Landgericht Berlin, Hinweisbeschluss vom 08.12.2016: Wird die ernsthafte Möglichkeit eines alternativen Geschehensablaufs nicht geschildert, bedarf es nicht einmal einer Beweisaufnahme. Die bloße theoretische Möglichkeit des Zugriffs Dritter genügt nicht. Der Anschlussinhaber haftet!

10:30 Uhr

In einem Hinweisbeschluss hat das Landgericht Berlin erneut die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshof konsequent angewandt. Gut, aus unserer Experten-Sicht wohl eher nicht i.V.m. dass der Gerichtsstandort Berlin sich als „München 2.0“ outet usw. usf.

In diesem Berufungsverfahren wird das Urteil des Erstgericht angegriffen und das Landgericht Berlin findet hier klare Worte, so wörtlich: „das Amtsgericht hat den Umfang der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers verkannt, weil die bloß theoretische Möglichkeit des Zugriffs Dritter nicht genügt.“

Und es ist leider so, dass noch sehr viele Betroffene und Anwälte dem Trugschluss unterliegen, dass mit einer pauschalen Benennung von Mitnutzern i.V.m. keinen weiteren Sachvortrag (Recherche, Nachforschung) die Anforderungen des Bundesgerichtshofes genüge getan wurde.

 

Das Landgericht Berlin zur Verletzungshandlung bei illegalen Filesharing 

 

Wie der BGH in der „Tauschbörse III“ Entscheidung ausführt, besteht „die relevante Verletzungshandlung in der Eröffnung der Zugriffsmöglichkeit für Dritte und nicht in dem Absenden und Empfangen eines Dateifragments im Zweipersonenverhältnis. Daraus ergibt sich, dass eine eigenständige Verwertungshandlung im Sinne von §§ 85 Abs. 1, 19a UrhG vorliegt, wenn die Zugriffsmöglichkeit für Dritte eröffnet wird. Entsprechendes folgt aus §§ 69b, 19a UrhG für Computerprogramme.

 

Das Landgericht Berlin zum Sachvortrag des Beklagten

 

Es genügt aber nicht bloß anzugeben, wer im Haushalt lebt und/oder ebenfalls den Internetzugang nutzen konnte. Erforderlichenfalls sind eigene Ermittlungen des Anschlussinhabers vorzunehmen, welcher Rechner zur Tatzeit online war und/oder ein Tauschbörsenprogramm installiert hatte. Die Befragung der Zugangsberechtigten ohne Verifikation deren Angaben ist nicht ausreichend. Der Anschlussinhaber muss vielmehr Tatsachen vortragen, die eine bestimmte andere Person ernstlich als Täter in Betracht kommen lassen. Wer sich nicht erkundigt, bestreitet unzulässig ins Blaue hinein. Lediglich nahe stehende Personen wie Familienangehörige müssen nicht „ans Messer“ geliefert werden.

 

Das Landgericht Berlin zum Paragraf 383 ZPO

 

Paragraf 383 ZPO steht aber einer weitergehenden prozessualen, Würdigung eines Stillschweigens grundsätzlich nicht entgegen; als Prozesspartei unterliegt der Beklagte vielmehr der prozessualen Wahrheitspflicht und den aus einem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht von potentiellen Zeugen folgenden allgemeinen Beweislast- und Prozessrisiken, welche bei einer Verweigerung der Mitwirkung dennoch prozessual etwa über eine Vermutungswirkung gegen ihn als Anschlussinhaber wirken können. Es ist also die Entscheidung der beklagten Partei, ob sie zumutbare Nachforschungen in ihrem Haushalt anstellt und das Ergebnis in den Prozess einführt oder sie die prozessuale Konsequenzen trägt, indem sie untätig bleibt bzw. zum Schutz der Familie schweigt.

Sagt er indes nichts oder nichts Hinreichendes, was der Klägerin einen spiegelbildlichen Beweisantritt ermöglichte, bleibt es bei der Vermutungswirkung zulasten des Anschlussinhabers als Täter.
 

