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Bericht
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Urteil als PDF-Download: AG Traunstein, Urteil vom 01.02.2016, Az. 314 C 159/15
Autorin
Rechtsanwältin Carolin Kluge
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In diesem Verfahren stellte sich für das Amtsgericht Traunstein die Frage, welchen Anforderungen ein Anschlussinhaber zu genügen hat, wenn er seine persönliche Verantwortlichkeit im Prozess erfolgreich bestreiten möchte:
Der beklagte Anschlussinhaber hatte auf die potenzielle Tatbegehung durch weitere nutzungsberechtigte Familienangehörige verwiesen, obwohl auf Nachfrage des Beklagten kein „Täter ermittelt“ werden konnte. Daneben käme, so der Beklagte, auch ein unberechtigter Zugriff von außen in Betracht: Denn schließlich sei sein Router einer Produktwarnung seines Internetproviders zufolge von einer Sicherheitslücke befallen gewesen.
Das Amtsgericht Traunstein stellte in seinem Urteil klar, dass der jeweilige Anschlussinhaber zur Erfüllung seiner „gesteigerten Darlegungspflicht“ konkrete Anhaltspunkte, die für die Tatbegehung eines Dritten sprechen, plausibel darzulegen hat.
Einen solchen konkreten Verletzungsbezug vermochte das Amtsgericht in dem Vorbringen des Beklagten jedoch nicht zu erblicken:
So führte das Gericht aus, dass der pauschale Hinweis auf potenzielle alternative Geschehensabläufe die Darlegungslast gerade nicht erfüllen könne. Vielmehr habe ein Anschlussinhaber nach Erhalt der Abmahnung nachzuforschen und sodann auch vorzutragen, warum eine bestimmte Person als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Die einmalige ergebnislose Nachfrage genügt diesen Anforderungen nicht:
„Insoweit verhält es sich unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung so, dass der Anschlussinhaber einer gesteigerten Darlegungspflicht unterliegt und auch zu Nachforschungen, wer als tatsächlicher Täter in Betracht kommt, verpflichtet ist. Insoweit hat der Anschlussinhaber nach Durchführung der zumutbaren Nachforschungen zum Verlauf des Schadensfalls detailliert vorzutragen. […]
Insoweit reicht es nach Auffassung des Gerichts aber nicht aus, dass der Beklagte nach Erhalt der Abmahnung in der Familie über den Vorfall gesprochen habe und ein Täter nicht habe ermittelt werden können.
Die generelle Nutzungsmöglichkeit eines Internetanschlusses durch andere Personen stellt gerade keinen konkreten hinreichenden zeitlichen Bezug zur streitgegenständlichen Rechtsverletzung dar. Verletzungsbezogener Vortrag dazu, wer wie im konkreten Fall zur konkreten Zeit den Computer bzw. den Internetanschluss des Beklagten und insbesondere auch wofür benutzt, fehlt. Eine Darlegung, warum die von dem Beklagten genannten Mitnutzer als Täter in Betracht kommen, erfolgte nicht.“
Auch der oft gehörte Verweis auf die etwaige Ausnutzung einer „möglicherweise“ bestehenden Sicherheitslücke durch Dritte konnte das Amtsgericht Traunstein nicht überzeugen.
„lm Ergebnis verbleibt es daher dabei, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers fortbesteht. […] ein Beweis oder zumindest konkret dargelegte Anhaltspunkte, dass sich eventuell Dritte widerrechtlich Zugang zum WLAN-Netz des Beklagten […] verschafft haben könnten, fehlen ebenfalls.“
Gegen den angesetzten Schadensersatz in Höhe von EUR 600,00 für die illegale Verbreitung eines Filmwerkes sowie die geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten in Höhe von EUR 506,00 hatte das Gericht keinerlei Bedenken. Der Beklagte wurde daher antragsgemäß verurteilt und hat darüber hinaus die vollen Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
AG Traunstein, Urteil vom 01.02.2016, Az. 314 C 159/15 (Volltext)
(…) erlässt das Amtsgericht Traunstein durch den Richter am Amtsgericht [Name] am 01.02.2016 ohne mündliche Verhandlung mit Zustimmung der Parteien gemäß § 128 Abs. 2 ZPO aufgrund der bis 15.01.2016 eingereichten Schriftsätze folgendes
Endurteil
1.Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.106,00 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2014 zu bezahlen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die vorläufige Vollstreckung durch Hinterlegung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig abzuwenden, wenn nicht zuvor die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
TatbestandDie Parteien streiten wegen Schadensersatzansprüchen aus einer Urheberrechtsverletzung betreffend den Film [Name] welcher am [Datum] und am [Datum] von dem Internetanschluss des Beklagten anderen Tauschbörsenteilnehmern zum Herunterladen im Internet bereitgehalten worden ist.
