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AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 08.11.2017, Az. 3c C 169/17
Leitsatz
1. Der sich auf urheberrechtliche Verwertungsrechte an einem Computerprogramm berufende Anspruchsteller hat in Filesharing-Fällen darzulegen und zu beweisen, dass die vom Anspruchsgegner konkret zur Verfügung gestellten Dateifragmente tatsächlich zumindest auch Werkfragmente enthalten, die sich im Sinne des § 11 UrhG nutzen lassen.(Rn.14)
2. Aus dem erweiterten Schutz für Computerprogramme nach §§ 69a ff. UrhG folgt insofern nichts anderes, als der Anspruchsteller auch hier darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen hat, dass über den Anschluss des Anspruchsgegners zur Verfügung gestellte Dateiteile überhaupt Datenelemente enthalten, die sich dem geschützten Werk zuordnen lassen; letzteres ist insbesondere vor dem Hintergrund geboten, dass in Filesharingnetzwerken angebotene Dateien schon aus technischen Gründen regelmäßig nicht nur solche Daten enthalten, die auch Bestandteil des geschützten Werkes sind.(Rn.15)
3. In jedem Fall bedarf es entsprechender Darlegungen in den Fällen, in denen der Anspruchsteller einen Schadensersatzanspruch auf Grundlage einer Lizenzanalogie geltend macht, weil u.a. Intensität und Umfang der behaupteten Verletzungshandlung entscheidende Faktoren für die dem Tatrichter nach § 287 ZPO obliegende Schätzung der Höhe eines solchen Anspruchs darstellen (vergleiche LG Frankenthal, Urteil vom 22. Juli 2016, 6 S 22/15, GRUR-RR 2016, 445 – „Konferenz der Tiere“).(Rn.16)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt vorbehalten, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zur Vollstreckung kommenden Betrages abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung ihrerseits Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen einer Urheberrechtsverletzung.
Mit Schreiben vom 21. Januar 2014 mahnte die Klägerin die Beklagte aufgrund einer mutmaßlichen Rechtsverletzung wegen der Zurverfügungstellung des Computerspiels „Metro Last Night“ in einem Filesharingnetzwerk zu sieben Zeitpunkten zwischen dem 8. Oktober und dem 10. November 2013 ab.
Die Klägerin trägt vor,
sie sei Inhaberin von ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechten an dem streitgegenständlichen Spielprogramm. Über den Anschluss der Beklagten sei im Oktober/November 2013 eine Datei angeboten worden, die eine Kopie des Spiels (so Seite 6 f. der Klagebegründung) bzw. jedenfalls einen Programmteil von hinreichender Länge und mithin mit schutzfähigem Werkcharakter beinhaltet habe (so S. 2 des Schriftsatzes vom 18.10.2017). Außer der Beklagten habe niemand zu sämtlichen ermittelten Zeitpunkten Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt, auch nicht ihr Ehemann oder ihre drei im Oktober/November 2013 noch minderjährigen Kinder. Ihr stehe ein Schadenersatzanspruch auf Basis einer fiktiven Lizenzgebühr für den Verletzungszeitraum zu. Daneben sei die Beklagte zur Erstattung der Kosten für die ausgesprochene Abmahnung – unter Zugrundelegung eines Gegenstandswerts von 10.000,00 EUR – in Höhe von insgesamt 745,40 EUR verpflichtet. Die Deckelung des Gegenstandswertes auf 1.000,00 EUR gemäß § 97a Abs. 3 Satz 2 UrhG sei im vorliegenden Fall unbillig sowie europarechtswidrig und greife daher nicht.Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag von 754,40 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Februar 2014 zu zahlen;
2. die Beklagte zu verurteilen, an sie einen weiteren Betrag über 750,00 EUR nebst jährlicher Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 1. Februar 2014 zu zahlen.Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.Die Beklagte trägt vor,
sie habe das fragliche Werk, das sich ebenso wenig wie eine Tauschbörsensoftware zu irgendeinem Zeitpunkt auf einem in ihrem Haushalt befindlichen Computer befunden habe, weder ganz noch in Teilen zum Download angeboten. Im fraglichen Zeitraum hätten außer ihr auch ihr Ehemann sowie ihre damals 17, 15 und 13/14 Jahre alten Kinder jeweils mit eigenen Endgeräten selbständig Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt. Im Übrigen habe sie ihren Kindern gemeinsam mit ihrem Ehemann die Begehung von Urheberrechtsverletzungen über das Internet sowie die Nutzung von Tauschbörsen untersagt und in regelmäßigen Abständen die Computer der Kinder überprüft. Die von der Klägerin durchgeführten Ermittlungen seien daher fehlerhaft. Schließlich sei die Klägerin auch nicht im Besitz der Online-Verwertungsrechte für das Spiel und etwaige Forderungen verjährt.Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der von ihnen eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage führt in der Sache nicht zum Erfolg.
