.rka Rechtsanwälte Reichelt Klute GbR (Hamburg): Landgericht Hannover – Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast in Filesharing Verfahren – Teil I

17:06 Uhr

Hamburg / Hannover, 27.03.2018 (eig.). Der abstrakte Hinweis auf ein minderjähriges Familienmitglied als möglichen Täter reicht in einem sogenannten Filesharingverfahren nicht aus, die gegen den Anschlussinhaber streitende Täterschaftsvermutung zu widerlegen, auch dann nicht, wenn der 13jährige als Zeuge seine Täterschaft verneint. Dies hat das Landgericht Hannover (Urt. v. 26.02.2018, Az. 18 S 57/17) entschieden.

 

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Rechtsanwalt Nikolai Klute
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

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Bericht

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Vorinstanz: AG Bielefeld, Urteil vom 04.08.2016, Az. 42 C 35/16

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Die dortige Beklagte war bereits in erster Instanz vom Amtsgericht Hannover (Urt. v. 21.09.2017, Az. 560 C 8400/16) zu Schadens- und Aufwendungsersatz verurteilt worden, weil über ihren Internetanschluss ein Computerspiel der Rechteinhaberin für Dritte zum Download bereitgehalten wurde. Das Amtsgericht hat auf Grundlage der gegen die Beklagte streitenden Täterschaftsvermutung die Verurteilung vorgenommen. Auch der Vortrag in erster Instanz, der damals 13-jährige Sohn habe den Internetanschluss mit seinem eigenen Computer nutzen können, habe die Beklagte nicht entlastet. Als Elternteil sei sie zur Aufsicht über ihren Sohn verpflichtet und dieser Pflicht nicht hinreichend nachgekommen, da Belehrungen über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen und das Verbot eines solchen Tuns unterblieben sind.

Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil hatte keinen Erfolg. Nach Auffassung des Landgerichts haftet die Beklagte für die über ihren Internetanschluss begangene Rechtsverletzung als Täterin. Es spreche eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Beklagten, wenn im Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine andere Person ihren Internetanschluss nutzen konnte (s.a. BGH, Urt. v. 08.01.2014, I ZR 169/12 – BearShare, BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 75/14 – Tauschbörse III). Diese Voraussetzungen liegen nach Auffassung des Landgerichts vor und auch der Hinweis auf den 13-jährigen Sohn führt nicht zur Entlastung der Beklagten. Zwar scheide eine Haftung des Anschlussinhabers aus, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, zum Beispiel wenn der Internetanschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden ist (vgl. statt vieler BGH, Urt. .v. 11.06.2015, I ZR 75/14 – Tauschbörse III). Als Inhaber des Internetanschlusses treffe den Anschlussinhaber in derartigen Fällen jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Dieser genügt er nur dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen im Verletzungszeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen sowie zur wahrheitsgemäßen Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Pauschaler Vortrag zur theoretischen Zugriffsmöglichkeit Dritter reicht nicht aus (vgl. BGH, Urt. v. 11.06.2015, I ZR 75/14 – Tauschbörse III). Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, Urt. v. 27.7.2017, I ZR 68/16 – Ego-Shooter).

Diesen Anforderungen hat die Beklagte nicht Genüge geleistet. Sie hat lediglich vorgetragen, neben ihr hätten im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung ihr 13-jähriger Sohn sowie dessen Freunde und auch Familienangehörige selbstständig Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt. Weder hat die Beklagte die weiteren Personen, die nach ihrem Vortrag neben ihrem Sohn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung selbstständig Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt hätten, namentlich benannt, noch zu etwaigen Nachforschungen, etwa durch die Nachfrage bei den in Betracht kommenden weiteren Personen, ob sie die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen haben, und den hierbei gewonnenen Kenntnissen über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung vorgetragen. Diesbezüglicher Vortrag war jedoch spätestens dann erforderlich, als ihr Sohn im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Hannover am 24.03.2017 angegeben hat, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben.

