07:30 Uhr
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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Bericht
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OLG Schleswig, Teilversäumnis- und Schluss-Urteil vom 25.01.2017, Az. 6 U 9/16
(…) Abschrift
6 U 9/16
8 O 118/15 LG FlensburgVerkündet am 25.01.2017
gez.
[Name], JAng
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Teilversäumnis- und Schluss-Urteil
Im Namen des Volkes
In dem Rechtsstreit
[Name],
– Klägerin und Berufungsklägerin –Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR, Johannes-Brahms-Platz 1,
gegen
[Name],
– Beklagter und Berufungsbeklagter –wegen Vertragsstrafe und Ersatz von Abmahnkosten
hat der 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Richter am Oberlandesgericht Dr. [Name] als Einzelrichter auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 12.01.2017
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 05.02.2016, Az. 8 O 118/15, teilweise abgeändert und wie folgt insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.365,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.08.2015 zu zahlen. Im Übrigen werden die Klage ab- und die Berufung zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits in erster Instanz tragen Beklagte 77 % und die Klägerin 23 %. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen Beklagte 55 % und die Klägerin 45 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 3.637,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Vertragsstrafe und Ersatz von Abmahnkosten in Anspruch, nachdem nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung durch den Beklagten erneut über den dem Beklagten zuordenbaren Internetzugang das Computerspiel „[Name]“ in einem P2P-Netzwerk zum Herunterladen bereitgehalten wurde und Dritten der Download ermöglicht wurde. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten mit Versäumnisteil- und Schlussurteil zur Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 3.000,00 EUR sowie zum Ersatz von Abmahnkosten in Höhe von 347,60 EUR verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Den Erstattungsanspruch hat das Landgericht abweichend von dem Antrag der Klägerin unter Zugrundelegung eines niedrigeren Gegenstandswerts zuerkannt. Der zur Berechnung der Vergütung zugrunde zu legende Gegenstandswert sei gemäß § 97a Abs. 3 S. 4 UrhG, § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen. Die Kammer bemesse den Wert des Unterlassungsanspruchs regelmäßig mit dem drei- bis fünffachen Betrag des geltend gemachten oder voraussichtlich entstandenen, im Wege der Lizenzanalogie zu berechnenden Schadens. Im Falle des Filesharings sei wegen der Gefährdung der Verwertung des Nutzungsrechts durch eine öffentliche Zugänglichmachung im Falle einer wiederholten oder zu gewerblichen Zwecken begangenen Rechtsverletzung grundsätzlich der fünffache Betrag zugrunde zu legen. Für das Anbieten eines Computerspiels innerhalb der Verwertungsphase werde ein Schadensersatzanspruch von 400,00 bis 600,00 EUR für angemessen gehalten. Dies führe für den Unterlassungsanspruch zu einem Gegenstandswert von 3.000,00 EUR. Hierbei sei zum einen der erhebliche Wert des beeinträchtigten Rechts und die verbleibende Laufzeit zu berücksichtigen. Zum anderen werde die Realisierung des Nutzungsrechts nicht ausschließlich durch die Verletzungshandlung des Beklagten, sondern durch alle Verletzungshandlungen sämtlicher Teilnehmer solcher Filesharing-Netzwerke beeinträchtigt. Zudem habe sich das Computerspiel im Zeitpunkt der Verletzungshandlung bereits seit 16 Monaten auf dem Markt befunden und sei folglich nicht in der hochaktuellen Verwertungsphase gewesen.
Zudem erfolge die Verletzung des Rechts nicht zu gewerblichen Zwecken, Der Gegenstandswert des mit der Abmahnung ebenfalls erfolgten Anspruchs auf Schadensfeststellung könne auf etwa 1/5 des Unterlassungsanspruchs geschätzt werden, was zu einem Gegenstandswert von 600,00 EUR führe. Der Auskunftsanspruch sei mit einem Wert von 200,00 Euro anzusetzen. Es seien keine Anknüpfungspunkte für eine höhere Wertfestsetzung hinsichtlich des Feststellungs- und Auskunftsbegehrens gegeben. Die Klägerin habe, da diese Ansprüche nicht eingeklagt worden seien, zu erkennen gegeben, dass ihr Interesse an der Verfolgung dieser Ansprüche hinter dem Interesse an der Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Unterlassung, Vertragsstrafe und Erstattung von Abmahnkosten zurückstehe. Unter Zugrundelegung des Gegenstandswerts von 3.800,00 EUR seien Abmahnkosten in Höhe von insgesamt 347,60 EUR erstattungsfähig.
