklärte, die Rechtsverletzung sei durch den Beklagten begangen worden. Die Klägerin forderte daraufhin mit anwaltlichem Schreiben den Beklagten zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung, Zahlung von 124,00 EUR nebst Zinsen für die an ihn gerichtete Abmahnung, Zahlung weiterer 859,80 EUR nebst Zinsen für die an seinen Vater gerichtete Abmahnung, Feststellung seiner Schadensersatzpflicht und Auskunft verlangt. Die Kostenforderung für die gegen den Vater gerichtete Abmahnung ist auf der Grundlage einer 1,3-fachen Geschäftsgebühr nach einem Streitwert von 20.000,00 EUR nebst 20,00 EUR Telekommunikationspauschale berechnet.
Die Klage hatte erstinstanzlich bis auf den Antrag auf Zahlung der Kosten für die an den Vater des Beklagten gerichtete Abmahnung Erfolg. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Anspruch auf Erstattung der Kosten weiter, die für die an den Vater des Beklagten gerichtete Abmahnung angefallen sind.
Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin hat beantragt, über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin stehe ein Anspruch auf Erstattung der für die Abmahnung des Vaters des Beklagten angefallenen Kosten nicht zu.
Der Beklagte schulde hierfür keinen Kostenersatz gemäß § 97a UrhG, da diese Vorschrift sich nur auf die Abmahnung des Verletzers beziehe. Der Beklagte schulde die Abmahnkosten auch nicht als Schadensersatz nach § 97 Abs. 2 UrhG. Die Abmahnung des Vaters sei im Verhältnis zum Beklagten nicht erforderlich gewesen. Zur Ermittlung des Rechtsverletzers hätte eine Anfrage beim Anschlussinhaber genügt. Die Abmahnung des Vaters sei auch nicht geeignet gewesen, im Verhältnis zum Beklagten die Kostenfolge des § 93 ZPO zu vermeiden. Der geltend gemachte Anspruch sei auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag begründet, weil die Abmahnung für den Beklagten weder objektiv nützlich gewesen sei noch seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprochen habe.
II.
Über die Revision der Klägerin ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu entscheiden, weil der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 12. Januar 2017 – I ZR 258/15, GRUR 2017, 409 Rn. 10 = WRP 2017, 418 – Motivkontaktlinsen, m.w.N.).
III.
Die Revision der Klägerin hat Erfolg.
1.
Gegen die Zulässigkeit der Berufung, die auch in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2014 – VIII ZR 79/14, NJW 2015, 873 Rn. 12 m.w.N.), bestehen mit Blick auf den 600,00 EUR übersteigenden Wert des Beschwerdegegenstands (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) keine Bedenken.
2.
Die Revision wendet sich nicht gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass ein Anspruch der Klägerin nach § 97a Abs. 1 UrhG in der im Streitfall anwendbaren, bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 1/15, GRUR 2016, 1275 Rn. 19 = WRP 2016, 1525 – Tannöd, m.w.N.) auf Ersatz der Kosten für die gegen den Vater des Beklagten gerichtete Abmahnung nicht gegeben ist. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Nach § 97a Abs. 1 UrhG a.F. – ebenso wie nach § 97a Abs. 3 UrhG n.F. – steht dem Rechtsinhaber ein Anspruch auf Kostenersatz nur für die gegen den Verletzer (hier: den Beklagten) gerichtete Abmahnung, nicht aber für eine gegen Dritte (hier: den Anschlussinhaber) gerichtete Abmahnung zu.
3.
