15:37 Uhr
Seit dem „BearShare“-Urteil (Urt. v. 08. Januar 2014 – I ZR 169/12 – „BearShare“) des Bundesgerichtshofs (BGH) steht fest, dass eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht besteht, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere volljährige Familienmitglieder diesen Anschluss benutzen konnte.
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Rechtsanwalt Christian Solmecke, LL.M.
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Bericht
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Das bedeutet, dass der Anschlussinhaber in einem Filesharing Verfahren lediglich vortragen muss, dass Dritte Zugriff auf den Anschluss hatten oder der Anschluss nicht hinreichend gesichert war um die Vermutung für seine Täterschaft zu widerlegen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.
Unklar blieb bislang was genau im Rahmen dieser Nachforschungspflicht als zumutbar gilt und was nicht. Dies könnte sich mit der Entscheidung des BGH im Oktober ändern.
W-LAN Router gehackt + Zugriffe der Ehefrau
Im zu verhandelnden Fall wurde der Anschlussinhaber für den Tausch des Films „Resident Evil: Afterlife 3D“ in Anspruch genommen. Dabei hatte auch seine Ehefrau Zugriff auf den Anschluss. Vor dem Amtsgericht Braunschweig trug er zu seiner Verteidigung vor, dass der Router von der Telekom, den er nach dem neuesten Stand der Technik verschlüsselt und mit einem Passwort gesichert hatte, eine Sicherheitslücke aufwies. Dritte konnten bei aktivierter WPS-Funktion ohne Probleme Zugriff auf den Anschluss bekommen.
Erste Instanz weist Klage wegen Sicherheitslücke im Router ab
Das Amtsgericht Braunschweig hat nach diesem Vortrag die Klage für unbegründet erklärt und einen Anspruch auf Zahlung von Abmahn- und Schadensersatzkosten abgelehnt (Urteil vom 27.08.2014, Az. 117 C 1049/14). Durch die Sicherheitslücke des Routers hat das Gericht die Möglichkeit eines Zugriffs durch Dritte als möglich angesehen und somit den Anspruch der Rechteinhaberin abgelehnt. Ob möglicherweise die Ehefrau für die Rechtsverletzung verantwortlich war, wurde nicht mehr hinterfragt.
Diese Frage war dann Gegenstand des Verfahrens in der zweiten Instanz vor dem Landgericht Braunschweig.
Anschlussinhaber muss möglichen Täter nicht ausfindig machen
Die Klägerin stellte sich hier auf den Standpunkt, dass der Anschlussinhaber im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast verpflichtet war, Nachforschungen zum tatsächlichen Täter anzustellen und Ergebnisse mitzuteilen. Dieser habe jedoch lediglich geltend gemacht, dass auch seine Frau zu dem Zeitpunkt der Urheberrechtsverletzung Zugriff auf den Anschluss gehabt habe. Dies reiche nach Ansicht der Klägerin nicht aus.
Das LG Braunschweig hat die Klage jedoch mit der Begründung abgewiesen, dass die tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nur dann eingreife, wenn es sich bei dem Anschlussinhaber um den alleinigen Nutzer des Anschlusses handelt, also nicht in den Fällen, in denen Familienangehörige oder Bekannte des Anschlussinhabers bzw. unberechtigte Dritte als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen.
Dem Anschlussinhaber obliege im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nur die Pflicht darzulegen, ob die Voraussetzungen, unter denen die tatsächliche Vermutung eingreift, vorliegen oder nicht. Dem sei der Beklagte nachgekommen, indem er seine Ehefrau als Mitnutzerin des Internetanschlusses benannt und konkret zum eingesetzten Router und der im Zusammenhang mit dem Router bestehenden Sicherheitslücke vorgetragen hat. Eines weiteren Vortrages bedurfte es nach Ansicht der Kammer nicht.
Zwar sei der Beklagte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast auch zu zumutbaren Nachforschungen verpflichtet. Bisher sei höchstrichterlich jedoch noch nicht geklärt, wie weit diese Nachforschungspflicht reicht und wie substantiiert der Vortrag des Beklagten zur Mitbenutzungsmöglichkeit seines Anschlusses durch Dritte sein muss. Nach Auffassung der Kammer genügt es insoweit nicht, wenn pauschal behauptet wird, der Anschluss sei von Dritten mitgenutzt oder „gehackt“ worden. Ausreichend sei hingegen, wenn der Anschlussinhaber ermittelt und mitteilt, welche Familienmitglieder im Zeitpunkt der Rechtsverletzung regelmäßig mitbenutzt haben.
Nicht mehr zumutbar sei es nach Auffassung der Kammer, dass der Beklagte den konkreten Täter benennt. Es sei auch weder notwendig die Computer auf Filesharing Software zu untersuchen, noch sei ein konkreter Vortrag zu den An- bzw. Abwesenheitszeiten des Anschlussinhabers und der benannten Mitbenutzer im genauen Zeitpunkt der Rechtsverletzung erforderlich.
Diesen Anforderungen sei der Beklagten nicht nur nachgekommen, sondern habe sogar bewiesen, dass seine Ehefrau ebenfalls als Täterin der Rechtsverletzung in Betracht kommt. Aus Sicht des Gerichts konnte die Klägerin daher nicht beweisen, dass der Anschlussinhaber Täter war und hat sodann – ohne, dass es noch auf die Sicherheitslücke des Routers ankam – die Berufung zurückgewiesen.
Nun bleibt mit Spannung zu erwarten, ob auch der BGH diesen Sachverhalt so bewerten wird und ob er sich endlich umfassend zur Nachforschungspflicht des Anschlussinhabers in Filesharing Verfahren äußern wird. Wir werden über den Ausgang des Verfahrens selbstverständlich hier berichten. (JEB)
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