Diesbezüglich wurde der Beklagte mit Schreiben vom [Datum] abgemahnt. Die Kosten hierfür beziffert die Klägerin auf 506,00 EUR unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes von 10.000,00 EUR und der Geltendmachung einer 1,0 Geschäftsgebühr zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale nach dem RVG. In Anlehnung an die „Lizenzanalogie“ macht die Klägerin für die öffentliche Zugänglichmachung des genannten Spielfilms einen weiteren Schadensersatzanspruch in Höhe von mindestens 600,00 EUR geltend.
Die Klägerin führt aus, dass der Beklagte als Inhaber des Internetanschlusses von dem – mittlerweile unstreitig – die Urheberrechtsverletzungen stattgefunden haben, verantwortlich sei. Soweit der Beklagte vortrage, dass er persönlich den verfahrensgegenständlichen Film nicht zum Download angeboten habe, führt die Klägerin aus, dass der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast insoweit nicht hinreichend nachgekommen sei. Insoweit beschränke sich die Beklagtenseite auf lediglich pauschale Behauptungen, dass die Tochter und die Ehefrau zu den verfahrensgegenständlichen Zeitpunkten grundsätzlich Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt haben. Die insoweit behauptete generelle Nutzungsmöglichkeit des Internetanschlusses durch andere Personen stelle jedoch gerade keinen konkreten zeitlichen Bezug zur streitgegenständlichen Rechtsverletzung dar. Nachdem die Beklagtenseite auch davon ausgehe, dass ihr Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung hinreichend mit einem individuellen Passwort für das WLAN-Netz gesichert gewesen sei, sei der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass gegebenenfalls ein unberechtigter Dritter auf den ausreichend abgesicherten Internetanschluss zugegriffen habe, was seitens der Klägerin bestritten ist.
Die Klägerin beantragt daher.
Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite
1. einen angemessenen Schadensersatz, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, der jedoch insgesamt nicht weniger als 600,00 EUR betragen soll, zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2014 sowie
2. 506,00 EUR zuzüglich Zinsen in Hohe von 5 % Punkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 16.05.2014 zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt
Klageabweisung.Er selbst habe die ihm vorgeworfene Rechtsverletzung nicht begangen. Das abgemahnte Filmwerk sei ihm unbekannt. Am vermeintlichen Tattag hatten neben dem Beklagten persönlich auch dessen Ehefrau und seine [Datum] geborene Tochter [Name] Zugriff auf den Internetanschluss des Beklagten gehabt. Das Internet sei durch einen Router des Modells [Name] betrieben, welcher durch ein individuelles Passwort bestehend aus zehn Zahlen und. Buchstaben geschützt sei. Nachdem nach Erhalt der Abmahnung innerhalb der Familie über den Vorwurf gesprochen worden sei, habe trotzdem ein Täter nicht ermittelt werden können.
Ferner sei herauszustellen, dass mehrere [Name]modelle, darunter auch das des Beklagten von einer schweren Sicherheitslücke betroffen gewesen wären, wodurch es möglichen Angreifern, die sich innerhalb der Reichweite des Funknetzes aufgehalten haben, möglich gewesen sei, sich unbefugt Zugang zu dem fremden WLAN zu beschaffen. Dies sei auf entsprechenden Internetseiten auch nachlesbar.
Nachdem die Klägerin ihre behauptete Rechteinhaberschaft an dem verfahrensgegenständlichen Filmwerk nicht hinreichend nachgewiesen habe, bestehe ihrerseits auch keine Aktivlegitimation.
Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch von mindestens 600,00 EUR für den verfahrensgegenständlichen Film sei überhöht. Gleiches gelte für die Hohe des angenommenen Streitwertes betreffend die Abmahnung.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze, jeweils nebst Anlagen, Bezug genommen. Mit Zustimmung der Parteien wird gemäß § 128 Abs. 2 ZPO ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entschieden. Berücksichtigt wurden Schriftsätze, die bis 15.01.2016 eingereicht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist begründet, nachdem das Gericht sowohl den Schadensersatzanspruch für den verfahrensgegenständlichen Spielfilm [Name] als auch den Gegenstandswert betreffend die verfahrensgegenständliche Abmahnung für gerechtfertigt erachtet.
1. Aktivlegitimation
Nach Auffassung des Gerichts hat die Klägerin ihre Rechteinhaberschaft an dem verfahrensgegenständlichen Film [Name] hinreichend dargelegt und entsprechend belegt, vgl. Anlage K1. Dort ist die Klägerin auf dem verfahrensgegenständlichen Filmwerk in der üblichen Weise als Urheber bezeichnet. Insoweit gilt die Vermutungswirkung gemäß §§ 94 Abs. 4, 10 Abs. 1 UrhG.
2. Urheberrechtsverletzung
Die Verletzung der Urheberrechte an dem verfahrensgegenständlichen Filmwerk, die nach Auffassung des Gerichts der Klägerin zustehen, über den Internetanschluss des Beklagten wurde im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt.
3. Verantwortlichkeit für Urheberrechtsverletzung
Auch wenn der Beklagte selbst bestreitet, den verfahrensgegenständlichen Film zu kennen und diesen im Rahmen einer Tauschbörse zum Download anderen Internetnutzern angeboten zu haben, verbleibt es nach Auffassung des Gerichts jedoch bei der persönlichen Verantwortlichkeit des Beklagten.
