Dr. Wachs Rechtsanwälte: Das Amtsgericht Rostock stellt an die Wiederlegung der vom BGH aufgestellten Vermutung keine hohe Anforderungen!

09:15 Uhr

Nach AW3P vorliegenden Informationen, hat das Amtsgerichts Rostock eine unbegründete Filesharing Klage der „Europool Europäische Medienbeteiligungs-GmbH“, vertreten durch die Berliner Kanzlei „Baumgarten und Brandt“, abgewiesen (Urt. v. 11.04.2016, Az. 49 C 473/14). Ein Ehepaar – beide vertragliche Anschlussinhaber – wurde 2010 wegen den vermeintlichen Download des Filmes: „Niko – Ein Rentier hebt ab“ abgemahnt. Die Beklagten, vertreten durch die Hamburger Kanzlei „Dr. Wachs Rechtsanwälte„, trugen vor, dass neben ihnen auch ihre Kinder selbstständig das Internet mitbenutzten.

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Rechtsanwalt Dr. Alexander Wachs

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Urteil als PDF (3,3 MB):
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Das Amtsgericht Rostock zweifelt schon im Grundsatz daran, dass die vom BGH aufgestellte Vermutung vorliegend greifen würde, weil der streitgegenständliche Anschluss nicht nur einer, sondern zwei Personen, nämlich den beiden Beklagten, zugeordnet sei. Bereits aus diesem Grund ließe sich nicht eindeutig herleiten, ob die behauptete Urheberechtsverletzung von dem einen oder dem anderen der beiden Anschlussinhaber begangen wurde (oder gar von einem Dritten). Berücksichtigt werden müßte auch, so dass Amtsgericht Rostock, dass an die Widerlegung der vom BGH aufgestellten Vermutung nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden können, da es der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte, dass alle Angehörigen eines Mehrpersonenhaushaltes gleichberechtigt Zugriff auf einen vorhandenen Internetanschluss haben.

 

AG Rostock, Urteil vom 11.04.2016, Az. 49 C 473/14

 

(…) – Beglaubigte Abschrift –

Aktenzeichen: 49 C 473/14

Amtsgericht Rostock

Im Namen des Volk

Urteil

In dem Rechtsstreit

[Name]
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte: [Name]

gegen

1) [Name]
– Beklagte –

2) [Name]
– Beklagter –

Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: Rechtsanwälte Dr. Wachs Rechtsanwälte, Osterstraße 116, 20259 Hamburg,

hat das Amtsgericht Rostock durch den Richter am Amtsgericht [Name] im schriftlichen Verfahren für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert wird auf 955,60 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt Erstattung von Abmahnkosten und Schadensersatz wegen Verbreitung eines Filmwerkes im Rahmen einer Datentauschbörse über den Internetanschluss des Beklagten.

Die Klägerin behauptet, Inhaberin der ausschließlichen Nutzungs- und Verwertungsrechte an dem Filmwerk „[Name]“ für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu sein.

Die Beklagten sind Inhaber eines Internetanschlusses in [Name].

Die Klägerin behauptet, dass sie im Rahmen von ihr veranlasster Ermittlungsmaßnahmen durch den Sicherheitsdienstleister [Name] festgestellt habe, dass über den Internetanschluss der Beklagten am [Datum] um [Uhrzeit] Uhr im Rahmen eines Filesharing-Systems über die IP-Adresse [IP] ohne ihre Zustimmung Dateien des o.a. Filmwerkes zum Download angeboten wurden.

Die betreffende IP-Adresse sei zum fraglichen Zeitpunkt dem Internetzugang der Beklagten zugeordnet gewesen.

Aufgrund eines von der Klägerin erwirkten Beschlusses des Landgericht [Name] vom [Datum] wurde der Klägerin durch die [Provider] als lnternetprovider die Beklagten als Inhaberin des Anschlusses, denen zum fraglichen Zeitpunkt die IP-Adresse zugeordnet war, mitgeteilt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom [Datum] ließ die Klägerin über ihre Prozessbevollmächtigten die Beklagten wegen des behaupteten Urheberrechtsverstoßes vom [Datum] abmahnen und zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungs- / Verpflichtungserklärung auffordern. Die Beklagten haben das darin enthaltene Angebot, an die Klägerin einen pauschalen Abgeltungsbetrag in Höhe von 850,00 EUR zu zahlen, nicht angenommen.

