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Hamburg / Bielefeld, 26.03.2018 (eig.). Eine jüngst ergangene Entscheidungen des Landgerichts Bielefeld (Urt. v. 06.02.2018, Az. 20 S 99/16) befasst sich mit den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast, die dem beklagten Anschlussinhaber eines Internetanschlusses obliegt, wenn er die gegen ihn in einem Filesharingverfahren streitende Täterschaftsvermutung widerlegen will.
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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz
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Bericht
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Vorinstanz: AG Bielefeld, Urteil vom 04.08.2016, Az. 42 C 35/16
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Das Landgericht Bielefeld hat die Berufung des dortigen Beklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Bielefeld (Urt. v. 04.08.2016, Az. 42 C 35/16) zurückgewiesen. Der Beklagte ist erstinstanzlich zur Zahlung von Schadensersatz und Anwaltsgebühren verurteilt worden.
Die Aktivlegitimation sah das Berufungsgericht als gegeben an, nachdem entsprechende Vertragsauszüge zwischen Klägerin und ursprünglicher Rechteinhaberin vorgelegt worden waren. Mit Blick auf die Vielzahl der Ermittlungen des Internetanschlusses gab es auch keinerlei Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit derselben und was die sekundäre Darlegungslast angeht, verweist das Landgericht Bielefeld unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt wieder BGH GRUR 1280, 2016 – Everytime we touch m.w.N.) darauf, dass der Inhaber eines Internetanschlusses nachvollziehbar vorzutragen hat, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Dem – so das Landgericht Bielefeld – ist der Beklagte nicht nachgekommen.
Schon in erster Instanz hat der Beklagte lediglich nur pauschal vorgetragen, dass weder er noch seine Angehörigen die Verletzungshandlungen begangen hätten, ohne diese zu benennen. Sein neuerlicher Vortrag in der Berufungsbegründung, dass neben ihm im Haushalt noch seine Ehefrau und seine beiden erwachsenen Söhne lebten und dass niemand im Haushalt Kenntnis von Filesharing- Software auf einem der genutzten Geräte habe, hat das Landgericht Bielefeld als verspätet zurückgewiesen (§ 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Im Übrigen genügte dem Landgericht Bielefeld der neuerliche Vortrag auch inhaltlich nicht zur Erfüllung der Anforderungen des BGH an die sekundäre Darlegungslast. Zum Verhalten der Ehefrau sei lediglich vorgetragen, dass diese den Rechner gelegentlich nutze, zum Nutzungsverhalten der Söhne finde sich keinerlei Vortrag. Über das konkrete Nutzungsverhalten der Familie, ihren Kenntnisstand und Fähigkeiten bezüglich der Nutzung und die Frage, ob im konkreten Zeitfenster in dem die Verletzungshandlungen ermittelt wurden, eine Nutzung stattfand, wird keinerlei Auskunft gegeben. Dies bringt das Landgericht zu dem Ergebnis, dass sich aus dem neuen Vortrag des Beklagten nicht annähernd ein von der Rechtsprechung geforderte Alternativsachverhalt ermitteln lässt (siehe BGH GRUR 2016, 176, Rn. 52 – Tauschbörse I) und auch der pauschale Hinweis darauf, dass das WLAN-Netzwerk auch gehackt worden sein könne, genüge in keinster Weise den Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast. Die Annahme sei rein spekulativ, substantiierter Vortrag fehle auch hierzu.
LG Bielefeld, Urteil vom 06.02.2018, Az. 20 S 99/16
(…) – Abschrift –
42 C 35/16
Amtsgericht BielefeldVerkündet am 06.02.2018
[Name], Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der
Geschäftsstelle
Landgericht Bielefeld
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
des Herrn [Name],
Beklagten und Berufungsklägers,Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt [Name],
gegen
[Name],
Klägerin und Berufungsbeklagte,Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte rka Reichelt Klute Rader, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,
hat die 20. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld auf die mündliche Verhandlung vom 06.02.2018 durch den Präsidenten des Landgerichts [Name], die Richterin [Name] und die Richterin am Landgericht [Name]
für Recht erkannt:
Die Berufung des Beklagten gegen das am 04.08.2016 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bielefeld (Aktenzeichen 42 C 35/16) wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
I.
Von der Darlegung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
II.
Die Berufung des Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Das Amtsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben.
1.
Der Klägerin steht ein Schadensersatzanspruch in Höhe von 697,40 EUR für das unerlaubte Anbieten des Computerspiels „[Name]“ im Rahmen einer Internettauschbörse am 01.05.2012 und 03.05.2012 aus § 97 Abs. 2 S. 1 UrhG zu.
