14:32 Uhr
Gegenstand des Verfahrens: Illegales Tauschbörsenangebot urheberrechtlich geschützter Musikaufnahmen
Das Landgericht Leipzig hat in einem Berufungsverfahren das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Leipzig aufgehoben und den Beklagten wegen des illegalen Angebotes eines Musikalbums zur Zahlung von Schadensersatz, Rechtsanwaltskosten sowie der Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen in verurteilt.
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Bericht
Urteil als PDF:
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Autor:
Rechtsanwalt David Appel
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Der beklagte Anschlussinhaber hatte sich in erster Instanz damit verteidigt, dass neben ihm auch seine Ehefrau sowie die nicht mehr im Haushalt lebenden Kinder (soweit diese zu Besuch waren) Zugriff auf den streitgegenständlichen Internetanschluss hätten nehmen können.
Zu den konkreten Tagen der Rechtsverletzung hatte sich der Beklagte wie folgt eingelassen: Am ersten Tag der Rechtsverletzung seien der Beklagte und seine Ehefrau an ihren jeweiligen Arbeitsplätzen gewesen. An dem weiteren Tag hätte man sich anlässlich einer familiären Geburtstagsfeier mit den angereisten Kindern in einem Lokal in der Innenstadt aufgehalten. Ernsthafte Nachforschungsbemühungen im Sinne einer Befragung sämtlicher Familienmitglieder hatte der Beklagte nicht vorgenommen. Dies sei dem Beklagten aufgrund der familiären Verbundenheit und dem damit korrespondierenden Grundrechtsschutz nicht zumutbar gewesen.
Das Amtsgericht hatte den pauschalen Vortrag des Beklagten als ausreichend erachtet, um diesen aus der Haftung zu entlassen.
Die zuständige Berufungskammer des Landgerichts Leipzig hat nunmehr unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die aktuelle Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (insb. „Tauschbörse III“, Az. I ZR 75/14 vom 11.06.2015) die Auffassung der Klägerin bestätigt und der Berufung vollumfänglich stattgegeben:
„Allein die Behauptung einer Möglichkeit, wie hier, des Zugriffs durch Dritte genügt gerade nicht (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14, – „Tauschbörse III“, zitiert nach juris); ferner genügt es der Nachforschungspflicht nicht, wenn die vom Beklagten benannten Nutzer nicht von ihm zum Tatvorwurf befragt werden und das Ergebnis der Befragung nicht mitgeteilt wird. Hieran ändert auch die Berufung auf familiäre Zeugnisverweigerungsrechte nichts (Oberlandesgericht München, Urt. v. 14.01.2016, Az. 29 U 2593/15, zitiert nach juris).“
Zudem sei nach zutreffender Auffassung der Leipziger Kammer auch „die persönliche Anwesenheit beim Computer für die Teilnahme an einer Tauschbörse nicht Voraussetzung (BGH, Urt. v. 11.06.2015, Az. I ZR 19/14, – „Tauschbörse I“, zitiert nach juris).“
Das Landgericht positionierte sich auch klar zu der lediglich pauschal bestrittenen Aktivlegitimation der Klägerin sowie zur Ermittlung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung:
„Die Klägerin genießt urheberrechtlichen Schutz nach § 85 UrhG als Tonträgerhersteller. Die Aktivlegitimation ist durch die Aufnahme der Klägerin in die Datei „musicline“ indiziert und vom Beklagten nicht hinreichend bestritten worden, also als unstreitig nach § 138 Abs. 3 ZPO zu behandeln. Die von der Klägerin eingeführte Datei begründet ein Indiz der Rechteinhaberschaft, das die Kammer im vorliegenden Fall als substantiierten Sachvortrag wertet. Diesem Vortrag ist der Beklagte durch einfaches Bestreiten nicht hinreichend entgegengetreten.
