Landgericht Köln, Beschluss vom 25.01.2016, Az. 14 O 179/15: Bei drei Abmahnungen über einen Anschluss ist die Anschlusinhaberin zum Zeitpunkt der Rechteverletzung „bösgläubig“! (Unterlassungsklage)

10:46 Uhr
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Bericht
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Das LG Köln bestätigt die Rechtsauffassung der NIMROD Rechtsanwälte. In der vorliegenden Unterlassungsklage entschied das Gericht zunächst über den PKH-Antrag der Beklagten durch Beschluss. Dieser wurde zwar bewilligt, allerdings nur, wenn die Klageforderung einen Betrag in Höhe von 984,60 EUR übersteigt.

Die Kammer begründet diesen Beschluss mit der Feststellung, dass die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen vom Anschluss der Antragsgegnerin begangen wurden. Die aus dieser Tatsache resultierende tatsächliche Vermutung der Täterschaft konnte die Beklagte nicht entkräften. Daran änderte auch die Benennung des Sohnes als Täter nichts. Zum einem wurde nicht vorgetragen wurde, ob der Sohn zum Verletzungszeitpunkt minderjährig oder bereits volljährig war. Diese Tatsache ist allerdings maßgeblich für die Notwendigkeit und den Umfang einer Belehrungspflicht.

Zum anderen stellt die Kammer fest, dass es darauf nicht ankommt, denn die Beklagte war insgesamt dreimal wegen Rechtsverletzungen über ihren Internetanschluss abgemahnt worden und damit im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung „bösgläubig“. Es bestanden konkrete Anhaltspunkte dafür, dass über Ihren Internetanschluss Rechtsverletzungen begangen werden. Sie war vor diesem Hintergrund sowohl einem Minderjährigen als auch einem Volljährigen gegenüber zur Kontrolle und entsprechenden Maßnahmen verpflichtet. Diese hat die Beklagte auf Grundlage ihres eigenen Vortrags schuldhaft nicht vorgenommen.

Die Kammer sieht einen Gegenstandswert in Höhe von 20.000,00 EUR als angemessen. Daraus resultieren Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung bei einer 1,3 Gebühr in Höhe von 964,60 EUR. In dieser Höhe sieht das LG Köln keine Erfolgsaussichten einer Verteidigung.

Landgericht Köln, Beschluss vom 25.01.2016, Az. 14 O 179/15 (Volltext)

 

(…) hat die 14. Zivilkammer des Landgerichts Köln am 25.01.2016 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [Name] die Richterin [Name] und die Richterin am Landgericht [Name] beschlossen:
Der Beklagten wird Prozesskostenhilfe für den Antrag zu 2. aus der Klageschrift bewilligt, soweit dieser den Betrag von 984,60 EUR übersteigt.

Zugleich wird Anwaltskanzlei [Name] zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz beigeordnet.

Im Hinblick auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der antragstellenden Partei wird von der Anordnung einer ratenweisen Zahlung der Prozesskosten zunächst abgesehen. Sollten sich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ändern, kann dieser Beschluss gemäß § 120a Abs. 1 ZPO abgeändert werden.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die beabsichtigte Verteidigung gegen das klägerische Vorbringen hat nur insoweit Aussicht auf Erfolg, als die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung betroffen sind, soweit die Klägerin einen Betrag von mehr als 984,60 EUR verlangt. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist für das streitgegenständliche Computerspiel ein Streitwert von 20.000,00 EUR und nicht von 30.000,00 EUR anzusetzen. Eine 1,3 Gebühr nach Rechtsanwaltsvergütungsgesetz beträgt 964,60 EUR, zuzüglich der Auslagenpauschale von 20,00 EUR ergibt sich der Betrag von 984,60 EUR.

Insofern ist jedoch die Klage begründet, weil der Unterlassungsanspruch gemäß § 97 Abs. 1 UrhG besteht. Die Klägerin ist als Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte an dem Computerspiel [Name] aktivlegitimiert. Die Beklagte ist passiv legitimiert, weil von ihrem Internetanschluss aus die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen jedenfalls am 27. November 2014 und am 28. November 2014 begangen worden sind. Unabhängig von dem Vortrag der Beklagten, sie habe die behaupteten Urheberrechtsverstöße nicht begangen, ist die Beklagte täterschaftlich für diese Rechtsverletzungen verantwortlich.