Aus dem Vorbringen der Klägerin ergibt sich bereits nicht, dass über den Internetanschluss des Beklagten tatsächlich eine lauffähige Version der fraglichen Computersoftware oder auch nur eines konkreten Teils davon zum Herunterladen angeboten worden ist. Dies ist nach der gefestigten Rechtsprechung der zuständigen Berufungskammer des Landgerichts Frankenthal jedoch Voraussetzung für das Vorliegen der hier geltend gemachten Ansprüche und zwar unabhängig davon, ob Schutz eines Werkes im Sinne des Urhebergesetzes oder der Leistung eines Ton- oder Bildträgerherstellers nach § 85 bzw. § 94 UrhG geltend gemacht wird.
Der Anspruchsteller, der sich auf eine unberechtigte Nutzung des Werkes beruft, hat in so genannten Filesharingfällen grundsätzlich substantiiert darzulegen, dass über den Anschluss des in Anspruch Genommenen tatsächlich eine lauffähige, das fragliche Werk oder nutzbare Teile hiervon beinhaltende Datei zum Download bereitgestellt worden ist. Eine nur teilweise zur Verfügung gestellte Datei ist im Hinblick auf die darin enthaltenen Daten nämlich regelmäßig nicht lauffähig und konsumierbar, weshalb das Zurverfügungstellen einer derartigen Teildatei keine – auch nur teilweise – Nutzung des geschützten Werkes darstellt; es handelt sich in diesem Fall demnach nicht um isoliert nutz- oder wahrnehmbare Werkteile (st. Rspr. vgl. etwa LG Frankenthal, Urteil vom 22.07.2016 – Az. 6 S 22/15 = ZUM-RD 2016, 648 – Konferenz der Tiere; zustimmend Hilgert, MMR 2016, 773, 775; ebenso bereits LG Frankenthal, GRUR-RR 2016, 110; Heckmann / Nordmeyer, CR 2014, 41, 42 f.; insbesondere zum technischen Hintergrund anschaulich Heinemeyer / Kreitlow / Nordmeyer / Sabellek, MMR 2012, 279, 281). Soweit demgegenüber in der Rechtsprechung vertreten wird, dass das Einstellen von Dateiteilen in ein Peer-to-Peer-Netzwerk nicht in der Absicht geschehe, das Internet mit „Datenmüll“ zu belasten (so wörtlich OLG Köln, Beschluss v. 20.04.2016 – Az. 6 W 37/16 – The Walking Dead, Rn. 18 – zit. n. juris = MMR 2016, 773, 774), greift dies durch das spekulative Abstellen auf bloße Absichten von Internetnutzern jedenfalls in Bezug auf die urheberrechtliche Problematik zu kurz (LG Frankenthal, Urteil vom 22.07.2016 a.a.O. Rn. 27 zit. n. juris). Das Urheberrecht schützt den Urheber nicht vor der Nutzung von Dateien oder Dateifragmenten, selbst wenn diese dazu bestimmt sein mögen, ein konkretes Werk in digitaler Form aufzunehmen oder abzubilden, sondern lediglich vor der unberechtigten Nutzung des Werkes selbst bzw. von Teilen hiervon (LG Frankenthal a.a.O.). Ebensowenig wie ein öffentlich zugänglich gemachter leerer oder mit unbrauchbarem Inhalt gefüllter Umschlag urheberrechtlichen Schutz genießt – mag er auch mit dem Titel eines Schriftwerkes im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG versehen und möglicherweise zur Aufnahme von entsprechenden analogen Inhalten gedacht sein -, gibt es keine urheberrechtlich geschützte Datei, sondern lediglich urheberrechtlich geschützte Werke, die in einer Datei enthalten sein können (a.A. offensichtlich OLG Köln a.a.O. Rn. 20).
Es genügt daher nicht, wenn – wie hier von der Klägerin behauptet und unter Beweis gestellt – überprüft wurde, dass eine Datei mit einem bestimmten Hashwert existiert, die in ihrem vollständigen Zustand auch das vollständig oder wenigstens in Teilen nutzbare Werk enthält. Vielmehr hat, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass die beklagte Partei eine vollständige und lauffähige, das fragliche Werk (oder Teile davon) enthaltende Datei zum Herunterladen zur Verfügung gestellt hat oder dies unstreitig nicht der Fall war, der Anspruchsteller darzulegen und im Bestreitensfall nachzuweisen, dass die vom in Anspruch Genommenen konkret zum Download bereit gestellten Dateifragmente tatsächlich zumindest auch Werkfragmente enthalten, die sich mit Hilfe gängiger oder zumindest allgemein zugänglicher Hard- und Software wiedergeben bzw. in sonstiger Weise sinnvoll im Sinne des § 11 UrhG nutzen lassen und damit mehr darstellen als bloßen „Datenmüll“.
Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat – trotz expliziten Bestreitens der Beklagten und auch auf entsprechende Aufforderung des Gerichts im Termin zur mündlichen Verhandlung – nicht dargelegt, in welchem konkreten Umfang die fragliche Datei über den Anschluss der Beklagten nach ihren Ermittlungen zur Verfügung gestellt worden ist und welcher konkrete, im oben dargestellten Sinn nutzbare Werksinhalt hier zum Download vorgehalten worden sein soll. Obwohl in Filesharingnetzwerken getauschte Dateien bekanntermaßen regelmäßig jedenfalls nicht ausschließlich solche Daten enthalten, die zu demjenigen Werk gehören, an dem Rechte geltend gemacht werden und obwohl auch tatsächlich dem Werk zuordenbare Datenteile häufig in einer nicht nutzbaren Form angeboten werden (vgl. zum Angebot von Archivdateien [ISO-Container] und der Nichtnutzbarkeit einzelner Teile solcher Dateien [Chunks] etwa Heckmann / Nordmeyer, CR 2014, 41, 42 f.), hat die Klägerin nicht dargetan, welchen Inhalt die im Rahmen der Ermittlungen über den Anschluss der Beklagten gesicherten Dateifragmente aufgewiesen haben und wie dieser Inhalt sich möglicherweise zum Inhalt des geschützten Werkes verhält. Auch ihre Ausführungen im nachgereichten Schriftsatz vom 18. Oktober 2017 gehen insoweit über die ausgesprochen pauschale, ins Blaue hinein wirkende Behauptung „dass es sich bei der streitgegenständlichen Datei um einen Programmteil von hinreichender Länge und mithin mit schutzfähigem Werkcharakter handelte“ nicht hinaus und sind einer Beweiserhebung daher nicht zugänglich. Es bleibt bereits unklar, was mit der „streitgegenständlichen Datei“ gemeint ist. Sollte die Klägerin damit auf den über den Anschluss der Beklagten zur Verfügung gestellten Dateiteil Bezug nehmen, mangelt es an einer Darlegung welchen konkreten „Programmteil von hinreichender Länge“, also welches Werkfragment dieser Dateiteil beinhaltet haben soll. Darüber hinaus hat die Klägerin sich lediglich auf den zutreffenden, insoweit aber unbehelflichen Standpunkt zurückgezogen, dass grundsätzlich auch kleine Werkfragmente geschützt seien und es aufgrund des umfassenden Schutzes von Computerprogrammen durch § 69c, § 69a UrhG unerheblich sei, in welcher Gestalt Teile der Software hier öffentlich zugänglich gemacht worden seien. Die Klägerin blendet dabei insbesondere die – auch aufgrund fehlender Angaben zum Umfang, in dem die fragliche Datei über den Anschluss der Beklagten zum Download angeboten worden sein soll – nach dem oben Gesagten nicht fernliegende Möglichkeit aus, dass hier überhaupt keine Teile des Programms „Metro Last Night“, sondern allenfalls andere Elemente der fraglichen Datei zur Verfügung gestellt worden sein können.
Ein entsprechender Vortrag zu Umfang und Inhalt der mutmaßlich vorgehaltenen Dateifragmente wäre zudem vor allem unter Berücksichtigung des Umstandes angezeigt gewesen, dass die Klägerin hier einen Schadensersatzanspruch auf Grundlage einer Lizenzanalogie verfolgt. Gerade im Hinblick auf die etwaige Höhe eines solchen Anspruchs ist es nämlich von wesentlicher Bedeutung, wie intensiv und in welchem Umfang der Beklagte möglicherweise das Recht der Klägerin verletzt hat (vgl. LG Frankenthal, Urteil vom 22.07.2016 a.a.O. Rn. 33). Sofern es – wie in Filesharingfällen – keine branchenüblichen Vergütungssätze und Tarife gibt, ist die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr vom Tatrichter nämlich gemäß § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu schätzen (BGH, NJW 2016, 942, 948 – Tauschbörse I). Dabei sind neben Parametern wie Dauer der Rechtsverletzung, Gewinn und Umsatz für den Verletzer, Gewinn- und Umsatzverlust für den Verletzten und Bekanntheit des Werks bzw. dessen Urhebers vor allem Faktoren wie Intensität und Umfang der Verletzungshandlung von Bedeutung (vgl. nur BeckOK UrhR / Reber UrhG § 97 Rn. 125 m.w.N.). Die Erforderlichkeit entsprechender Darlegungen liegt daher auf der Hand.
Da die Klägerin bereits die der Beklagten vorgeworfene Tathandlung im Hinblick auf die Zurverfügungstellung konkreter Werksinhalte nicht näher substantiiert hat, kommt es auf die zwischen den Parteien weiter streitigen Fragen, insbesondere die umstrittene Haftung der Beklagten als Täterin oder Störerin, nicht an.
Die Kostenentscheidung ergeht nach § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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AG Frankenthal (Pfalz), Urteil vom 08.11.2017, Az. 3c C 169/17
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