JurPC: AG Saarbrücken, Urteil vom 07.12.2016, Az. 121 C 339/16 (09) – Zur Darlegungs- und Beweislast beim Filesharing – NIMROD RECHTSANWÄLTE Bockslaff Strahmann GbR verlieren

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AG Saarbrücken, Urteil vom 07.12.2016, Az. 121 C 339/16 (09)

 

(…) – Ausfertigung –

121 C 339/16 (09)

verkündet am. 07.12.2016
Dr. [Name], Richter am Amtsgericht

Amtsgericht Saarbrücken

 

Urteil

 

Im Namen des Volkes

In dem Rechtsstreit

[Name],
Klägerin

Prozessbevollmächtigte: [Name],

gegen

[Name],
Beklagter

Prozessbevollmächtigte: [Name],

hat das Amtsgericht Saarbrücken durch den Richter am Amtsgericht Dr. [Name] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 16.11.2016

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerseite.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerseite kann die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 120 Prozent des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagtenseite leistete zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

 

Tatbestand

 

1.

Die Parteien streiten um Kostenerstattung und Schadensersatz aus einer Urheberrechtsverletzung.

Die Klägerin ist Herausgeberin und Vertreiberin von Unterhaltungsmedien mit Sitz in [Name]. Sie firmierte unter „[Name] & [Name] GmbH“. Sie hat den Titel „[Name]“ veröffentlich. Das Computerspiel wurde von der tschechischen Firma [Name] entwickelt und einschließlich der Onlinerechte für den deutschsprachigen Raum in exklusiver Form an die Klägerin lizenziert.

Die Klägerin mahnte die Beklagtenpartei mit anwaltlichem Schreiben wegen unberechtigter Nutzung des Computerspiels im Wege des BitTorrent Filesharing ab, forderte die Beklagtenpartei zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungsverpflichtung auf sowie zur Leistung von Schadensersatz und zur Erstattung der ihr entstandenen Anwaltskosten. Wobei ihr ein vermindertes Vergleichsangebot auf Zahlung von insgesamt 850,00 EUR zur Abgeltung aller geldwerten Ansprüche angeboten wurde.

Die Prozessbevollmächtigten des Beklagten gaben eine entsprechende Unterlassungserklärung ab.

Die Klägerin macht folgende Gebühren geltend: 1.157,00 EUR aus einem Gegenstandswert von 30.000,00 EUR berechnet nach einer 1,5 Geschäftsgebühr nach VV RVG Nummer 2300 zzgl. einer Pauschale für Post und Telekommunikation, insgesamt 1.157,00 EUR.

2.

Die Klägerin behauptet, über die Internetadresse des Beklagten sei das gegenständliche Spiel im Rahmen einer BitTorrent Börse zu den Zeitpunkten 18.11.2012, 07:11 Uhr, 06:00 Uhr , 09.42 Uhr, 19:30 Uhr und 19.11.2012, 00.36 Uhr zum Download angeboten worden. Der Beklagte sei der Täter dieser Urheberrechtsverletzung. Die Firma [Name] UG habe die oben ersichtlichen Daten protokolliert, daraus seien die genauen Zeiten und der Gegenstand der Vertragsverletzung sowie die IP-Adresse, von der die Verletzung ausgegangen sei, erkennbar. Das Landgericht Köln habe dem Internetprovider der Beklagtenpartei die Sicherung und Auskunft der Verkehrsdaten zur Erfüllung des Auskunftsanspruchs der Klägerin gemäß § 101 Abs. 9 Urheberrechtsgesetz aufgegeben. Der Internetprovider Deutsche Telekom AG habe nach Erlass der Gestattungsanordnung die vorstehenden Datensätze dem Internetanschluss der Beklagtenpartei zugeordnet.

Weiter hält sie eine fiktive Lizenzgebühr für die weltweiten und zeitlich unbeschränkten Onlinenutzungsrechte in Höhe von wenigstens 510,00 EUR für angemessen. Das Spiel sei mit über 750.000 verkauften Einheiten und einer über ein Jahr dauernden Platzierung in den Top 100 der Computerspielecharts äußert erfolgreich gewesen.

