IT-Recht-Kanzlei Gerth: Amtsgericht Aschaffenburg – Debcon GmbH nach negativer Feststellungsklage verurteilt

15:42 Uhr

Die IT-Kanzlei Gerth hat für einen Anschlussinhaber in einem Verfahren wegen angeblichem Filesharing vor dem AG Aschaffenburg negative Feststellungsklage gegen die Debcon GmbH erhoben, nachdem diese den Anschlussinhaber mehrfach angeschrieben hat.

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ra_gerth

Jan H. Gerth
Rechtsanwalt

Fachanwalt für Informationstechnologierecht
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz

 

IT-Recht-Kanzlei Gerth

Berliner Str. 25 | 33813 Oerlinghausen
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Bericht

Link:
http://oerlinghauser-it-recht.blogspot.de/2016/10/ag-aschaffenburg-debcon-gmbh-nach.html

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Das Amtsgericht Aschaffenburg hat die Debcon GmbH wie von Rechtsanwalt Jan Gerth beantragt verurteilt.

 

AG Aschaffenburg, Az. 123 C 0000/14

 

(…) Amtsgericht Aschaffenburg

Az. 123 C 0000/14

IM NAMEN DES VOLKES

In dem Rechtsstreit

[Name]
– Klägerin –

Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt Jan H. Gerth, Berliner Straße 25, 33813 Oerlinghausen,

gegen

[Name]
– Beklagte –

wegen negativer Feststellung

erlässt das Amtsgericht Aschaffenburg durch die Richterin am Amtsgericht [Name] xx.xx.2016 ohne mündliche Verhandlung gemäß § 495a ZPO folgendes

Endurteil

Es wird festgestellt, dass die Beklagte keinen Anspruch gegen die Klägerin auf 250,00 EUR hat.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 250,00 EUR festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.

Die negative Feststellungsklage ist zulässig gem. § 256 ZPO, insbesondere ist im Hinblick auf die Anspruchsberühmung der Beklagten das besondere Feststellungsinteresse der Klägerin gegeben.

Die Klage ist auch begründet, denn der Beklagten steht kein Anspruch auf 250,00 EUR Schadenersatz aus Lizenzanalogie aus abgetretenem Recht wegen einer behaupteten Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Tauschbörse durch die Klägerin zu.

Es fehlt bereits an der Aktivlegitimation der Beklagten für einen solchen Anspruch. Wie die Klägerseite zutreffend hingewiesen hat, ist ein Anspruch bereits deshalb nicht ersichtlich, da eine Abtretung nicht substantiiert dargetan, geschweige denn unter Beweis gestellt ist durch die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte. Weder ist eine Abtretungserklärung vorgelegt worden noch vorgetragen worden, wann durch den Berechtigten eine Abtretung erfolgt sein soll. Weiter wurde zu der mit Nichtwissen bestrittenen Urheberrechtsinhaberschaft des behaupteten Rechtsinhabers und Zedenten, einer [Name], einer Agentur, keines Komponisten, Sängers oder Produktionsunternehmens nicht substantiiert dargelegt, sondern lediglich ohne statthaften Beweisantritt behauptet. Ob das behauptete Urheber- oder Verwertungsrecht tatsächlich bestand, ist im vorliegenden Verfahren zu prüfen. Vortrag in Vorverfahren, insbesondere ein unsubstantiierter Verweis auf ein Verfahren, das zu der angeblichen Ermittlung der IP-Adresse der Klägerin führte, ist nicht geeignet, im vorliegenden Verfahren berücksichtigt zu werden, zumal die Prüfung eines vorbefassten Gerichts nicht die eigene Prüfung des nun zur Entscheidung berufenen Gerichts ersetzt.

Weiter ist auch die Ermittlung der IP-Anschrift der Klägerin als einem bei einer Rechtsverletzung verwendeten Internetzugang nicht substantiiert vorgetragen. Nachdem die Klägerin unbestritten vorträgt, zum fraglichen Zeitpunkt nicht [Provider 1]-Kunde gewesen zu sein, sondern bei [Provider 2] Internetkunde gewesen zu sein, ist ein Anhaltspunkt für die Richtigkeit der Ermittlung der Daten der Klägerin durch die angebliche Zedentin bzw. deren Beauftragte nicht gegeben.