Von der Aktivlegitimation der Klägerin aufgrund der Inhaberschaft der Nutzungs- und Verwertungsrechte gemäß §§ 31, 15 UrhG ist auszugehen.
Die Klägerin hat dargelegt, dass sie u.a. für Deutschland die exklusiven Lizenzrechte für das Spiel „[Name]“ ohne zeitliche Beschränkung besitze. Das Spiel sei von der Fa. [Name] entwickelt worden, die mit der Klägerin in dem Entwicklungsvertrag vom 28.07.2009 unter Ziffer 3. vereinbart habe, dass alle Rechte dem Herausgeber (= Klägerin) zustünden. Dazu zählen laut Ziff. 3 des Vertrages (Bl. 31R d.A.) alle Lizenz- und Urheberrechte.
Der Beklagte hat die Nutzungs- und Verwertungsrechte (einfach) bestritten. Aufgrund der vorgelegten Vertragsunterlagen zwischen der Klägerin und der Entwicklerin des Spiels, der [Name] (Anlage K1 im Original, Bl. 151 ff. d.A., Anlage K2 als deutsche Übersetzung, Bl. 163 ff. d.A.) ist davon auszugehen, dass die Klägerin aktivlegitimiert ist. Ihr werden sämtliche Rechte und darüber hinaus das Eigentum uneingeschränkt übertragen (Bl. 168 d.A.). Die Rechteeinräumung zu Gunsten der Klägerin manifestiert sich ebenfalls auf dem Datenträger (Bl. 30R d.A.). Sofern das Amtsgericht Bielefeld im Urteil darüber hinaus von einem unsubstantiierten Vorbringen des Beklagten ausgeht und deswegen das Bestehen der Nutzungs- und Verwertungsrechte feststellt, stellt dies keine Verkennung der Beweislast dar, wie der Beklagte in der Berufungsbegründung moniert. Denn das amtsgerichtliche Urteil befasst sich schon nicht mit der Beweislast, sondern mit der (vorgelagerten) Darlegungslast.
Auch hat das Amtsgericht zutreffend ausgeführt, dass der Beklagte für die über seinen Internet-Anschluss begangene Rechtsverletzung haftet, die darin zu sehen ist, dass das urheberrechtlich geschützte Computerspiel „[Name]“ ohne Gestattung der Klägerin im Rahmen einer Internettauschbörse zum Download angeboten wurde.
Der Einwand des Beklagten, dass die Ermittlungssoftware nicht zuverlässig sei, verfängt nicht. Die Klägerin hat ausreichend und überzeugend zu der Funktionsweise der Ermittlungssoftware NARS, die der Beklagte konkret nicht angreift, vorgetragen. Es wird auch dargestellt, dass die komplette Datei heruntergeladen wird, um sie mit dem Original zu vergleichen.
Unbestritten wurde der Internetanschluss des Beklagten im Rahmen von anderen Ermittlungen, die im Zusammenhang mit Urheberrechtsverletzungen stehen, insgesamt 245 (102 Erfassungen „[Name]“, 143 Erfassungen „[Name]“) Mal ermittelt. Bei den Ermittlungen handelte es sich ebenfalls um Computerspiele, die über mehrere Monate ohne Unterbrechungen zum Download angeboten wurden. Bei einer solchen Vielzahl von Ermittlungen und dem zeitlichen Ablauf ist mangels anderer Aufenthaltspunkte von einer fehlerfreien Ermittlung der IP-Adressen des Beklagten auszugehen.
Des Weiteren ist, wie vom Amtsgericht ausgeführt, davon auszugehen, dass der Beklagte die behauptete Rechtsverletzung begangen hat.
Zu der sekundären Darlegungslast hat das Amtsgericht in den Urteilsgründen zutreffend die einschlägige Rechtsprechung ausgewertet und ausgeführt, dass der Anschlussinhaber seiner sekundären Darlegungslast grundsätzlich dadurch genügt, dass er vorträgt, ob und gegebenenfalls welche anderen Personen selbständig Zugang zum Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht kommen.
Die sekundäre Darlegungslast führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und Erklärungslast (§ 138 I und II ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchsteiler alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Die pauschale Behauptung der bloß theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt lebenden Dritten auf den Internetanschluss genügt. hierbei nicht. Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast, ist es wieder Sache der Klägerin, die für eine Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung sprechenden Umstände darzulegen und zu beweisen (BGH Urteil vom 27.07.2017, Az. I ZR 68/16; BGHZ 200, 76 (BearShare); BGH GRUR 2016, 191 (Tauschbörse III); BGH GRUR 2016, 1280 (Everytime we touch); BGH Urteil vom 06.10.2016, I ZR 154/15 Afterlife).