Allerdings spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er dazu vor-trägt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – 1 ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 – Morpheus; Urteil vom 8. Januar 2014 – I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 – BearShare; Urteil vom 11. Juni 2015 -1 ZR 75/14 – Tauschbörse III).

Dieser sekundären Darlegungslast hat die Beklagte nicht genügt. Zwar hat sie ihren Sohn als Täter benannt, so dass grundsätzlich ein abweichender Kausalverlauf in Betracht käme. Ihr Vortrag dazu reicht jedoch nicht aus. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, ob ihr Sohn zum Verletzungszeitpunkt im November 2014 noch minderjährig oder bereits volljährig war. Dies kann maßgeblich sein für die Frage, ob und in welchem Umfang Belehrungspflichten hinsichtlich der Internetnutzung bestehen. Auf der Grundlage des Vortrages der Beklagten kommt es jedoch darauf vorliegend ausnahmsweise nicht an. Für den Fall, dass der Sohn der Beklagten zum Verletzungszeitpunkt noch minderjährig war, besteht ihre Haftung aus § 832 BGB. Eine Verpflichtung der Eltern, die Nutzung des Internets durch das Kind zu überwachen, den Computer des Kindes zu überprüfen oder dem Kind den Zugang zum Internet (teilweise) zu versperren, besteht zwar grundsätzlich nicht. Zu derartigen Maßnahmen sind Eltern jedoch verpflichtet, wenn sie konkrete Anhaltspunkte dafür haben, dass das Kind dem Verbot zuwiderhandelt (BGH, Urteil vom 15. November 2012 – 1 ZR 74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 24 = WRP 2013, 799 – Morpheus; Urteil vom 11. Juni 2015 – I ZR 7/14 – Tauschbörse II). Derartige konkrete Anhaltspunkte hatte die Beklagte. Denn sie war bereits am 02. Mai 2013, am 23. Januar 2014 und am 11 Dezember 2014 (Anlagen K 6,7 und 8) wegen Rechtsverletzungen über ihren Internetanschluss abgemahnt worden. Wenn ihr Vortrag unterstellt wird, dass sie selbst die Rechtsverletzungen nicht begangen hat, kam auch insofern nur ihr Sohn in Betracht. Vor diesem Hintergrund wäre sie als Inhaberin des Internetanschlusses zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet gewesen, weitere Rechtsverletzungen zu verhindern.

Gleichermaßen hätte sie Vorkehrungen treffen müssen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen, wenn ihr Sohn bereits volljährig gewesen ist. Denn auch gegenüber volljährigen Kindern, die im Haushalt leben und den Internetanschluss eines Elternteils nutzen, besteht dann, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Rechtsverletzungen über den Internetanschluss begangen werden, die gleichen Handlungspflichten. Diese hat die Beklagte auf der Grundlage ihres Vortrages schuldhaft nicht vorgenommen.

Der Beschluss beruht auf den §§ 114, 115 Abs. 1 und 2, 120, 121 Abs. 1 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wenn
1. der Wert der Hauptsache 600,00 EUR übersteigt,
2. das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint oder
3. das Gericht die Zahlung von Raten angeordnet hat.

Die sofortige Beschwerde ist bei dem Landgericht Köln oder dem Oberlandesgericht Köln schriftlich in deutscher Sprache oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden.

Die sofortige Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses (Datum des Beschlusses, Geschäftsnummer und Parteien) sowie die Erklärung enthalten, dass sofortige Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll begründet werden.

Die sofortige Beschwerde muss spätestens innerhalb einer Notfrist von 1 Monat bei dem

Landgericht Köln,
Luxemburger Straße 101,

oder dem

Oberlandesgericht Köln,
Reichenspergerplatz 1,

eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die sofortige Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der Zustellung des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach Erlass des Beschlusses. (…)