Hinsichtlich der beanspruchten Vertragsstrafe bestehe ein Anspruch der Klägerin lediglich in Höhe von 3.000,00 EUR. Es seien lediglich zwei Verletzungshandlungen festzustellen. Ausgehend von einer Vertragsstrafe von jeweils 1.500,00 EUR ergebe sich der zugesprochene Betrag von 3.000,00 EUR. Es handele sich bei den vier zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgestellten Upload-Vorgängen nicht um vier selbstständige Verletzungshandlungen. Die am 12. und 19.04.2014 zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten festgestellten Verstöße stellten jeweils nur eine Verletzungshandlung dar. Die Anzahl der Verletzungshandlungen könne bei einem öffentlich Zugänglichmachen eines geschützten Werkes über ein Filesharing-System, welches regelmäßig eine gewisse Zeit in Anspruch nehme, nicht davon abhängen, zu wie vielen Zeitpunkten dieser Verstoß festgestellt worden sei. Die Zuwiderhandlung bestehe jeweils in der öffentlich Zugänglichmachung von Dateien des Computerspiels über das Filesharing-Netzwerk. Dies geschehe in der Weise, dass die Daten des Spiels mit Hilfe eines Programms heruntergeladen und von diesem Programm sogleich im Internet öffentlich zugänglich gemacht werde. Da die Uploads automatisch vorgenommen würden, wenn eine Verbindung mit dem Internet bestehe, müsse dem Weiterverbreiten nicht notwendigerweise ein erneuter Entschluss des Nutzers zur öffentlichen Zugänglichmachung zugrunde liegen. Da den jeweils am selben Tag festgestellten Verstößen keine unterschiedlichen dynamischen IP-Adressen zugewiesen worden seien, habe der Beklagte die Verbindung nicht mehrfach hergestellt. Es handele sich vielmehr lediglich um zwei Verletzungshandlungen in Form eines Dauerdelikts. Der Verletzer begehe durch das Ingangsetzen des Filesharing Programms die tatbestandsmäßige Handlung des öffentlichen Zugänglichmachens eines Werks, die er über einen gewissen Zeitraum aufrecht erhalte oder fortdauern lasse. Die beiden Verstöße könnten nicht zu einer Handlungseinheit mit der Folge zusammengefasst werden, dass nur von einer einzigen Zuwiderhandlung gegen die Strafvereinbarung auszugehen sei. Zwar könnten im Zivilrecht und in der Zwangsvollstreckung mehrere fahrlässig begangene Verstöße zu einer natürlichen Handlungseinheit zusammengefasst werden, doch beruhten die Verstöße vom 12. und 19.04.2013 jeweils auf einem neuen Entschluss, den Filesharing-Vorgang in Gang zu setzen. Eine solche Zusammenfassung wäre auch nicht mit dem Wortlaut der Vertragsstrafenvereinbarung zu vereinbaren.
Die Höhe der Vertragsstrafe von 1.500,00 EUR je Verstoß sei angesichts der Bedeutung des verletzten Rechts nicht zu beanstanden. Die Vertragsstrafe müsse hoch genug sein, um die Funktion, dem Verletzen einen Ausgleich für den Schaden zu gewähren und den Verletzer von weiteren Verletzungshandlungen abzuhalten, erfüllen zu können.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin. Sie verfolgt ihre erstinstanzlich gestellten Anträge weiter. Der vom Landgericht angenommene Gegenstandswert zur Bemessung der zu erstattenden Abmahnkosten sei zu niedrig bestimmt. Das Landgericht habe die maßgeblichen Faktoren für die Festlegung des Gegenstandswertes nicht bzw. nicht hinreichend gewürdigt. Die vom Landgericht vorgenommenen Schätzungen basierten teilweise auf unzutreffenden tatsächlichen und rechtlichen Annahmen, einer fehlerhaften Tatsachenfeststellung und auf unzutreffenden Schlussfolgerungen. Bei der Streitwertfestsetzung von Unterlassungsansprüchen sei zunächst maßgeblich, dass von der Klägerin mit der Abmahnung verbundene wirtschaftliche Interesse zu berücksichtigen. Diesem komme eine starke indizielle Bedeutung zu. Anhaltspunkt für die Schätzung sei dabei zunächst der Wert, den der Gläubiger des Anspruchs in seiner außergerichtlichen Abmahnung selbst angegeben habe. Dies sei vorliegend der Betrag von 20.000,00 EUR. Maßgebliche Faktoren bei der Streitwertbemessung seien vor allem die Bedeutung des vom Verstoß betroffenen Unternehmens sowie, als Bewertung des Angriffsfaktors, die Art, Dauer und Gefährlichkeit des beanstandeten Verstoßes. Weitere Bedeutung hätten grundsätzlich auch der erzielbare Verletzergewinn und der Abschreckungsgedanke im Hinblick auf die Verhinderung künftiger Verstöße. Das Landgericht habe demgegenüber nicht hinreichend die Art der in Rede stehenden Verletzungshandlung und den Umstand berücksichtigt, dass es sich bei dem urheberrechtswidrig über den Internetanschluss des Beklagten zum Download bereitgehaltenen Werk um ein hochwertiges und hochpreisiges Computerspiel gehandelt habe. Die Klägerin habe für den Erhalt der ausschließlichen Nutzungs- und Vertriebsrechte des Computerspiels mehrere Millionen Euro investiert. Im Hinblick auf die aufgewandten Kosten sei das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsinteresse der Klägerin daran, dass die unberechtigte öffentliche Zugänglichmachung von Daten mit dem streitgegenständlichen Computerspiel über Filesharing-Netzwerke unterbleibe, bei genauer Betrachtung der Schäden, die über die unberechtigte Zugänglichmachung des Spiels über Filesharing-Netzwerke entstünden, letztlich nicht unter 100.000,00 EUR zu bemessen. Dementsprechend sei der in der Abmahnung angesetzte Gegenstandswert von 20.000,00 EUR angemessen.