Der Beklagte ist jedoch der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast nicht nachgekommen, so dass es bei der tatsächlichen Vermutung bezüglich der Tätereigenschaft des Beklagten bleibt.
In erster Instanz hat der Beklagte insoweit lediglich pauschal vorgetragen, weder er noch seine Angehörigen hätten die Rechtsverletzung begangen. Hiermit erfüllt der Beklagte die Voraussetzungen der sekundären Darlegungslast offensichtlich nicht.
In der Berufungsbegründung und im Schriftsatz vom 25.08.2017 trägt der Beklagte nun vor, dass neben ihm im Haushalt noch seine Ehefrau und seine beiden erwachsenen Söhne lebten. Er teile sich mit seiner Ehefrau einen Rechner, die Söhne hätten eigene PCs. Niemand im Haushalt habe Kenntnis von Filesharing Software auf einem der Geräte.
Gemäß § 531 Abs. 2 S.1 Nr. 2 ZPO sind neue Angriffs- und Verteidigungsmittel im Rahmen der Berufung allerdings nur zuzulassen, wenn sie aufgrund eines Verfahrensmangels erster Instanz nicht geltend gemacht worden sind. Ein solcher ist im vorliegenden Fall jedoch nicht ersichtlich.
Darüber hinaus genügt auch der neue Vortrag nicht den Anforderungen des BGH an die sekundäre Darlegungslast. Zum Verhalten seiner Ehefrau trägt der Beklagte lediglich vor, dass diese den Rechner gelegentlich nutze. Über das Nutzungsverhalten der Söhne findet sich keinerlei Vortrag. Über das konkrete Nutzungsverhalten der Familie, ihren Kenntnisstand und Fähigkeiten bezüglich der Nutzung und die Frage, ob im konkreten Zeitfenster, in dem die Verletzungshandlungen ermittelt wurden, eine Nutzung stattfand, wird keinerlei Auskunft gegeben. Aus dem neuen Vortrag des Beklagten lässt nicht annähernd, wie von der Rechtsprechung gefordert, ein Alternativsachverhalt ermitteln (vgl. nur BGH GRUR 2016, 176 Rn. 52 – Tauschbörse I). Auch der pauschale Hinweis darauf, dass das WLAN-Netzwerk auch gehackt worden sein könne, genügt in keinster Weise den Anforderungen an die sekundäre Dar1egungslast (vgl. BeckOK Urheberrecht, § 97 Rn. 72), da der Beklagte eines solches Eindringen Dritter nicht einmal selbst (substantiiert) behauptet, sondern bloß eine Vermutung aufstellt.
2.
Der Anspruch auf Zahlung von Abmahnkosten in Höhe von 555,60 EUR steht der Klägerin aus § 97a UrhG (in der Fassung bis zum 08.10.2013) und aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu. Die ausgesprochene Abmahnung war berechtigt; der Klägerin stand ein Unterfassungsanspruch zu (vgl. zur Berechtigung der Abmahnung BGH, Urteil vom 11.06.2014 – Az. I ZR 75/14 – „Tauschbörse III“).
Der der Abmahnung zugrunde gelegte Gegenstandswert von 8.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG nach billigem Ermessen zu bestimmen (vgl. BGH Urteil v. 12.05.2016, Az. I ZR 1/15). Der Wert eines Unterlassungsanspruchs bestimmt sich nach dem Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu bewerten und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des verletzten Schutzrechts, Intensität und Umfang der Rechtsverletzung bestimmt (BGH a.a.0).
Das Werk der Klägerin ist auf einer der größten Filesharing Plattformen angeboten worden, nachdem das Spiel erst am 24.04.2012 veröffentlicht worden war. Es war daher für die Nutzer von hohem Interesse, sodass mit hohen Downloadzahlen gerechnet werden musste. Eine Beschränkung des Ersatzes auf 100,00 EUR (§ 97a Abs. 2 UrhG a.F.) ist nicht vorzunehmen, da mit Blick auf das Ausmaß des Verstoßes keine unerhebliche Rechtsverletzung vorliegt. Eine Deckelung des Gegenstandswertes auf 1.000,00 EUR scheidet aus, da auf diesen Anspruch § 97a UrhG in der bis zum 08:10.2013 geltenden Fassung anzuwenden ist (vgl. BGH Urteil vom 06.10.2016, Az. I ZR 97/15). Somit kommt es auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Abmahnung an.
III.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
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LG Bielefeld, Urteil vom 06.02.2018, Az. 20 S 99/16
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