Rechtsanwälte Knies und Albrecht (München): Bundesgerichtshof – I ZR 154/15 – Grundsatzentscheidung zur Reichweite der sekundären Darlegungslast

00:11 Uhr

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies

 

Rechtsanwälte Knies und Albrecht

Widenmayerstraße 34 | 80538 München
Tel.: 089 – 47 24 33 | Fax.: 089 – 470 18 11
Email: bernhard.knies@new-media-law.net | Web: https://www.new-media-law.net/

Bericht

Link:
https://www.new-media-law.net/bgh-i-zr-154-15-sekundaere-darlegungslast/

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Wichtiger Grundsatzsieg vor dem BGH in Sachen sekundärer Darlegungslast:

 

Der Bundesgerichtshof hat am 06. Oktober über einen weiteren Filesharing Fall verhandelt, wobei diesmal die wichtige und bisher äußerst unklare Frage zu entscheiden war, was ein Anschlussinhaber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast vorzutragen hat um sich erfolgreich gegen eine Klage wegen Filesharings verteidigen zu können. Die hier relevanten Rechtsbegriffe der sekundären Darlegungslast und der tatsächlichen Vermutung (lesen Sie hierzu unseren Aufsatz) waren in den letzten Jahren von den örtlichen Gerichten immer wieder sehr unterschiedlich ausgelegt worden, wobei das Landgericht München stellvertretend für die abmahnerfreundliche restriktive Rechtsprechung steht und das LG Braunschweig, das dem BGH diesen Fall vorgelegt hat, für die Gerichte, die einen großzügigen Maßstab zu Gunsten der Abgemahnten gelten lassen. Mit seiner Entscheidung vom 6.10.2016 hat der BGH der strikten Line etwa des LG München erfreulicherweise eine klare Abfuhr erteilt:

 

Vorinstanzen:

Amtsgericht Braunschweig Urteil vom 27.08.2014 (Az.: 117 C 1049/14)
Landgericht Braunschweig Urteil vom 01.07.2015 (Az.: 9 S 433/14)

 

I. Sachverhalt:

Ausgangspunkt war diesmal eine Klage der von der Kanzlei Waldorf Frommer vertretenen Constantin Film, die die Verletzung ihrer Rechte in einer Tauschbörse durch den von Waldorf abgemahnten Beklagten geltend machte. Diesem war vorgeworfen worden, er habe den 3D Film „Resident Evil“ über seinen häuslichen Anschluss in einer illegalen Tauschbörse angeboten. Der Abgemahnte hatte zwar auf die Abmahnung von Waldorf hin eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben, die von Waldorf geltend gemachten Anwaltskosten und den Schadensersatz aber nicht bezahlt.

Vor Gericht verteidigte sich der Anschlussinhaber damit, dass er nachweislich nicht zuhause gewesen sei während des streitigen Downloads, sondern in der seiner Arbeitsstelle war, während hingegen seine Frau zuhause Zugriff auf sein Internet gehabt habe. Zudem verwies er auf eine denkbare Sicherheitslücke in seinen Router.

Zudem verwies er darauf, dass in seiner Wohnung einen Telekom Router des Modells „Speedport W 504V“ verwendet habe, der mit individuel­lem Passwort und der Verschlüsselungstechnik „WPA2“ gesichert gewesen sei. Im Jahr 2012 sei öffentlich bekannt geworden, dass dieses Gerät eine gravierende Sicherheitslücke aufwies, über die bei aktivierter WPS-Funktion unbefugte Dritte einfach Zugriff auf seinen Anschluss hätten nehmen können. Der Beklagte trug weiter vor, er gehe davon aus, dass bei seinem Router die WPS-­Funktion aktiviert gewesen sei. Zumindest habe er eine automatische und keine individuelle Konfigura­tion gewählt. Er wohne in einem Mehrfamilienhaus und sei von Beruf Fernfahrer. Von Montag bis Freitag, manchmal auch am Wochenende, halte er sich berufsbedingt nicht in seiner Wohnung auf.

Das Amtsgericht Braunschweig hatte die auf Schadensersatz und Ersatz der Abmahnkosten gerichtete Klage mit Urteil vom 27.08.2014 (Az. 117 C 1049/14) abgewiesen und dabei insbesondere auf die vom Beklagten geltend gemachte Sicherheitslücke des Routers verwiesen. Auch das Landgericht Braunschweig Urteil vom 01.07.2015 (Az. 9 S 433/14) kam zum selben Ergebnis, allerdings mit einer anderen Begründung.

Es stellte zunächst unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BGH BearShare (I ZR 169/12) fest, dass die gegen den Anschlussinhaber sprechende tatsächliche Vermutung wie hier dann erschüttert sei, wenn er geltend machen kann, dass andere Personen wie seine Ehefrau Zugriff auf sein Internet hatten.