Die Klägerin beantragt,
1. den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin von Anwaltskosten in Höhe von 1.099,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit freizustellen.
2. Die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen angemessen Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der den Betrag von 510,00 EUR zzgl. Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit indes nicht unterschreiten sollte.
3. Festzustellen, dass der mit Antrag zu 2 gelten gemachte Schadensersatzanspruch aus einer vorsätzliche begangenen, unerlaubten Handlung resultiert.

3.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte behauptet, er lebe in Hausgemeinschaft mit seiner Ehefrau sowie mit seiner Tochter und deren Ehemann, dem Zeugen [Name]. Ca. 3 Wochen nach Erhalt der Abmahnung habe der Beklagte den Internetzugang für seine Tochter und den Schwiegersohn gesperrt und habe diese angewiesen, sich einen eigenen Internetanschluss zu besorgen, was dann auch geschehen sei. Er habe sowohl seine Tochter, als auch den Zeugen [Name] ebenso wie seine Ehefrau [Name] befragt. Keiner habe die Täterschaft eingeräumt. Auch habe er seine eigenen Rechner hinreichend untersucht. Eine BitTorrent Software oder Schadprogramme habe er dabei nicht festgestellt. Er sei sachkundig, nachdem er zehn Jahre lang Mitinhaber einer Computergeschäfts gewesen sei. Seine Software kaufe er typischerweise.

4.

Das Gericht hat mündlich verhandelt, den Beklagten informatorisch angehört, die Zeugen [Name], [Name] und [Name] vernommen. Auf die gewechselten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

Die Klage ist zulässig aber unbegründet.

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Schadenersatz aus Urheberrecht.

Die klagende Partei konnte der beklagten Partei nicht die Täterschaft einer Urheberrechtsverletzung nach § 97 Abs. 2 UrhG in dem Sinne nachweisen, dass sie vorsätzlich oder fahrlässig das dem Urheberrecht verwandte Schutzrecht für Filmhersteller dadurch verletzt hat, dass sie dem ausschließlichen Recht der klagenden Partei auf öffentliche Zugänglichmachung nach § 19a UrhG zuwider gehandelt hat. Die klagende Partei konnte nicht nachweisen, dass die beklagte Partei das Werk drahtgebunden oder drahtlos der Öffentlichkeit in einer Weise zugänglich gemacht hätte, dass es Mitgliedern der Öffentlichkeit von Orten und zu Zeiten ihrer Wahl zugänglich war.

aa)

Nach der Auffassung des Bundesgerichtshofs, der sich das erkennende Gericht anschließt, tragen die Rechteinhaber „nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der geltend gemachten Ansprüche auf Schadensersatz und Erstattung von Abmahnkosten erfüllt sind. Danach ist es grundsätzlich ihre Sache, darzulegen und nachzuweisen, dass der Beklagte zu 1 Täter oder Teilnehmer der von ihnen behaupteten Urheberechtsverletzung ist.“ (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 -, juris – „Morpheus“, Rn. 32).

bb)

Ihrer Darlegungslast ist die klagende Partei zwar nachgekommen, nachdem sie vortrug, die Rechtsverletzung sei über den Anschluss des Beklagten erfolgt. Mehr kann ein Rechteinhaber typischerweise im ersten Schritt nicht vortragen, denn ihm ist der Blick in die familiären und Wohnverhältnisse eines Anschlussinhabers verwehrt.

cc)

Aus dem Sachvortrag des Beklagten folgt kein Geständnis im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO.

Zwar nimmt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung an, dass den in Anspruch genommenen Inhaber eines DSL-Anschlusses eine sekundäre Darlegungslast trifft, wenn – nach den üblichen prozessual Regeln des Zivilprozesses – feststeht, dass eine Rechtsverletzung über seinen Anschluss erfolgte:

„16 cc) Den Beklagten trifft als Inhaber des Internetanschlusses allerdings eine sekundäre Darlegungslast (vgl. BGHZ 185, 330 Rn. 12 – „Sommer unseres Lebens“); dieser hat er jedoch entsprochen.