Das Landgericht Berlin rügt die Beweisaufnahme des Tatrichter

 

Die Beweisaufnahme des Amtsgerichts mittels Vernehmung der Zeugin scheiterte, weil sich die Zeugin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berief. Es hatte dabei Irrtümlich die Klägerin in der Beweispflicht gesehen, obwohl der Beklagte zuvor seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hatte. Er hätte vielmehr besondere Umstände schlüssig vortragen müssen, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs (nämlich Anschlussinhaber = Täter) ergeben solle, die gegebenenfalls vom Beweisgegner (Anschlussinhaber) zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden müsste.

 

Das Landgericht Berlin zu neuen bzw. widersprüchlichen Sachvortrag

 

Es stellte indes bereits eine unglaubliche Schutzbehauptung dar, wenn der Beklagte mehr als drei Jahre nach seiner ersten Einlassung nunmehr mit seiner Ehefrau einen angeblich tatnäheren Dritten präsentiert. Letztlich hat der Beklagte aber keinen greifbar anderen Täter als sich selbst zu liefern vermocht. Denn seine Ehefrau hat sich zu der Tat nicht bekennen wollen. Insoweit ist der Beklagte mithin darlegungs- und beweispflichtig geblieben.

Nach alledem verbleibt es daher bei der Anscheinswirkung zulasten des Anschlussinhabers, mithin der Beklagten als Täter. Einer Beweisaufnahme bedarf es daher nicht. Der Beklagte handelte auch schuldhaft, jedenfalls wenigstens fahrlässig, denn aufgrund der damaligen Presseberichterstattung war die Rechtswidrigkeit des Uploads im Filesharing allgemein bekannt gemacht, so dass Schadensersatz wegen der Rechtsverletzung verlangt werden kann.

 

Das Landgericht Berlin verneint Anwendung § 97a Abs. 2 UrhG a.F.

 

Entgegen weit verbreiteter Auffassung ist der Anspruch auf Erstattung der erwachsenen Abmahnkosten nicht durch § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 08.102013 geltenden Fassung auf 100,00 EUR begrenzt. Die Kammer schließt sich insoweit vollinhaltlich den Ausführungen des OLG München zu Filesharing-Sachverhalten an, denen sich der BGH in der „Tannöd“ Entscheidung jüngst, im Ergebnis angeschlossen hat.

 

Das Landgericht Berlin zur Verjährung bei Filesharing Fälle

 

a) Restschadensersatzanspruch:

Auf den Lizenzschaden findet § 852 BGB mit einer zehnjährigen Verjährung Anwendung (vgl. BGH „Everytime wie touch“ – a.a.O., Rn. 93, 97: jedenfalls als Restschadensersatzanspruch; GRUR 2012, 715; – „Bochumer Weihnachtsmarkt“ – Rn: 41 a. E. nach juris).

b) Aufwendungsersatz:

Die Verjährung des Aufwendungsersatzanspruches nach § 97a UrhG wegen der anwaltlichen Abmahnkosten begann erst mit Erledigung des anwaltlichen Abmahnauftrages, da die Honorarforderung erst damit fällig geworden ist, nach § 8 RVG. Die Antwortfrist für den Beklagten lief bis zum 30.01.2012. Der abmahnende Rechtsanwalt musste den Fristablauf abwarten. Denn erst damit war die Angelegenheit abgeschlossen.

Der Beklagte kann der Erforderlichkeit der ersetzt verlangten Aufwendungen auch nicht entgegen halten, dass der Honoraranspruch verjährt sei und die Klägerin sich ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber darauf berufen könnten und müssten. Der im Jahr 2012 entstandene Vergütungsanspruch ist nicht verjährt, weil die Klägerin ihn mit den Aufträgen zur Beantragung eines Mahnbescheids Ende 2014 und zur Weiterverfolgung im Streitverfahren anerkannt haben.

 

Das Landgericht Berlin zu den Kosten des Auskunftsverfahren als Schadensersatz

 

Der Beklagte hat die anteiligen Vorkosten der drei Verfahren vor dem Landgericht Köln als Schadensersatz (Rechtsverfolgungskosten) zu leisten.