Die Annahme des Landgerichts, die Rechtsverletzung sei „nicht zu gewerblichen Zwecken“ erfolgt, beruhe auf einer unzutreffenden, weil rechts- und verfahrensfehlerhaft getroffenen Feststellung, die weder im Kläger- noch im Beklagtenvortrag eine hinreichende Grundlage finde. Es gebe keine Vermutung und / oder Annahme auf Grundlage der Lebenswahrscheinlichkeit, dass eine Nutzung von Filesharing-Software grundsätzlich und / oder in erster Linie privaten Zwecken des jeweiligen Nutzers diene. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass zur Annahme einer Rechtsverletzung gewerblichen Ausmaßes im Bereich Filesharing eine Mindestanzahl von Abrufen bereitgehaltener Dateien nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts nicht erforderlich sei. Weiterhin habe das Landgericht unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei dem Beklagten um einen „Wiederholungstäter“ handele. Bereits in der Vergangenheit sei dieser wegen einer Filesharing-Urheberrechtsverletzung zum Computerspiel „[Name]“ abgemahnt worden, worauf er eine vertragsstrafenbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben habe. Der Angriffsfaktor erhöhe sich, wenn der Verletzer zu erkennen gebe, dass er sich trotz eines bestehenden Unterwerfungsvertrages nicht rechtstreu verhalten wolle.
Vor diesem Hintergrund sei es rechtsfehlerhaft, den Gegenstandswert für Unterlassungsansprüche anhand des drei- bis fünffachen des geltend gemachten oder voraussichtlich entstandenen, im Wege der Lizenzanalogie zu berechnenden Betrages zu bemessen. Entgegen der Annahme des Landgerichts handele es sich bei dem zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung seit ca. 16 Monaten auf dem Markt befindlichen Computerspiel noch um ein aktuelles Computerspiel. Anderenfalls wäre es nicht von Dritten über Filesharing-Netzwerke zum Download bereitgehalten worden. Zudem habe das Landgericht übersehen, dass auch bei Computerspielen eine Zweitverwertungsphase bestehe, in der das Spiel zu einem reduzierten Einzelhandelspreis von ca. 20 bis 30 Euro einer Käufergruppe angeboten werde, die nicht bereit gewesen sei, den Veröffentlichungsverkaufspreis zu zahlen. Infolgedessen bestehe auch ein Jahr nach der Veröffentlichung des Spiels noch ein erhebliches Interesse der Klägerin daran, sicherzustellen, dass auch künftig keine derartigen Verletzungen erfolgten. Der vom Landgericht in dem angegriffenen Urteil gewählte Ansatz zur Bemessung des Gegenstandswertes der Abmahnung sei auch ermessensfehlerhaft, da mit der Bezugnahme nur auf die Höhe eines geltend gemachten Schadensersatzanspruchs das in die Zukunft gerichtete Unterlassungsinteresse nicht hinreichend berücksichtigt werde. Auch sei nicht nachvollziehbar, wieso ein Schadensersatzanspruch wegen des Filesharings eines Musikalbums häufig mit bis zu ca. 2.000,00 EUR bemessen werde, bei einem Einzelhandelskaufpreis von ca. 10,00 EUR, während für Computerspiele mit dem fünffachen Verkaufspreis im Einzelhandel und einem Produktionsaufwand in Höhe von mehreren Millionen Euro lediglich 500,00 EUR als angemessen erachtet würden. Die Multiplikation eines derart bemessenen Schadensersatzanspruchs mit dem „drei- bis fünffachen“ zur Ermittlung des Unterlassungsstreitwerts könne nicht zu sachgerechten Ergebnissen führen.
Das Landgericht habe die Höhe der Vertragsstrafe rechtsfehlerhaft zu niedrig bemessen. Bei den festgestellten Verletzungshandlungen handele es sich jeweils um Einzelhandlungen, die die ausbedungene Vertragsstrafe auslösten. Es habe bereits unberücksichtigt gelassen, dass bei den Verstößen am 19.04.2013 zwei unterschiedliche Dateien Gegenstand der Verletzungshandlungen gewesen seien. Ausweislich der Tabelle mit den Verstoßzeitpunkten in der Klagschrift ergebe sich, dass zum einen die Datei „D[…].iso“ und zum anderen „D[…]-Ka- Os“ betroffen gewesen seien. Es lägen mithin zwei eindeutig abgrenzbare Verletzungshandlungen an diesem Tag vor. Die in dem angefochtenen Urteil dargelegte gegenteilige Annahme finde im Parteivorbringen keinen Anhaltspunkt.