Nach alledem, so das Landgericht, sei die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, sodass die gegen sie streitende Täterschaftsvermutung nicht entkräftet wurde. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht mehr darauf angekommen, ob die Beklagte ihren Sohn im Zeitpunkt der Rechtsverletzung ausreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an einer Internettauschbörse belehrt und ihm die Teilnahme daran verboten hat, wie das Amtsgericht noch angenommen hatte. In der Sache hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts im vollen Umfange bestätigt und macht damit einmal mehr deutlich, dass die Erfüllung sekundärer Darlegungslasten im Prozess vollständig und wahrheitsgemäß zu erfolgen hat. Lückenhafter Vortrag, Auslassungen oder das bewusste sich verschließen vor Erkenntnismöglichkeiten führen zur Haftung des Anschlussinhabers, weil derartiges Prozessverhalten die gegen den Anschlussinhaber streitende Täterschaftsvermutung nicht widerlegt.

 

 

LG Hannover, Urteil vom 26.02.2018, Az. 18 S 57/17

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

 

Landgericht
Hannover

Im Namen des Volkes

Urteil

 

18 S 57/17
560 C 8400116
Amtsgericht Hannover

Verkündet am 26.02.2018
[Name], JOS in
Urkundsbeamter(in) der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

[Name],
– Beklagte und Berufungsklägerin –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte [Name],

gegen

[Name],
– Klägerin und Berufungsbeklagte –

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Rechtsanwälte, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg

 

hat das Landgericht Hannover – 18. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. [Name], den Richter am Landgericht Dr. [Name] und den Richter am Landgericht Dr. [Name] auf die mündliche Verhandlung vorn 06.02.2018

für Recht erkannt

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 21.09.2017 verkündete Urteil des Amtsgerichts Hannover (Az. 560 C 8400116) in Gestalt des Berichtigungsbeschlusses vom 18.10.2017 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.
3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I.

1.)

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen des unerlaubten Anbietens des urheberrechtlich geschützten Computerspiels „[Name]“ in dem Peer-to-Peer-Netzwerk µ Torrent 3.1.2.0 am 17.04.2012 über den Internetanschluss der Beklagten auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung der Beklagten sowie auf Schadensersatz jeweils nebst Verzugszinsen seit dem 19.06.2012 in Anspruch.

2.)

Wegen des streitigen und unstreitigen Parteivortrags in 1. Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO).

3.)

Das Amtsgericht hat der Klage hinsichtlich eines Teilbetrages in Höhe von 1.255,80 EUR nebst Verzugszinsen seit dem 19.06.2012 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe täterschaftlich für die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung einzustehen. Werde ein urheberrechtlich geschütztes Werk oder eine urheberrechtlich geschützte Leistung der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die im fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt sei, spreche eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich sei. Diese tatsächliche Vermutung habe die Beklagte nicht entkräftet. Denn die Beklagte sei ihrer in diesem Zusammenhang obliegenden sekundären Darlegungslast durch ihre pauschale Behauptung, weitere Familienangehörige oder Freunde hätten den Internetanschluss nutzen können, nicht gerecht geworden. Auch ihr Vortrag, ihr damals 13jähriger Sohn habe den Internetanschluss mit einem eigenen Computer nutzen können, entlaste sie nicht. Als Elternteil sei die Beklagte zur Aufsicht über ihren Sohn verpflichtet gewesen. Dieser Pflicht sei sie nicht hinreichend nachgekommen, da sie ihren im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verletzungshandlung minderjährigen Sohn nicht hinreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehrt und ihm eine Teilnahme daran verboten habe.

4.)

Gegen dieses der Beklagten am 27.09.2017 zugestellte Urteil des Amtsgerichts Hannover hat die Beklagte mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.10.2017, beim Landgericht Hannover eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt. Die Berufung hat die Beklagte sodann mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.11.2017, beim Landgericht Hannover per Telefax eingegangen am selben Tag, begründet.