 

LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 08.12.2016, Az. 15 S 10/16

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Landgericht Berlin

 

Beschluss

 

Geschäftsnummer: 15 S 10/16, 08.12.2016
224 C 392/15 Amtsgericht Charlottenburg

In dem Rechtsstreit

[Name]./. [Name]

hat die Zivilkammer 15 des Landgerichts Berlin am 08.12.2016 durch den Richter am Landgericht [Name] als Vorsitzendem und die Richter am Landgericht Dr. [Name] und [Name]

beschlossen:

Als Ergebnis der Vorberatung wird mitgeteilt:

(…)

Abgesehen davon dürfte die Berufung Erfolg haben:

Denn das Amtsgericht hat den Umfang der sekundären Darlegungslast des Anschlussinhabers verkannt, weil die bloß theoretische Möglichkeit des Zugriffs Dritter nicht genügt.

Klagegegenstand ist hierbei auch eine angebliche Verletzungshandlung vom 08.12.2011 um 09:26:47 Uhr.

Wie der BGH in der „Tauschbörse III“ Entscheidung (GRUR 2016, 191 Rn. 56 nach juris: für Tonträger) ausführt, besteht „die relevante Verletzungshandlung in der Eröffnung der Zugriffsmöglichkeit für Dritte … und nicht in dem Absenden und Empfangen eines Dateifragments im Zweipersonenverhältnis. Daraus ergibt sich, dass eine eigenständige Verwertungshandlung im Sinne von §§ 85 Abs. 1, 19a UrhG vorliegt, wenn die Zugriffsmöglichkeit für Dritte eröffnet wird (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015 – I ZR 19/14, Rn. 64 – „Tauschbörse I“ – für Tonträgerhersteller).“ Entsprechendes folgt aus §§ 69b, 19a UrhG für Computerprogramme.

Der Beklagte haftet nach derzeitigem Sach- und Streitstand auch als Täter, denn er ist seiner Nachforschungspflicht nicht gerecht geworden.

Der Beklagte ist danach passivlegitimiert.

Einen Hackerzugriff schließt der Beklagte wegen hinreichender Sicherungsmaßnahmen selbst aus.

Der BGH hat in Leitsatz c) seiner „BearShare“ Entscheidung (GRUR 2014, 675) ausgeführt: Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, trägt der Anschlussinhaber eine sekundäre Darlegungslast. Dieser entspricht er dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet (Fortführung von BGH, Urteil vom 12.05.2010 – I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 – „Sommer unseres Lebens“ -; Urteil vom 15.11.2012 – I ZR 74/12, GRUR 2013, 511 – „Morpheus“ -). Es genügt aber nicht bloß anzugeben, wer im Haushalt lebt und/oder ebenfalls den Internetzugang nutzen konnte. Erforderlichenfalls sind eigene Ermittlungen des Anschlussinhabers vorzunehmen, welcher Rechner zur Tatzeit online war und/oder ein Tauschbörsenprogramm installiert hatte (vgl. BGH GRUR 2016, 191 – „Tauschbörse III“ – Rn. 41 nach juris; KG, Beschluss vom 25.04.2013 – Az. 24 W92/12 und Az. 99/12 -). Die Befragung der Zugangsberechtigten ohne Verifikation deren Angaben ist nicht ausreichend. Der Anschlussinhaber muss vielmehr Tatsachen vortragen, die eine bestimmte andere Person ernstlich als Täter in Betracht kommen lassen (vgl. BGH – „Tauschbörse III“ – a.a,o. Rn. 42). Wer sich nicht erkundigt, bestreitet unzulässig ins Blaue hinein (vgl. Kammer, Beschluss vom 29.07.2014 – Az. 15 S 15/14 -). Lediglich nahe stehende Personen wie Familienangehörige müssen nicht „ans Messer“ geliefert werden (Kammer, Beschluss vom 17.10.2014 – Az. 15 S 17/13 -).