Ungeachtet dessen handele es sich unabhängig von der unterschiedlichen Bezeichnung der Dateien nicht jeweils um ein Dauerdelikt. Jede Erfassung stelle für sich genommen eine eigene, in sich geschlossene und eindeutig abgrenzbare Verletzungshandlung dar. Die vom Landgericht in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs, wonach mehrere fahrlässig begangene Verstöße dann zusammengefasst werden könnten, wenn sie im Rahmen einer natürlichen Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erschienen, bezögen sich auf ein Vertragsstrafeversprechen im Zusammenhang mit einem Wettbewerbsverstoß. Bereits aus diesem Grunde bestünden Zweifel an der Übertragbarkeit der aufgestellten Grundsätze. Darüber hinaus bestünde auf Grundlage des Parteivorbringens keine Grundlage für die Annahme, dass es sich lediglich um fahrlässige Verstöße des Beklagten gehandelt habe. Denn mit Blick auf die am 12.04.2013 zu zwei Zeitpunkten und am 19.04.2013 erneut zum Download bereitgehaltene Datei mit dem Namen „D[…].iso“ handele es sich um eine andere Datei, als die in der ursprünglichen Abmahnung genannte Datei. Es habe mithin für die neuerliche Verletzungshandlung eines direkten Vorsatzes des Beklagten bedurft. Gleiches gelte für die am 19.04.2013 erneut zum Download bereitgehaltene weitere Datei mit dem Spiel „[Name]“.
Der Umstand, dass der Rechtsverletzer das Bereithalten zum Download durch die verwendete Filesharing Software „automatisch“ vornehme, er mithin die entsprechende Funktion der Software nicht bei jeder Benutzung aktiv erneut bestätigen müsse, führe nicht zu einer Privilegierung des Verletzers. Vielmehr müsse sich dieser Vorsatz, der als Indiz für die Gleichgültigkeit der wiederholten Verletzung der Rechte Dritter spreche, und gerade die Schadensgeneigtheit von Filesharing-Netzwerken manifestiere, sich erhöhend für die Vertragsstrafe auswirken. Zudem habe der Bundesgerichtshof in einer weiteren Entscheidung ausdrücklich festgestellt, dass die Frage, in welchem Umfang die Vertragsstrafen bei mehrfachen Verstößen gegen eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtung verwirkt seien, immer auf die Vertragsauslegung im Einzelfall hinauslaufe. Die vom Landgericht vorgenommene Würdigung, wonach jeweils am gleichen Tag festgestellte Verstöße Dauerdelikte seien, sei auch deshalb unzutreffend, weil sie die von den Parteien getroffene Vertragsstrafenvereinbarung rechtsfehlerhaft auslege und Art und Weise des Zustandekommens der Vereinbarung, deren Zweck und die Interessenlage nicht hinreichend berücksichtige. Das Landgericht hätte sich in seiner Entscheidung der Frage stellen müssen, wann nach dem gegenständlichen Unterlassungsvertrag eine Vertragsstrafe verwirkt sei und daraus folge, dass mehrere Verstöße zusammengefasst werden könnten. Im Hinblick auf die Formulierung des Unterlassungsvertrages könne dies nicht angenommen werden. Der Beklagte habe sich verpflichtet es zu unterlassen, Dateien mit dem Computerspiel „[Name]“ öffentlich zugänglich zu machen oder durch Dritte zugänglich machen zu lassen. Dies umfasse auch das Bereithalten der Datei zum Download durch Dritte. Hieraus ergebe sich eine Verpflichtung des Beklagten, die Dateien mit dem Spiel „[Name]“ zu löschen. Hierdurch hätte gerade vermieden werden können, dass es zu weiteren Verletzungshandlungen habe kommen können. Die Auslegung der gegenständlichen Klausel könne daher nur in der Weise vorgenommen werden, dass die Parteien eine Vertragsstrafe für jeden einzelnen Verstoß, also für jedes einzelne Anbieten, bzw. zugänglich machen vereinbart hätten. Der Wortlaut schließe eine Zusammenfassung mehrerer Verstöße zu einer einzigen Zuwiderhandlung nach den Grundsätzen der natürlichen Handlungseinheit oder auch einer Handlung im Rechtssinne aus. Im Übrigen sei die Art der Ermittlung zu berücksichtigen. Die Auffassung erfolge nämlich nur dann, wenn ein Spie! tatsächlich zum Download angeboten werde. Der Beklagte habe zu jeweils zwei unterschiedlichen Zeitpunkten an unterschiedlichen Tagen die Datei mit dem Spiel „[Name]“ Dritten zum Download angeboten.
Aber auch unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Landgerichts sei die angenommene Vertragsstrafe zu niedrig bemessen. Wenn die vier Verstöße zusammengezogen würden, so hätte die jeweils geforderte Vertragsstrafe auf dem doppelten Betrag basieren müssen. Für den Fall, dass es sich nämlich nicht um vier Einzelverstöße, sondern. nur um drei oder gar nur zwei Verstöße gehandelt hätte, hätte die Klägerin bei ihrer Ermessensausübung dies entsprechend berücksichtigt, um zu dem insgesamt als angemessen angesehenen Vertragsstrafenbetrag von 6.000,00 EUR zu gefangen.