17 (1) Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei trifft in der Regel eine sekundäre Darlegungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachverhaltsaufklärung hat, während dem Prozessgegner nähere Angaben dazu ohne weiteres möglich und zumutbar sind (vgl. BGH, Urteil vom 19. Oktober 2011 – 1 ZR 140/10, GRUR 2012, 602 Rn. 23 = WRP 2012, 721 – Vorschaubilder 11, m.w.N.). Diese Voraussetzung ist im Verhältnis zwischen den primär darlegungsbelasteten Klägerinnen und dem Beklagten als Anschlussinhaber im Blick auf die Nutzung seines Internetanschlusses erfüllt.

18 (2) Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (vgl. OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; Beschluss vom 04.11.2013 , Az. 22 W 60/13, juris Rn. 7; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 246; LG Köln, ZUM 2013, 67, 68; LG München 1, MMR 2013, 396). In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (vgl. zur Recherchepflicht beim Verlust oder einer Beschädigung von Transportgut BGH, Urteil vom 11.04.2013 – I ZR 61/12, „TranspR“ 2013, 437 Rn. 31; insoweit aA OLG Hamm, MMR 2012, 40 f.; OLG Köln, GRUR-RR 2012, 329, 330; LG München 1, MMR 2013, 396).“ (BGH, GRUR 2013, 511Rn. 33 f. – „Morpheus“).“

(BGH, Urteil vom 08.012014 – I ZR 169/12 juris – „BearShare“, Rn. 16-18)

Der in Anspruch Genommene genügt also seinen Pflichten nur, wenn er (1) die zugangsberechtigten Personen benennt, die (2) als Täter in Betracht kommen, und (3) die Nachforschungen wie im Transportrecht anstellt. Dabei sind die Einzelheiten rechtlich umstritten.

Der Beklagte hat im konkreten Fall indes nicht im Sinne des § 138 Abs. 3 ZPO die Forderung anerkannt. Insbesondere hat er – wie im Transportrecht – die erforderlichen Nachforschungen angestellt, um seiner sekundären Beweislast und Darlegungslast zu genügen.

Er hat alle anderen erwachsenen Hausgenossen befragt. Zudem hat der Beklagte alle erwachsenen Hausgenossen namentlich benannt. Der Vertreter der Klägerseite hatte nicht zuletzt im Rahmen der mündlichen Verhandlung und Vernehmung der vom beklagten benannten Zeugen Gelegenheit, alle Beteiligten mit eigenen Fragen zu behelligen. Das Gericht geht davon aus, dass in dieser Situation die sekundäre Darlegungslast insoweit gewahrt ist. Wenn nämlich ein Inhaber eines Internetanschlusses alle erwachsenen Hausgenossen namentlich benennt und als Zeugen aufbietet, die zu jener Zeit Zugriff auf den Internetanschluss hatten, hat er insoweit (und vorbehaltlich der Untersuchung der Rechner) seiner Pflicht genüge getan.

Auch in Bezug auf die Untersuchung der vorhandenen Rechner hat er seiner Pflicht genügt, indem er die im Transportrecht erforderlichen Untersuchungen unternommen hat. So hat er seinen eigenen Rechner und die ihm zugänglichen Rechner untersucht. Der Rechner seiner Tochter und seines Schwiegersohns waren ihm nicht zugänglich. Diese Personen hat er indes angesprochen. Auch hat der Zeuge [Name] angegeben, er habe seinen eigenen Rechner angeschaut. Daraus ist zu schließen, dass der Beklagte dem Zeugen [Name] nahegelegt hat, seinen Rechner zu untersuchen. Im Verhältnis zwischen Eltern und erwachsenen Kindern ist nicht mehr zu erwarten.

Im Übrigen erscheint in Anbetracht der Ausführungen zum Zeugen [Name] ein möglicher Verstoß gegen seine diesbezügliche Aufklärungspflicht auch nicht kausal.

dd)

Die klagende Partei wäre im Übrigen auch ihrer o.g. Beweislast nicht nachgekommen.

(1)

Zwar greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung gegen den Inhaber eines Internetanschlusses:

„Wird ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist (vgl. Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 12 – „Sommer unseres Lebens“). Da die Beklagten Inhaber des Internetanschlusses sind, über den die Musikstücke nach Darstellung der Klägerinnen in Tauschbörsen öffentlich zugänglich gemacht wurden, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie für die von den Klägerinnen behauptete Verletzung ihrer Rechte verantwortlich sind.“ (BGH, Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12 juris – „Morpheus“, Rn. 33).“

Nach Auffassung des erkennenden Gerichts greift diese Vermutung grundsätzlich Platz, und zwar unabhängig davon, ob der Internetanschluss von einer alleinstehenden Person, in einer Familie oder in einer Wohngemeinschaft betrieben wird.