§ 383 ZPO steht aber einer weitergehenden prozessualen, Würdigung eines Stillschweigens grundsätzlich nicht entgegen; als Prozesspartei unterliegt der Beklagte vielmehr der prozessualen Wahrheitspflicht und den aus einem Aussage- oder Zeugnisverweigerungsrecht von potentiellen Zeugen folgenden allgemeinen Beweislast- und Prozessrisiken, welche bei einer Verweigerung der Mitwirkung dennoch prozessual etwa über eine Vermutungswirkung gegen ihn als Anschlussinhaber wirken können. Es ist also die Entscheidung der beklagten Partei, ob sie zumutbare Nachforschungen in ihrem Haushalt anstellt und das Ergebnis in den Prozess einführt oder sie die prozessuale Konsequenzen trägt, indem sie untätig bleibt bzw. zum Schutz der Familie schweigt (Kammer, Hinweisbeschluss vom 28.07.2015 – Az.15 S 5/15 -).

Sagt er indes nichts oder nichts Hinreichendes, was der Klägerin einen spiegelbildlichen Beweisantritt ermöglichte (hierzu jüngst OLG München, WRP 2016, 385 – „Loud“ – Rn. 34 nach juris), bleibt es bei der Vermutungswirkung zulasten des Anschlussinhabers als Täter.

Diesen Anforderungen werden die Einlassungen des Beklagten, die das Amtsgericht bis auf folgende Ergänzungen zutreffend wiedergegeben hat, indes nicht gerecht:
Nachdem er mit Anwaltsschreiben vom 23. Januar 2012 noch vortragen ließ:“… der betreffende Internetanschluss … wurde an fraglichem Tage nicht mit Wissen und Einverständnis von anderen Personen genutzt.“, heißt es in der Klageerwiderung vom 15.10.2015, es habe – auch zu den angeblichen Tatzeiten – eine Zugangsmöglichkeit und -gelegenheit seiner Ehefrau [Name] (Zeugin) bestanden. Später ergänzte er: „seine Gattin nutze die Möglichkeiten des Internets u.a. um sich in sozialen Medien zu bewegen und täglich Nachrichten aus aller Welt zu erlangen; ferner (sei sie) sehr kunst- und kulturbegeistert“ (Schriftsatz vom 18.01.2016). Seine Ehefrau habe Ende 2011 auf seinen Vorhalt hin sowohl die Kenntnis von einem Computerspiel „[Name]“ als auch dessen Zugänglichmachung mittels Filesharing-Programm „ausdrücklich verneint“.

Ihre Angaben hat der Beklagte, der ihr offenbar Glauben schenken will, indes nicht überprüft. Wegen der Abmahnung hatte er aber Veranlassung, den von ihr mitgenutzten Computer auf Filesharing-Software, eine Vervielfältigung der streitgegenständlichen Spielesoftware sowie das Router-Protokoll auf auffälligen Upload-Datenverkehr zu den angeblichen Tatzeiten zu überprüfen. Das hat er unterlassen. Da sich das streitgegenständliche Computerspiel überwiegend an männliche, erwachsene Konsumenten (USK 18) richtet, gehört der Beklagte – anders als seine Ehefrau – selbst zur Kernzielgruppe. Er hat sich aber nicht dazu erklärt, ob er selbst im Besitz einer Vervielfältigung des Computerspiels etwa in Form der Original-DVD ist oder selbst Filesharing-Software installiert hatte.

Die Beweisaufnahme des Amtsgerichts mittels Vernehmung der Zeugin scheiterte, weil sich die Zeugin auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht nach § 383 Abs. 1 Nr. 2 ZPO berief. Es hatte dabei Irrtümlich die Klägerin in der Beweispflicht gesehen, obwohl der Beklagte zuvor seiner sekundären Darlegungslast nicht genügt hatte. Er hätte vielmehr besondere Umstände schlüssig vortragen müssen, aus denen sich die ernste Möglichkeit eines anderen als des vermuteten Verlaufs (nämlich Anschlussinhaber = Täter) ergeben solle, die gegebenenfalls vom Beweisgegner (Anschlussinhaber) zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen werden müsste (vgl. OLG München a.a.O., Rn. 34 nach juris).