Schließlich habe das Landgericht in seiner Würdigung außer Acht gelassen, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden gerade der gesamte Umfang der Rechtsverletzung gar nicht zutage trete. Nach der Lebenserfahrung sei anzunehmen, dass der Beklagte die Datei mit dem Spiel nicht nur am 12. und 19. 04.2013 zu den jeweiligen Zeitpunkten öffentlich zugänglich gemacht habe, sondern. durchgehend vom 12. bis zum 19.04.2013. Wenn aber mit der Auffassung des Landgerichts eine Vertragsstrafe in Fällen der streitgegenständlichen Art auch als zeitbezogene Dauerstrafe verwirkt sein könne, so müsse die Vertragsstrafe erheblich höher anzusetzen sein, weil die Gefährlichkeit und Schadensgeneigtheit einer derartigen Rechtsverletzung dann ungleich höher zu bewerten wäre.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten im Wege eines Versäumnisurteils unter Abänderung des am 05.02.2016 verkündeten Urteils des Landgerichts Flensburg – Az. 8 0 118/15 – zu verurteilen:
a) an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 984,60 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2013 zu zahlen;
b) an die Klägerin Vertragsstrafe in Höhe von 6.000,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2013 zu zahlen.Der Beklagte hat sich in der Berufungsinstanz nicht eingelassen.
II.
Die Berufung der Klägerin hat zum Teil Erfolg. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Abmahnkosten basierend auf einem höheren Streitwert erstattungsfähig, wobei dieser Streitwert unterhalb des von der Klägerin angesetzten Betrages zu beziffern ist. Auch die Vertragsstrafe ist nicht lediglich in Höhe von 3.000,00 EUR verwirkt. Der Anspruch beläuft sich auf den Betrag von 4.500,00 EUR.
1.
Die Klägerin kann die ausgehend von einem Gegenstandswert von 15.700,00 EUR berechneten Abmahnkosten in Höhe von 865,00 EUR beanspruchen.
a)
Die Klägerin hat einen Anspruch aus § 97a Abs. 3 UrhG n.F. auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten. § 97a UrhG ist in der ab dem 09.10.2013 geltenden Fassung anzuwenden. Die durch das Gesetz über unseriöse Geschäftspraktiken vom 01.10.2013 (BGBl. 1, Seite 3714, 3716) mit Wirkung ab dem 09.10.2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur Deckelung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und 3 UrhG n.F. gelten für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes über unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an (vergleiche zu § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG: BGH, Urteile vom 28.09.2011 – I ZR 145/12, ZUM 2012,34 Rn. 8 – Tigerkopf und vom 12.05.2016 – 1 ZR 43/15, Juris Rn. 13 m.w.N.). Die Abmahnung datiert vom 30.03.2015, so dass die geltende Fassung von § 97a UrhG anzuwenden ist.
b)
Nach § 97a Abs. 1 UrhG n.F. soll der Verletzte den Verletzer vor Einleitung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gelegenheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Vertragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Abmahnung berechtigt ist, kann gemäß Absatz 3 der Regelung der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden.
aa)
Danach besteht ein Anspruch auf Abmahnkosten, da die Abmahnung berechtigt war, ihr also ein materieller Unterlassungsanspruch zugrunde gelegen hat, und die Abmahnung die Voraussetzungen des § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG erfüllt (vgl. Reber in Beck’scher Online-Kommentar Urheberrecht, Ahlberg / Götting, Stand: 01.10.2016. § 97a Rn. 17).
(1.)
Die Voraussetzungen für eine wirksame Abmahnung sind gegeben. Der Klägerin hat zum Zeitpunkt der an den Beklagten gerichteten Abmahnung wegen der öffentlichen Zugänglichmachung des Computerspiels „[Name]“ einen auf Unterlassung gerichteten Anspruch gehabt (§ 97 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 19a, 69c Nr. 4 UrhG). Zweifel an dem Bestehen eines urheberrechtlichen Schutzes hinsichtlich des streitgegenständlichen Computerprogramms bestehen nicht. Mangels entgegenstehender berücksichtigungsfähiger Ausführungen des Beklagten ist davon auszugehen, dass Dateien mit dem Computerspiel „[Name]“ ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin ausschließlicher Verwertungsrechte zu den von der Klägerin vorgetragenen Zeiten über einen dem Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss im Wege des Filesharing Teilnehmern. einer Tauschbörse zum Herunterladen angeboten worden sind und hierdurch widerrechtlich in das der Klägerin zustehende Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eingegriffen worden ist. Auch wenn der Beklagte in einem Schreiben, welches am 21.01.2016 beim Landgericht Flensburg eingegangen ist, erklärt hat, dass sein damals 15-jähriger Sohn lediglich ein Spiel runtergeladen habe (GA 54) und damit die täterschaftliche Haftung des Beklagten materiellrechtlich in Zweifel zu ziehen seien könnte, ist dieser Vortrag – ungeachtet der Frage, ob er hinreichend substantiiert ist – unbeachtlich, da nicht von einem Rechtsanwalt gehalten.
(2.)