[…]
Die Klägerin hat die Rechtsverletzung durch Angabe der Tatzeit, des Hashwertes der Datei, der IP-Adresse des Anschlusses, über den die Rechtsverletzung nach ihren Ermittlungen begangen worden ist, sowie ferner die Zuordnung der für die Begehung der Rechtsverletzung genutzten IP-Adresse dargelegt. Sie hat zudem beschrieben, dass sie die Daten über das PFS der Firma ipoque GmbH hat ermitteln lassen. Die Zuverlässigkeit der Identifizierung und die Richtigkeit der Zuordnung hat der Beklagte lediglich pauschal bestritten. Da er keine fallbezogene Fehleranfälligkeit der Software zur Ermittlung und Dokumentation der Rechtsverletzung aufgezeigt hat, ist sein Bestreiten unerheblich (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13 Tz. 18, zitiert nach juris).“
LG Leipzig, Urteil vom 25.05.2016, Az. 05 S 627/15
(…)
Ausfertigung
Landgericht Leipzig
ZivilkammerAktenzeichen: 05 S 627/15
Amtsgericht Leipzig, 110 C 481/15
Verkündet am: 25.05.2016[Name] Justizangestellte
Urkundsbeamter/in der GeschäftsstelleIM NAMEN DES VOLKES
ENDURTEIL
In dem Rechtsstreit
[Name],
– Klägerin und Berufungsklägerin –Prozessbevollmächtigte: Waldorf Frommer Rechtsanwälte, Beethovenstraße 12, 80336 München,
gegen
[Name],
– Beklagter und Berufungsbeklagter –Prozessbevollmächtigte: [Name]
wegen Schadensersatz
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Leipzig durch …
am 25.05.2016
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Leipzig vom 29.10.2015 (Az. 110 C 481/15) abgeändert:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 956,00 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2013 zu zahlen.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 956,00 EUR festgesetzt.Gründe
I.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird Bezug auf das angefochtene Urteil vom 29.10.2015 (Blatt 202 d.A) genommen. Im Übrigen wird von einer Darstellung des Sach- und Streitstandes gemäß §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO abgesehen.
Das Amtsgericht hat die auf den Vorwurf des illegalen Filesharing gestützte Klage insgesamt abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beklagte die tatsächliche Vermutung für seine Täterschaft hinreichend widerlegt habe.
Das Urteil ist der Klägerin am 02.11.2015 zugestellt worden. Sie legte dagegen mit beim Landgericht am 02.12.2015 eingegangen Schriftsatz Berufung ein, die sie nach Fristverlängerung am 22.01.2016 auch begründete.
Sie ist der Auffassung, das Amtsgericht habe die Grundsätze der sekundären Darlegungslast fehlerhaft angewendet. Insbesondere sei die in der Rechtsprechung anerkannte Nachforschungspflicht nicht hinreichend berücksichtigt worden. Die Beklagtenseite sei beweisfällig geblieben.
Der Beklagte verteidigt das amtsgerichtliche Urteil und beruft sich darauf, dass die Konstellation für eine tatsächliche Vermutung zu Lasten des Beklagten nicht ausreiche.
II.
1.
Die Berufung ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 ZPO).
2.
Die Berufung ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten pauschalen Schadensersatzansprüche und Abmahnkosten gegen den Beklagten zu.
a)
Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 450,00 EUR gemäß § 97 Abs. 2 UrhG.
aa)
Die Klägerin genießt urheberrechtlichen Schutz nach § 85 UrhG als Tonträgerhersteller. Die Aktivlegitimation ist durch die Aufnahme der Klägerin in die Datei „musicline“ indiziert und vom Beklagten nicht hinreichend bestritten worden, also als unstreitig nach § 138 Abs. 3 ZPO zu behandeln. Die von der Klägerin eingeführte Datei begründet ein Indiz der Rechteinhaberschaft, das die Kammer im vorliegenden Fall als substantiierten Sachvortrag wertet. Diesem Vortrag ist der Beklagte durch einfaches Bestreiten nicht hinreichend entgegengetreten.
bb)
Der Beklagte ist auch passivlegitimiert.
(1)
Die Klägerin hat die Rechtsverletzung durch Angabe der Tatzeit, des Hashwertes der Datei, der IP-Adresse des Anschlusses, über den die Rechtsverletzung nach ihren Ermittlungen begangen worden ist, sowie ferner die Zuordnung der für die Begehung der Rechtsverletzung genutzten IP-Adresse dargelegt. Sie hat zudem beschrieben, dass sie die Daten über das PFS der Firma ipoque GmbH hat ermitteln lassen. Die Zuverlässigkeit der Identifizierung und die Richtigkeit der Zuordnung hat der Beklagte lediglich pauschal bestritten. Da er keine fallbezogene Fehleranfälligkeit der Software zur Ermittlung und Dokumentation der Rechtsverletzung aufgezeigt hat, ist sein Bestreiten unerheblich (OLG Köln, Urteil vom 02.08.2013, Az. 6 U 10/13 Tz. 18, zitiert nach juris).
Die Klägerin hat ferner dargelegt, dass die ermittelte IP-Adresse nach Auskunft des zuständigen Internet-Providers zum ermittelten Tatzeitpunkt dem Beklagten zugeordnet war, der dessen Inhaber ist.