5.)

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihren erstinstanzlichen Klageabweisungsantrag weiter.

II.

Die Berufung ist zwar zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 517, 519, 520 ZPO).

Sie hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1.)

Die Klägerin hat gegen die Beklagte aufgrund des Zurverfügungstellens des urheberrechtlich geschützten Computerspiels „[Name]“ in dem Peer-to-Peer-Netzwerkes µ Torrent 3.2.1.0 am 17.04.2012 einen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz sowie auf Zahlung von Aufwendungsersatz für die Abmahnung der Beklagten in der vom Amtsgericht zuerkannten Höhe nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19.06.2012.

a.)

Die Klägerin ist hinsichtlich des Computerspiels „[Name]“ aktivlegitimiert. Zwar hat die Beklagte die Aktivlegitimation mit der Klageerwiderung in Abrede genommen. Die Klägerin hat daraufhin jedoch substantiiert unter Vorlage entsprechender Vertragsdokumente nebst Übersetzungen in deutscher Sprache vorgetragen, ihr sei durch Lizenzvereinbarung mit der Entwicklerin des streitgegenständlichen Werks „[Name]“, der Fa. [Name], das ausschließliche Recht zum weltweiten Vertrieb des streitgegenständlichen Werkes über das Internet im Wege des Downloads und Internet Streaming, mithin das Recht zur öffentlichen Zugänglichmachung eingeräumt worden (Anlage K 1, Bl. 103 – 107 d.A.; Anlage K 2, Bl. 108 – 112 d.A.). Dem ist die Beklagte erstinstanzlich nicht mehr erheblich entgegengetreten.

Darüber hinaus hat die Klägerin mit der Anlage K 3 (Bl. 113 d.A.) eine Ablichtung des CD-Covers des streitgegenständlichen Computerspiels vorgelegt, auf dem es heißt: “ … © Copyright 2011 and Published by [Name], a division of [Name], Developed 2011 [Name].“

Auch wenn vorliegend die Vermutungswirkungen des § 10 Abs. 3 UrhG nicht eingreifen, ist unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beklagte erstinstanzlich diesem Vortrag der Klägerin nicht mehr erheblich entgegengetreten ist, in jedem Fall ein Indizienbeweis zulässig (vgl. BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR 19/14, „Tauschbörse I“, Rn. 20, zit. nach Juris) und rechtfertigt dieser mangels diesbezüglich erheblichen Vortrags der Beklagten unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls die Feststellung gemäß § 286 ZPO, dass die Klägerin Inhaberin eines ausschließlichen Nutzungsrechts in Bezug auf das streitgegenständliche Werk und damit auch Inhaberin des Rechts der öffentlichen Zugänglichmachung i.S.v. § 19a UrhG ist.

b.)

Die Rechtsverletzung ist über die dem Internetanschluss der Beklagten im Tatzeitpunkt zugewiesene IP-Adresse [IP] begangen worden. Den hierzu erfolgten substantiierten Vortrag der Klägerin hat die Beklagte erstinstanzlich unstreitig gestellt.

c.)

Die Beklagte haftet auch für die über ihren Internetanschluss begangene Rechtsverletzung als Täterin und hat damit das der Klägerin zustehende ausschließliche Nutzungsrecht widerrechtlich verletzt.

aa.)

Zwar ist es grundsätzlich Sache der Klägerin, darzulegen und zu beweisen, dass die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täterin verantwortlich ist. Es spricht jedoch eine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft der Beklagten, wenn im Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12, „BearShare“, Rn 14 f.; Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75114, „Tauschbörse III“, Rn. 37, zit. jeweils nach Juris). Diese Voraussetzungen liegen vor, sodass die Beklagte täterschaftlich haftet.

bb.)

Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, neben ihr hätten im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung 13-jähriger Sohn [Name], sowie dessen Freunde und auch Familienangehörige selbständig Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt, vermag dies die tatsächliche Vermutung für ihre Täterschaft nicht zu entkräften.