Im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast, so das Landgericht, habe der Beklagte lediglich vorzutragen, wer außer ihm selber Zugriff auf sein Netzwerk habe, und als Täter in Betracht kommen. Zu beweisen habe er dies nicht. Im Rahmen seiner Nachforschungspflicht müsse er insbesondere keinen Täter benennen, es sei ihm auch nicht zuzumuten, etwa die Rechner der Tatverdächtigen zu untersuchen.

„Vielmehr ist es nach Auffassung der Kammer im Rahmen der Nachforschungspflicht und Darlegungslast zumindest zu fordern, dass der jeweilige Beklagte die Familienmitglieder, die den Anschluss im Zeitpunkt der behaupteten Rechtsverletzung regelmäßig mitbenutzt haben, ermittelt und namentlich benennt. Der vom BGH postulierten Nachforschungspflicht genügt der Beklagte insoweit dadurch, dass er – soweit ihm dies nicht ohnehin bekannt ist – sämtliche Familienangehörigen ermittelt, die den Anschluss mitbenutzt haben und diese namentlich benennt. Auch etwaige Zugriffsmöglichkeiten durch unbefugte Dritte muss der Beklagte zumindest konkret darlegen, insbesondere unter Angabe der genutzten Hardware und der Art und Weise der zur Tatbegehung genutzten Verschlüsselung des WLAN’s bzw. des Routers. Jedenfalls überspannt wäre es nach Auffassung der Kammer jedoch, vom Beklagten zu verlangen, dass er den Täter der Rechtsverletzung ermittelt und diesen namentlich benennt. Es sind auch weder die Computer auf Filesharing-Software zu untersuchen noch ist ein konkreter Vortrag zu den An- bzw. Abwesenheitszeiten des Anschlussinhabers und der benannten Mitbenutzer im genauen Zeitpunkt der Rechtsverletzung erforderlich. Letzteres folgt bereits aus dem Umstand, dass die Nutzung einer Filesharing-Software keine Anwesenheit am Computer voraussetzt.“ (LG Braunschweig, a.a.O.)

Diese Auslegung der Vorgaben des BGH zur sekundären Darlegungslast eines Anschlussinhabers des LG Braunschweig steht quasi diametral entgegen die Rechtsprechung des Landgericht Münchens, das hier immer eine Untersuchung der Rechner der Zugriffsberechtigten fordert und sich auch nie damit zufrieden gibt, wenn nur die Zugriffsberechtigten benannt werden.

 

II. Die Entscheidung des BGH:

Der BGH hat die Revision klar als unbegründet zurückgewiesen. In der mündlichen Urteilsbegründung hat der BGH klargestellt, dass ein Anschlussinhaber im Rahmen seiner zumutbaren Nachforschungspflicht eben gerade nicht dazu verpflichtet werden kann, Computer seiner Familienangehörigen zu untersuchen, so wie dies etwa das Landgericht München immer wieder postuliert hatte. Er sei, so der BGH, auch nicht verpflichtet den Täter preiszugeben, sondern ein Beklagter genüge seiner sekundären Darlegungslast bereits dadurch  dass  er die Zugriffsberechtigten benennt, die aus seiner Sicht als Täter in Betracht kommen. Das muss auf Seiten der Beklagten als entscheidender grundsätzlicher Erfolg bewertet werden.

Ausführungen machte der BGH auch zur Beweislast und der Zeugenaussage der Frau des Beklagten, denn diese hatte im Prozess erstinstanzlich eine unklare Zeugenaussage gemacht. Die von Waldorfs Mandanten geführte Revision wollte dies zu Lasten des Beklagten gewertet wissen. Der BGH erteilt auch diesem Ansinnen eine Abfuhr. Der BGH führt hierzu aus, unklare Aussagen von Zeugen gingen zu Lasten der Klägerin, da diese ja auch die Beweislast trage. Damit ist auch diese lange streitige Grundsatzfrage nunmehr klar zu Gunsten der abgemahnten Beklagten entschieden. Die Urteilsgründe liegen noch nicht vor und werden wohl auch wieder eine Weile auf sich warten lassen. Auch eine Pressemitteilung gibt es diesmal nicht, obwohl der Fall aus hiesiger Sicht erhebliche Bedeutung hat.

Die Entscheidung liegt auf einer Linie mit einer gerichtlichen Einschätzung des LG Stuttgart 17. Zivilkammer in einem Berufungsverfahren, das am selben Tag von unserer Kanzlei gegen die Kanzlei Rasch in Stuttgart geführt wurde. Auch hier hatten die Kinder des Anschlussinhabers die Täterschaft wenn auch mit unklaren Zeugenaussagen vor dem Amtsgericht Bad Urach bestritten. Das Amtsgericht  Bad Urach hatte die Klage von Raschs Mandant daraufhin abgewiesen mit Urteil vom 10.3.2016 (Az. 2 C 193/15). In der Berufungsverhandlung war die 17. Zivilkammer des LG Stuttgart hier im Einklang mit der Entscheidung des BGH der Auffassung, dass Unklarheiten bei den Zeugenaussagen zu Lasten der beweisbelasteten Klägerin gingen und hat der Klägerin zur Rücknahme der Berufung geraten (was bisher noch nicht geschehen ist).

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~