Mit Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Klägerin könne die für die Abmahnung gegenüber dem Vater des Beklagten entstandenen Kosten nicht als Schaden gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG vom Beklagten ersetzt verlangen. Nach dieser Vorschrift ist, wer das Urheberrecht oder ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich sowie vorsätzlich oder fahrlässig verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet.
a)
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Beklagte habe zwar schuldhaft eine Rechtsverletzung begangen und hierdurch adäquat kausal die Abmahnung des Anschlussinhabers verursacht. Die Abmahnung des Anschlussinhabers sei jedoch nicht erforderlich gewesen, um den Rechtsverletzer zu ermitteln, weil hierzu eine bloße Anfrage beim Anschlussinhaber genügt hätte. Im Falle der gerichtlichen Inanspruchnahme des Beklagten habe die Abmahnung des Anschlussinhabers auch nicht die Kostenfolge des § 93 ZPO vermeiden können. Die tatsächliche Vermutung, dass der Anschlussinhaber für die über seinen Internetanschluss begangene Rechtsverletzung verantwortlich sei, lasse die Abmahnung des Anschlussinhabers zwar als kausale Folge der Rechtsverletzung erscheinen, habe im Verhältnis zum vom Anschlussinhaber verschiedenen Verletzer jedoch keine Rechtswirkungen. Selbst wenn die Abmahnung nicht nur gegenüber dem Anschlussinhaber, sondern auch gegenüber weiteren Anschlussnutzern faktische Wirkung entfalte und weitere Schäden verhindere, könne eine solche Wirkung schon durch eine bloße Anfrage beim Anschlussinhaber erreicht werden. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
b)
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts, die die Revision als ihr günstig nicht in Zweifel zieht und die keinen Rechtsfehler erkennen lassen, hat der Beklagte, indem er das Computerspiel „[Name]“ im Internet zum Herunterladen bereitgestellt hat, entgegen § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG schuldhaft in die daran bestehenden ausschließlichen Nutzungsrechte der Klägerin eingegriffen (vgl. zur Verletzung des Rechts auf öffentliche Zugänglichmachung von Computerspielen gemäß §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG durch deren Bereitstellen in Internettauschbörsen BGH, Urteil vom 27. Juli 2017 – I ZR 68/16, GRUR-RR 2017, 484 Rn. 10 = WRP 2017, 1222 m.w.N).
c)
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erweist sich die Abmahnung des Anschlussinhabers als erforderliche Reaktion der Klägerin als Rechtsinhaberin, so dass die durch sie entstandenen Kosten einen vom Beklagten nach § 249 BGB zu ersetzenden Schaden darstellen.
aa)
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zählen zu den ersatzpflichtigen Aufwendungen des Geschädigten grundsätzlich auch die durch das Schadensereignis adäquat kausal verursachten Rechtsverfolgungskosten. Allerdings hat der Schädiger nicht schlechthin alle durch das Schadensereignis adäquat kausal verursachten Rechtsanwaltskosten zu ersetzen, sondern nur solche, die aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig waren (vgl. BGH, Urteil vom 8. November 1994 – VI ZR 3/94, BGHZ 127, 348, 350 [juris Rn. 7]; Urteil vom 10. Januar 2006 – VI ZR 43/05, NJW 2006, 1065 Rn. 5; Urteil vom 9. März 2011 – VIII ZR 132/10, NJW 2011, 1222 Rn. 23; Urteil vom 13. Dezember 2011 – VI ZR 274/10, NJW 2012, 919 Rn. 20; Urteil vom 16. Juli 2015 – IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 55, jeweils m.w.N.).
bb)
Im Streitfall ist die Einschaltung eines Rechtsanwalts für die außergerichtliche Anspruchsverfolgung gegenüber dem Anschlussinhaber auch im Verhältnis zum Beklagten als erforderlich anzusehen.