Schließlich wäre ein Anspruch der Beklagten auch verjährt. Da sowohl die Rechtsverletzung als auch die in Bezug genommene Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs wegen Lizenzanalogie in 2010 erfolgt sein sollen – beides blieb bestritten durch die Klägerin – , begann gem. § 199 Abs. 1 BGB die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2010 zu laufen, so dass mangels verjährungshemmender Maßnahmen die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2013, wie der Klägervertreter richtigstellte, eintrat gem. § 195 BGB in der regelmäßigen dreijährigen Verjährungsfrist.

Soweit die Beklagte meint, gemäß § 102 Satz 2 UrhG in Verbindung mit § 852 BGB betrage die Verjährungsfrist des Schadensersatzanspruches zehn Jahre, so verkennt die Beklagte, dass § 852 BGB die Verjährungsfrist verlängert für Ansprüche auf Herausgabe desjenigen, was der Verletzer durch die Rechtsgutverletzung erlangt hat. Die insoweit von der Beklagtenseite angeführte Entscheidung des BGH vom 27.10.2011, I ZR 175/10 („Bochumer Weihnachtsmarkt“), der unter Bezugnahme auf die Entscheidung BGH vom 29.04.2010, I ZR 68/08 („Restwertbörse“) darlegt, dass – unter Verwendung von Lichtbildern in der Entscheidung Restwertbörse, in der Entscheidung Bochumer Weihnachtsmarkt unter Abspielen von geschützter Musik auf einem Weihnachtsmarkt – der jeweilige. Rechtsverletzer durch die Verletzung der von der Gegenseite wahrgenommenen Urheberrechte auf Kosten der jeweiligen Klagepartei etwas im Sinne von § 102 Satz 2 UrhG erlangt habe, nämlich den Gebrauch des jeweils geschützten Rechts ohne rechtlichen Grund, verkennt, dass § 102 Satz 1 UrhG als Regelverjährung gerade für die Verletzung· von Urheberrechten auf Abschnitt 5 des 1. Buches des BGB, beginnend mit § 194 BGB, verweist, mithin auf das im Allgemeinen Teil des BGB geregelte Verjährungsrecht und die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB. Bei einer Rechtsverletzung nach § 97 UrhG liegt per se immer ein Eingriff in das Urheberrecht des geschützten Rechteinhabers vor, mit der Folge, dass der BGH mit seiner Rechtsprechung entgegen § 102 Satz 1 UrhG die Verjährung für den Regelfall auf zehn  Jahr ausdehnen würde. Das Gericht folgt deshalb dieser Rechtsprechung nicht, da tatsächlich eine zehnjährige Verjährung im Sinne des § 852 BGB nur dann eine Entsprechung findet bei der Verletzung von Urheberrechten, wenn der Schädiger tatsächlich etwas erlangt aus der Rechtsgutsverletzung, ihm also neben dem Vergnügen oder einer Ersparnis aus der Rechtsverletzung zudem noch Vermögensvorteile tatsächlich zufließen, auf deren Behaltendürfen er, wie § 852 BGB für andere Rechtsgutsverletzungen vorsieht, länger als drei Jahre kein Recht haben soll (ebenso LG Bielefeld vom 13.01.2016, Az. 20 S 132/15). Das Filesharing, bei dem jeder einzelne Teilnehmer in einer Tauschbörse auch nur einzelne Datenpakete, niemals allein das ganze Musikstück, Dritten zugänglich macht, was gerade das Prinzip des Filesharings darstellt, gibt dem einzelnen Teilnehmer mithin keinen Mehrwert bei dem Zurverfügungstellen von Daten, im Netzwerk, um anderen einen Zugang zu dem kompletten Musikstück oder anderen Werken zu eröffnen, sondern er erlangt einen Vermögensvorteil nur in dem einmaligen oder mehrmaligen Einsparen von Ausgaben durch Unterbleiben des Erwerbs eines Datenträgers z.B. einer CD oder einer kostenpflichtig herunterzuladenden Datei. Ein Zufluss von Vermögenswerten aus der unerlaubten Handlung, den § 852 BGB sanktioniert, findet hingegen nicht statt. Das Gericht sieht deshalb die dreijährige Verjährung als zutreffend an. Die Durchsetzung des Schadensersatzanspruches der Beklagten aus abgetretenem Recht, so denn einer bestehen würde, wäre somit zudem verjährt. Da der Anspruch der Beklagten nicht besteht, ist die negative Feststellungsklage begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt § 3 ZPO. (…)

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AG Aschaffenburg, Az. 123 C 0000/14

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