Es stellte indes bereits eine unglaubliche Schutzbehauptung dar, wenn der Beklagte mehr als drei Jahre nach seiner ersten Einlassung nunmehr mit seiner Ehefrau einen angeblich tatnäheren Dritten präsentiert. Letztlich hat der Beklagte aber keinen greifbar anderen Täter als sich selbst zu liefern vermocht. Denn seine Ehefrau hat sich zu der Tat nicht bekennen wollen. Insoweit ist der Beklagte mithin darlegungs- und beweispflichtig geblieben.

Ob der Beklagte oder andere Personen zur Talzeit zu Hause waren, ist hingegen irrelevant, da die gängige Filesharing-Software die Gegenwart des Nutzers nicht erfordert (vgl. OLG München a.a.O., Rn.45 nach juris).

Nach alledem verbleibt es daher bei der Anscheinswirkung zulasten des Anschlussinhabers, mithin der Beklagten als Täter. Einer Beweisaufnahme bedarf es daher nicht. Der Beklagte handelte auch schuldhaft, jedenfalls wenigstens fahrlässig, denn aufgrund der damaligen Presseberichterstattung war die Rechtswidrigkeit des Uploads im Filesharing allgemein bekannt gemacht, so dass Schadensersatz wegen der Rechtsverletzung verlangt werden kann.

Deshalb war sowohl die anwaltliche Abmahnung berechtigt, so dass die dadurch geltend gemachten Anwaltskosten nach § 97a Abs. 1 S. 3 UrhG 2008 – die gesetzliche 1,3 Geschäftsgebühren nach Nr. 2300 W-RVG zu einem Gegenstandswert von 22.500,00 EUR deckelt die Klägerin aufgrund Gebührenvereinbarung mit ihrem Prozessbevollmächtigten auf 368,00 EUR – von dem Beklagten zu erstatten sind, wobei der ursprüngliche Freistellungsanspruch nach § 250 S. 2 BGB infolge fruchtloser Fristsetzung zur Zahlung sich in einen Geldanspruch umgewandelt hat (vgl. BGH WW 1992, 222; 1999, 1542; 2004, 1868; OLGR Rostock 2009, 134), als auch ist ein Schadensersatzanspruch nach der sog. Lizenzanalogie nach § 97 Abs. 2 UrhG begründet, denn die eigenen Verwertungsmöglichkeiten und Absatzwege der Lizenznehmerin werden nicht nur spürbar beeinträchtigt, sondern das Nachfrageninteresse auf den kostenlosen Download via Filesharing umgeleitet und dort gesättigt. Für diesen Fall der Marktverstopfung erscheint es gerechtfertigt gemäß § 287 ZPO ebenfalls auf die Schadensberechnung der Lizenzanalogie zurückzugreifen. Für ein Computerspiel ist der geltend gemachte Lizenzschaden von 500,00 EUR nach ständiger Rechtsprechung der Berliner Urheberrechtskammern angemessen, zumal bei einem Upload in Filesharing-Netzwerken mit einer Vervielfachung des Verletzungspotentials bei zahlreichen dort zu erwartenden Vervielfältigungen mittels Upload anderer User zu rechnen ist, was dem Beklagten zuzurechnen ist (Kammer, Urteil vom 03.11.2015 – Az. 15 S 5/15 -; Urteil vom 08.04.2016 – Az. 15 S 27/15 -; so jetzt auch BGH, Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 48/15 – „Everytime we touch“ – in Form eines sog. Restschadensersatzanspruch zum Ausgleich für einen rechtswidrigen Eingriff in eine dem Betroffenen ausschließlich zugewiesene Dispositionsbefugnis, Rn. 93 nach juris, auch wenn „die Erteilung einer Lizenz in dieser Konstellation tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht der Bemessung des Wertersatzes mittels einer sogenannten fiktiven Lizenz nicht entgegen, weil es sich hierbei um einen normativen Maßstab handelt, der nicht voraussetzt, dass es bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zum Abschluss eines Lizenzvertrags gekommen wäre“, Rn. 97 nach juris). Erstveröffentlichung des Computerspiels war erst am 26.08.2011 gewesen, mithin knapp drei Monate vor der ersten Verletzungshandlung.