Nach Auffassung des Gerichts ist der Beklagte nämlich seiner sekundären Darlegungslast, der er als Anschlussinhaber unterliegt, nicht hinreichend nachgekommen. Insoweit reicht es nach Auffassung des Gerichts gerade nicht aus, dass der Anschlussinhaber die verfahrensgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen bestreitet und insoweit pauschal ausfuhrt, dass auch andere im Haushalt lebende Familienangehörige – vorliegend die Ehefrau und die volljährige Tochter – zu den Tatzeitpunkten Zugriff auf den Internetanschluss gehabt haben.
Insoweit verhält es sich unter Berücksichtigung gefestigter Rechtsprechung so, dass der Anschlussinhaber einer gesteigerten Darlegungspflicht unterliegt und auch zu Nachforschungen, wer als tatsächlicher Täter in Betracht kommt, verpflichtet ist. Insoweit hat der Anschlussinhaber nach Durchführung der zumutbaren Nachforschungen zum Verlauf des Schadensfalls detailliert vorzutragen. Zwar geht die sekundäre Darlegungslast nicht soweit, dass der Anschlussinhaber durch eigene Nachforschungen aufklären müsste, wer Täter der verfahrensgegenständlichen Rechtsverletzung ist, trotzdem wird von dem Anschlussinhaber zur Erfüllung seiner sekundären Darlegungslast erwartet, dass er Nachforschungen hinsichtlich anderer in Betracht kommender Täter sowie eine Mitteilung seiner Kenntnisse und Nachforschungsergebnisse vornimmt.
Insoweit reicht es nach Auffassung des Gerichts aber nicht aus, dass der Beklagte nach Erhalt der Abmahnung in der Familie über den Vorfall gesprochen habe und ein Täter nicht habe ermittelt werden können.
Die generelle Nutzungsmöglichkeit eines Internetanschlusses durch andere Personen stellt gerade keinen konkreten hinreichenden zeitlichen Bezug zur streitgegenständlichen Rechtsverletzung dar. Verletzungsbezogener Vortrag dazu, wer wie im konkreten Fall zur konkreten Zeit den Computer bzw. den Internetanschluss des Beklagten und insbesondere auch wofür benutzt, fehlt. Eine Darlegung, warum die von dem Beklagten genannten Mitnutzer als Täter in Betracht kommen, erfolgte nicht.
Im Ergebnis verbleibt es daher dabei, dass die tatsächliche Vermutung der Täterschaft des Anschlussinhabers fortbesteht. Dies auch unter Berücksichtigung, dass ein Beweis oder zumindest konkret dargelegte Anhaltspunkte, dass sich eventuell Dritte widerrechtlich Zugang zum WLAN-Netz des Beklagten Zugriff verschafft haben könnten, fehlen ebenfalls.
4. Nachdem das Gericht somit keine Zweifel an der Haftung des Beklagten im Grunde nach hat, war der entsprechende Schadensersatzanspruch festzusetzen.
Den für die Urheberrechtsverletzung selbst anzusetzenden Schadensersatzanspruch hat das Gericht mit 600,00 EUR beziffert (§ 287 ZPO). Hierbei hat das Gericht berücksichtigt, dass die verfahrensgegenständlichen Urheberrechtsverletzungen relativ zeitnah zu dem 6. Januar BM, an dem der Film in Deutschland im Verleih der Klägerin erschienen ist, liegen. Das Gericht hat insoweit ferner berücksichtigt, dass vorliegend zwei festgestellte Urheberrechtsverletzungen vorliegen. Auch die unstreitigen Daten zum verfahrensgegenständlichen Film, insbesondere die Produktionskosten und die Besetzung (v1. BI. 131/132) hat das Gericht seiner Schätzung zugrunde gelegt. Ebenso die Gefahr einer exponentiell schnellen Verbreitung eines einmal zum Download angebotenen Werkes.
Diese wesentlichen Überlegungen zum verfahrensgegenständlichen Filmwerk mussten sich auch auf den Gegenstandswert betreffend die verfahrensgegenständliche Abmahnung auswirken. Das Gericht ist hier der Auffassung, dass 10 000,00 EUR zugrunde zu legen sind. Hieraus ergeben sich die Anwaltskosten für die verfahrensgegenständliche Abmahnung bei Zugrundelegung einer 1,0 Geschäftsgebühr, die ebenfalls nicht zu beanstanden ist, zuzüglich Post- und Telekommunikationspauschale in Höhe von 506,00 EUR.
5. Die zugesprochenen Zinsen ergeben sich aus dem Gesichtspunkt des Verzugs.
6. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO.
7. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708, 711 ZPO.
Rechtsbehelfsbelehrung:
Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.
Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem
Landgericht Traunstein
Herzog-Otto-Str. 1
83278 Traunsteineinzulegen
Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.
Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.
Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung
gez.
[Name]
Richter am AmtsgerichtVerkündet am 01.02.2016
gez.
[Name] JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)