(1)
Dabei kommt es – wie das Berufungsgericht richtig gesehen hat – nicht darauf an, ob im Einzelfall die tatsächliche Vermutung eingreift, der zufolge der Anschlussinhaber als Täter für eine über seinen Anschluss begangene Urheberrechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 15 – BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 37 – Tauschbörse III; Urteil vom 12. Mai 2016 – I ZR 48/15, GRUR 2016, 1280 Rn. 32 – Everytime we touch; BGH, GRUR-RR 2017, 484 Rn. 12). Es kommt weiter – wie das Berufungsgericht ebenfalls zu Recht angenommen hat – nicht darauf an, dass der Rechtsinhaber mittels der Abmahnung des für die Rechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhabers die ihm zur Vermeidung der prozessualen Kostenfolge des § 93 ZPO gegenüber dem wahren Schädiger obliegende Abmahnobliegenheit (vgl. dazu BGH, Urteil vom 7. Oktober 2009 – I ZR 216/07, GRUR 2010, 257 Rn. 9 = WRP 2010, 258 – Schubladenverfügung; Bornkamm in Köhler / Bornkamm / Feddersen, UWG, 36. Aufl., § 12 Rn. 1.7 f.) nicht erfüllen kann.
(2)
Die schadensersatzrechtliche Erforderlichkeit der Abmahnung ergibt sich in der im Streitfall gegebenen Konstellation aus ihrer Funktion als Mittel der Sachverhaltsaufklärung.
Dem Urheberrechtsinhaber ist die Verfolgung eines Verstoßes, der durch das Bereitstellen geschützter Werke in Internettauschbörsen über einen bestimmten Anschluss, aber von einer anderen Person als dem Anschlussinhaber begangen worden ist, nur auf der Grundlage von Informationen möglich, die er ausschließlich vom Anschlussinhaber erlangen kann. Auskunftsansprüche stehen dem Urheberrechtsinhaber nach Maßgabe des § 101 UrhG jedoch nur gegen im gewerblichen Ausmaß tätige Verletzer (Abs. 1) sowie gegen Personen zu, die in Fällen offensichtlicher Rechtsverletzungen im gewerblichen Ausmaß rechtsverletzende Vervielfältigungsstücke in ihrem Besitz hatten, rechtsverletzende Dienstleistungen in Anspruch nahmen oder für rechtsverletzende Tätigkeiten genutzte Dienstleistungen erbrachten (Abs. 2). Handelt es sich – wie im Streitfall – um eine über einen privaten Internetanschluss begangene Rechtsverletzung, liegen die Voraussetzungen dieser Auskunftsansprüche typischerweise nicht vor.
Stattdessen erweist sich die gegenüber dem Anschlussinhaber ausgesprochene Abmahnung in Fällen, in denen der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung nicht verantwortlich ist, als gebotenes Mittel der Sachverhaltsaufklärung.
Der Urheberrechtsinhaber muss sich – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – nicht darauf verweisen lassen, zunächst eine schlichte Anfrage mit der Bitte um Informationserteilung an den Anschlussinhaber zu richten, weil eine solche Anfrage nicht hinreichend zur Zweckerreichung geeignet ist. Mangels Auskunftsanspruchs liegt es im Belieben des Anschlussinhabers, ob und wann er eine an ihn gerichtete einfache Anfrage beantwortet. Regelmäßig wird eine solche Anfrage wenig erfolgversprechend sein. Der Rechtsinhaber wäre gleichwohl gehalten, sich vor einer etwaigen gerichtlichen Inanspruchnahme des Anschlussinhabers, der auf die Anfrage nicht reagiert hat, zur Vermeidung des aus § 93 ZPO folgenden Kostenrisikos nochmals – nun mit einer Abmahnung – an den Anschlussinhaber zu wenden. Das Erfordernis eines vorgeschalteten einfachen Auskunftsverlangens verkompliziert und verzögert damit die Rechtsdurchsetzung, ohne dass berechtigte Interessen des Rechtsverletzers berührt wären. Für den Rechtsinhaber ist die Ermittlung der tatsächlichen Umstände andererseits eilbedürftig, weil er nur bei zeitnaher Sachverhaltsaufklärung in der Lage ist, einen Unterlassungsanspruch gegenüber dem Rechtsverletzer im Wege der einstweiligen Verfügung durchzusetzen.