Die formalen Anforderungen des § 97a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 4 UrhG sind erfüllt. Die Firma der Abmahnenden ist von den für sie handelnden Rechtsanwälten angegeben worden. Auch die dem Beklagten vorgehaltenen Rechtsverletzung ist hinreichend genau bezeichnet. Der geltend gemachte Aufwendungsersatzanspruch ist konkret beschrieben und es ist ebenfalls ersichtlich, inwieweit die vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung über die eigentliche Rechtsverletzung hinausgeht.
bb)
Für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren vorliegend nicht auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassung- und Beseitigungsanspruch von 1.000,00 EUR gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 UrhG. Nach dieser Regelung gilt die Gebührenbegrenzung bereits dann nicht, wenn der Abgemahnte bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag zur Unterlassung verpflichtet ist. Dies ist vorliegend der Fall. Auf die Abmahnung vom 03.01.2013 (Anlage K1, Anlagenband) hat der Beklagte am 15.01.2013 eine Unterlassung-und Verpflichtungserklärung abgegeben (Anlage K2, Anlagenband), in der sich der Beklagte u.a. verpflichtet, das Computerspiel „[Name]“ nicht ganz oder teilweise ohne Einwilligung der Unterlassungsgläubigerin in P2P-Netzwerken zum Herunterladen bereit zu halten oder dies Dritten über den eigenen Internetanschluss zu ermöglichen.
Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen der Verletzung eines Schutzrechts ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen (BGH, Urteil vom 12.05.2016, a.a.O. Rn. 20). Zutreffend ist das Landgericht davon ausgegangen, dass der Gegenstandswert der Abmahnung dem Wert des mit der Abmahnung geltend gemachten Unterlassungsanspruchs zuzüglich eines angemessenen Werts für den mit der ab Mahnung zusätzlich verfolgten Anspruch auf Schadensfeststellung und Auskunft entspricht.
Der Wert des Unterlassungsanspruchs bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschaliert und unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bewerten (BGH, Urteil vom 24.01.2013 – ZR 174111, GRUR 2013, 1067, 1068 Rn.. 12 – Beschwer des Unterlassungsschuldners) und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts bestimmt (BGH, Beschluss vom 26.04.1990 – I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 – Streitwertbemessung; Urteil vom 12.07.2012 – I ZR 54/11, GRUR 2013, 301, 305 Rn.. 56 – Solarinitiative). Anhaltspunkt für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsanspruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechtsverletzung (sogenannter Angriffsfaktor; BGH, Urteil vom 12.05.2016, a.a.O. Rn.. 24 m.w.N.; Senatsbeschluss vom 13.06.2016 – Az. 6 W 6/16). Der Angriffsfaktor wird insbesondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch begründete Gefahr der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers wie den Veeschuldensgrad bestimmt. Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des Anspruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechtsverletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verletzungshandlung kommt bei der Wertbemessung indizielle Wirkung zu. Allerdings kann auch anderen von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren – etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen – Rechnung zu tragen sein (siehe hierzu BGH, Urteil vom 12.05.2016, a.a.O. Rn. 25).
Entgegen der Auffassung des Landgerichts kann der Gegenstandswert vorliegend nicht auf der Grundlage einer mehrfachen der für die bereits geschehene Nutzung anzusetzenden fiktiven Lizenzgebühr bestimmt werden. Der Wert des Verletztenschutzrechts und dessen drohende Beeinträchtigung durch künftige Verletzungen wird nicht allein durch die für eine konkrete Nutzungshandlung zu erzielende fiktiven Lizenzeinnahme, sondern auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehende Auswertungsmöglichkeit bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsverletzungen beeinträchtigt zu werden droht. Bei der Bewertung des Interesses des Rechtsinhabers an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss nicht nur dem Interesse an der Verhinderung fortgesetzter und lizenzierter Nutzungen Rechnung tragen, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsverletzung innewohnende Gefährdungspotenzial für das Schutzrecht und seine wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen (BGH, Urteil vom 11.06.2015 – 1 ZR 19/14, GRUR 2016, 176, 184 Rn. 80 – Tauschbörse I). Die Bereitstellung eines Werks über eine Tauschbörse im Internet eröffnet einer unbegrenzten Vielzahl von Tauschbörsenteilnehmern. die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen und anschließend anderen Nutzern. zum Herunterladen zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte stellt die kommerzielle Auswertung des Werks insgesamt infrage. Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsinhabers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den Hintergrund. Das Gefährdungspotenzial, welches dem Bereitstellen eines Werkes in einer Internettauschbörse innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitverhältnis zu bestimmen. Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs lassen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung entnehmen. Insbesondere die Dauer und die Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen bereitgestellt Werke können zu berücksichtigen sein. Darüber hinaus sind feststellbare subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen.