(2)

Der Beklagtenseite ist es indes gelungen, die Vermutung zu entkräften. Der Vollbeweis der Ausnahme von der Vermutung hat dabei der beklagten Partei oblegen. Der Bundesgerichtshof hat dazu entschieden:

„Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war (vgl. BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 12 und 13 – „Sommer unseres Lebens“) oder – wie hier – bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde (BGH, GRUR 2013, 511Rn. 33 f. – „Morpheus“).“

(BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 juris – „BearShare“, Rn. 15)

Aus dieser Formulierung blieb offen, welche Partei notfalls welche Behauptung beweisen muss.

Nach der vom Bundesgerichtshof in „Morpheus“ (aao) gewählten Formulierung „tatsächliche Vermutung“ kann es sich bei dieser Beweiserleichterung für den Rechteinhaber nicht lediglich um eine wegen typischen Geschehensablaufs nach allgemeiner Lebenserfahrung vorliegende Anscheinsbeweisregel handeln, deren Eingangstatsache die Inhaberschaft eines Internetanschlusses ist.

Die Regeln für den Beweis prima fade (z. B. bei Thomas / Putzo, ZPO, § 286, Rn. 12 ff.) können also nicht unmittelbar gelten. Der Anscheinsbeweis kann dadurch erschüttert werden, dass die gegnerische Partei konkrete Tatsachen behauptet und nötigenfalls beweist (BGHZ 8, 239), aus denen sich die ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Verlaufs ergibt (vgl. BGH VersR 1995, 723 zur Frage der Ernsthaftigkeit). Alternativ können die Eingangstatsachen des Anscheinsbeweises bestritten werden.

Aus der im Vergleich zum Anscheinsbeweis stärkeren „Vermutung“ folgt jedenfalls, dass die Anforderungen für eine Erschütterung diejenigen für eine Erschütterung des Beweis des ersten Anscheins nicht unterschreiten dürfen. Damit ist ausgeschlossen, dass die in Anspruch genommene Partei die Vermutung durch den bloßen streitigen Vortrag von alternativen Umständen entkräften kann. Allerdings erfordert die Entkräftung der Vermutung nicht zwingend den Vollbeweis des Gegenteils – also die Widerlegung der Täterschaft – nach § 286 Abs. 1 ZPO.

Es bedarf und genügt zur Erschütterung der Vermutung, dass die in Anspruch genommene Partei Beweis dafür führt, dass eine Ausnahme vorliegt. Den Unterschied zwischen Vermutung und Beweis des ersten Anscheins sieht das Gericht darin, dass nicht jede ernsthafte Möglichkeit eines vom gewöhnlichen abweichenden Verlaufs zur Entkräftung der Vermutung ausreicht; vielmehr bedarf es hierzu des Vollbeweises einer Ausnahme, also einer die Vermutung ausschließenden Situation, wie sie durch die Rechtsprechung definiert wurden. Das erkennende Gericht versteht den Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 08.01.2014 – I ZR 169/12 -, juris – „BearShare“, Rn. 15) so, dass bislang nur die Zurverfügungstellung an konkret in Betracht kommende Dritte und die unzureichende Absicherung des WLAN solche die Vermutung ausschließende Ausnahmen darstellen.

(3)

Dieser Nachweis ist der Beklagtenseite gelungen.

Aufgrund der Beweisaufnahme stand im Sinne des § 286 ZPO fest, dass wenigstens der Zeuge [Name] konkret als Täter in Betracht kam.