Wegen des weiteren Inhaltes wird auf den Beschluss des LG [Name], die Mitteilung der [Provider] und das Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom [Datum] Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die Beklagten die gegen sie sprechende Vermutung nicht widerlegt haben und auch den an ihre sekundäre Darlegungslast zu stellenden Anforderungen nicht hinreichend nachgekommen seien. Sie bestreitet, dass die Urheberrechtsverletzung von einem Familienangehörigen der Beklagten begangen wurden.

Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz in Höhe von wenigstens 400,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie
2. die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 555,60 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragen,
die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, die behauptete Urheberrechtsverletzung selbst begangen zu haben. In ihrem Haushalt hätten zum Tatzeitpunkt der volljährige Sohn und ihr Ehemann gelebt, die Zugang zum Internetanschluss der Beklagten gehabt hätten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet und deshalb abzuweisen.

1.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichtes Rostock ergibt sich aus § 4 Abs. 2 der Verordnung über die Konzentration von Zuständigkeiten der Gerichte (KonzVO) vom 28.03.1994 (GVO-Bl. M-V S. 514).

Danach sind dem Amtsgericht Rostock alle urheberrechtlichen Streitigkeiten für den Bezirk des Oberlandesgerichtes Rostock zugewiesen.

2.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz aus §§ 97 Abs. 2, 97a UrhG, 280 ff, 823, 832 BGB.

Es kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin zum maßgeblichen Zeitpunkt Inhaberin der hier maßgeblichen Nutzungs- und Verwertungsrechte für das gem. § 2 Nr. 6 UrhG geschützte Filmwerk „[Name]“ gewesen ist.

Denn nach der Beweisaufnahme steht nicht mit der erforderlichen Sicherheit fest, dass die Beklagten in diese Rechte widerrechtlich eingegriffen haben, indem sie das Filmwerk betreffende Dateien am [Datum] über den auf sie zugelassenen Internetanschluss zum Download anbot.

Die Klägerin trägt nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruches bestehen, dass also die Beklagte für die von ihr behauptete Urheberrechtsverletzung als Täter verantwortlich ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtssprechung spricht allerdings eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Inhaber eines Internetanschlusses auch der Täter ist, wenn nicht zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung auch andere Personen Zugriff auf den Anschluss hatten (vgl. BGH, Urteil vom 08.01.2014, I ZR 169/12 – „BearShare“). Ob diese Vermutung auch vorliegend greift, ist allerdings bereits deshalb fraglich, weil der hier streitgegenständliche Anschluss nicht nur einer, sondern zwei Personen, nämlich den beiden Beklagten, zugeordnet ist. Bereits aus diesem Grund lässt sich nicht eindeutig herleiten, ob die behauptete Urheberechtsverletzung von dem einen oder dem anderen der beiden Anschlussinhaber begangen wurde (oder von einem Dritten).

Nach der schriftlichen Vernehmung der Kinder der Beklagten hatten zum streitgegenständlichen Zeitpunkt im Jahre [Jahr] zudem auch diese Zugang zum Internetanschluss der Beklagten. Diese Darstellung erscheint als lebensnah und gibt auch vor dem Hintergrund der familiären Bindung zwischen den Zeugen und den Beklagten keinen Anlass zum Zweifel.

Die Beklagte sind auch ihrer weiteren sekundären Darlegungslast nachgekommen. So haben diese vorgetragen, dass und wie ihre Kinder den Internetanschluss nutzen und dass sie dies auch am Tattag getan haben. Die Beklagte sind damit ihren Nachforschungspflichten hinreichend nachgekommen, da berücksichtigt werden muss, dass vor dem Hintergrund des besonderen Schutzes, den die Familie genießt, nicht erwartet werden kann, dass kriminalistische Aufklärungsarbeit gegenüber Familienangehörigen geleistet wird.