Entgegen weit verbreiteter Auffassung ist der Anspruch auf Erstattung der erwachsenen Abmahnkosten nicht durch § 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 08.102013 geltenden Fassung ,auf 100,00 EUR begrenzt. Die Kammer schließt sich insoweit vollinhaltlich den Ausführungen des OLG München (WRP 2016, 385 Rn. 50ff. nach juris) zu Filesharing Sachverhalten an, denen sich der BGH in der „Tannöd“ Entscheidung (Urteil vom 12.05.2016 – I ZR 1/15 – Leitsatz 3 und Rn. 53ff. nach juris) jüngst, im Ergebnis angeschlossen hat.

Die Kosten des Auskunftsverfahrens (49,60 EUR) sind schlüssig vorgetragen (Tabellenwerk in der Anspruchsbegründung, Seite 11 f.). Der Beklagte hat die anteiligen Vorkosten der drei Verfahren vor dem Landgericht Köln als Schadensersatz (Rechtsverfolgungskosten) zu leisten (vgl. BGH GRUR 2014, 1239 – „Deus Ex“ – Rn. 18 nach juris).

Die Ansprüche sind auch nicht verjährt.

Auf den Lizenzschaden findet § 852 BGB mit einer zehnjährigen Verjährung Anwendung (vgl. BGH „Everytime wie touch“ – a.a.O., Rn. 93, 97: jedenfalls als Restschadensersatzanspruch; GRUR 2012, 715; – „Bochumer Weihnachtsmarkt“ – Rn: 41 a. E. nach juris). Schadensersatzanspruch nach § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG und Bereicherungsanspruch nach §§ 812, 818 BGB (Eingriffskondiktion) bestehen nebeneinander (vgl. § 97 Abs. 3 UrhG), gehen beide auf den sog. Lizenzschaden, d. h. die übliche Lizenzgebühr (vgl. BGH – „Everytime we touch“ – a.a.0., Rn. 97 a. E.; GRUR 1982, 301, 303 – „Kunststoffhohlprofil II“ – nach juris), und unterliegen selbstständig der Verjährung. Für die Bereicherung aus unerlaubter Handlung gilt die längere Frist des § 852 BGB. Dass die Klägerin das Geschäftsmodell des Filesharing gar nicht betreibt, und deshalb bei ihr kein tarifiertes Lizenzmodell existiert, steht der Anwendung der Grundsätze der sog. Lizenzanalogie nicht entgegen (vgl. BGH – „Everytime we touch“ – a.a.O.).

Die Verjährung des Aufwendungsersatzanspruches nach § 97a UrhG wegen der anwaltlichen Abmahnkosten begann erst mit Erledigung des anwaltlichen Abmahnauftrages, da die Honorarforderung erst damit fällig geworden ist, nach § 8 RVG. Die Antwortfrist für den Beklagten lief bis zum 30.01.2012. Der abmahnende Rechtsanwalt musste den Fristablauf abwarten. Denn erst damit war die Angelegenheit abgeschlossen. Die Verjährung wäre erst mit Vollendung des 31.12.2015 eingetreten, ist aber rechtzeitig durch die Zustellung der Anspruchsbegründung gehemmt worden, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 167 ZPO. Die Die Anspruchsbegründung ist rechtzeitig vor Fristablauf am 19.09.2015 zugestellt worden.

Der Beklagte kann der Erforderlichkeit der ersetzt verlangten Aufwendungen auch nicht entgegen halten, dass der Honoraranspruch verjährt sei und die Klägerin sich ihren Prozessbevollmächtigten gegenüber darauf berufen könnten und müssten. Der im Jahr 2012 entstandene Vergütungsanspruch ist nicht verjährt, weil die Klägerin ihn mit den Aufträgen zur Beantragung eines Mahnbescheids Ende 2014 und zur Weiterverfolgung im Streitverfahren anerkannt haben (§ 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB; vgl. OLG Köln, Urteil vom 20.12.2013 – Az. 6 U 205/12 -, Rn. 52 nach juris).

Die Kammer sieht einer abschließenden Stellungnahme binnen eines Monats entgegen. (…)

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LG Berlin, Hinweisbeschluss vom 08.12.2016, Az. 15 S 10/16

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