(1)

Zwar scheidet eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers aus, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten, z.B. wenn der Internetanschluss bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014 , I ZR 169/12, „BearShare“, Rn 14 f.; Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75/14, „Tauschbörse III“, Rn. 37, zit. jeweils nach Juris). Als Inhaber des Internetanschlusses trifft den Anschlussinhaber in derartigen Sachverhaltskonstellationen jedoch eine sekundäre Darlegungslast. Diese führt weder zu einer Umkehr der Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht- und Erklärungslast hinausgehenden Verpflichtung des Anschlussinhabers, dem Anspruchssteller alle für seinen Prozesserfolg benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er vorträgt, ob andere Personen und ggf. welche anderen Personen im Verletzungszeitpunkt selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss haften und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.

In diesem Umfang ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen sowie zur Mitteilung verpflichtet, welche Kenntnisse er dabei über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung gewonnen hat. Hierzu reicht der pauschale Vortrag, es bestehe bloß generell eine theoretische Zugriffsmöglichkeit Dritter, nicht aus (BGH, Urteil vom 11.06.2015, I ZR 75114, „Tauschbörse III“, Rn. 42, zit. nach Juris). Der Inhaber eines Internetanschlusses hat vielmehr nachvollziehbar vorzutragen, welche Personen mit Rücksicht auf Nutzerverhalten, Kenntnisse und Fähigkeiten sowie in zeitlicher Hinsicht Gelegenheit hatten, die fragliche Verletzungshandlung ohne Wissen und Zutun des Anschlussinhabers zu begehen (BGH, Urteil vom 27.07.2017, I ZR 68/16, „Ego-Shooter“, Rn. 13, zit. nach Juris). Diesen Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast genügt der Vortrag der Beklagten nicht.

(2)

Die Beklagte hat lediglich vorgetragen, neben ihr hätten im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung ihr 13-jähriger Sohn [Name] sowie dessen Freunde und auch Familienangehörige selbständig Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt. Weder hat die Beklagte die weiteren Personen, die nach ihrem Vortrag neben ihrem Sohn im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung selbstständig Zugriff auf ihren Internetanschluss gehabt hätten, namentlich benannt, noch zu etwaigen Nachforschungen, etwa durch die Nachfrage bei den in Betracht kommenden weiteren Personen, ob sie die streitgegenständliche Rechtsverletzung begangen haben, und den hierbei gewonnenen Kenntnissen über die Umstände einer eventuellen Verletzungshandlung vorgetragen. Diesbezüglicher Vortrag wäre jedoch spätestens dann erforderlich gewesen, als ihr Sohn [Name] im Rahmen seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor dem Amtsgericht Hannover am 24.03.2017 angegeben hat, die Rechtsverletzung nicht begangen zu haben.

(3)

Nach alledem ist die Beklagte der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast, wie das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung auch zutreffend ausgeführt hat, nicht in ausreichendem Maße nachgekommen, sodass die Beklagte die gegen sie als Anschlussinhaberin streitende tatsächliche Vermutung einer täterschaftlichen Begehung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung nicht entkräften konnte. Vor diesem Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an, ob die Beklagte ihren im Zeitpunkt der streitgegenständlichen Rechtsverletzung 13-jährigen Sohn ausreichend über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an einer Internettauschbörse belehrt und ihm eine Teilnahme daran verboten hat.

d.)

Die Klägerin kann als Schadensersatz jedenfalls den vom Amtsgericht zugesprochenen Betrag in Höhe von 500,00 EUR verlangen. Das Gericht hat den Schaden anhand des Vorbringens der Klägerin gemäß § 287 ZPO zu schätzen. Der hier im Wege der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2 S. 3 UrhG) zugesprochenen Schadensersatz in Höhe von 500,00 EUR ist danach angesichts des Umstands, dass es sich um ein 2011 veröffentlichtes Computerspiel handelt, das sich im Zeitpunkt der Rechtsverletzung im Jahr 2012 noch in der relevanten Verwertungsphase befunden hat, nicht zu beanstanden.

e.)