Der Zeuge [Name] hatte konkreten Zugriff. Er hatte nach Aussage der Zeugin um, des Zeugen [Name] selbst sowie gemäß der persönlichen Einlassung des Beklagten in der Zeit um den möglichen Verstoßtermin konkreten Zugriff auf das Internet über den Anschluss des Beklagten. Entsprechend der Rechtssprechung des Oberlandesgerichts Köln zur Frage, ob es denn erheblich sei, dass der Beklagte zum exakten Zeitpunkt der Zuwiderhandlung Zuhause war, ist dies auch für die Widerlegung der Vermutung nicht erforderlich. Erforderlich ist es vielmehr lediglich, dass der erwachsene Hausgenosse in einer Zeit, in der realistischerweise eine Programmierung eines laufenden Rechners erfolgen kann, Zuhause war. Der Zeuge [Name] war nach seiner eigenen Aussage grundsätzlich an diesem Tag und in dieser Woche Zuhause. Er hat an diesem Tag grundsätzlich im Hause des Beklagten gelebt. Der Zeuge [Name] hat auch angegeben, an diesem Tag das Internet benutzt zu haben. Er hat auch das WLAN-Passwort des Beklagten mit dessen Zustimmung.

Der Zeuge [Name] war auch nicht als Täte auszuschließen, im Gegenteil. In der Einvernahme widersprachen sich die Zeugen [Name] und [Name]. Einer von beiden muss gelogen haben. Während die Zeugin man min angab, auf dem gemeinsam genutzten Rechner (gemeinsam mit ihrem Ehemann) habe es Spiele wie German Truck Simulator oder Ähnliches nicht gegeben, auch nicht Landwirtschaftssimulator, gestand der Zeuge [Name] dies freimütig ein. Er gab auch an, er habe auf irgendeiner Seite, möglicherweise „Bild.de“ die entsprechende Software (also Landwirtschaftssimulator oder German Truck Simulator) heruntergeladen. Belege für diese Behauptung konnte er indes nicht vorlegen. Insbesondere hatte er keine Kaufbelege oder Ähnliches für einen verifizierten Kauf über eine Onlineplattform. Interessant an dieser Aussage war, dass seine Ehefrau, die Zeugin [Name], keine solchen Spiele auf dem Rechner des Zeugen wahrgenommen haben wollte. Es klingt jedoch unglaubwürdig, dass der Zeuge [Name] das Spiel German Truck Simulator bei der Bildzeitung heruntergeladen haben will, aber auch zur Zeit der Abmahnung den Beklagten, der ihn darauf angesprochen hat, nicht über diesen Umstand informiert haben soll.

Der Zeuge [Name] kommt somit konkret als Täter in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs greift die Vermutung in dieser Situation nicht. Denn der Zeuge [Name] hatte konkret Zugriff und kam als Täter konkret in Betracht. Auf die anderen Familienmitglieder kommt es insoweit nicht mehr an; Frau und Tochter des Beklagten waren als Täter aber eher auszuschließen.

(4)

Die Täterschaft des Beklagten ist auch außerhalb der Vermutung nicht im Sinne des § 286 ZPO belegt.

2.

Der Beklagte haftet auch nicht als Störer; es gab keine Anzeichen dafür, dass der Internetanschluss des Beklagten nicht hinreichend gesichert war oder dass dieser Hinweise auf frühere Verstöße von Familienmitgliedern hatte. Insbesondere stand nach der Beweisaufnahme fest, dass der Beklagte seinen WLAN-Anschluss mit WPA 2 verschlüsselt hat. Das haben alle Zeugen ausgesagt. Hieran gab es auch keine Zweifel. Weiterhin besteht nach gefestigter Rechtssprechung zwischenzeitlich gegenüber erwachsenen Hausgenossen keine besondere Belehrungspflicht mehr. Eine vorherige Abmahnung des Beklagten ist von Seiten der Klägerin nicht behauptet worden, so dass auch keine weiteren Pflichten aus vorangegangenen Abmahnungen oder Urheberrechtsverletzungen bestehen.

3.

Die weiteren Ansprüche teilen das Schicksal der Hauptforderung.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

III.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711, 713 ZPO.

IV.

Der Streitwert beträgt für den Antrag Ziffer 1 1.099,00 EUR. Für den Antrag Ziffer 2 510,00 EUR, der Antrag Ziffer 3 ist im Antrag Ziffer 1 und 2 enthalten und rechtfertigt keine Erhöhung des Streitwertes.

Dr. [Name],
Richter am Amtsgericht (…)

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AG Saarbrücken, Urteil vom 07.12.2016, Az. 121 C 339/16 (09)

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