Spricht der Rechtsinhaber sogleich gegenüber dem für die Rechtsverletzung nicht verantwortlichen Anschlussinhaber eine Abmahnung aus, in der er die gerichtliche Durchsetzung seiner Ansprüche in Aussicht stellt, wird der Anschlussinhaber – wie der Streitfall zeigt – eher zur zügigen Auskunftserteilung über andere Nutzer des Anschlusses bereit sein. Insoweit kommt der Abmahnung die Funktion eines nachdrücklichen Auskunftsverlangens zu.
Dieses Verständnis entspricht dem Gebot effektiver Rechtsverfolgung und steht im Einklang mit dem durch Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums vorgegebenen Ziel, dass der Rechtsinhaber zum Ausgleich des wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen Schadens angemessenen Schadensersatz erlangen muss.
(3)
Die Rechtsprechung des Senats, nach der die Kosten der Inanspruchnahme einer falschen Person nicht zu dem durch ein wettbewerbswidriges Verhalten adäquat verursachten Schaden zählen, sofern die Herbeiführung der Verwechslungsgefahr nicht einen eigenständigen Wettbewerbsverstoß darstellt (BGH, Urteil vom 5. November 1987 – I ZR 212/85, GRUR 1988, 313, 314 = WRP 1988, 359 – Auto F. GmbH; Urteil vom 23. November 2006 – I ZR 276/03, GRUR 2007, 631 Rn. 24 = WRP 2007, 783 – Abmahnaktion), steht dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. In der vorliegenden Konstellation ist die Abmahnung nicht gegenüber dem falschen Adressaten ergangen, sondern hat der Rechtsinhaber den Anschlussinhaber als einzigen ihm zur Verfügung stehenden Ansprechpartner abgemahnt. Erst durch die vom Anschlussinhaber zu erlangenden Informationen wird der Rechtsinhaber in die Lage versetzt, den Rechtsverletzer in Anspruch zu nehmen. Begeht dieser eine rechtswidrige Handlung unter Inanspruchnahme des Internetanschlusses eines Dritten und ist er deshalb für den Rechtsinhaber zunächst nicht identifizierbar, so ist der für die Informationserlangung eingegangene Kostenaufwand ein adäquater Schaden der Rechtsverletzung. Denn es liegt keinesfalls außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit, sondern es ist – im Gegenteil – damit zu rechnen, dass der Rechtsinhaber Anstrengungen unternimmt, um den Rechtsverletzer zu ermitteln (vgl. zur adäquaten Kausalität BGH, Urteil vom 3. März 2016 – I ZR 110/15, GRUR 2016, 961 Rn. 34 = WRP 2016, 1102 – Herstellerpreisempfehlung bei Amazon, m.w.N.).
(4)
Es ist allerdings umstritten, ob Abmahnkosten nach dem Schutzzweck der Schadensersatznormen als ersatzfähiger Schaden angesehen werden können. Teilweise wird dies mit dem Argument verneint, mit dem Schadensersatz solle ein Ausgleich für die bereits geschehene rechtswidrige Handlung geschaffen werden, die Abmahnung richte sich aber gegen Gefahren, die aus zukünftigen Handlungen des Abgemahnten drohten (vgl. Scharen in Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 7. Aufl., Kap. 11 Rn. 13; Köhler in Köhler / Bornkamm / Feddersen a.a.O. § 9 Rn. 1.29 und ders., Festschrift Erdmann, 2002, S. 845, 846 [differenzierend zwischen Einzel- und Dauerhandlungen]; Bornkamm in Köhler / Bornkamm / Feddersen a.a.O. § 12 Rn. 1.108; MünchKomm.UWG / Ottofülling, 2. Aufl., § 12 Rn. 147). Nach anderer Ansicht sind die Kosten einer Abmahnung auch im Falle einer Einzelhandlung vom Schutzzweck der Schadensersatznormen umfasst, weil die Abmahnung auch bei abgeschlossener Verletzungshandlung der Beseitigung der auf die Verletzungshandlung zurückgehenden Wiederholungsgefahr und der Verhinderung zukünftiger Schäden dient, so dass ein für die Schutzzweckbetrachtung hinreichender innerer Zusammenhang zwischen Rechtsgutverletzung und Abmahnkosten als Schadensposition besteht (vgl. Bacher in Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 41 Rn. 82; Büscher in Fezer / Büscher / Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 62; Großkommentar zum UWG / Feddersen, 2. Aufl., § 12 B Rn. 85; MünchKomm.UWG / Fritzsche a.a.O. § 9 Rn. 74; Goldmann in Harte / Henning, UWG, 4. Aufl., § 9 Rn. 119). Der Senat hat diese Frage bisher nicht abschließend entschieden (vgl. BGH, GRUR 2007, 631, 632 Rn. 21 – Abmahnaktion).