Berücksichtigt werden muss auch, dass an die Widerlegung der vom BGH in der bereits zitierten Entscheidung aufgestellte Vermutung nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden können, da es der Lebenswirklichkeit entsprechen dürfte, dass alle Angehörigen eines Mehrpersonenhaushaltes gleichberechtigt Zugriff auf einen vorhandenen Internetanschluss haben.

Die Klägerin hat damit nicht den Nachweis erbracht, dass die Beklagten Täter der Urheberechtsverletzung gewesen ist, da die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass diese entweder allein von dem jeweils anderen Beklagten, oder aber von einem ihrer Kinder begangen wurde.

3.

Die Beklagten haftet auch nicht als Störer.

Als Störer kann nach allgemeinen Regeln bei der Verletzung absoluter Recht in Anspruch genommen werden, wer – ohne Täter oder Teilnehmer zu sein – in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt.

Die Haftung der Beklagten unter diesem Gesichtspunkt scheitert jedoch bereits daran, dass nicht feststeht, dass der Download durch einen unberechtigten Dritten aufgrund unzureichender Sicherungsmaßnahmen erfolgte. Denn vorliegend ist die täterschaftliche Haftung eines bestimmten berechtigten Nutzers nicht ausgeschlossen, so dass eine Haftung als Störer ausscheidet, vgl. LG Köln, ZUM 2013, S. 66; OLG Köln Beschluss vom 28.05.2031, Az. 6 W 60/13, da sich eine möglicherweise unzureichende Sicherung in diesem Fall nicht kausal ausgewirkt hätte.

Schließlich ergibt sich eine Haftung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Aufsichtspflicht, da die Beweisaufnahme auch ergab dass die Beklagten ihre Kinder ausreichend belehrt haben und nicht feststeht, dass die Beklagten aufgrund entsprechender Anhaltspunkte besonderen Aufsichtspflichten nachkommen mussten.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Der Streitwert wird auf 955,60 EUR festgesetzt.

 

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen die Entscheidung kann das Rechtsmittel der Berufung eingelegt werden. Die Berufung ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR übersteigt oder das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung im Urteil zugelassen hat.

Die Berufung ist binnen einer Notfrist von einem Monat bei dem

Landgericht Rostock
August-Bebel-Straße 15 – 20
18055 Rostock

einzulegen.

Die Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung der Entscheidung.

Die Berufung muss mit Schriftsatz durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt eingelegt werden. Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung der angefochtenen Entscheidung und die Erklärung enthalten, dass Berufung eingelegt werde.

Die Berufung muss binnen zwei Monaten mit Anwaltsschriftsatz begründet werden. Auch diese Frist beginnt mit der Zustellung der vollständigen Entscheidung.

Gegen die Entscheidung, mit der der Streitwert festgesetzt worden ist, kann Beschwerde eingelegt werden, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder das Gericht die Beschwerde zugelassen hat.

Die Beschwerde ist binnen sechs Monaten bei dem

Amtsgericht Rostock
Zochstraße 13
18057 Rostock

einzulegen.

Die Frist beginnt mit Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung in der Hauptsache oder der anderweitigen Erledigung des Verfahrens. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf der sechsmonatigen Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht.

Die Beschwerde ist schriftlich einzulegen oder durch Erklärung zu Protokoll der Geschäftsstelle des genannten Gerichts. Sie kann auch vor der Geschäftsstelle jedes Amtsgerichts zu Protokoll erklärt werden; die Frist ist jedoch nur gewahrt, wenn das Protokoll rechtzeitig bei dem oben genannten Gericht eingeht. Eine anwaltliche Mitwirkung ist nicht vorgeschrieben.

[Name]
Richter am Amtsgericht

Verkündet am 11.04.2016

[Name], JHS’in
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

[Dienstsiegel]

Beglaubigt
Rostock, 14.04.2016

[Name]
Justizhauptsekretärin (…)

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AG Rostock, Urteil vom 11.04.2016, Az. 49 C 473/14

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