Der Bundesgerichtshof hat als Orientierungspunkt für die Bestimmung des Gegenstandswertes eines Unterlassungsanspruchs bezüglich eines Computerspiels den Betrag von 15.000,00 EUR angegeben, wobei er zu Grunde gelegt hat, dass es sich hierbei um ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel, welches nicht allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht wurde, handelt. Der Senat hat in dem bereits zitierten Beschluss vom 13.06.2016 den Unterlassungsanspruch hinsichtlich des streitgegenständlichen Computerspiels mit 15.000,00 EUR bewertet. Allerdings betraf das seinerzeitige Unterlassungsbegehren eine Verletzungshandlung aus dem Oktober 2012, nachdem das streitgegenständliche Computerspiel im September 2011 auf den Markt gebracht worden war. Die streitgegenständlichen Vorwürfe datieren aus dem April 2013. Zu diesem Zeitpunkt befand sich das streitgegenständliche Computerspiel mithin bereits ein Jahr und 5 Monate auf, dem Markt. Die Klägerin hat in der Berufungsbegründung dargelegt, dass das Computerspiel zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung noch als aktuelles Computerspiel einzuordnen gewesen sei, welches sich immer noch erheblicher Beliebtheit erfreut habe. Allerdings ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht eindeutig, ob zu dem Zeitpunkt der Verletzungshandlungen bereits die sogenannte Zweitverwertungsphase begonnen hatte, mithin das Computerspiel lediglich noch zu einem reduzierten Einzelhandelspreis angeboten wurde. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Verletzungshandlung vorsätzlich erfolgte und es nach der bereits erfolgten Abmahnung und Abgabe der Unterlassungserklärung erneut zu der Verletzung der Rechtsposition der Klägerin gekommen ist, hält es der Senat vorliegend für vertretbar trotz des gestiegenen Alters des Computerspiels lediglich eine geringfügige Reduzierung des Gegenstandswert des mit Beschluss vom 13.06.2016 auf 15.000,00 EUR festgesetzten Wertes vorzunehmen. Angemessen erscheint ein Wert von noch 12.500,00 EUR.
Der Gegenstandswert des mit der Abmahnung verfolgten Anspruchs auf Schadensfeststellung ist in Übereinstimmung mit dem Landgericht auf 1/5 des Wertes des Unterlassungsanspruchs festzusetzen. Dies entspricht einem Gegenstandswert von 2.500 EUR. Der Auskunftsanspruch ist mit dem Wert von 200 vom Landgericht angemessen bewertet worden.
c)
Unter Zugrundelegung eines angemessenen Gegenstandswertes von 15.200,00 EUR ergeben sich angemessene Abmahnkosten aufgrund folgender Berechnung:
1,3 Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG 845,00 EUR
Auslagen, Nr. 7001 W RVG 20,00 EUR
865,00 €
d)
Den vom Landgericht angenommenen Zinsbeginn hat die Klägerin nicht ausdrücklich angegriffen. Es bestehen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für den von der Klägerin in ihrem Antrag angegebenen Zinsbeginn. Vielmehr konnte der Erstattungsanspruch frühestens mit Versand der streitgegenständlichen Abmahnung im Jahr 2015 entstanden sein (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 7/14, GRUR 2016, 184, 190 Rn. 71 – Tauschbörse II), so dass für einen Zinsbeginn im Jahr 2013 kein Raum ist. Mangels anderweitiger Anknüpfungspunkte kann die Klägerin lediglich Zinsen ab Rechtshängigkeit der Klage beanspruchen.
2.
Der Beklagte schuldet aus dem Unterlassungsvertrag vom 15.01.2013 wegen der rechtswidrigen und schuldhaften Verletzung des ausschließlichen Nutzungsrechts der Klägerin durch das öffentliche Zugänglichmachen des Computerspiels „[Name]“ über ein Filesharing Netzwerk die Zahlung einer Vertragsstrafe. Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bemisst sich die Vertragsstrafe vorliegend allerdings nicht auf lediglich 3.000,00 EUR. Die Vertragsstrafe ist in Höhe von 4.500,00 EUR verwirkt.
a)
Im Falle mehrerer Verstöße gegen eine Unterlassungspflicht ist vorrangig zu prüfen, ob diese deshalb nur eine Zuwiderhandlung darstellen, weil sie als natürliche Handlungseinheit anzusehen sein könnten (Grosch / Ebersohl / Herrmann / Federsen / Schwippert in: Teplitzky / Peifer / Leistner, UWG, 2. Aufl. 2015, § 12 B. Abmahnung und Unterwerfung Rn. 193). Der Begriff der natürlichen Handlungseinheit bezeichnet eine Mehrheit von Verhaltensweisen, die ,von einem einheitlichen Willen getragen werden und aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs derart eng miteinander verbunden sind, dass das gesamte Tätigwerden äußerlich für einen Dritten bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehöriges Tun erscheint“ (BGH, Urteil vom 18.12.1984 -1 StR 596/84, NJW 1985, 1565). Dieser Rechtsbegriff wurde bereits auf das Wettbewerbsrecht übertragen und gilt auch nach der Abkehr vom strafrechtlich geprägten Begriff des Fortsetzungszusammenhangs fort (BGH, Urteile vom 20.09.1960 -1 ZR 770/59, BGHZ 33, 163, 168 – Krankenwagen Hund vom 17.07.2008 – I ZR 168/05, GRUR 2009, 181, 183 Rn. 38 – Kinderwärmekissen). Maßgebend ist jedoch stets die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Im Falle eines zulässigen individualvertraglichen Ausschlusses einer natürlichen Handlungseinheit kommt daher eine Zusammenfassung nicht in Betracht. Mangels ausdrücklicher vertraglicher Regelung ist der Unterlassungsvertrag nach den allgemeinen für die Vertragsauslegung geltenden Grundsätzen auszufegen (BGH, Urteil vom 25.01.2001 – I ZR 323/98, BGHZ 146, 318, 322 – Trainingsvertrag). Wenn – wie im konkreten Fall – kein eindeutiger Vertragswille ermittelt werden kann und der Wortlaut auslegungsbedürftig ist, kommt es in erster Linie auf den objektiv erkennbaren Erklärungsinhalt des Unterlassungsversprechens an (vgl. Urteile vom 20.09.1960, a.a.O., 164 f – Krankenwagen Hund vom 10.12.1992 -1 ZR 186/90, BGHZ 121, 13, 17 – Fortsetzungszusammenhang). Daneben ist zu berücksichtigen, dass sich die Vereinbarung einer Vertragsstrafe auf mögliche zukünftige Sachverhalte bezieht, deren nähere Umstände naturgemäß kaum vorhersehbar sind. Dies hat zur Folge, dass die Auslegung eines Unterlassungsversprechens im Einzelfall auch Elemente einer ergänzenden Vertragsauslegung beinhalten kann (BGH, Urteile vom 20.09.1960, a.a.O. – Krankenwagen II und vom 25.012001, a.a.O. – Trainingsvertrag).