(2)
In dieser Eigenschaft besteht zu Lasten des Beklagten nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine tatsächliche Vermutung dafür, dass er als Anschlussinhaber für Rechtsverletzungen, die über den Anschluss begangen worden sind, verantwortlich ist (BGH, Urteil vom 15.11.2012, Az. I ZR 74/12, Tz. 33, zitiert nach juris). Beruft sich der Anschlussinhaber darauf, dass dritte Personen Zugang gehabt hätten, trifft ihn eine sekundäre Darlegungslast (BGH, Urteil vom 08.01.2014, Az. I ZR 169/12, Tz. 19 – „BearShare“). Den Anschlussinhaber trifft insoweit eine sekundäre Darlegungslast, um die tatsächliche Vermutung zu entkräften. Diese tatsächliche Vermutung kann jedoch nur dann entkräftet werden, wenn der Inhaber eine ernsthafte Möglichkeit aufzeigt, dass allein ein Dritter und nicht auch der Anschlussinhaber den Internetzugang für die behauptete Rechtsverletzung benutzt hat (BGH, a.a.O., Tz. 34). Der Anschlussinhaber ist im Rahmen des Zumutbaren insbesondere auch zu Nachforschungen verpflichtet, ob andere und wenn ja welche anderen Personen selbständigen Zugang zu seinem Internetanschluss gehabt hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen (BGH, a.a.O., Tz. 18).
Allein die Behauptung einer Möglichkeit, wie hier, des Zugriffs durch Dritte genügt gerade nicht (BGH, Urteil vom 11.06.2015, Az. I ZR 75/14, – „Tauschbörse III“, zitiert nach juris); ferner genügt es der Nachforschungspflicht nicht, wenn die vom Beklagten benannten möglichen Nutzer nicht von ihm zum Tatvorwurf befragt werden und das Ergebnis der Befragung nicht mitgeteilt wird. Hieran ändert auch die Berufung auf familiäre Zeugnisverweigerungsrechte nichts (OLG München, Urt. v.14.01.2016, Az. 29 U 2593/15, zitiert nach juris).
(3)
Die persönliche Anwesenheit beim Computer ist für die Teilnahme an einer Tauschbörse nicht Voraussetzung (BGH, Urt. v. 11.06.2015, Az. I ZR 19/14 – „Tauschbörse I“, zitiert nach juris).
cc)
Als Rechtsfolge schuldet der Beklagte hier Schadensersatz, der nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie berechnet werden kann (§§ 249 BGB; 287 ZPO). Lizenzanaloger Schaden setzt nach ständiger Rechtsprechung nicht voraus, dass der Rechteinhaber solche Lizenzverträge auf dem Markt anbietet. Die Höhe kann vom Gericht nach § 287 ZPO geschätzt werden, wobei die geltend gemachten 450,00 EUR für ein Musikalbum im Lichte der Rechtsprechung der Kammer bei einem Album mit 13 Titeln unbedenklich sind, aber auch nicht zu einer Erhöhung Anlass bieten.
b)
Die Klägerin hat gegen den Beklagten auch Anspruch auf Erstattung der ihr vorgerichtlich durch Abmahnung entstandenen Rechtsanwaltskosten in begehrter Höhe gemäß § 97a Abs. 1 UrhG a.F.
aa)
Für die Beurteilung der Rechtsanwaltskosten ist die Rechtslage im Zeitpunkt der Abmahnung zu Grunde zu legen. Die Beschränkung der einklagbaren Abmahnkosten gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG a.F. findet vorliegend keine Anwendung. Bei der hier streitgegenständlichen Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer so genannten Tauschbörse handelt es sich um eine erhebliche Rechtsverletzung, da das Angebot zum unentgeltlichen Download unbegrenzt ist und eine unkontrollierte Verbreitung im Internet die Rechte des Urhebers oder der Verwerter dadurch massiv beeinträchtigt werden.
bb)
Der von der Klägerin zu Grunde gelegte Gegenstandswert der Abmahnung in Höhe von 10.000,00 EUR ist nicht zu beanstanden. Das Unterlassungsbegehren ist ausgehend vom Interesse des Anspruchsinhabers zu bewerten. Der von der Beklagten gegebene Wert ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechungspraxis in ähnlich gelagerten Fällen angemessen, die Berechnung der Geschäftsgebühr mit einer 1,0 Gebühr gemäß Nr. 2300 VVRVG sowie gemäß Nr. 7002 RVG nicht zu beanstanden.
c)
Der Anspruch ist nicht verjährt, §§ 195, 199 Abs.1 BGB, da die zunächst bis 31.12.2014 laufende Verjährungsfrist durch Mahnbescheid und Fortführung des Verfahrens ab 29.07.2014 gehemmt war (§ 204 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BGB).
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
2.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO, 26 Nr. 8 EGZPO.
3.
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen, da die Rechtssache zum einen keine grundsätzliche Bedeutung hat und zum anderen weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
4.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 956,00 EUR festgesetzt.[Name]
Richter am Landgericht(…)
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LG Leipzig, Urteil vom 25.05.2016, Az. 05 S 627/15
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