Darüber hinaus steht der Klägerin gemäß § 97a Abs. 1 S. 2 UrhG a.F. der zugesprochene Aufwendungsersatz für die erfolgte Abmahnung der Beklagten in Höhe von 755,80 EUR zu.

aa.)

Die erforderliche Wiederholungsgefahr wird mangels Vorliegen einer strafbewährten Unterlassungserklärung im Zeitpunkt der Abmahnung vermutet, so dass die Beklagte zur Erstattung der für die Abmahnung vom 07.06.2012 erforderlichen Kosten verpflichtet ist.

bb.)

Vor diesem Hintergrund hat die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung der ihr entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung der Beklagten in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 W RVG nach einem Gegenstandswert in Höhe von 15.000,00 EUR nebst Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 W RVG, woraus sich unter Zugrundelegung der Anlage 2 zu § 13 RVG in der hier maßgeblichen Fassung der zugesprochener Betrag in Höhe von insgesamt 755,80 EUR ergibt.

(1)

Bei der Bemessung des Gegenstandswerts ist zu berücksichtigen, dass der hierfür heranzuziehende Wert des ursprünglich geltend gemachten Unterlassungsanspruchs gemäß § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen ist. Insoweit begegnet der vom Amtsgericht zugrunde gelegte Wert in Höhe von 15.000,00 EUR keinen Bedenken. Der Unterlassungsanspruch orientiert sich im Allgemeinen an dem Interesse, dass die Klägerin bei einer Rechtsverletzung an der gerichtlichen Durchsetzung der Unterlassung der unbefugten Handlung besitzt. Dabei ist die Schwere des erfolgten Eingriffs in das Urheberrecht einzubeziehen (OLG Celle, Beschluss vom 07.12.2011, Az. 13 U 130/11, Rn. 3 m.w.N., zit. nach Juris). Weiterhin ist der sog. Angriffsfaktor zu berücksichtigen, zu dem u.a. der Charakter und der Umfang der drohenden weiteren Verletzungshandlung, die vorliegende Verschuldensform sowie das Verhalten nach der Abmahnung zählen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 10.03.2014, Az. 13 W 16/14, OLG Brandenburg, Beschluss vom 22.08.2013, Az. 6 W 31/13, Rn. 17, zit. nach Juris). Vor diesem Hintergrund lassen sich Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs aus der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung entnehmen. Als für die Bemessung des Gegenstandswerts heranzuziehende Kriterien kommen danach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke in Betracht.

(2)

Darüber hinaus können – soweit feststellbar – auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu nehmen sein (BGH, Urteil vom 12.05.2016, I ZR 1/15 „Tannöd“, Rn. 43, zit. nach Juris). Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe und angesichts der Art der Verletzungshandlung in Form des Downloads im Rahmen eines Peer-to-Peer Netzwerkes, durch den einer unbegrenzten Vielzahl von Tauschbörsenteilnehmern die Möglichkeit eröffnet worden ist, das Computerspiel kostenlos herunterzuladen und anschließend anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen ist vorliegend für den Unterlassungsanspruch jedenfalls ein Gegenstandswert In Höhe von 15.000,00 EUR sachgerecht und angemessen.

f.)

Die vom Amtsgericht zugesprochenen Zinsen rechtfertigen sich aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

2.)

Nach alledem erweist sich das Urteil des Amtsgerichts als rechtmäßig, war die hiergegen erhobene Berufung der Beklagten mithin zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

 

Dr. [Name]
Vorsitzender Richter am Landgericht

Dr. [Name]
Richter am Landgericht

Dr. [Name]
Richter am Landgericht

 

Beglaubigt
Hannover, 27.02.2018
[Name], Justizobersekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (…)

 

 

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LG Hannover, Urteil vom 26.02.2018, Az. 18 S 57/17

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