b)
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die dem Beklagten zur Last gelegten Verletzungshandlungen am 12.04.2013 als einheitliche Handlung zu bewerten. Die Taten liegen lediglich 8 Minuten auseinander. Das Zurverfügungstellen der identischen Dateien in dem File-Sharing-Netzwerk stellt im Hinblick auf die unmittelbare zeitliche Nähe ein einheitliches zusammengehöriges Tun dar. Diese zeitliche Nähe lässt vorliegend auch einen hinreichenden Rückschluss auf einen einheitlichen Willen hinsichtlich dieser Verletzungshandlungen zu. Die Verletzungshandlungen vom 19.04.2013 sind entgegen der Annahme des Landgerichts demgegenüber nicht als eine einheitliche Verletzungshandlung zu qualifizieren. Die Verletzungshandlungen beziehen sich auf unterschiedliche Dateien, die jeweils das gleiche Spiel enthalten. Vor diesem Hintergrund ist die Annahme einer einheitlichen Handlung nicht gerechtfertigt. Die vom Landgericht bestätigte Vertragsstrafenhöhe von 1.500,00 EUR je Verletzungshandlung ist nicht zu beanstanden. Eine Erhöhung hinsichtlich der als einheitliche Handlung bewerteten zwei Tatvorwürfe vom 12.04.2013 ist nicht angezeigt. Im Hinblick auf die zeitliche Nähe der beiden Vorgänge ist nicht ersichtlich, dass eine höhere Strafe verwirkt sein könnte.
c)
Ein von der Entscheidung des Landgerichts abweichender Zinsbeginn ist auch hinsichtlich der Vertragsstrafe nicht festzustellen.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 97 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 2, 10, 713 ZPO. Der Wert des Berufungsverfahrens bestimmt sich nach der Höhe der weiterverfolgten Forderung der Klägerin (6.984,60 EUR – 3.347,60 EUR = 3.637,00 EUR).
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung steht dem Beklagten der Einspruch zu. Der Einspruch kann binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht
Gottorfstraße 2
24837 Schleswigeingelegt werden,
Die Frist beginnt mit der Zustellung des Urteils.
Der Einspruch muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden.
Die Einspruchsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das der Einspruch gerichtet wird, und die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Einspruch eingelegt werde. Soll das Urteil nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.
In der Einspruchsschrift, jedenfalls aber innerhalb der Einspruchsfrist, hat die Partei ihre Angriffs- und Verteidigungsmitte! (z.B. Einreden und Einwendungen gegen den gegnerischen Anspruch, Beweisangebote und Beweiseinreden) mitzuteilen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es äußerst wichtig ist, die Angriffs- und Verteidigungsmittel innerhalb der Einspruchsfrist vorzubringen. Wird die Frist versäumt, besteht die Gefahr, dass der Partei jegliche Verteidigung abgeschnitten und in dem Prozess nur auf Grundlage des gegnerischen Sachvortrags entschieden wird. Ein verspätetes Vorbringen wird vom Gericht nur zugelassen, wenn sich dadurch der Rechtsstreit nicht verzögert oder wenn die Partei die Verspätung genügend entschuldigt. Verspätete verzichtbare Rügen, die die Zulässigkeit der Klage betreffen, können nur bei genügender Entschuldigung der Verspätung zugelassen werden.
Der Prozess kann also allein wegen der Versäumung der Frist zur Mitteilung der Angriffs- und Verteidigungsmittel verloren werden.
Erscheint die Frist für die Mitteilung von Angriffs- und Verteidigungsmitteln (nicht für den Einspruch selbst) als zu kurz, kann vor ihrem Ablauf eine Verlängerung beantragt werden. Die Frist kann nur verlängert werden, wenn dadurch der Rechtsstreit nicht verzögert wird oder wenn erhebliche Gründe dargelegt werden.
Dr. [Name],
Richter am Oberlandesgericht (…)
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OLG Schleswig, Teilversäumnis- und Schluss-Urteil vom 25.01.2017, Az. 6 U 9/16
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