Schulenberg, Schenk Klageabweisung durch das Amtsgericht Heidelberg: Das Amtsgericht Heidelberg wendet BGH-Rechtsprechung konsequent an (Urteil vom 18.12.2015, Az. 27 C 230/15)

 

16:30 Uhr

 

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

Rechtsanwälte für Urheberrecht
Andreas Ernst Forsthoff | Nina Berg

Landhausstraße 30 | 69115 Heidelberg
Fon: 06221 434030 (Mo-Fr: 09:00 – 18:00 Uhr)
Fon: 06221 3262121 (außerhalb der Geschäftszeiten)
Fax: 06221 4340325
Web: www.rechtsanwaltskanzlei-urheberrecht.de
E-Mail: info@rechtsanwaltskanzlei-urheberrecht.de

Quelle: www.rechtsanwaltskanzlei-urheberrecht.de
Link:
http://www.rechtsanwaltskanzlei-urheberrecht.de/news/Schulenberg_Schenk_Klageabweisung_durch_das_Amtsgericht_Heidelberg
Urteil als PDF:
http://www.rechtsanwaltskanzlei-urheberrecht.de/cmshandler/download/id.8596/AGHeidelberg27C23015Urteilvom18.12.2015.pdf

~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

In einem von unserer Kanzlei geführten Verfahren hat das Amtsgericht Heidelberg die gegen unsere Mandantin gerichtete Klage der Berlin Media Art, Inh. Raymond Bacharach, vertreten durch die Kanzlei Schulenberg und Schenk aus Hamburg, abgewiesen.

In dem zu entscheidenden Fall hatte neben der Mandantin als Anschlussinhaberin auch deren Lebensgefährte selbstständigen Zugriff auf deren Internetanschluss. Wir haben die Mandantin unter anderem mit diesem Argument verteidigt und darauf hingewiesen, dass der Lebensgefährte genauso gut den Verstoß hätte begehen können. Das Amtsgericht Heidelberg ließ dies ausreichen und verwies darauf, dass wir einen Verstoß durch eine dritte Person – hier den Lebensgefährten – nicht beweisen müssten, um die Vermutung einer Täterschaft des Anschlussinhabers zu entkräften. In einem Mehrpersonenhaushalt wäre es lebensfremd, zum genauen Nutzungsverhalten der anderen Personen vorzutragen.

Hier kam außerdem noch dazu, dass der Verstoß über eine ausschließlich auf Apple-Computern funktionierende Tauschbörsensoftware begangen worden sein soll. Da die Anschlussinhaberin jedoch ausschließlich das Windows-Betriebssystem benutzt und keine Apple-Computer hat, hatte die Anschlussinhaberin somit nicht einmal die Möglichkeit, den Verstoß selbst zu begehen.

Auch eine Störerhaftung hat das Amtsgericht Heidelberg zutreffend verneint, da eine Anschlussinhaberin nicht ihren volljährigen Lebensgefährten belehren muss, keine Tauschbörsen zu benutzen.

Die Kanzlei Schulenberg und Schenk kann gegen das Urteil noch innerhalb eines Monats ab Zustellung Berufung einlegen.

 

Volltext des Urteils:

Amtsgericht Heidelberg, Urteil vom 18.12.2015, Az. 27 C 230/15

 

(…) hat das Amtsgericht Heidelberg durch die Richterin [Name] aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 03.11.2015 am 18.12.2015 für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313a ZPO abgesehen.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.

1.

Der Klägerin stehen gegen die Beklagte keine Ansprüche aus §§ 97, 97a UrhG zu.

a.

Die Beklagte haftet nicht als Täterin gern. § 97 UrhG. Die Klägerin konnte nicht unter Beweis stellen, dass die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung durch die Beklagte zum fraglichen Zeitpunkt ([Datum]) begangen wurde. Sie ist insoweit beweispflichtig geblieben.

Wird der Öffentlichkeit ein geschütztes Werk von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht nach höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. In einem solchen Fall trägt der Anschlussinhaber die sekundäre Darlegungslast dafür, dass die Rechtsverletzung von einer anderen Person begangen wurde (BGH Urteil vom 12.05.20101 ZR 121/08, NJW 2010, 2061 ff.), ohne dass er dabei eigene Nachforschung darüber anstellen muss, wer der tatsächliche Täter der Rechtsverletzung ist. Der Anschlussinhaber ist nicht gehalten, die im Rahmen der sekundären Beweislast vorgebrachten Tatsachen auch zu beweisen, um die tatsächliche Vermutung dafür, dass er für die Rechtsverletzung verantwortlich ist, zu entkräften (LG München, Urteil v. 22.03.2013, Az. 21 S 28809/11).