Auch im vorliegenden Fall bedarf es insoweit keiner Stellungnahme des Senats. Denn die Abmahnung des Anschlussinhabers, deren Kosten die Klägerin als Schadensersatz geltend macht, stellt sich mit Blick auf den Beklagten als für die Rechtsverfolgung erforderliches und zweckmäßiges Mittel der Sachverhaltsaufklärung dar (siehe vorstehend Rn. 21 ff.). Nicht anders als Kosten der Schadensfeststellung (vgl. dazu BGH, Urteil vom 28. Februar 2017 – VI ZR 76/16, NJW 2017, 1875 Rn. 6 m.w.N.; Palandt / Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 249 Rn. 58) unterfallen die durch sie verursachten Kosten damit ohne weiteres dem Schutzzweck der schadensersatzrechtlichen Normen.
(5)
§ 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung steht dem von der Klägerin verfolgten Schadensersatzanspruch nicht entgegen. Diese Vorschrift ist im Streitfall zeitlich anwendbar, weil es für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung – hier: August 2013 – ankommt (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 30. März 2017 – I ZR 124/16, ZUM-RD 2018, 68 Rn. 13 m.w.N.).
Nach § 97a Abs. 2 UrhG a.F. ist der Ersatz von Abmahnkosten für die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100,00 EUR beschränkt. Allerdings stellt das Angebot eines urheberrechtlich geschützten Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse regelmäßig keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne dieser Vorschrift dar (BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 55 – Tannöd; ZUM-RD 2018, 68 Rn. 34). Selbst wenn man annähme, dass die in § 97a Abs. 2 UrhG a.F. vorgesehene Deckelung des Erstattungsanspruchs auch auf einen Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 UrhG anwendbar wäre, weil andernfalls die in § 97a Abs. 2 UrhG a.F. zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Wertung über den Umweg des Schadensersatzanspruchs unterlaufen würde (dafür Dreier in Dreier / Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 20; zu § 97a Abs. 3 UrhG nF vgl. die Nachweise bei Bacher in Teplitzky a.a.O. Kap. 41 Rn. 82b), und wenn man weiter annähme, dass eine solche Anwendung auch in Bezug auf die – im Streitfall gegebene – Konstellation der Inanspruchnahme des Rechtsverletzers für Kosten der Abmahnung des personenverschiedenen Anschlussinhabers in Betracht käme, stünde die Vorschrift der Zubilligung des geltend gemachten Schadensersatzes daher nicht entgegen.
IV.
Danach ist das angegriffene Urteil aufzuheben und die Sache, da sie nicht zur Endentscheidung reif ist, zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
In der wiedereröffneten Berufungsinstanz wird das Berufungsgericht Feststellungen zur angemessenen Höhe der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten zu treffen haben (zur Höhe der Abmahnkosten im Falle eines Computerspiels vgl. zuletzt BGH, ZUM-RD 2018, 68 Rn. 37 m.w.N.).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu. Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt binnen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift einzulegen.
[Name]
[Name]
[Name]
[Name]
[Name]
[Name]
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 20.01.2016 – 12 0 470/14
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 08.12.2016 – I-20 U 20/16 – (…)
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BGH, Urteil vom 22.03.2018 – I ZR 265/16
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