Die Beklagte ist ihrer aus der Ermittlung ihres Anschlusses entstandenen sekundären Darlegungslast nachgekommen. Eine Entkräftung der Vermutung zu Lasten der Beklagten als Anschlussinhaberin erfolgte durch ihren Vortrag, dass während des fraglichen Zeitraums ([Datum]) auch ihr Lebensgefährte [Name] ein eigenes Notebook die Möglichkeit hatte, über den Internetanschluss der Beklagten auf das Internet zuzugreifen. Damit hat die Beklagte die ernsthafte Möglichkeit aufgezeigt, dass auch ein Dritter, nämlich ihr Lebensgefährte, und nicht lediglich die Beklagte als Anschlussinhaberin den Internetzugang für die von der Klägerseite behauptete Rechtsverletzung genutzt hat (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12). Weiteren Vortrag bedurfte es zur Entkräftung der tatsächlichen Vermutung nicht (vgl. OLG Köln, Beschluss v. 28.05.2013, Az. 6 W 60/13). Dies könnte bei lebensnaher Betrachtung der Beklagten auch nicht erwartet werden. Leben in einem Haushalt zumindest zeitweise – mehrere Personen zusammen und nutzen diese das Internet bzw. den Internetanschluss über eigene Computer, entzieht es sich regelmäßig der Kenntnis des Anschlussinhabers, wann sich eine Person zu einem konkreten vergangenen Zeitpunkt in das Internet eingewählt hat und welche Vorgänge dort gegebenenfalls initiiert wurden. Zudem ist unstreitig, dass die streitgegenständliche Urheberrechtsverletzung über die Tauschbörsensoftware µTorrent Mac 1.5.13 erfolgt sein soll, die ausschließlich auf Apple Computern funktioniert und das Betriebssystem MAC OS voraussetzt. Nach dem – ebenfalls unstreitigen – Vortrag der Beklagten war diese in dem streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich im Besitz eines PC der Marke Lenovo mit einem Microsoft Betriebssystem. Die Beklagte hatte keinen Computer der Marke Apple und auch keinen Computer mit einem Betriebssystem MAC OS.

Die Klägerin hat nicht zu beweisen versucht, dass die Beklagten zum fraglichen Zeitpunkt den Anschluss tatsächlich selbst genutzt hat, um das zu Gunsten der Klägerin urheberrechtlich geschützt Werk „Wir wollen Sperma schlucken“ gemäß § 19a UrhG öffentlich zugänglich zu machen. Soweit die Klägerin die Zugriffsmöglichkeit des Lebensgefährten der Beklagten auf das Internet bestritten hat, geht dieses Bestreiten ins Leere.

b.

Die Beklagte haftet auch nicht als Störerin gemäß § 97a UrhG. Dies würde einen Unterlassungsanspruch begründen und voraussetzen, dass die Beklagte als Anschlussinhaberin Prüfpflichten verletzt hat (BGH, GRUR 2013, 511, 514). Zudem müsste eine solche Pflichtverletzung auch kausal für die von der Klägerseite behauptete Urheberrechtsverletzung gewesen sein. Die genannte Kausalität liegt jedenfalls nicht vor.

Vorliegend bestanden keine anlasslosen Belehrungs- und/oder Kontrollpflichten der Beklagten gegenüber ihrem Lebensgefährten. Selbst bei minderjährigen Kindern verlangt die höchstrichterliche Rechtsprechung lediglich, dass Eltern ihr Kind über die mit der Internetnutzung verbundene Gefahr von Rechtsverletzungen belehren, wobei sich Inhalt und Umfang der Belehrung nach Alter und Einsichtsfähigkeit des jeweiligen Kindes richten. Dagegen besteht keine Verpflichtung der Eltern dem Kind den Internetzugang teilweise zu versperren, die Nutzung des Internets durch das Kind ständig zu überwachen und den Computer des Kindes regelmäßig zu überprüfen (BGH, GRUR 2013, 511, 514). Vorliegend hat die Beklagte, obwohl ihr Lebensgefährte bereits längere Zeit volljährig ist, diesen ebenfalls belehrt, keine Urheberrechtsverletzungen über ihren Internetanschluss zu begehen und insbesondere auch keine Tauschbörsen zu benutzen.

2.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten außergerichtlichen RA-Kosten und Verzugszinsen. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen unter I. 1. haftete die Beklagte zu keinem Zeitpunkt als Täterin oder als Störerin auf Unterlassung aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 1, 711, 713 ZPO.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600 Euro übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Heidelberg
Kurfürsten-Anlage 15
69115 Heidelberg

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung. (…)

 

 

AG Heidelberg, Urteil vom 18.12.2015, Az. 27 C 230/15